Verwaltungsrecht

Keine Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung wegen exilpolitischer Tätigkeit als rein passives Mitglied des Zentralrates der Ex-Muslime

Aktenzeichen  W 8 K 17.32061

Datum:
30.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1. Die rein passive Mitgliedschaft im Zentralrat der Ex-Muslime als exilpolitische Tätigkeit rechtfertigt nicht die Annahme einer begründeten Verfolgungswahrscheinlichkeit aufgrund von Nachfluchtaktivitäten bei einer Rückkehr in den Iran, weil selbst die Teilnahme an einzelnen Parteiveranstaltungen nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht ausreicht. (Rn. 23 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es gibt keine Anhaltspunkte für einen Rückschluss iranischer Stellen von der Mitgliedschaft im Zentralrat der Ex-Muslime auf einen ernsthaften Abfall vom Islam und bei Rückkehr in den Iran auf konsequentes Festhalten und auf das Kundtun nach außen, welches zur Annahme einer möglichen und beachtlichen Wahrscheinlichkeit drohenden religiösen Verfolgung führen könnte. (Rn. 29 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Strafverfolgung wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs knüpft nicht an einen asylrelevanten Verfolgungsgrund an, sondern stellt eine strafrechtliche Verfolgung wegen eines allgemeinen Straftatbestandes im Iran ohne politische Bedeutung dar. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. April 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG sowie auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Eine Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger nach seinen eigenen Angaben auf dem Landweg über die Balkan-Route und damit aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG).
Das Gericht ist im Übrigen insbesondere auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Iran politische Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Dem Kläger ist es nicht gelungen, die für seine Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr (politischer) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht oder sonst eine ernsthafte Gefahr drohte oder droht.
Dem Kläger drohte nach seinem bisherigen Vorbringen insbesondere keine staatliche Verfolgung seitens der iranischen Behörden. Vielmehr verwies er nur auf die Übergriffe und Drohungen des Bruders seiner Lebensgefährtin. Soweit der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung am 30. Oktober 2017 erklärte, im Iran sei eine Anzeige gegen ihn erstattet worden mit dem Vorwurf, er habe seine Lebensgefährtin entführt, nach ihm würde staatlicherseits gefahndet, hält das Gericht dieses neue Vorbringen für unsubstanziiert und letztlich unglaubhaft. Über die schlichte Behauptung einer Strafanzeige hinaus wurden von Klägerseite keine näheren Erklärungen dazu abgegeben, insbesondere erfolgte von der Klägerseite keine substanziierten Aussage dazu, ob und inwiefern tatsächlich staatliche Verfolgungshandlungen gegen den Kläger eingeleitet worden sind.
Der Kläger stützt seine Verfolgungsfurcht insoweit nur auf Vermutungen und Spekulationen, da weitere mit Tatsachen untermauerte Angaben des Klägers zu konkreten Verfolgungsmaßnahmen fehlen. Zu konkreten Verfolgungsmaßnahmen, insbesondere zu irgendwelchen schriftlichen Unterlagen bzw. Vorladungen oder auch nur Nachfragen staatlicher Organe bei seiner Familie hat der Kläger keine näheren Angaben gemacht, obwohl er nach eigenem Bekunden in Kontakt mit seiner Familie steht. Der Kläger hat nicht von sich aus von weiteren, insbesondere auch aktuellen Verfolgungsmaßnahmen berichtet, geschweige denn von konkreten schriftlichen Dokumenten, die er auch dem Gericht hätte vorlegen können. Es erscheint lebensfremd und nicht nachvollziehbar, dass der Kläger nicht aus eigenem Antrieb gegebenenfalls weitere konkretere Erkundigungen eingezogen hat, die auf einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestehenden Verfolgungsgefahr für ihn hindeuten. Gerade wenn jemand verfolgt wird – und damit sein Asylbegehren in Deutschland begründet –, wäre es lebensnah, sich weitere konkrete Informationen über ein Fortbestehen der Verfolgungsgefahr zu besorgen und entsprechende Belege von sich aus unaufgefordert den deutschen Behörden bzw. dem Gericht vorzulegen. In diese Richtung hat der Kläger nichts Substanzielles vorgetragen. Danach drängt sich dem Gericht der Eindruck auf, dass gegen den Kläger überhaupt keine relevanten Verfolgungsmaßnahmen seitens der staatlichen Behörden im Iran erfolgt sind und auch bei einer Rückkehr nicht drohen.
