Verwaltungsrecht

Keine Verletzung rechtlichen Gehörs

Aktenzeichen  20 ZB 17.30106

Datum:
31.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 101878
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 78 Abs. 3 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

Eine Überraschungsentscheidung, die gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstößt, liegt vor, wenn das Gericht seiner Entscheidung tragend eine Rechtsauffassung zugrunde legt, die weder im Verwaltungs- noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erörtert wurde und die etwa in ihrer Spezialität zunächst als fernliegend anzusehen ist und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (ebenso BVerwG EN2008139592). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 12 K 16.30837 2016-11-15 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung (§ 78 AsylVfG) sind nicht gegeben.
Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.
Der Kläger führt im Wesentlichen aus, die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts stelle sich als unzulässige Überraschungsentscheidung dar, weil das Erstgericht den Sachvortrag des Klägers als unglaubwürdig eingestuft habe und es davon ausgegangen sei, dass der Kläger nach Mogadishu zurückkehren könne.
Eine solche Verletzung des rechtlichen Gehörs im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG, § 138 Nr. 3 VwGO, § 108 Abs. 2 VwGO liegt aber nicht vor.
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verbietet, dass ein Beteiligter durch eine gerichtliche Entscheidung im Rechtssinne „überrascht“ wird. Eine Überraschungsentscheidung im Rechtssinne liegt vor, wenn das Gericht seiner Entscheidung tragend eine Rechtsauffassung zugrunde legt, die weder im Verwaltungsnoch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erörtert wurde und die etwa in ihrer Spezialität zunächst als fernliegend anzusehen ist und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. BVerwG, B. v. 15.5.2008 – 2 B 77.07 – NVwZ 2008, 1025 m.w.N.). Da das Gericht grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet ist, muss ein Verfahrensbeteiligter, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen (vgl. BVerfG. B. v. 19.5.1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133).
Das Verwaltungsgericht hat den anwaltlich vertretenen Kläger in der mündlichen Verhandlung am 15. November 2016 ausweislich der Sitzungsniederschrift eingehend befragt. Seiner aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Verpflichtung, das Vorbringen des Klägers zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfG, B. v. 19.5.1992 a.a.O.), ist das Verwaltungsgericht in nicht zu beanstandender Weise nachgekommen. Die vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil aufgeführten Gründe für die Unglaubwürdigkeit des Vortrags des Klägers sind nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet nicht, dass der zur Kenntnis genommene Sachvortrag nur zugunsten des Vortragenden gewürdigt werden darf (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, RdNr. 20 zu § 108). Für eine rechtlich fehlerhafte Sachverhaltswürdigung ist nichts ersichtlich. Die Ausführungen des Klägers im Zulassungsantrag lassen eine Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen nicht erkennen.
Im Übrigen erfordert die schlüssige Rüge, das rechtliche Gehör sei verletzt, regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen, was der Beteiligte bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgebracht hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (BVerwG, B. v. vom 28.1.2003 – 4 B 4.03 – Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 53 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Die nur pauschale Behauptung, der Kläger hätte weiter vorgetragen, wenn er von den Zweifeln des Gerichts hinsichtlich der Glaubwürdigkeit seines Vortrags gewusst hätte, reicht nicht aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Mit der Ablehnung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Kraheberger Dr. Stadler Dr. Wirths


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben