Verwaltungsrecht

Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Aktenzeichen  M 25 K 17.44478

Datum:
23.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 151883
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4, § 34
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

In der Demokratischen Republik Kongo kann jedes Dokument mit vom Besteller vorgegebenem Inhalt von der formal zuständigen Stelle käuflich erworben werden.  (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. November 2017 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen ist. In der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Beklagte ist form- und fristgerecht geladen worden; sie hat insbesondere mit Schreiben vom 27. Juni 2017 allgemein auf förmliche Zustellung der Ladung verzichtet.
Die Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 und 5 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG oder auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG. Auch die vom Bundesamt nach Maßgabe des § 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot von 30 Monaten sind nicht zu beanstanden.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
1.1. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe – zur Definition dieser Begriffe vgl. § 3b Abs. 1 AsylG – außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten zunächst Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), ferner Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). § 3a Abs. 2 AsylG nennt als mögliche Verfolgungshandlungen beispielhaft u.a. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, sowie gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden. Dabei muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG zwischen den Verfolgungsgründen im Sinne von §§ 3 Abs. 1 und 3b AsylG und der Verfolgungshandlung bzw. den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (BVerwG U. v. 20.2.2013 – 10 C 23.12, NVwZ 2013, 936).
Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder (3.) von nicht staatlichen Akteuren, sofern die in den Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
1.2. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vor. Das Vorbringen des Klägers hinsichtlich der geltend gemachten Verfolgungsgefahr ist auch nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung nicht glaubhaft.
Das Gericht muss sowohl von der Wahrheit – und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit – des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals als auch von der Richtigkeit der Prognose drohender politischer Verfolgung bzw. Gefährdung die volle Überzeugung gewinnen. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher gesteigerte Bedeutung beizumessen. Der Asylbewerber muss die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen, er muss kohärente und plausible wirklichkeitsnahe Angaben machen (vgl. nunmehr auch Art. 4 Richtlinie 2011/95 EU sowie bereits bislang BVerfG (Kammer), B.v. 7.4.1998 – 2 BvR 253/96 – juris). Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu seinem behaupteten Verfolgungsschicksal machen.
1.3. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Vorbringen des Klägers zu seiner behaupteten Verfolgung führt auch bei Unterstellung der Angaben des Klägers als im Wesentlichen wahr nicht zur Flüchtlingsanerkennung. Auf die Ausführungen im Bescheid vom 7. Juni 2017 wird insoweit Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Unabhängig davon ist das Vorbringen aus Sicht des Gerichts widersprüchlich, detailarm und nicht glaubhaft. Die gesamte Schilderung des Vorfalles, insbesondere auch der Tatsache, dass der Kläger gezwungen worden sei, an der Demonstration teilzunehmen, erscheint nicht glaubhaft. Bei der Anhörung sprach der Kläger zunächst in der 1. Person Plural. („Wir sind gemeinsam zu einem Radiosender gegangen. Wir wollten diesen zwingen, etwas zu veröffentlichen“). Erst auf direkte Frage, ob er Teil der organisierenden Gruppe gewesen sei, behauptete der Kläger, lediglich zufällig vor Ort gewesen sein zu sein und gezwungen worden zu sein, mitzumachen. Auf Fragen danach, wer ihn denn gezwungen habe, bleibt der Kläger vage, indem er von den Leuten im Auto spricht. Auf die weitere Frage, wie er denn gezwungen worden sei, gibt er lediglich an, die Leute hätten gesagt, dass sie den Radiosender stürmen wollten und dass sie (also der Kläger und sein Kollege) danach machen könnten, was sie wollten. Der Kläger spricht nicht davon, dass ihm und seinem Freund etwas angedroht worden oder körperlicher Zwang ausgeübt worden wäre.
Auch die zeitliche Einordnung des Vorfalls stimmt nicht mit den insoweit widersprüchlichen Angaben des Klägers zum Zeitpunkt seiner Ausreise überein. Der Kläger hatte bei der Anhörung vor dem Bundesamt zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates am 25. März 2014 angegeben, er habe sein Heimatland am 29. Dezember 2013 mit dem Boot verlassen. Nach den Angaben gegenüber dem Bundesamt im Rahmen der Anhörung und auch in der mündlichen Verhandlung hatte sich jedoch der Vorfall, der nach seinen Angaben zur Flucht geführt hatte, erst am 30. Dezember 2013 ereignet.