Das Gericht ist des Weiteren nicht davon überzeugt, dass für den Kläger eine ernsthafte Verfolgungsgefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner Nachfluchtaktivitäten droht. Die als Nachfluchtgründe geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten bewegen sich insgesamt betrachtet noch auf einem sehr niedrigen oppositionellen Niveau, so dass nach Überzeugung des Gerichts nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger in Deutschland derart nach Außen in Erscheinung getreten ist, dass er zum einen durch die iranischen Sicherheitsbehörden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit als ernsthafter Regimegegner, welche auf die Verhältnisse im Iran einzuwirken vermag, identifiziert und qualifiziert worden ist und dass zum anderen wegen der von ihm ausgehenden Gefahr ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates besteht.
Nach den vorliegenden Erkenntnissen beobachten iranische Stellen genau die im Ausland tätigen Oppositionsgruppen. Einer realen Gefährdung bei einer Rückkehr in den Iran setzen sich daher solche führende Persönlichkeiten der Oppositionsgruppen aus, die öffentlich und öffentlichkeitswirksam (z.B. als Redner, Verantwortlicher oder in leitender Funktion) in Erscheinung treten und zum Sturz des Regimes aufrufen. Im Ausland lebende prominente Vertreter vom Iran verbotener Oppositionsgruppen haben im Fall einer Rückkehr mit sofortiger Inhaftierung zu rechnen. Normale Teilnehmer an irankritischen Demonstrationen können bei späteren Besuchen im Iran seitens der Sicherheitsdienste befragt werden, wenn ihre Aktivitäten bekannt sind. Im Fokus stehen vor allem Aktivitäten, die als Angriff auf das politische System empfunden werden und die islamischen Grundsätze in Frage stellen. Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann in den Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran vom 24.2.2015, Stand: September 2014 sowie vom 9.12.2015, Stand: November 2015 und vom 8.12.2016, Stand: Oktober 2016; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 22.5.2017).
Auch nach der Rechtsprechung ist – gerade angesichts der großen Anzahl regimekritisch aktiver Exiliraner – maßgeblich für eine Verfolgungsgefahr darauf abzustellen, ob die im Asylverfahren geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten als untergeordnete Handlungen eingestuft werden, die den Betreffenden nicht als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner in Erscheinung treten lassen (vgl. etwa BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 14 ZB 10.30114 – Asylmagazin 2011, 17). Demgegenüber ist eine Gefahr politischer Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten nur anzunehmen, wenn der iranische Bürger bei seinen Aktivitäten besonders hervortritt und sein gesamtes Verhalten den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran hineinwirkenden Regimegegner erscheinen lässt (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 14 ZB 12.30263 – juris; B.v. 17.10.2009 – 14 ZB 09.30257 – juris). Selbst für linksextreme Gruppen und deren Unterstützer ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer politischen Verfolgung nur auszugehen, wenn sie nicht lediglich als bloße Mitläufer bei Veranstaltungen dieser Oppositionsgruppe in Erscheinung getreten sind, sondern durch ihr Engagement und durch die von ihr entfalteten Aktivitäten aus der Masse oppositioneller Iraner herausgetreten sind, sie sich insoweit exponiert haben (OVG Bremen vom 8.11.2010 – 2 A 209/08.A – juris). Dafür reichen Aktivitäten als Demonstrationsteilnehmer nicht aus (SächsOVG, U.v. 9.7.2008 – A 2 B 296/07, Entscheidungen Asyl 9/2008, S. 3). Untergeordnete exilpolitische Aktivitäten führen nicht zu asyl- und abschiebungsrelevanten Repressalien im Iran (OVG Berlin-Bbg, U.v. 16.9.2009 – OVG 3 B 12.07 – juris). Regimekritische Veröffentlichungen im Internet und sonstigen Medien können ausnahmsweise eine Verfolgungsgefahr begründen, wenn damit zu rechnen ist, dass sie den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt werden und der Betreffende als überzeugter und besonders aktiver Regimegegner erscheint, der aus Sicht der iranischen Behörden wegen der von ihm ausgehenden Gefahr für den islamischen Staat nachhaltig zu bekämpfen ist (HessVGH, U.v. 21.9.2011 – 6 A 1005/10.A – EzAR-NF 63 Nr. 4). Erforderlich ist im Regelfall ein exponiertes exilpolitisches Engagement, dass den Betreffenden aus dem Kreis der standardmäßig exilpolitischen Aktiven heraushebt und im iranischen Staat als ernsthaften Regimegegner erscheinen lässt, so dass wegen der von ihm ausgehenden Gefahr ein Verfolgungsinteresse seitens des iranischen Staates besteht (vgl. OVG NRW, B.v. 16.1.2017 – 13 A 1793/16.A – juris; HessVGH, U.v. 21.9.2011 – 6 A 1005/10.A – EzAR-NF 63 Nr. 4).
