Verwaltungsrecht

Keine Verletzung rechtlichen Gehörs durch Nichtberücksichtigung bedingter Beweisanträge

Aktenzeichen  10 ZB 18.32210

Datum:
16.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 992
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 S. 4
VwGO § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Tatsachengerichte müssen auch substanziieren Beweisanträgen zum Verfolgungsgeschehen im Asylstreitverfahren nicht nachgehen, wenn der Tatsachen- oder Sachvortrag in wesentlichen Punkten unplausibel oder in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich ist. Einer ausdrücklichen, auf fehlende Entscheidungserheblichkeit gestützten Ablehnung in den Gründen der Entscheidung bedarf es dann nicht. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine vermeintlich fehlerhafte Verneinung der Glaubhaftigkeit des klägerischen Tatsachenvortrags kann grundsätzlich nicht Gegenstand einer Gehörsrüge sein. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 28 K 17.36447 2018-07-10 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der zulässige Antrag ist unbegründet, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) schon nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechend dargelegt ist und nicht vorliegt.
Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe das rechtliche Gehör verletzt, weil es die in der mündlichen Verhandlung gestellten und protokollierten bedingten Beweisanträge (zur fehlenden Chance, in Nigeria die Ermittlungsbehörden von einem anderen Geschehensverlauf zu überzeugen, zur fehlenden justiziellen Aufarbeitung des Sachverhalts nach rechtsstaatlichen Grundsätzen und zu den Verhältnissen in nigerianischen Gefängnissen) nicht berücksichtigt habe; diese seien im Urteil nicht einmal andeutungsweise erwähnt, weshalb sich nicht beurteilen lasse, aus welchen Gründen den Beweisanträgen nicht nachgegangen worden sei. Diese Beweisanträge seien auch nicht verspätet (§ 70 Abs. 2 Satz 1 AsylG) und für die Entscheidung des Gerichts erheblich, weil davon auszugehen sei, dass eine Bestätigung der unter Beweis gestellten Tatsachen das Gericht von der Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers überzeugt hätte und demgemäß internationaler Schutz gewährt worden wäre.
Ein Verfahrensfehler im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO ist damit jedoch nicht hinreichend dargelegt. Zwar gilt auch für hilfsweise für den Fall ihrer Entscheidungserheblichkeit gestellte Beweisanträge, dass Art. 103 Abs. 1 GG verletzt wird, wenn ihnen nicht nachgegangen wird, obgleich dies im Prozessrecht keine Stütze findet, also ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird (vgl. BVerfG, B.v. 22.9.2009 – 1 BvR 3501/08 – juris Rn. 13 m.w.N.; BVerwG, B.v. 20.9.2018 – 1 B 64.18 u.a. – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 14.12.2018 – 10 ZB 18. 33209 – Rn. 8 m.w.N.). Das Gericht ist danach jedoch nicht verpflichtet, Beweisanträge zu berücksichtigen, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht geeignet sind, die Entscheidung in irgendeiner Weise zu beeinflussen (fehlende Entscheidungserheblichkeit). So liegt der Fall aber hier.
Denn das Verwaltungsgericht hat das vom Kläger geltend gemachte individuelle Verfolgungsschicksal aufgrund einer eingehenden Gesamtwürdigung seines Vortrags bei der Anhörung vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung sowie unter Berücksichtigung auch der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Dokumente als insgesamt nicht schlüssig und unglaubhaft bewertet. Tatsachengerichte müssen aber nach ständiger Rechtsprechung auch substantiierten Beweisanträgen (wobei hier dahinstehen kann, ob die Beweisanträge des Klägers in der gestellten Form als substantiiert anzusehen sind) zum Verfolgungsgeschehen nicht nachgehen, wenn der Tatsachen- oder Sachvortrag in wesentlichen Punkten unplausibel oder in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich ist (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 26.11.2007 – 5 B 172.07 -; BayVGH, B.v. 11.07.2017 – 21 ZB 17.30482 – jew. juris, Ls.). Auf der Basis der maßgeblichen erstinstanzlichen Bewertung des Vorbringens des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal als insgesamt unplausibel und nicht glaubhaft war eine Berücksichtigung der gestellten bedingten Beweisanträge, die an das vom Kläger behauptete Verfolgungsgeschehen unmittelbar anknüpfen bzw. dieses Geschehen voraussetzen, wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit offensichtlich nicht veranlasst. Einer ausdrücklichen, darauf gestützten Ablehnung in den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts (vgl. Breunig in BeckOK VwGO, Stand: 1.10.2018, § 86 Rn. 66) bedurfte es danach hier nicht.
Soweit der Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darüber hinaus darin sieht, dass das Verwaltungsgericht seine Sachverhaltsschilderung aus unzureichenden Gründen als unglaubhaft bewertet hat, und sich im Weiteren ausführlich mit den diesbezüglichen Argumenten des Erstgerichts auseinandersetzt, greift er mit seiner Gehörsrüge letztlich die Sachverhalts- bzw. Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts an. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers gehört – auch in schwierigen Fällen – zum Wesen der richterlichen Rechtsfindung, vor allem der freien Beweiswürdigung (BVerwG, B.v. 18.7.2001 – 1 B 118.01 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 17.1.2018 – 10 ZB 17.30723 – juris Rn. 5; B.v. 29.1.2018 – 10 ZB 17.31788 – juris Rn. 7; OVG NW, B.v. 13.6.2014 – 19 A 2166/11.A – juris Rn. 4). Eine vermeintlich fehlerhafte Verneinung der Glaubhaftigkeit des klägerischen Tatsachenvortrags kann grundsätzlich nicht Gegenstand einer Gehörsrüge sein (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2018 – 1 ZB 18.32333 – juris Rn. 4 m.w.N.). Das Gericht ist nicht gehalten, den Ausführungen eines Beteiligten in der Sache zu folgen (BVerfG, B.v. 22.11.2005 – 2 BvR 1090/05 – juris Rn. 26).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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