Verwaltungsrecht

keine Verletzung rechtlichen Gehörs

Aktenzeichen  9 ZB 19.33518

Datum:
15.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27577
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 3

 

Leitsatz

Aus dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs folgt keine Pflicht des Gerichts zur umfassenden Erörterung sämtlicher entscheidungserheblicher Gesichtspunkte.  (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 4 K 19.30615 2019-08-16 VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2019 – 9 ZB 19.32968 – juris Rn. 3). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
1. Hinsichtlich der aufgeworfenen Frage, „ob in Fällen vermeintlicher Widersprüche eines Asylbewerbers, dessen Sachvortrag sowohl beim Bundesamt als auch im Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht jeweils von dem Dolmetscher übersetzt worden ist, diesem noch in der mündlichen Verhandlung ein richterlicher Hinweis zu den vermeintlichen Widersprüchen erteilt und Gelegenheit zu deren Auflösung gegeben werden muss, um Missverständnisse bei der Aufnahme des Sachvortrags bzw. Übertragungsfehler durch den Dolmetscher auszuschließen“, fehlt es jedenfalls an der ausreichenden Darlegung der allgemeinen Klärungsbedürftigkeit.
Es ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass aus dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 103 Abs. 1 GG), auch in der Ausprägung, den er in § 86 Abs. 3 VwGO gefunden hat, keine Pflicht des Gerichts zur umfassenden Erörterung sämtlicher entscheidungserheblicher Gesichtspunkte folgt. Das Tatsachengericht ist nicht verpflichtet, die Beteiligten schon in der mündlichen Verhandlung auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinzuweisen und offen zu legen, wie es seine Entscheidung im Einzelfall zu begründen beabsichtigt (vgl. BVerwG, B.v. 30.3.2016 – 5 B 11.16 – juris Rn. 20 m.w.N.; BayVGH, B.v. 26.3.2019 – 9 ZB 19.30143 – juris Rn. 8). Eine den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs konkretisierende gerichtliche Hinweispflicht – zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung – besteht nur dann, wenn auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht mit einer bestimmten Bewertung seines Sachvortrags durch das Verwaltungsgericht zu rechnen braucht (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 27.7.2015 – 9 B 33.15 – NJW 2015, 3386; B.v. 23.1.2014 – 1 B 12.13 – juris Rn. 11 m.w.N.). Aus den asylspezifischen Anforderungen an die gerichtliche Ermittlungstiefe nach § 86 Abs. 1 VwGO folgen keine weitergehenden Anforderungen an die gerichtliche Hinweispflicht. Dass es im Asylverfahren, soweit entscheidungserheblich, stets auch um die Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers und die Glaubhaftigkeit seines Vortrags geht, ist selbstverständlich und bedarf grundsätzlich nicht des besonderen Hinweises durch das Gericht (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2001 – 1 B 347.01 – juris Rn. 4 m.w.N.; BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 9 ZB 13.30236 – juris Rn. 35).
Für eine Überraschungsentscheidung wird danach in der Antragsbegründung nichts Relevantes aufgezeigt, so dass auch der Zulassungsgrund der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG), so er denn geltend gemacht worden wäre, nicht vorliegen würde (vgl. BayVGH, B.v. 2.8.2019 – 15 ZB 19.32569 – juris Rn. 12).
b) In Bezug auf die aufgeworfene Frage, „ob Flüchtlinge aus Sierra Leone, die an einer ärztlich bestätigten depressiven Störung mit Stimmungsverschlechterung, Suizidgedanken, Gedankenkreisen, Schlafstörungen und Antriebsminderung leiden sowie eine engmaschige psychiatrische Versorgung benötigen, diese bei einer Rückkehr in ihr Heimatland überhaupt erhalten können und ihnen deshalb auf Grund der in Sierra Leone festzustellenden problematischen humanitären Situation Gefahr für Leib oder Leben droht“ und die weitere Frage: „Kann in dem Fall, in dem ein im Asylverfahren vorgelegtes ärztliches Attest nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 60a Abs. 2c und d AufenthG genügt, die darin beschriebene/diagnostizierte gesundheitliche Beeinträchtigung des Asylbewerbers dennoch als Umstand gewertet werden, der ein Hindernis bei der Erwirtschaftung des Existenzminimums darstellt?“, ist bereits die Entscheidungserheblichkeit nicht ausreichend dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat die vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten ärztlichen Atteste nicht als ausreichend im Sinne des § 60a Abs. 2c AufenthG angesehen. Es gilt somit die gesetzliche Vermutung nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG, dass gesundheitliche Gründe einer Abschiebung nicht entgegenstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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