Verwaltungsrecht

keine Verlängerung des AufenthaltstitelS bei ausgelöster Ehe.

Aktenzeichen  AN 5 K 18.00739

Datum:
19.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30347
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 31 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4

 

Leitsatz

1. Ein Anspruch auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis aus § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG besteht nicht, wenn die Ehe nicht mehr besteht. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein für die Zukunft geltender Aufenthaltstitel, der im Wege des Verlängerungsermessens gemäß § 31 Abs. 4 S. 2 AufenthG begehrt wird, setzt das Bestehen einer Ehe voraus. (Rn. 24 – 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid vom 20. März 2018 nicht rechtswidrig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, da die am … 2015 in der Türkei geschlossene Ehe bereits mit Endbeschluss des Amtsgerichts … vom 19. Januar 2018 geschieden wurde, der Kläger am 9. Juli 2016 in das Bundesgebiet eingereist ist und die Eheleute bereits seit Februar 2017 getrennt leben.
Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gem. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 28 Abs. 3 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 31 Abs. 2 AufenthG als eigenständiges Aufenthaltsrecht. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten, mit dem die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt wurde, ist insoweit nicht zu beanstanden.
Gemäß § 31 Abs. 1 AufenthG wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft die Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat und der deutsche Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Danach kann die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG nicht vorliegen (vgl. § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG).
Im vorliegenden Fall kann eine isoliert auf § 31 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AufenthG gestützte Aufenthaltserlaubnis nicht mehr erteilt werden, denn eine solche auf ein Jahr begrenzte Aufenthaltserlaubnis kommt nur als Verlängerung einer bereits erteilten ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis in Betracht und entsteht mit deren Ablauf (BVerwG, U.v.10.12.2013 – 1 C 1.13 – juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 22.6.2011 – 1 C 5.10 – juris Rn. 13). Nachdem dem Kläger von der Beklagten am 7. November 2016 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG mit einer Gültigkeitsdauer bis 24. September 2017 erteilt worden ist, könnte eine auf § 31 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AufenthG gestützte Aufenthaltserlaubnis daher nur mit einer Gültigkeitsdauer vom 25. September 2017 bis 24. September 2018 erteilt werden.
Der Kläger kann insofern für den von ihm begehrten künftigen Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ausübung des Verlängerungsermessens gemäß § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG geltend machen, für den der Anspruch gemäß § 31 Abs. 1 AufenthG Voraussetzung ist. Die der Sache nach begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG käme demzufolge nur in Betracht, wenn dem Kläger vom 25. September 2017 bis 24. September 2018 ein Verlängerungsanspruch nach § 31 Abs. 1 AufenthG zugestanden hätte (vgl. BVerwG, U.v. 22.5.2011 – 1 C 5/10 – juris Rn. 13).
Dies ist jedoch nicht der Fall. Grundsätzlich kommt es bei der insoweit vorliegenden Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts an. (vgl. BVerwG, u.v. 7.4.2009 – 1 C 17.08 – juris Rn. 10). Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn besondere Gründe des anzuwendenden materiellen Rechts es gebieten, auf einen früheren Zeitpunkt abzustellen. Dies ist hier insoweit geboten, als das Begehren des Klägers sich zunächst auf eine eigenständige Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AufenthG gerichtet hat, die im Anschluss an die eheabhängige Aufenthaltserlaubnis (nur) für ein Jahr beansprucht werden kann, während danach die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis im Ermessen der Behörde steht (§ 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Da ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AufenthG damit allenfalls für einen vergangenen Zeitraum bestehen kann, kommt es insoweit jedenfalls hinsichtlich der Sachlage zwangsläufig auf die damaligen Umstände an (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2009 – 1 C 11.08 – juris Rn. 19).
Ein Anspruch des Klägers auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ergibt sich nicht aus § 31 Abs. 1 AufenthG. Danach wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft die Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat und der deutsche Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die eheliche Lebensgemeinschaft hat vorliegend nicht mindestens drei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden, da die am 1. Juni 2015 in der Türkei geschlossene Ehe bereits am 19. Januar 2018 geschieden wurde, der Kläger erst am 9. Juli 2016 in das Bundesgebiet eingereist ist und die Eheleute bereits seit Februar 2017 getrennt sind.