Auch nach der aktuellen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist maßgeblich für eine Verfolgungsgefahr darauf abzustellen, ob die im Asylverfahren geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten als untergeordnete Handlungen eingestuft werden, die dem Betroffenen nicht als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner in Erscheinung treten lassen, oder nicht. Die Gefahr politischer Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten ist anzunehmen, wenn ein iranischer Bürger bei seinen Aktivitäten besonders hervortritt und sein gesamtes Verhalten den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran hineinwirkenden Regimegegner erscheinen lässt (vgl. etwa BayVGH, B.v. 20.6.2017 – 14 ZB 17.30370 – nicht veröffentlicht; B.v. 29.7.2013 – 14 ZB 13.30084 – juris; B.v. 25.1.2013 – 14 ZB 12.30326 – juris; B.v. 15.1.2013 – 14 ZB 12.30220 – juris; B.v. 7.12.2012 – 14 ZB 12.30385 – juris sowie etwa VG Würzburg, U.v. 19.12.2012 – W 6 K 12.30171 – Beck-Online, BeckRS 2013, 45668).
Ausgehend von der Rechtsprechung, die auf der aktuellen Erkenntnislage beruht, begründen die vom Kläger geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten unter Würdigung der Gesamtumstände seines Falles keine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgungsgefahr. Der Kläger hat sich nach Überzeugung des Gerichts nicht in einer exponierten Weise exilpolitisch engagiert, die ihn aus dem Kreis der standardmäßigen exilpolitischen Aktiven heraushebt und dem iranischen Staat als ernsthaften Regimegegner erscheinen lässt, so dass wegen der von ihm ausgehenden Gefahr ein Verfolgungsinteresse seitens des iranischen Staates bestehen würde.
Vor diesem Hintergrund besteht für den Kläger nach derzeitiger Auskunftslage aufgrund des Gesamtbildes seiner exilpolitischen Tätigkeiten keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran. Zu erwähnen ist schon, dass der Kläger lediglich angab er sei Mitglied des Zentralrats der Ex-Muslime, um zu dokumentieren, dass er weg sei vom Islam. Er kenne andere Mitglieder und sie tauschten sich aus. Aber er habe wegen seines Kindes (Schule usw.) keine Zeit für weitere Aktivitäten in dieser Vereinigung.
Die demnach insgesamt äußerst dürftigen Aktivitäten des Klägers (passive Mitgliedschaft, interner Meinungsaustausch) rechtfertigen nicht die Annahme einer begründeten Verfolgungswahrscheinlichkeit, weil selbst die Teilnahme an einzelnen Parteiveranstaltungen nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht ausreicht. Es ist schon nicht ersichtlich, wie die sehr geringen Aktivitäten des Klägers in Deutschland den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt werden sollten. Zudem scheinen die politischen Aktivitäten des Klägers nicht geeignet, auf die Verhältnisse im Iran ernsthaft einzuwirken und aus der Sicht des iranischen Staates eine Gefahr zu begründen. Nach der vorliegenden Auskunftslage ist es unrealistisch anzunehmen, dass jegliche regimekritische Aktivitäten bei einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu persönlichen Konsequenzen führt. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die Aktivitäten des Klägers den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt sind und darüber hinaus ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates begründen.
Daran ändert auch nichts der Umstand, dass der Kläger – als Atheist – Mitglied im Zentralrat der Ex-Muslime ist.
