Verwaltungsrecht

Keine Zuerkennung asylrelevanten Schutzes

Aktenzeichen  Au 3 K 17.34274

Datum:
10.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 5647
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
AsylG § 3 Abs. 1, Abs. 4, § 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid vom 2. August 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
1. Es besteht kein Anspruch auf die Anerkennung als Flüchtling.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
Es ist Sache des Betroffenen, die tatsächlichen Umstände, die seine Furcht vor Verfolgung rechtfertigen sollen, in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wobei in der Regel eine Glaubhaftmachung ausreicht. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein detaillierter und in sich stimmiger Sachvortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist der Einzelrichter davon überzeugt, dass der Kläger sein Heimatland nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung im o.g. Sinne verlassen hat. Denn die Angaben des Klägers sind nicht geeignet, die Annahme einer vor ihrer Ausreise tatsächlich erlittenen oder unmittelbar drohenden flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung zu rechtfertigen. Der Kläger hat darüber hinaus auch bei einer Rückkehr nach Pakistan eine solche Verfolgung nicht zu erwarten.
a) Der Kläger ist nicht vorverfolgt ausgereist. Die Angaben des Klägers sind widersprüchlich und damit unglaubhaft.
Dies beginnt schon bei seinen Angaben zu seiner Ausreise aus Pakistan und seinem Reiseweg. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zunächst angegeben, am 29. Dezember 2015 nach Deutschland eingereist zu sein. Seine Reise habe einen Monat gedauert. Auf weitere Frage, wann er aus Pakistan ausgereist sei, gab der Kläger dann an, im September 2015 ausgereist zu sein. Diesen Widerspruch konnte der Kläger weder auf Nachfrage des Gerichts noch auf Vorhalt des Klägerbevollmächtigten auflösen. Auf den Vorhalt des Klägerbevollmächtigten gab der Kläger schließlich an, er habe sich drei Monate in dem kleinen Ort … aufgehalten. Selbst wenn der Kläger sich tatsächlich ab September 2015 noch drei Monate dort aufgehalten hätte, stünde dies im Widerspruch zu seinen zunächst gemachten Angaben und zu seinen Ausführungen beim Bundesamt, wonach er … im Juni 2015 verlassen und sich sofort nach … begeben habe. Widersprüchlich sind auch die Angaben zu seinem Bildungsweg. Während er beim Bundesamt angab, vier Jahre das College in … besucht zu haben, gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung an, das College sei in … gewesen, er habe sich aber die ganze Zeit in … aufgehalten, um dort ein privates Nachhilfeinstitut zu besuchen; nur die Prüfungen seien in … gewesen.
Auch die Angaben zu seinem Verfolgungsschicksal sind unglaubhaft. Während der Kläger beim Bundesamt angab, das Haus der Eltern in … sei am 12. September 2015 durchsucht worden, gab er in der mündlichen Verhandlung an, dies sei am 9. September 2015 erfolgt. Im Hinblick auf die Durchsuchung seines Studentenzimmers in … gab der Kläger beim Bundesamt an, er sei auf der Straße unterwegs gewesen, Sicherheitskräfte seien ihm gefolgt und dann in das Hostel gegangen, wo sie sein Zimmer durchsucht hätten. Demgegenüber gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung an, er habe zum Zeitpunkt der Durchsuchung bei einem Freund in einem anderen Stadtteil … übernachtet, weil Wochenende gewesen sei. Gegen die Glaubhaftigkeit des vorgetragenen Verfolgungsgeschehens spricht weiter, dass der Cousin des Klägers, der in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört wurde, auf Frage des Klägerbevollmächtigten angab, die Durchsuchung des Studentenzimmers habe sich 2011 oder 2012 ereignet. Wenn es tatsächlich zu einer Durchsuchung gekommen wäre, wäre davon auszugehen, dass die Kunde im Kreis der Familie bekanntgeworden wäre, und entsprechend übereinstimmend datiert würde.
b) Selbst dann, wenn der klägerische Sachvortrag insgesamt als zutreffend angesehen würde, wäre eine vom Kläger in Pakistan erlittene oder zum Zeitpunkt seiner Ausreise unmittelbar drohende flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG nicht zu bejahen. Denn es ist nicht erkennbar, dass die vermeintlichen Repressionen, die sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung berufen hat, nämlich zwei Hausdurchsuchungen so gravierend wären, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen. Andere flüchtlingsrechtlich relevante und ihn selbst unmittelbar betreffende Verfolgungshandlungen hat der Kläger nicht vorgetragen.
c) Dem Kläger droht bei einer Rückkehr nach Pakistan keine Verfolgung allein wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Belutschen oder wegen seiner Religionszugehörigkeit zur Sekte der Zikri.
