Verwaltungsrecht

Keine Zuerkennung asylrelevanten Schutzes

Aktenzeichen  W 2 K 19.31087

Datum:
20.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 24717
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 3a, § 4 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1. Für eine jungen, gesunden Person, die ihre eigene Lebensgrundlage sichern kann, besteht eine Fluchtalternative innerhalb der Elfenbeinküste, sodass ihr keine Flüchtlingseigenschaft zu zuerkennen ist.   (Rn. 19 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes wegen behaupteter Bedrohung durch Familienmitglieder im Heimatland Elfenbeinküste, besteht nicht, da nicht pauschal unterstellt werden kann, dass die ivorischen Sicherheitskräfte nicht Willens wäre notwendigen Schutz zu gewähren.  (Rn. 28 – 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO auch in Abwesenheit eines Beteiligten verhandelt werden konnte, ist unbegründet.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts vom 14. Mai 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Die Klägerin hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Ausreiseaufforderung unter Androhung der Abschiebung in die Elfenbeinküste und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots sind rechtmäßig.
Das Gericht folgt der entsprechenden Begründung im Bescheid vom 14. Mai 2019 hinsichtlich der Versagung der Flüchtlingseigenschaft, des subsidiären Schutzes und von Abschiebungsverboten und verweist auf die dortigen Ausführungen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
1.1 Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Gemäß § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Gemäß § 3a AsylG gelten dabei Handlungen als Verfolgung, die gemäß Nr. 1 auf Grund ihrer Art oder Wiederholungsgefahr so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) keine Abweichungen zulässig sind, oder die gemäß Nr. 2 in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen. Aufgrund der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – InfAuslR 1989, 349). Maßgeblich sind die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher eine gesteigerte Bedeutung beizumessen. Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu den Umständen machen.
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen hat die Klägerin eine flüchtlingsrechtlich relevante Vorverfolgung in der Elfenbeinküste nicht glaubhaft gemacht.
Die Klägerin behauptet in der mündlichen Verhandlung, vom Mann ihrer Tante wegen ihrer Weigerung, ihren Cousin zu heiraten, vergewaltigt, geschlagen und mit dem Tode bedroht worden zu sein. An diesem Vortrag bestehen erheblich Zweifel, weil er vom Vortrag der Klägerin bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt abweicht.
Aber selbst wenn man dieses Vorbringen als wahr unterstellt, folgt daraus nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Es fehlt an einem flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmerkmal im Sinne von § 3b AsylG. Die behauptete Verfolgung knüpft weder an die Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe an. Es geht im Kern um eine familiäre Auseinandersetzung.
Darüber hinaus hätte die Klägerin innerstaatlichen Schutz in Anspruch nehmen können. Der Kläger hat sich wegen der Körperverletzungen und der Drohungen nicht an die örtliche Polizei gewandt. (Art. 3 d Abs. 1 AsylG). Zwar ist Korruption im Polizeibereich in der Elfenbeinküste auch aktuell ein Problem und wird systematisch betrieben (vgl. AA, Lagebericht v. 15.1.2018, S. 2). Unter dem Gesichtspunkt der Nachrangigkeit flüchtlingsrechtlicher Schutzgewährung ist es jedoch dann nicht entbehrlich, staatlichen Schutz gegen die Verfolgung nicht-staatlicher Dritter zu suchen, wenn dies aus objektiver Sicht nicht von vorne herein aussichtslos erscheint. Der in der mündlichen Verhandlung vorgetragene pauschale Hinweis der Klägerin, dass sie sich nicht an die Polizei gewandt habe, weil sie sich davon keinen Erfolg versprochen habe, ist nicht geeignet zu begründen, dass staatliche Schutzgewährung von vornherein aussichtslos gewesen wäre.
Letztendlich kann aber auch dies dahinstehen. Denn jedenfalls stand und steht der Klägerin eine interne Fluchtalternative innerhalb der Elfenbeinküste zur Verfügung. Denn selbst wenn man die geschilderte Bedrohungslage durch den Mann der Tante als wahr unterstellt, hat die Klägerin eine landesweite Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Gemäß § 3e AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung hat bzw. keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und er legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Die Klägerin hat nichts vorgetragen, warum diese interne Fluchtalternative bei ihre ausgeschlossen sein könnte. Das Gericht geht daher davon aus, dass es der jungen, gesunden, als Verkäuferin erfahrenen und leistungsfähigen Klägerin möglich gewesen wäre, sich in einem der zahlreichen Ballungszentren der Elfenbeinküste niederzulassen und sich dort eine menschenwürdige Existenzgrundlage zu sichern, ohne dass sie Angst vor dem Mann ihrer Tante hätte haben müssen.
Somit hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
1.2 Der Klägerin steht auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG zu.
Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als solcher gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz auch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes anwendbar.