Voraussetzungen für die Annahme einer relevanten Verfolgungsgefahr wäre bezogen auf den Zentralrat der Ex-Muslime, dass die iranischen Behörden von der Mitgliedschaft des Klägers im Zentralrat der Ex-Muslime Kenntnis erlangen und weiter auf einen ernsthaften Abfall vom Islam schließen würden, an dem der Betreffende im Fall einer Rückkehr in den Iran festhalten und nach außen kundtun würde (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.2010 – 14 ZB 10.30050 – Asylmagazin 2010, S. 333). Beim Zentralrat der Ex-Muslime handelt es sich um eine reine Exilorganisation, so dass es auf dessen Tätigkeit die Maßstäbe der Verfolgung bei exiloppositioneller Tätigkeit anwendbar sind. Der Zentralrat der Ex-Muslime verfolgt hauptsächlich politische Ziele, wenn er auch einen religiösen Hintergrund hat. Auch wenn es sich beim Zentralrat der Ex-Muslime nicht um eine politische Partei handelt und es auch um das Recht des Einzelnen geht, eine Religion zu haben oder nicht, so ist der Zentralrat der Ex-Muslime doch ein über Deutschland hinaus europaweit fungierende Interessenvertretung gerade der Menschen, die sich vom Islam abgewandt haben. Zudem geht es nach Überzeugung des Gerichts dem Zentralrat der Ex-Muslime nicht um eine Verbundenheit aufgrund einer gemeinsamen Religionsausübung oder Weltanschauung. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Mitglieder schwerpunktmäßig einer atheistischen Weltanschauung anhängen, ohne schon einer anderen Religion zuzugehören. Die Gemeinsamkeit der Mitglieder der Ex-Muslime liegt darin, sich vom Islam mehr oder weniger endgültig abgewandt zu haben, nicht jedoch gemeinsam sich einer Religion oder Weltanschauung verbunden zu fühlen und diese gemeinsam nach außen zu leben (BayVGH, B.v. 2.3.2010 – 14 ZB 10.30050 – Asylmagazin 2010, S. 333). Die Aktivitäten des Klägers für den Zentralrat der Ex-Muslime bewegen sich, wie bereits ausgeführt, auf einem sehr niedrigen exilpolitischen Niveau. Der Stellenwert des Klägers im Zentralrat der Ex-Muslime ist nicht mit dem der Vorsitzenden des Zentralrats, die nach Überzeugung des Gerichts bedroht und über die im iranischen Fernsehen berichtet wird, zu vergleichen (vgl. BayVGH, U.v. 4.1.2012 – W 6 K 10.30331 – juris). Vielmehr bleibt seine Funktion als rein passives Mitglied – auch für den iranischen Staat offenkundig und erkennbar – deutlich hinter der der Vorsitzenden zurück.
Das Gericht ist des Weiteren nicht davon überzeugt, dass die iranischen Behörden aufgrund der atheistischen Weltanschauung des Klägers Maßnahmen gegen diesen ergreifen würden. Erforderlich ist ein Glaubenswechsel, wonach sich der Kläger verpflichtet fühlt, eine andere Religion als den Islam öffentlich und in Gemeinschaft mit anderen auszuüben. Erst dann wäre die Gefahr damit verbunden als Konvertit und Apostat erkannt zu werden. Erforderlich wäre beim Kläger ein zwingendes Bedürfnis, ein religiöses oder auch atheistisches Selbstverständnis nach außen mitzuteilen (BayVGH, B.v. 2.3.2010 – 14 ZB 10.30050 – Asylmagazin 2010, S. 333; VG Regensburg, U.v. 21.8.2012 – RO 4 K 12.30081). Der Kläger hat selbst nicht vorgetragen, dass ein Glaubenswechsel derart stattgefunden hat, dass er sich verpflichtet fühlt, eine andere Religion als den Islam oder seine jetzige Weltanschauung als Atheist öffentlich und in Gemeinschaft mit anderen auszuüben. Der Kläger hat nicht vorgebracht, ein ihn dauerhaft prägendes, zwingendes Bedürfnis zu haben, sein religiöses oder atheistisches Selbstverständnis nach außen mitzuteilen. Der Kläger erklärte zu seinen Beweggründen, er habe keine Lust auf Religion. Er kenne eigentlich nur den Islam, andere Religionen kenne er nicht. Er wolle nicht, dass seine Ehe durch einen Mullah geschlossen werde. Er verwies darauf, dass der Islam einerseits zu einem strengen Glauben auffordere und andererseits Auswüchse wie die Vergewaltigung von Kindern und auch sonstige Straftaten zulasse. Auf Frage des Gerichts, welche Regeln für ihn nun gälten, antwortete der Kläger, als Alternative sollten die Leute gesund leben, nicht lügen und nicht stehlen. Auf weitere Frage des Gerichts, was der Kläger glaube, was mit den Menschen nach dem Tod passiere, erklärt der Kläger: Dies wisse er nicht, er habe keinen Plan. Er habe noch nie von einem gehört, der nach dem Tod zurückgekehrt sei. Wenn jemand sterbe, dann sterbe er. Weiter erklärt der Kläger ausdrücklich er glaube an Gott. Er wisse nicht, was Gott mit ihm nach dem Tod mache. Er wisse nicht, was Gott tue. Gott sei der Schöpfer. Er habe das Leben geschaffen. Jeder habe seinen Glauben, seinen Gott im Herzen. Wenn es Probleme gebe, dann bitte man Gott um Hilfe. Sie hätten ihr Kind bewusst nicht beschneiden lassen. Das Kind solle später selbst entscheiden, was es glauben wolle.
