Verwaltungsrecht

Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für einen irakischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  Au 5 K 15.30408

Datum:
1.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1 Bei einer Gefahr für Leib und Leben durch nichtstaatliche Dritte kann auf die Hilfe durch die zuständigen Behörden im Irak verwiesen werden. (redaktioneller Leitsatz)
2 Es besteht keine Gruppenverfolgung für Schiiten im Irak (vgl. VGH München BeckRS 2011, 30680). (redaktioneller Leitsatz)
3 Es liegt kein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Irak vor.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage des Klägers entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 1. Februar 2016 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die zulässige Klage bleibt mit ihrem zuletzt gestellten Antrag ohne Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung internationalen Schutzes, weil die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) sowie des § 4 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen. Auch nationale Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) sind nicht gegeben. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 11. Juni 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Klage ist in ihrem Verpflichtungsteil unbegründet. Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG. Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylG ist dabei auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen.
Es wird zunächst in vollem Umfang Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids des Bundesamtes (auf § 77 Abs. 2 AsylG).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4, Abs. 1 AsylG.
Ein solcher Anspruch setzt nach § 3 Abs. 4 AsylG voraus, dass ein Ausländer, Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention – GK) ist. Dies ist er gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, wenn er sich 1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe 2. außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er 1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und 2. sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Verfolgungshandlungen i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG sind gemäß § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die entweder aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2).
Verfolgungshandlungen können nach § 3a Abs. 2 AsylG unter anderem sein
1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen,
6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
Eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG setzt weiter voraus, dass sie final auf die Verletzung der Verfolgungsgründe gerichtet ist (§ 3a Abs. 3 AsylG; BVerwG, U. v. 19.1.2009 – 10 C 52.07 – juris Rn. 22).
Die Verfolgungsgefahr kann sich dabei aus einer Gruppenverfolgung oder aus individuellen Verfolgungsgründen ergeben.
Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt folgendes: Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden; eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss, ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U. v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – NVwZ 1985, 658 ff.). Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbots führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U. v. 16.4.1985, a. a. O.). In der Regel kommt deshalb dem persönlichen Vorbringen des Klägers, seiner Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit sowie der Art seiner Einlassung besondere Bedeutung zu (BayVGH, U. v. 26.1.2012 – 20 B 11.30468 – juris Rn. 19; VG Würzburg, U. v. 28.11.2011 – W 4 K 10.30003 – juris Rn. 31).
Dies zugrunde legend muss, selbst wenn man das vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2016 geschilderte Vorbringen des Klägers als verfolgungsrelevant erachtet, die Klage ohne Erfolg bleiben. Dem Kläger steht nämlich jedenfalls ein interner Schutz im Sinne von § 3e AsylG offen. Einem Ausländer wird gemäß § 3e Abs. 1 AsylG die Flüchtlingseigenschaft aufgrund internen Schutzes nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2). Wie die Beklagte im mit der Klage angegriffenen Bescheid vom 11. Juni 2015 zutreffend ausgeführt hat, besteht für den Kläger in dem südlichen, überwiegend schiitisch geprägten Landesteilen des Irak eine inländische Fluchtalternative, die für den Kläger auch zumutbar erscheint. Die Schiiten gehören zu den wichtigsten ethnischreligiösen Gruppierungen im Irak und machen 60 bis 65% der Bevölkerung aus, und bewohnen überwiegend den Südosten bzw. Süden des Landes. Für den volljährigen Kläger, der über eine abgeschlossene, qualifizierte Berufsausbildung verfügt, ist ein künftiger Aufenthalt in diesem Landesteil durchaus zumutbar. Dies umso mehr, als der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2016 selbst vorgetragen hat, dass er auch zuletzt in … vor seiner Ausreise aus dem Irak nicht mehr mit seinen Eltern zusammen, sondern in einem eigenen Hausstand gelebt hat. Aufgrund der beim Kläger vorhandenen qualifizierten Berufsausbildung ist es weiter nicht ausgeschlossen, dass der Kläger beispielsweise in … seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann. Das Gericht vermag dem Vortrag des Klägers keine landesweite Bedrohung entnehmen. Wenn man das Vorbringen des Klägers als wahr unterstellt, kann Anlass für die ihm gegenüber ausgesprochene Bedrohung letztlich nur seine bzw. die Tätigkeit seines Vaters im Energie- bzw. Elektrizitätsministerium in … bzw. seine behauptete ehrenamtliche Tätigkeit in humanitären Jugendorganisationen gewesen sein.
