Verwaltungsrecht

Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Aktenzeichen  W 2 K 19.31103

Datum:
18.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 23911
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3
AsylG § 4
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7 Satz 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO auch in Abwesenheit der Beteiligten verhandelt werden konnte, ist unbegründet.
1. Der Bundesamtsbescheid vom 27. Mai 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung nach § 3 AsylG noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Ausreiseaufforderung unter Androhung der Abschiebung in die Elfenbeinküste und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots sind rechtmäßig.
Das Gericht folgt der Begründung im Bescheid vom 27. Mai 2019 und verweist auf die dortigen Ausführungen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
1.1 Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Gemäß § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Gemäß § 3a AsylG gelten dabei Handlungen als Verfolgung, die gemäß Nr. 1 auf Grund ihrer Art oder Wiederholungsgefahr so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) keine Abweichungen zulässig sind, oder die gemäß Nr. 2 in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen. Aufgrund der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – InfAuslR 1989, 349). Maßgeblich sind die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher eine gesteigerte Bedeutung beizumessen. Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu den Umständen machen.
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen hat der Kläger eine flüchtlingsrechtlich relevante Vorverfolgung in der Elfenbeinküste nicht glaubhaft gemacht.
Der Kläger behauptet bei seiner Anhörung durch das Bundesamt, von seiner Familie wegen seiner Beziehung bzw. Vermählung mit einer christlichen Frau mit dem Tode bedroht worden zu sein, weil seine Familie und auch die Familie seiner Frau gegen interreligiöse Beziehungen seien.
Dieses Vorbringen hat der Kläger dem Gericht nicht glaubhaft machen können, da er nicht zu der mündlichen Verhandlung erschienen ist. Nach dem Länderreport des Auswärtigen Amtes über Code d´Ivoire vom März 2019 herrscht im Heimatland des Klägers eine hohe religiöse Diversität und eine hohe Toleranz. „Conversions are fequent and tolerates“ ist im CIV Report vom European Asylum Support Office (EASO), vom Juni 2019, auf Seite 14 zu lesen. Daher ist die Verfolgung des Klägers durch seine eigene Familie wegen seiner interreligiösen Beziehung nicht glaubhaft.
Aber selbst wenn man dieses Vorbringen als wahr unterstellt, folgt daraus nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Es fehlt an einem flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmerkmal im Sinne von § 3b AsylG. Die behauptete Verfolgung knüpft weder an die Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe an. Es geht im Kern um eine familiäre Auseinandersetzung.
Darüber hinaus hätte der Kläger innerstaatlichen Schutz in Anspruch nehmen können. Der Kläger hat sich wegen der Drohungen nicht an die örtliche Polizei gewandt. (Art. 3 d Abs. 1 AsylG). Zwar ist Korruption im Polizeibereich in der Elfenbeinküste auch aktuell ein Problem und wird systematisch betrieben (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 15.1.2018, S. 2). Unter dem Gesichtspunkt der Nachrangigkeit flüchtlingsrechtlicher Schutzgewährung ist es jedoch dann nicht entbehrlich, staatlichen Schutz gegen die Verfolgung nicht-staatlicher Dritter zu suchen, wenn dies aus objektiver Sicht nicht von vorne herein aussichtslos erscheint. Für eine objektive Aussichtslosigkeit ist nicht erkennbar.
Letztendlich kann aber auch dies dahinstehen. Denn jedenfalls stand und steht dem Kläger eine interne Fluchtalternative innerhalb der Elfenbeinküste zur Verfügung. Denn selbst wenn man die geschilderte Bedrohungslage durch die Familie als wahr unterstellt, hat der Kläger eine landesweite Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Gemäß § 3e AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung hat bzw. keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und er legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Der Kläger hat zwar vorgetragen, dass er zunächst nach Youpogon gegangen sei, aber nicht erwähnt, dass dort die Bedrohungen durch seine Familie sich fortgesetzt hätten. Er gab zwar an, dass es immer das gleiche gewesen sei. Nach Ansicht des Gerichts bezieht sich dies Äußerung jedoch auf seine wirtschaftliche Situation. So hätte er durchaus in einem anderen Landesteil der Elfenbeinküste Schutz suchen können. Die Nachstellungen der Familie fanden nach dem eigenen Vortrag des Klägers immer in seiner Wohngegend. Unwahrscheinlich ist auch, dass der Familie die logistischen Mittel gehabt hätte, den Kläger auch in entlegenen Landesteilen nachzustellen. Das Gericht geht daher davon aus, dass es dem Kläger möglich gewesen wäre, sich gemeinsam mit seiner christlichen Frau und seinem Kind oder auch alleine in einem der zahlreichen Ballungszentren der Elfenbeinküste niederzulassen, ohne dass er Angst vor seiner Familie hätte haben müssen.