Dem Gericht drängt sich mit diesen eher dürftigen Aussagen der Eindruck auf, der Kläger habe sich zwar von den Praktiken des Islam, wie sie im Iran im Alltag konkret vorherrschten, lösen wollen, sich aber nicht nachhaltig und intensiv mit Glaubensfragen beschäftigt, geschweige denn sich endgültig vom Islam in jeder Form abgewandt und sich stattdessen mit seinem neuen Glauben intensiv auseinandergesetzt. Des Weiteren ist nicht erkennbar, dass sich die Loslösung vom Islam nach außen so manifestiert hat, dass sich der Betreffende nachhaltig und auf Dauer sowie nach außen hin erkennbar ernstlich und endgültig vom moslemischen Glauben abgewandt hat (vgl. dazu auch HessVGH, B.v. 23.2.2010 – 6 A 1398/09.A – Asylmagazin 2010, 120). Allein die passive Mitgliedschaft im Zentralrat der Ex-Muslime genügt nicht. Das Auswärtige Amt hat in einer Auskunft an das VG Schwerin vom 25. August 2015 ausdrücklich angemerkt, dass Apostasie, der Abfall vom Islam, nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes im Iran erst angenommen wird, wenn der eigentliche Übertritt in eine andere, dem Islam nicht zurechenbare Glaubensgemeinschaft, vorgenommen wird. Daran fehlt es.
Das Gericht konnte sich insgesamt nicht davon überzeugen, dass eine religiöse Praxis oder eine religiöse Betätigung, die im Iran verfolgt wird, für den Kläger zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist. Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass er in Deutschland seine Lebensführung an grundlegenden religiösen Geboten seinen jetzigen Glaubensvorstellungen ausgerichtet hat. Vielmehr verwies er auf nachteilige Auswirkungen des Islams im Alltag. Gründe für eine echte, die Persönlichkeit prägende Gewissensentscheidung für einen Abfall vom Islam konnte er zur Überzeugung des Gerichts aber nicht glaubhaft machen. Vielmehr erscheinen soziale und persönliche Gründe nicht religiöser Art vorzuwiegen. Zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls konnte das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen, dass seine gewandelte Glaubensvorstellung den Kläger derart prägt, dass es für ihn verpflichtendes Bedürfnis ist, dies auch nach außen kundzutun und sein Leben danach auszurichten, so dass er bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran gefährdet wäre, deshalb verfolgt zu werden. Vor diesem Hintergrund fehlt es an einer Grundlage, die als Basis für die Annahme einer möglichen und beachtlichen Wahrscheinlichkeit drohenden religiösen Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr in den Iran bringen könnte.
Des Weiteren hat das Gericht durchgreifende Zweifel, dass die iranischen Behörden allein aus der Mitgliedschaft des Klägers im Zentralrat der Ex-Muslime und seinen vorgetragenen Aktivitäten auf einen ernsthaften Abfall vom Islam schließen würden, an denen der Betreffende auch im Fall einer Rückkehr in den Iran festhalte und dies auch kundtun würde. Anhaltspunkte hierfür liegen angesichts der realistischen Einschätzung der iranischen Behörden, dass Exilorganisationen häufig, wenn nicht vorwiegend dazu dienen, Nachfluchtgründe zu belegen, nicht vor (BayVGH, B.v. 2.3.2010 – 14 ZB 10.30050 – Asylmagazin 2010, S. 333). Im Übrigen hat die Vorsitzende des Zentralrat der Ex-Muslime in einer mündlichen Verhandlung am 4. Januar 2012 (vgl. VG Würzburg, U.v. 4.1.2012 – W 6 K 10.30331 – juris) selbst keinen einzigen Fall nennen können, in dem zurückgekehrte Mitglieder des Zentralrat der Ex-Muslime im Iran verfolgt worden sind. Selbst wenn im Iran nach der Scharia bzw. dem iranischen Strafrecht formal ein Fall der Apostasie vorliegen mag, ist weiterhin nicht ersichtlich, dass die iranischen Behörden in ihrer Rechtspraxis auf einen ernsthaften Abfall vom Islam schließen würden, an dem der Betreffende auch bei einer Rückkehr festhalten wollte. Nach den vorliegenden Erkenntnissen (vgl. etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 9.12.2015, Stand: September 2015 und vom 8.12.2016, Stand: Oktober 2016) sind vornehmlich missionierende Konvertiten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt, insbesondere evangelikale Christen. Zwar kann Apostasie mit der Todesstrafe bestraft werden, Nicht-Muslime dürfen ihrer religiösen Überzeugungen nicht öffentlich ausdrücken. Im Iran Konvertierte nehmen indes von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten nach außen ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zudem zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin und wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hierfür den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 22.5.2017, S. 49 ff.). Letzteres verhindert erst recht eine Verfolgung.