Zur Frage der Finanzierung seiner Flucht hatte er gegenüber dem Bundesamt angegeben, er sei deshalb erst am 4. Januar 2014 ausgereist, da er, um die Flucht zu finanzieren, noch Sachen veräußern habe müssen. In der mündlichen Verhandlung gab er an, er habe bei dem Vorfall am 30. Dezember 2013 Geld dabei gehabt, um Sachen für die Werkstatt zu kaufen und habe dann dieses Geld für die Ausreise benutzt.
Der Beweiswert des angeblichen Vorladungsschreibens des kongolesischen Geheimdienstes ANR vom Januar 2014 ist nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 21. Juni 2017 (Stand März 2017 – Lagebericht 2017) sehr gering. Diesem Lagebericht zufolge kann jedes Dokument (Reisepass, Personalausweis, Heirats- und Geburtsurkunde, Ledigkeitsbescheinigung, Scheidungsurteil, Haftbefehl, offizielle Bestätigungsschreiben jeglicher Art) mit vom Besteller vorgegebenen Inhalt von der formal zuständigen Stelle käuflich erworben werden (Lagebericht 2017, Seite 23). Auffällig ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Kläger vor der Vorlage des Schreibens weder von einer Vorladung, noch von einer Suche nach seiner Person berichtet hat. Die von ihm vorgetragene Erklärung, Kirchenbrüder hätten diese Vorladung nun bei einem Aufenthalt in Kinshasa von einem früheren Arbeitskollegen des Klägers erhalten, wirkt konstruiert und nicht glaubhaft.
Aufgrund der Widersprüche und des vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Gesamteindrucks steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dieser seine Verfolgungsgeschichte nur erfunden hat, um ein Bleiberecht im Bundesgebiet zu erlangen.
1.4. Dem in der mündlichen Verhandlung bedingt gestellten Beweisantrag musste das Gericht nicht nachkommen.
1.4.1. Soweit mit dem Beweisantrag beantragt wird, eine Stellungnahme bzw. ein Behördengutachten durch das Auswärtige Amt zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass das Ladungsschreiben vom 26. Januar 2014 authentisch und der Urheber des Ladungsschreibens der kongolesische Geheimdienst ist, musste das Gericht diesem Antrag nicht nachkommen.
Die Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts findet ihre Grenze dort, wo das Klagevorbringen des Klägers keinen Anlass zu weiterer Sachaufklärung bietet (BverwG, B.v. 26.10.1989 – 9 B 405/89 Rn. 8). Ein solcher tatsächlicher Anlass besteht im Prozess wegen Anerkennung als Asylberechtigter dann nicht, wenn der Kläger unter Verletzung der ihn treffenden Mitwirkungspflicht seine guten Gründe für eine ihm drohende politische Verfolgung nicht in schlüssiger Form vorträgt, d.h. nicht unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildert, aus dem sich – als wahr unterstellt – ergibt, dass er bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat. Hierzu gehört, dass der Asylbewerber zu den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinem persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch lückenlos zu tragen (BverwG, B.v. 26.10.1989 – 9 B 405/89 Rn. 8)
Im vorliegenden Fall besteht daher keine solche Pflicht des Gerichts zur weiteren Sachaufklärung. Nach Auffassung des Gerichts hat es den Vorfall vom 30. Dezember 2013 schon nicht in der vom Kläger geschilderten Form gegeben. Aber auch wenn man die Angaben des Klägers zum Vorfall vom 30. Dezember 2013 als wahr unterstellt, ist davon auszugehen, dass der Kläger nicht von den Sicherheitsbehörden gesucht wurde oder wird, insbesondere da er ohnehin nicht behauptet, in irgendeiner Weise politisch aktiv gewesen zu sein.