Eine begründete Verfolgungsfurcht kann sich für einen Ausländer nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmales verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden Verfolgung setzt dabei voraus, dass eine bestimmte Verfolgungsdichte vorliegt, welche die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr einer Betroffenheit entsteht. Zudem gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie den Betroffenen wegen des allgemeinen Grundsatzes der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsstaat landesweit droht, wenn also auch kein interner Schutz besteht, der vom Zufluchtsland aus erreichbar ist.
aa) In Bezug auf Belutschistan lässt sich die für eine Gruppenverfolgung vorauszusetzende Verfolgungsdichte im Hinblick auf belutschische Volkszugehörige nicht feststellen, da keines der ins Verfahren eingeführten Erkenntnismittel hierzu solche Aussagen enthält. Keine der spezifisch auf Belutschen bezogenen Angaben zu Tötungen, zu dem sog. Verschwindenlassen und zu Verfolgungsmaßnahmen bezieht sich auf Vorfälle mit einem Hinweis auf gezielte staatliche Verfolgungsmaßnahmen in Anknüpfung an die belutschische Volkszugehörigkeit; alle diese Berichte stehen demgegenüber nahezu ausschließlich in einem Kontext mit während 2014 gegenüber den Vorjahren zahlen- und opferbezogen rückläufigen terroristischen Übergriffen z.B. der Taliban oder terroristischer belutschischer Organisationen bzw. mit Grenzkriminalität. Die Berichte zum sog. Verschwindenlassen von Personen in Belutschistan – soweit sie den pakistanischen Sicherheitsbehörden zugeordnet werden – beziehen sich überwiegend auf den Kontext der Bekämpfung separatistischer Gewalt in Belutschistan und betreffen damit politische Aktivisten und bewaffnete Separatisten. Vor diesem Hintergrund kann schlechterdings nicht von einer (gezielten) Verfolgung der belutschischen Bevölkerung ausgegangen werden. Weder in den ins Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln noch in der bisher bekannt gewordenen Rechtsprechung wird eine Gruppenverfolgung der Belutschen ernstlich auch nur erwogen (vgl. zum Ganzen VG Potsdam U.v. 15.1.2019 – 11 K 2756/18.A – juris Rn. 34 ff. m.w.N.).
bb) Ebenso wenig ist eine Gruppenverfolgung der hauptsächlich in Belutschistan beheimateten Angehörigen der islamischen Sekte der Zikri dargetan oder ersichtlich (vgl. VG München, U.v. 8.5.2018 – M 1 K 17.43367 – juris Rn. 13.) Von den ca. 1,2 Millionen pakistanischen Zikri leben nur rund 800.000 in der Provinz Belutschistan. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes leben allein 100.000 Zikri in Karatschi, wo auch ein öffentlich sichtbarer Kultur- und Versammlungsort unterhalten wird, der nach Auskunft des Auswärtigen Amtes keinerlei Angriffen ausgesetzt ist (vgl. VG Augsburg, U.v. 8.10.2019 – Au 3 K 16.32127 – juris Rn. 27).
d) Dem Kläger droht bei einer Wiedereinreise nach Pakistan auch keine Verfolgung wegen seines exilpolitischen Engagements. Vorliegend konnte das Gericht nicht die Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gewinnen, dass ein exilpolitisches Engagement im Umfang des Klägers eine Furcht vor Verfolgung im Sinne der §§ 3 ff. AsylG begründet. Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer – bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr – die Gefahr einer Handlung nach § 3a AsylG wegen eines Verfolgungsgrundes im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Die diesbezüglich erforderliche Überzeugung (vgl. hierzu ausführlich BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 31/18 – juris) konnte das Gericht in Anbetracht der Auskunftslage und der beim Kläger vorliegenden individuellen Umstände nicht gewinnen.
Der Kläger hat eine Mitgliedsbescheinigung des Auslandssprechers des Baloch National Movement (BNM) vom 5. Juni 2017 vorgelegt, in der dem Kläger die Mitgliedschaft im BNM bescheinigt und er als Menschenrechtsaktivist (human rights campaigner) bezeichnet wird. Dies entspricht insofern den eigenen Angaben des Klägers, dass er – ebenso wie in Pakistan – einfaches Mitglied des BNM ohne herausgehobene Stellung ist. Einen Mitgliedsausweis oder eine aktuellere Bescheinigung hat der Kläger nicht vorgelegt, so dass aus der drei Jahre alten Bescheinigung schon nicht gesichert geschlossen werden kann, dass der Kläger auch zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch Mitglied des BNM war.