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat zudem ausdrücklich ausgesprochen, dass der Zentralrat der Ex-Muslime nicht als (atheistische) Glaubensgemeinschaft anzusehen ist. Die Mitgliedschaft in diesem Verein ist nicht identisch mit einem wirklich stattgefundenen Glaubenswechsel. Es gibt keine Anhaltspunkte für einen Rückschluss iranischer Stellen von der Mitgliedschaft im Zentralrat der Ex-Muslime auf einen ernsthaften Abfall vom Islam und bei Rückkehr in den Iran auf konsequentes Festhalten und auf das nach außen Kundtun. Auch im Zusammenhang mit dem Zentralrat der Ex-Muslime bleibt es bei der Feststellung, dass eine Gefahr politischer Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten nur angenommen werden kann, wenn die iranischen Bürger bei seinen Aktivitäten besonders hervorgetreten ist und sein Gesamtverhalten ihn den iranischen Stellen als ernsthaften, auf die Verhältnisse im Iran einwirkenden Regimegegner erscheinen lässt. Eine Mitgliedschaft im Zentralrat der Ex-Muslime rechtfertigt keine andere Beurteilung als sonstige exilpolitische Aktivitäten (so ausdrücklich BayVGH, B.v. 7.12.2012 – 14 ZB 12.30385 – juris; vgl. auch VGH, B.v. 20.6.2017 – 14 ZB 17.30370 – nicht veröffentlicht).
Selbst wenn eine mögliche Verfolgung des Klägers bei einer potenziellen Rückkehr in den Iran nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, besteht gesamtbetrachtet nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls keine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung bei einer Rückkehr in den Iran, da nicht davon auszugehen ist, dass die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt sind oder werden und zusätzlich ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates begründen.
Schließlich ist auch nicht anzunehmen, dass dem Kläger sonst bei einer Rückkehr politische Verfolgung droht, etwa wegen ihres Auslandsaufenthalts oder ihrer Asylantragstellung in Deutschland. Auslandsaufenthalte sind nicht verboten. Zwar kann es bei der Rückkehr in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen; die Befragung geht in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einher. Darüber hinaus kommt es jedoch zu keinen staatlichen Repressionen. Keiner westlichen Botschaft ist bisher ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren. Zudem wurde auch kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Zurzeit gibt es keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis. Schließlich können Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, von der iranischen Vertretung ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. Mit dieser „gesetzlichen Wiedereinreise“ werden die früheren illegalen Ausreisen legalisiert (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran vom 9.12.2015, Stand: November 2015 und vom 8.12.2016, Stand: Oktober 2016). Vorstehendes gilt auch in Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 9. März 2010 (R.C./Sweden, Nr. 41827/07). Denn die dort entschiedene Fallkonstellation ist nicht mit der hier vorliegenden vergleichbar, weil der Europäische Gerichtshof in jenem Fall seiner Beurteilung eine Vorverfolgung (Demonstrationsteilnahme mit anschließender Verhaftung und Folter) als substanziiert glaubhaft gemacht zugrunde gelegt hat (VGH BW, U.v. 15.4.2015 – A 3 S 1459/13 – juris; SächsOVG, U.v. 14.1.2014 – A 2 A 911/11 – juris; BayVGH, B.v. 25.2.2013 – 14 ZB 13.30023 – juris; B. v. 21.1.2013 – 14 ZB 12.30456 – juris; OVG NRW, B.v. 16.6.2011 – 13 A 1188/11. A – Asylmagazin 2011, 246; OVG Lüneburg, B.v. 13.5.2011 – 13 LA 176/10 – AuAS 2011, 174).
Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts auch des Weiteren keine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgungsgefahr bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran, weil er eine Beziehung zu einer nicht verheirateten Frau und mit dieser ein uneheliches Kind hat, das er nicht hat beschneiden lassen.
Vorliegend ist weiter nicht ersichtlich, dass in der Person des Klägers bei einer theoretischen Strafverfolgung Anhaltspunkte für einen Malus infolge der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe vorlägen. Der Kläger würde im Prinzip nicht anders bestraft als andere iranische Straftäter bzw. Straftäterinnen in vergleichbarer Lage, wenn der iranische Staat überhaupt die uneheliche Beziehungen bzw. die uneheliche Vaterschaft bekannt werden sollte.