Unabhängig davon wäre das Vorladungsschreiben, auch wenn man dessen Echtheit unterstellen wollte, nicht entscheidungserheblich. Das angebliche Vorladungsschreiben datiert vom Januar 2014. Der Kläger behauptet nicht, politisch aktiv gewesen zu sein, geschweige denn, prominenter Vertreter einer politischen Bewegung zu sein. Seine einzige – nicht näher substantiierte – behauptete Besorgnis ist, dass er auf Videomaterial vom behaupteten Vorfall vom 30. Dezember 2013 erkennbar sein könnte. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln, insbesondere dem Lagebericht 2017, ist nicht davon auszugehen, dass auch fast vier Jahre nach diesem Vorfall der Geheimdienst ANR noch nach dem Kläger suchen würde.
1.4.2. Soweit darüber hinaus beantragt wird, eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes dazu einzuholen, dass der Kläger nach dem Erkenntnisstand des Auswärtigen Amtes mit einer Verhaftung im Falle einer Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo zu rechnen habe, handelt es sich um einen bloßen unzulässigen Beweisermittlungsantrag, da mit ihm nicht ein konkreter Sachverhalt unter Beweis gestellt wurde, sondern erst ein möglicherweise entscheidungserheblicher Sachverhalt eruiert werden soll. Die Klägerseite hat in keiner Weise schlüssig dargelegt, dass eine Verhaftung des Klägers im Falle seiner Rückkehr zu befürchten ist.
1.5. Der Kläger, der ohne relevante Verfolgung ausgereist ist, hat bei einer Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo nicht mit relevanter Verfolgung zu rechnen. Allein aufgrund der Stellung eines Asylantrags im Bundesgebiet droht dem Kläger keine Verfolgung (vgl. Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, Stand: März 2017, S. 22).
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Zuerkennung von subsidiärem Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG (§ 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2 AufenthG a.F.).
Solcher ist einem Ausländer zuzuerkennen, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
1.Die Verhängung der Todesstrafe,
2.Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 AsylG). Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend (§ 4 Abs. 3 AsylG).
a) Die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG liegen nicht vor. Dem Kläger droht nicht die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe.
b) Dem Kläger droht kein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ vorliegt, hängt vom Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG insoweit identischen Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen.
Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 60 AufenthG Rn. 35 zur Vorgängerregelung des § 60 Abs. 2 AufenthG a.F.). Dies gilt gemäß §§ 4 Abs. 3 i.V.m. 3c, 3d AsylG. auch dann, wenn die Gefahr von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht und kein ausreichender staatlicher oder quasi-staatlicher Schutz zur Verfügung steht. Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder einer ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 1.11.2012, § 60 AufenthG Rn. 124 zur Vorgängerregelung des § 60 Abs. 2 AufenthG a.F.).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da das Vorbringen des Klägers hinsichtlich seines Verfolgungsschicksals nicht glaubhaft ist (s.o.).
c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob im Osten der Demokratischen Republik Kongo ein bewaffneter Konflikt in diesem Sinne herrscht, denn ein solcher ist auf die Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu sowie Teile der ehemaligen Provinz Orientale und Katanga begrenzt und erstreckt sich nicht auf den Westen und nicht auf die Hauptstadt Kinshasa, aus der der Kläger kommt (vgl. Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo, Stand: März 2017, S. 5).
3. Der Abschiebung des Klägers steht auch kein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegen.
a) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG liegt nicht vor. Eine Abschiebung ist gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen werden. Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ vorliegt, hängt vom Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen.
Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (Renner/Bergmann, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2011, § 60 AufenthG Rn. 35 f.). Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder einer ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre.
Dabei sind lediglich zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen. Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 13.6.2013 – 10 C 13/12, juris, Rn. 24) auch dann in Frage, wenn die umschriebenen Gefahren nicht durch den Staat oder eine staatsähnliche Organisation drohen oder dem Staat zuzurechnen sind.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da das Vorbringen hinsichtlich einer Verfolgung des Klägers nicht glaubhaft ist (s.o.).