Zu seinem exilpolitischen Engagement hat der Kläger ausgeführt, er laufe bei den Demonstrationen des BNM mit. Er habe 2017 an einer Konferenz seiner Partei in … teilgenommen und nehme an einer einmal im Monat stattfindenden Video-Konferenz der Partei zum Austausch über die Situation in Pakistan teil. Aus den vom Kläger vorgelegten Lichtbildern ergibt sich – soweit der Kläger darauf überhaupt vage erkennbar ist, dass er im Jahr 2016 an einer Kundgebung in … teilgenommen und sich im Jahr 2019 an einem mit der belutschischen Flagge geschmückten Stand in … aufgehalten hat.
Zunächst ist zwar zu beachten, dass nach dem Lagebericht auch exilpolitische Tätigkeiten in Einzelfällen möglicherweise in Pakistan zu staatlichen Repressionen führen können (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 29.7.2019, S. 18 – Nr. II. 1.9). Allerdings ist nicht ersichtlich, dass die pakistanischen Behörden die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers und damit seine Mitgliedschaft im BNM überhaupt zur Kenntnis genommen haben. Gerade im Hinblick auf die Anwesenheit am Stand in … ist dies als unwahrscheinlich einzuschätzen. Selbst wenn sie hiervon Kenntnis erlangen, ist ohnehin von einer relativierenden Bewertung solcher Aktivitäten durch die pakistanischen Behörden auszugehen, weil angesichts einschlägiger Auftritte pakistanischer Asylantragsteller auch den pakistanischen Behörden nicht verborgen geblieben sein dürfte, dass exilpolitische Aktivitäten mitunter allein oder doch überwiegend aus asyltaktischen Gründen entfaltet werden (so auch VG Potsdam, U.v. 15.1.2019 – 11 K 2756/18.A – juris Rn. 45).
Überdies verfolgt Pakistan nach Auskunft des Auswärtigen Amtes über Interpol nur bestimmte, meist prominente Mitglieder separatistischer belutschischer Parteien (vgl. VG Augsburg, U.v. 8.10.2019 – Au 3 K 16.32127 – juris Rn. 33 im Hinblick auf die in Pakistan verbotene Baloch Republican Party (BRP)). Auch in der Rechtsprechung wird davon ausgegangen, dass der pakistanische Staat ein Verfolgungsinteresse lediglich im Hinblick auf Personen hat, die eine herausgehobener Stellung in separatistischen belutschischen Parteien in Pakistan wie im Ausland innehaben und sich exponiert exilpolitisch engagieren (vgl. VG Potsdam, U.v. 15.1.2019 – 11 K 2756/18.A – juris Rn. 38; VG Lüneburg, U.v. 22.7.2017 – 2 A 219/17 – unveröffentlicht – jeweils zum Generalsekretär und Regionalpräsidenten des Baloch National Movement (BNM); VG Hannover, U.v. 25.4.2019 – 11 A 12311/17 – juris Rn. 26). Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass geringfügiges und untergeordnetes exilpolitisches Engagement, nicht geeignet sein dürfte, das Interesse der pakistanischen Sicherheitsbehörden zu wecken (vgl. VG Augsburg, U.v. 8.10.2019 – Au 3 K 16.32127 – juris Rn. 33). Das exilpolitische Engagement des Klägers ist nach Überzeugung des Gerichts als lediglich untergeordnet anzusehen. Es beschränkt sich auf das „Mitlaufen“ bei Versammlungen sowie andere untergeordnete und rein interne Aktivitäten wie den einmaligen Besuch einer Konferenz oder die Teilnahme an Videokonferenzen. Dafür, dass der Kläger in sozialen Medien selbst in nennenswertem Umfang separatistische Propaganda betreibt, liegen keine Nachweise vor.
e) Überdies, stand und stünde dem Kläger in seinem Herkunftsstaat vor seiner Ausreise und auch derzeit (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) bei einer Rückkehr nach Pakistan jedenfalls eine die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschließende zumutbare interne Fluchtalternative i.S.d. § 3e AsylG zur Verfügung.