Zwar ist gem. § 31 Abs. 2 AufenthG von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Eine besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist. Eine besondere Härte liegt hier aber nicht vor.
Eine erhebliche Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung (1. Alt.) ist seitens des Klägers nicht geltend gemacht. Dem Kläger war aber auch das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange nicht unzumutbar (2. Alt.). Schutzwürdige Belange sind vor allem die persönliche Selbstbestimmung, die körperliche Integrität und die persönliche Freiheit (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2008 – 19 ZB 08.259 – juris Rn. 27).
Der Kläger hat durch seinen Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung am 19. November 2019 unter Bezugnahme auf sein Schreiben im Rahmen der Anhörung vom 4. Januar 2018 vorgetragen, dass er im Dezember 2016 Opfer häuslicher Gewalt geworden sei. Seine Ex-Frau habe ihn mit dem Nudelholz geschlagen. Er habe dies auch angezeigt und ein polizeiliches Kontaktverbot erwirkt. Auch habe er im Rahmen der Anzeige angegeben, dass die Ex-Frau versucht habe, ihm Schlafmittel zu verabreichen. Der Kläger habe sich jedoch wieder mit seiner damaligen Ehefrau versöhnt und von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Im Hinblick auf das Vorliegen einer besonderen Härte werde daher angeregt, die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft … Az.: 109 Js 10974/16 in hiesigem Verfahren beizuziehen. Alleine mit der Vermutung, dass die Ex-Frau versucht habe, ihm Schlafmittel zu verabreichen und dem Hinweis auf das gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellte Ermittlungsverfahren ist jedoch nicht substantiiert dargetan, dass es dem Kläger unzumutbar gewesen wäre, an der ehelichen Lebensgemeinschaft festzuhalten. Konkreter, belegter Sachvortrag zu der angeblich von der Ex-Frau zu Lasten des Klägers begangenen gefährlichen Körperverletzung – die im Übrigen bei entsprechend konkretem Tatverdacht von der Staatsanwaltschaft … auch auf Grund öffentlichen Interesses weiterverfolgt worden wäre – ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht erfolgt. Die entsprechende Beweisanregung erweist sich daher als ein ins Blaue gerichteter Ausforschungsantrag (§ 244 Abs. 3 Satz 2 4, Alt. StPO).
Zudem hat die Beklagte in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt, dass die Trennung der Eheleute unstreitig von der Ex-Frau des Klägers ausgegangen ist, denn sie hat schon im Februar 2017 die Trennung angezeigt und im März 2017 die Scheidung beantragt. Es fehlt daher im vorliegenden Fall jedenfalls an der von der Rechtsprechung regelmäßig geforderten Kausalität zwischen der Gewalt in der Ehe und der Trennung (vgl. BayVGH, B.v. 25.6.2018 – 10 ZB 17.2436 – juris Rn. 12). Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich der Kläger, nachdem er für einige Monate in die Türkei ausgereist war, wieder bei seiner Ex-Frau angemeldet hat und noch am 6. September 2017 die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis unter Angabe des Zwecks „Ehe“ – die zu diesem Zeitpunkt offensichtlich ohnehin nicht mehr gelebt wurde – beantragt hat. Erst im Rahmen der Anhörung zu dem beabsichtigten streitgegenständlichen Bescheid ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 4. Januar 2018 eine besondere Härte im Sinne des § 31 Abs. 2, S. 2. Alt AufenthG unter Verweis auf das von dem Kläger gegen seine Ex-Frau im Dezember 2016 erwirkte Kontaktverbot vortragen.
Die Beklagte hat auch ohne Rechtsfehler die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Ermessenswege gem. § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG abgelehnt.
Ist somit die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis rechtlich nicht zu beanstanden, so sind auch die ausländerrechtlichen Annexentscheidungen unter Ziffer 2 und 3 des angefochtenen Bescheids, die Abschiebungsandrohung und die dem Kläger zur freiwilligen Ausreise gesetzte Frist, nicht zu beanstanden. Sie finden ihre Rechtsgrundlage in § 59 AufenthG. Keinen Bedenken begegnet auch die Befristung der Wirkungen einer eventuellen Abschiebung auf drei Jahre unter Ziffer 4 des angefochtenen Bescheids.
Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen insgesamt auf den streitgegenständlichen Bescheid vom 20. März 2018 Bezug genommen und von einer weiteren Begründung gemäß § 117 Abs. 5 VwGO abgesehen.
Da die Beklagte den Antrag des Klägers auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis demnach zu Recht abgelehnt hat, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.


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