Weder die Tatbestandmerkmale der Vollstreckung oder Verhängung der Todesstrafe noch die Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts kommen in Betracht.
Für die Annahme einer eventuell drohenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung liegen ebenfalls zu wenige Anhaltspunkte vor.
Soweit die Klägerin vorträgt, sie fürchte bei ihrer Rückkehr weitere Verfolgungshandlungen durch den Mann ihrer Tante, kann dies einen Anspruch auf subsidiären Schutz nicht begründen. Selbst bei Wahrunterstellung ihres Vorbringens kann den ivorischen Sicherheitsbehörden nicht unterstellt werden, dass sie der Klägerin bei weiteren Bedrohungen oder bei Angriffen durch den Mann ihrer Tante nicht unterstützen würden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Zwangsverheiratung auch in der Elfenbeinküste mit Strafe bedroht ist (vgl. Auswärtigen Amtes, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Côte d‘ Ivoire, Stand Juni 2018, S. 8 und 9). Entsprechende Strafen wurden bereits verhängt. Im November 2017 wurde der Nationaler Aktionsplan zur Bekämpfung schädlicher Praktiken wie vorzeitiger Heirat und weiblicher Genitalverstümmelung bis 2020 beschlossen (Auswärtiges Amt, a.a.O., S. 9). Zudem sind in den Erkenntnismittel weder Aussagen darüber auffindbar, dass die ivorische Polizei bei ihren polizeilichen Ermittlungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit menschenrechtswidrig vorgehen würde, noch sind auch in den aktuellsten Erkenntnismitteln Aussagen darüber enthalten, dass die ivorische Polizei nicht Willens oder in der Lage wäre, die Zivilpersonen zu schützen (vgl.: Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Côte d‘ Ivoire, vom Januar 2018; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Elfenbeinküste, Gesamtaktualisierung am 30.3.2018; Bertelsmann Stiftung 2018: Country Report – Côte d’Ivoire; Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a), Geschichte & Staat; Human Rights Watch: World Report 2018 vom 18.1.2018). Es wird nur erwähnt, dass Korruption innerhalb des Staatsapparates vorkommt, so dass sich Gefangene aus den Gefängnissen freikaufen können, und dass die Sicherheitskräfte zeitweise daran scheitern, gesellschaftliche Gewalt zu verhindern oder darauf zu reagieren, insbesondere während interkommunaler Auseinandersetzungen über Grundbesitz. So ist es nicht ausreichend wahrscheinlich, dass der Klägerin im Falle ihrer Rückkehr eine menschenrechtswidrige Behandlung drohen würde. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist – die von der Klägerin als Begründung für ein Scheitern staatlicher Schutzgewährung vorgetragene – Korruption im Polizeibereich der Elfenbeinküste laut Auswärtigem Amt (Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Côte d’Ivoire, Stand: Juni 2018, S. 2,3) zwar ein anhaltendes Problem. Ausbildung und Struktur der Polizei konnten jedoch über die letzten Jahre deutlich verbessert werden, so dass zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht pauschal unterstellt werden kann, dass die ivorischen Sicherheitskräfte den Kläger nicht schützen wollen oder können. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus.
1.3 Es liegen auch keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung eines Ausländers ist danach unzulässig, wenn ihm im Zielstaat unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht oder wenn im Einzelfall andere in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgte, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern bedroht sind (vgl. BVerwG, U.v. 24.5.2000 – 9 C 34/99 -, juris Rn. 11).
Dabei können unter bestimmten Umständen auch schlechte humanitäre Bedingungen eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen. Ist die schlechte humanitäre Lage weder dem Staat noch den Konfliktparteien zuzurechnen, sondern bedingt durch die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, kommt eine Verletzung von Art. 3 EMRK nur dann in Betracht, wenn ganz außergewöhnliche Umstände in der Person des Antragstellers vorliegen, die über die allgemeine Beeinträchtigung der Lebenserwartung des Antragstellers im Herkunftsland hinausgehen (vgl. EGMR, U.v. 27.5.2008 – 26565/05, U.v. 28.6.2011 – 8319/07).
Solche Umstände sind bei der Klägerin nicht ersichtlich. Die Klägerin hat in ihrer Heimat mitgeholfen, Gemüse auf dem Markt zu verkaufen. Sie verfügt damit über eine gewisse Erfahrung in diesem Bereich. So kann davon auszugegangen werden, dass sie sich – selbst ohne familiäres Netzwerk – bei einer Rückkehr jedenfalls durch Gelegenheitsarbeiten eine – wenn auch eine bescheidene – Existenz wird aufbauen können. Dabei kann sie auch auf die staatliche Förderung der freiwilligen Rückkehr verwiesen werden. Diese Leistungen werden sie dabei unterstützen, sich eine Existenzgrundlage zu schaffen.
1.4 Die vom Bundesamt verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden. Die betreffende Entscheidung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG, deren Voraussetzungen hier gegeben sind.
1.5 Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6 des Bescheids) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen.
Somit hatte die Klage insgesamt keinen Erfolg.
2. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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