Eine unmenschliche Behandlung droht dem Kläger auch nicht aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen im Kongo. Unzureichende wirtschaftliche Verhältnisse im Herkunftsland können in Ausnahmefällen, in denen die schlechten humanitären Verhältnisse eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Asylbewerbers darstellen, ein Abschiebungsverbot in diesem Sinn begründen. In ganz außergewöhnlichen Fällen können auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend sind“. Dies gilt in den Fällen, in denen die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut oder die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen, zurückzuführen sind. Wenn jedoch die Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führen, ist zu berücksichtigen, ob es den Betroffenen gelingt, die elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu befriedigen (EGMR U.v. 28.6.2011 – 8319/07 – Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich – NVwZ 2012, 681 ff.; EGMR U.v. 27.5.2008 – 26565/05 – N/Vereinigtes Königreich; BVerwG U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris). Unter Berücksichtigung sämtlicher Gegebenheiten des Einzelfalls ist von einem sehr hohen Niveau der Gefährdung auszugehen (BayVGH, U.v. 21.10.2014 – 13 AB 14.30285 – juris).
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob solche außergewöhnlichen Umstände, die beim Fehlen jeglicher staatlicher Strukturen oder bei großen Naturkatastrophen vorliegen können, auch in Bezug auf die Demokratische Republik Kongo vorliegen.
Zwar ist die wirtschaftliche Situation in der Demokratischen Republik Kongo weiterhin angespannt. Der überwiegende Teil der Bevölkerung lebt am Rande des Existenzminimums. Auch innerhalb der Großfamilie gelingt es nicht immer, Härten durch wechselseitige Unterstützung aufzufangen. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist für die Bevölkerung in Kinshasa und in übrigen Landesteilen zwar schwierig und teuer, es herrscht jedoch noch keine akute Unterversorgung. Rückkehrer sind zur Sicherung der Existenzgrundlage bis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auf Unterstützung aus dem Familienkreis bzw. durch NGOs (international oder national) oder kirchlicher Institutionen angewiesen (vgl. Lagebericht S. 19). Der Kläger kann wie vor seiner Ausreise durch eigene Arbeit sein Überleben sichern, erforderlichenfalls mit Unterstützung seiner weiterhin in Kongo Central lebenden Familie.
b) Der Abschiebung des Klägers steht auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegen.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
aa) Individuelle, nur dem Kläger drohende Gefahren, liegen nicht vor. Das Vorbringen des Klägers zu einer Verfolgung ist nicht glaubhaft (s. o.).
bb) Der Kläger kann ein Abschiebungsverbot in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht erreichen.
Im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog wird die Frage geprüft, ob bei Gefahren, die der Bevölkerung oder der Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein drohen und bei denen eine politische Leitentscheidung nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG fehlt, ausnahmsweise Verfassungsrecht in Fällen einer extremen Gefahrenlage ein Abschiebungsverbot erforderlich macht. In diesem Zusammenhang wird auch die schlechte wirtschaftliche Lage im Herkunftsland berücksichtigt (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – Rn. 15 ff. juris).
Der Kläger ist aber bei einer Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo, hier in die Hauptstadt Kinshasa, und insbesondere im Hinblick auf die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen nicht mit der für die analoge Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt. Auch angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage in der Demokratischen Republik Kongo ist das Überleben des Klägers mit eigener Arbeit und erforderlichenfalls durch Unterstützung durch seine Familie gesichert (s.o.).
Ergänzend wird auf die Ausführungen des Bescheid Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
4. Die nach Maßgabe der § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung in die Demokratische Republik Kongo ist in rechtlicher Hinsicht gleichfalls nicht zu beanstanden. Der Kläger besitzt keinen Aufenthaltstitel und ist auch nicht als Asylberechtigter anerkannt. Gemäß § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten dem Erlass der Androhung nicht entgegen. Nach § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu bezeichnende Staaten, in die eine Abschiebung nicht erfolgen darf, sind nicht ersichtlich. Die Ausreisefrist von dreißig Tagen ergibt sich unmittelbar aus § 38 Abs. 1 AsylG.
5. Keinen Bedenken begegnet das gemäß § 11 Abs. 2, Abs. 3 AufenthG festgesetzte Einreise- und Aufenthaltsverbot von dreißig Monaten.
6. Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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