Somit hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
1.2 Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG.
Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als solcher gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz als anwendbar auch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erklärt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen. Aufgrund der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – InfAuslR 1989, 349). Maßgeblich sind die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher eine gesteigerte Bedeutung beizumessen. Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu den Umständen machen.
Weder für die Vollstreckung noch Verhängung der Todesstrafe noch die Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts kommen in Betracht.
Eine eventuell drohende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung kann ebenfalls nicht angenommen werden.
Soweit der Kläger vorträgt, er könne bei einer Rückkehr in die Elfenbeinküste nicht leben, weil ihn seine Familie verstoßen habe, kann dies nicht einen Anspruch auf subsidiären Schutz begründen.
Einen drohenden ernsthaften Schaden macht der Kläger durch die angeblich konkreten Bedrohungen seiner Familie geltend. Damit kann er nicht gehört werden. Die Gewährung subsidiären Schutzes scheidet zumindest auch wegen des Vorrangs der internen Fluchtalternative aus. Denn gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG wird dem Ausländer der subsidiäre Schutz nicht zuerkannt, wenn in einem Teil seines Herkunftslandes keine Gefahr eines ernsthaften Schadens besteht und er legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Nach der aktuellen Auskunftslage können sich die Staatsbürger gefahrlos im gesamten Staatsgebiet der Elfenbeinküste niederlassen. Wie bei Punkt 1.1 gezeigt, muss der islamisch gläubige Kläger auch mit einer eventuell christlichen Frau keine Angst vor religiöser Verfolgung oder Diskriminierung haben. Der Kläger hat in vielen Teilen der Elfenbeinküste als junger gesunder relativ gut gebildeten Mann, grundsätzlich die Möglichkeit, für seinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Beim Kläger sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die dem widersprechen würden.
Der hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus.
1.3 Es liegen auch keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung eines Ausländers ist danach unzulässig, wenn ihm im Zielstaat unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht oder wenn im Einzelfall andere in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgte, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern bedroht sind (vgl. BVerwG, U.v. 24.5.2000 – 9 C 34/99 -, juris Rn. 11).
Dabei können unter bestimmten Umständen auch schlechte humanitäre Bedingungen eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen. Ist die schlechte humanitäre Lage weder dem Staat noch den Konfliktparteien zuzurechnen, sondern bedingt durch die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, kommt eine Verletzung von Art. 3 EMRK nur dann in Betracht, wenn ganz außergewöhnliche Umstände in der Person des Antragstellers vorliegen, die über die allgemeine Beeinträchtigung der Lebenserwartung des Antragstellers im Herkunftsland hinausgehen (vgl. EGMR, U.v. 27.5.2008 – 26565/05, U.v. 28.6.2011 – 8319/07). Solche Umstände sind beim Kläger nicht ersichtlich.
Der Kläger ist ein gesunder, junger und in der Arbeitswelt erfahrener Mann, der in der Lage ist, in seinem Heimatland auch ohne familiäre Unterstützung ein Erwerbseinkommen zu erzielen und sich das nötige Existenzminimum zu sichern. Gesundheitsbedingte Einschränkungen im für ein Abschiebungsverbot relevanten Schweregrad sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
1.4 Die vom Bundesamt verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden. Die betreffende Entscheidung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG, deren Voraussetzungen hier gegeben sind.
1.5 Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 42 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 7 des Bescheids) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen.
Somit hatte die Klage insgesamt keinen Erfolg.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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