Dem Kläger droht insoweit keine flüchtlingsrelevante politische Verfolgung, weil sich bei dem von ihm vorgebrachten außerehelichen Beziehung jedenfalls um keinen Anknüpfungspunkt für eine politisch motivierte Verfolgung handelt. Eine Strafverfolgung wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs, knüpft insoweit nicht an einen asylrelevanten Verfolgungsgrund an. Vielmehr handelt es sich um repressive Maßnahmen bzw. um eine strafrechtliche Verfolgung wegen eines allgemeinen Straftatbestandes im Iran ohne politische Bedeutung (vgl. NdsOVG, U.v. 24.10.2001 – 5 LB 448/01 – juris; BayVGH, B.v. 28.4.1998 – 19 ZB 98.31801 – juris; U.v. 11.11.1992 – 19 BZ 92.31853 – Streit 1994, 85). Zwar widersprechen die für den außerehelichen Geschlechtsverkehr zu verhängenden Strafen, wie Auspeitschung, Steinigung und Todesstrafe, den hiesigen Moralgrundsätzen und Anforderungen an eine rechtsstaatliche und menschliche Judikatur und Gesellschaft. Die maßgeblichen Vorschriften des islamischen und iranischen Rechts bezwecken indessen die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und den Schutz der öffentlichen Moral und Sitte. Sie knüpfen an ein den islamischen Wertvorstellungen widersprechendes individuelles Verhalten an und folgen einer jahrhundertalten Tradition islamischen Rechts, das noch auf weitere ältere Rechtsquellen aufbaut. Insofern fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der iranische Staat diesen Vorschriften, die nicht vom gegenwärtigen iranischen Regime eingeführt wurden, allgemein in flüchtlingsrelevanter Weise eine politische Gesinnung oder Betätigung ahnden will (sog. Politmalus). Zudem knüpfen diese Strafvorschriften nicht an die eine Person schicksalhaft prägende asylrelevante Eigenschaften an (vgl. auch VG Düsseldorf, U.v. 18.5.2010 – 2 K 1802/09.A – juris; U.v. 2.5.2006 – 2 K 37/06.A – juris; U.v. 15.10.2003 – 5 K 6938/01.A; VG Karlsruhe, U.v. 18.5.2006 – A 6 K 12318/04 – AuAS 2006, 238; VG Würzburg, U.v. 9.10.2002 – W 7 K 02.30595 – juris).
Denn das Flüchtlingsrecht gewährt keinen Schutz vor drohenden, auch massiven Verfolgungsmaßnahmen, die keinen politischen Charakter haben. Aus dem Akt der Strafverfolgung kann nicht geschlossen werden, dass eine Verfolgung im Sinne des Flüchtlingsrechts vorliegt. Dem grundsätzlich legitimen staatlichen Rechtsgüterschutz dienende Maßnahmen, wie die Ahndung krimineller Taten ohne politischen Bezug, führen nicht zur Annahme einer politisch motivierten Verfolgung. Solche Maßnahmen können nur dann in eine politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen ließen, dass der Betroffene wegen eines asylerheblichen Merkmals eine härtere als die sonst übliche Bestrafung erleiden würde (vgl. NdsOVG, U.v. 31.5.2016 – 11 LB 53/15 – Asylmagazin 2016, 217; HessVGH, B.v. 27.1.2014 – 3 A 917/13.Z.A – AuAS 2014, 80; vgl. auch BVerfG, B.v. 4.12.2012 – 2 BvR 2954/09 – NVwZ 2013, 500; B.v. 29.4.2009 – 2 BvR 78/08 – NVwZ 2009, 1035).
Die Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht, die dem Betroffenen nicht wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonst asylerheblichen Merkmals treffen soll, stellt keine flüchtlingsrelevante Verfolgung dar, wenn die Sanktion an eine alle Staatsbürger gleichermaßen treffende Pflicht anknüpft (vgl. etwa – bezogen auf Wehrpflicht und die Wehrdienstentziehung – BVerwG, B.v. 24.4.2017 – 1 B 22/17 – NVwZ 2017, 1204 m.w.N. sowie etwa VG Augsburg, U.v. 27.11.2006 – Au 7 K 05.30480 – juris; VG Düsseldorf, U.v. 8.11.2005 – 2 K 1497/04.A – juris). Für die Annahme eines Umschlagens eventueller Strafverfolgungsmaßnahmen in eine politische Verfolgung ist im Fall des Klägers nichts ersichtlich. Daraus kann daher auch kein Abschiebungshindernis resultieren.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass den Kläger bei einer möglichen Ahndung auch deshalb keine gravierende Strafe treffen müsste, weil abgesehen von den gegebenenfalls anzunehmenden Beweisschwierigkeiten, der Umstand der Geburt eines nicht ehelichen Kindes kein ausreichender Beweis ist (siehe Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Kassel vom 25.11.2013, Auskunft an das VG Regensburg vom 19.11.2014). Des Weiteren können selbst eventuell verhängte Strafen, etwa Peitschenhiebe, auch in eine Geldstrafe umgewandelt bzw. abgekauft werden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand Oktober 2016, S. 15; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Würzburg vom 9.2.2015; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 22.5.2017, S. 70). Die Umwandlung von Peitschenstrafen in Geldstrafen oder in Geldbußen ist im Iran ziemlich häufig (vgl. GIGA, Auskunft an das VG Bremen vom 29.5.2007), so dass nach der konkreten Rechtspraxis im Iran nicht unbedingt wahrscheinlich ist, dass der Betreffende eine grausame oder unmenschliche Bestrafung tatsächlich erleidet (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 16.9.2009 – OVG 3 B 12.07 – juris).