Der Kläger kann in anderen Teilen Pakistans, insbesondere in den größeren Städten, eine interne Schutzmöglichkeit i.S.v. § 3e AsylG finden. In den Städten Pakistans – vor allem in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Peshawar oder Multan – leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, könnten in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 29.7.2019, S. 19 – Nr. II.4). Dies ist nicht zuletzt dadurch bedingt, dass in Pakistan kein funktionierendes Meldewesen existiert, so dass die Übersiedlung in einen anderen Landesteil die Möglichkeit bietet, unerkannt und unbehelligt zu bleiben. Angesichts der hohen Bevölkerungszahl in Pakistan und mehrerer Millionenstädte landesweit ist nicht ersichtlich, dass eventuelle den Kläger bedrohende Personen die Möglichkeit hätten, diesen auch in einer anderen Provinz und/oder landesweit ausfindig zu machen und zu verfolgen. Angesichts dieser Gegebenheiten besteht diese innerstaatliche Fluchtalternative auch für politisch aktive Belutschen. Auch diesen ist es möglich, in pakistanischen Großstädten anonym zu leben (VG München, U.v. 8.5.2018 – M 1 K 17.43367 – juris – Rn. 14 ff.; VG Potsdam, U.v. 15.1.2019 – 11 K 2756/18.A – juris Rn. 35). Hinzukommt, dass das Siedlungsgebiet der Belutschen nicht auf die Provinz Belutschistan beschränkt ist, sondern Belutschen auch in Teilen der Provinzen Sindh und Punjab leben (vgl. https://de.wiki-pedia.org/wiki/Belutschistan_(Pakistan)).
In den Großstädten und in anderen Landesteilen Pakistans kann der Kläger als erwachsener und Urdu sprechender Mann auch ein ausreichendes Einkommen finden. Zwar ist das Leben in den Großstädten teuer, allerdings haben viele Menschen kleine Geschäfte oder Kleinstunternehmen. Es gibt aufgrund der großen Bevölkerung viele Möglichkeiten für Geschäfte auf kleiner Basis (vgl. z.B. VG Regensburg, U.v. 10.12.2013 – RN 3 K 13.30374 – juris). Es kann somit vom Kläger erwartet werden, dass er sich in einem dieser Landesteile niederlässt (vgl. z.B. VG München, U.v. 19.5.2016 – M 23 K 14.31198 – juris; VG Augsburg, U.v. 30.3.2015 – Au 3 K 14.30437 – juris; VG Regensburg, U.v. 9.1.2015 – RN 3 K 14.30674 – juris; jeweils m.w.N.).
Die Annahme einer innerstaatlichen Schutzalternative wird nicht durch eine etwaige Rückkehrerbefragung bei der Einreise ausgeschlossen. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan einer flüchtlingsschutzrechtlich relevanten Rückkehrerbefragung unterzogen werden wird. Wenn insoweit im Internet Berichte über zwei angeblich aus Deutschland zurückgeführte belutschische Asylantragsteller verbreitet werden, gibt es keine Bestätigung hierfür, zumal die dort genannten Personen dem Bundesamt unbekannt sind (so auch VG Potsdam, U.v. 15.1.2019 – 11 K 2756/18.A – juris Rn. 45). Dies gilt umso mehr, als davon auszugehen ist, dass der Kläger den pakistanischen Behörden wie dargelegt nicht als exilpolitisch aktives Mitglied der BNM bekannt ist. Bei einer Rückkehr nach Pakistan ohne Vorlage des Passes müsste der Kläger sich einer Befragung durch die Anti-Menschenschmuggler-Einheit der pakistanischen Bundespolizei stellen, bei welcher es im Wesentlichen um etwaige Kontakte zu Menschenschmugglern geht, so dass es über die Lästigkeit der Befragung hinaus jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erheblichen Eingriffen in die hier maßgeblichen Schutzgüter kommen würde (VG Potsdam, U.v. 15.1.2019 – 11 K 2756/18.A – juris Rn. 45).
2. Das Vorbringen des Klägers ist darüber hinaus nicht dazu geeignet, einen subsidiären Schutzbedarf i.S.v. § 4 Abs. 1 AsylG zu begründen. Eine Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) steht ebenso wenig wie die Frage einer Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in Rede; es liegen indes auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG zu Tage, auch nicht mit Blick auf die allgemeine Situation in Belutschistan. Hinsichtlich der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG fehlt es nach wie vor an der vorauszusetzenden Gefahrendichte. Es müsste der Grad willkürlicher Gewalt ein solches Niveau erreicht haben, dass für jedermann allein durch dessen Anwesenheit die Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit besteht. Dass dies in Pakistan insgesamt wie insbesondere in Belutschistan nicht der Fall ist, liegt angesichts der Bevölkerungszahl in Relation zu den einschlägigen Vorkommnissen auf der Hand (so auch VG Potsdam, U.v. 15.1.2019 – 11 K 2756/18.A – juris Rn. 45).
3. Weiter besteht auch ein Anspruch auf Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht. Insoweit wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen, die sich auch der Einzelrichter zu Eigen macht (§ 77 Abs. 2 AsylG).
4. Die Entscheidung des Bundesamts, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, weist keine Rechtsfehler auf. Die Länge der Frist liegt im Rahmen des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Dass insoweit besondere Umstände vorlägen, die eine Verkürzung der Frist als zwingend erscheinen ließen, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
III.
Der Ausspruch über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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