Auch wenn eine mögliche Verfolgung des Klägers bzw. eine ernsthafte Gefahr bei einer potentiellen Rückkehr in den Iran nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, besteht gesamtbetrachtet nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls keine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung oder einer Gefährdung durch staatliche Stellen, zumal der Kläger die Möglichkeit hat, sein Kind sowie gegebenenfalls eine Eheschließung in Deutschland zu legalisieren, wie später noch ausgeführt wird.
Des Weiteren droht dem Kläger auch keine Verfolgung bzw. ernsthafte Gefahr seitens des Bruders seiner Lebensgefährtin bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran, weil für ihn eine zumutbare inländische Fluchtalternative besteht (vgl. § 3e AsylG), wie auch schon die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt hat. Für den Kläger, sein Kind und seine Lebensgefährtin besteht im Iran eine zumutbare inländische Aufenthaltsalternative; der Kläger kann mit seinem Kind und seiner Lebensgefährtin nach Teheran oder einer anderen Großstadt im Iran ausweichen. Der Kläger muss sich auf einen interne Schutzmöglichkeit in seinem Herkunftsland verweisen lassen.
Soweit von Klägerseite vorgebracht wird, dass wegen fehlender Dokumente ein möglicher Aufenthalt in einer gemeinsamen Unterkunft scheitern könnte, hält das Gericht dies nicht für ein dauerhaftes Hindernis. Vielmehr ist dem Kläger – ebenso seiner Lebensgefährtin – zumutbar, sich die notwendigen Dokumente zu besorgen, die sie gegebenenfalls für eine Eheschließung hier in Deutschland benötigen oder um eine Geburtsurkunde für das Kind zu erlangen. Der Kläger hat ebenso wie seine Lebensgefährtin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bekundet, heiraten zu wollen. Abgelehnt wurde nur eine religiöse Eheschließung vor dem Imam. Dem Gericht leuchtet nicht ein, dass es dem Kläger nicht möglich sein sollte, etwa ein gültiges Shenasnameh (Geburtsurkunde/Personalausweis) bzw. sonstigen Pass über die iranische Botschaft besorgen zu können. Dem Kläger ist es zumutbar, zur iranischen Botschaft zu gehen und die notwendigen Dokumente zu besorgen und damit die weiteren Formalitäten zu erledigen. Nur am Rande sei erwähnt, dass der Kläger selbst bei einem Kontakt mit der iranischen Botschaft eine zwangsweise Abschiebung aus Deutschland nicht fürchten müsste, weil der iranische Staat grundsätzlich lediglich freiwillige Rückkehrer akzeptiert und nur im Falle freiwilliger Rückkehrer kooperiert (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand Oktober 2016, S. 5 und S. 16). Mit den notwendigen Nachweisen, wie Eheurkunde und Geburtsurkunde, würde das Kind dann auch im Iran nicht als unehelich angesehen werden (vgl. Deutsches Orient-Institut, Auskunft an das VG Greifswald vom 28.11.2016).
Unter dem Vorzeichen der ohnehin erforderlichen Legalisierung vor einer Rückkehr in den Iran könnte sich der Kläger (mit seinem Kind und seiner Lebensgefährtin bzw. dann seiner Ehefrau) im Iran legal niederlassen, ohne dass der Bruder der Lebensgefährtin herausfinden müsste, wo er sich aufhält. Angesichts der Größe des Irans und der Größe der iranischen Städte, insbesondere Teherans, und der Stellung des Bruders der Lebensgefährtin als Berufskraftfahrer hält es das Gericht nicht für beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger befürchten müsste, vom Bruder entdeckt und gefährdet zu werden.
Nach dem vorstehend Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären. Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.


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