An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Tätigkeit des Klägers als Programmierer im Energieministerium selbst nach dem Vortrag des Klägers keine so herausgehobene Stellung darstellt, die eine landesweite Verfolgung im Sinne des dargestellten Maßstabes wahrscheinlich macht. Nichts anderes kann hinsichtlich der Tätigkeit des Vaters des Klägers im Energieministerium gelten. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass diese Tätigkeit in herausgehobener Stellung erfolgt und der Vater deshalb zu einer besonders gefährdeten gesellschaftlichen Gruppierung zählt, was nach dem ins Verfahren eingeführten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 23. Dezember 2014 (Gz.: 508-516.80/3 IRQ) über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2014) im Besonderen für Polizisten, Soldaten, Journalisten, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte, alle Mitglieder der Regierung und des Sicherheitsapparates der Fall ist, lässt sich hieraus eine individuelle Bedrohung des Klägers nicht folgern. Es ist an dieser Stelle darauf zu verweisen, dass auch nach dem Vortrag des Klägers, sein Vater nach wie vor in … lebt und Bedrohungen vergleichbarer Art, soweit ersichtlich, bislang gegen diesen nicht ausgesprochen wurden. Warum bei dieser Sachlage der Kläger allein aufgrund seiner Verwandtschaft in besonderer Weise gefährdet sein sollte, und sich eine solche Gefährdung überdies auf das gesamte Staatsgebiet des Irak erstrecken sollte, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar. Von daher brauchte das Gericht auch nicht der Beweisanregung im Schriftsatz des Klägers vom 21. Januar 2016 zur gesellschaftlichen Stellung des Vaters des Klägers Folge leisten.
Soweit Auslöser einer zugunsten des Klägers unterstellten Bedrohung und Vorverfolgung im Irak seine Tätigkeit für eine Jugendorganisation gewesen sein sollte, die humanitäre Hilfe für Bedürftige geleistet hat, vermag das Gericht ebenfalls keine landesweite Bedrohung des Klägers zu erkennen. In der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2016 hat sich der Kläger nämlich dahingehend eingelassen, dass diese Organisation lediglich aus 15 bis 20 Personen bestanden habe und sich ihre Tätigkeit lediglich auf einen Teilbereich von … erstreckt hat. Wie sich aus dieser territorial eng begrenzten humanitären Unterstützungshandlung eine landesweite Bedrohung des Klägers ergeben solle, hat dieser dem Gericht nicht glaubhaft machen können. Auch die übrigen, vom Kläger angeführten Fälle, vergleichbarer Bedrohungen haben sich jeweils ausschließlich in … zugetragen. Dies lässt nicht den Schluss zu, dass der Kläger bei einer Rückkehr beispielsweise in den Südirak einer erneuten Bedrohung ausgesetzt wäre.
Weiter weist das Gericht darauf hin, dass selbst wenn man dem Vorbringen des Klägers Glauben schenkt, wofür das sich in den Akten befindliche Sicherstellungsprotokoll (Behördenakte Bl. 74 ff.) spricht, den vorgelegten Dokumenten gerade nicht zu entnehmen ist, dass der irakische Staat nicht willens gewesen sei, die für die Bedrohung des Klägers Verantwortlichen zu ermitteln. Dem vorgelegten Dokument ist vielmehr zu entnehmen, dass durchaus versucht wurde, die Täter zu ermitteln. Über dies wurde die Staatsanwaltschaft in Kenntnis gesetzt. Von Seiten der irakischen Polizei wurde Anzeige erstattet und darum gebeten, rechtliche Maßnahmen gegen die mutmaßlichen Täter zu ergreifen.
Auch ist nicht von einer Gruppenverfolgung von Schiiten im Irak auszugehen. Hierzu fehlt überdies jeglicher Vortrag des Klägers.
Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass keine Gruppenverfolgung für Schiiten im Irak gegeben ist (vgl. BayVGH, U. v. 24.3.2011 – 20 B 10.30017 – juris und BayVGH, U. v. 24.3.2011 – 20 B 10.30033 – juris).
Auf der Grundlage der ins Verfahren eingeführten Erkenntnismittel kann in quantitativer Hinsicht nicht auf eine Verfolgungsdichte, die ohne Weiteres für jeden einzelnen Schiiten die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entstehen lässt, geschlossen werden.
Die wichtigsten ethnischreligiösen Gruppierungen im Irak sind die Schiiten, die 60 bis 65% der Bevölkerung ausmachen und vor allem den Südosten bzw. Süden des Landes bewohnen, Sunniten, die 17 bis 22% der Bevölkerung ausmachen und mit Schwerpunkt im Zentral- und Westirak leben sowie die vor allem in Norden des Landes lebenden Kurden, die ca. 15 bis 20% der Bevölkerung ausmachen und überwiegend sunnitisch, aber auch yezidisch und in kleinen Teilen schiitisch sind (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 23.12.2014, S. 5). Die Sicherheitslage im Irak hat sich seit dem Jahr 2007 von Jahr zu Jahr verbessert, im Zuge der sunnitischschiitischen Konflikte hat sie sich aber seit dem Jahr 2013 wieder deutlich verschlechtert. Schwerpunkt terroristischer Aktivitäten bleiben …, der Zentralirak sowie die Städte Mosul und Kirkuk im Norden des Landes. Die Gewalt geht überwiegend von der sunnitischen Al-Qaida und ihrer irakischen Organisation „Islamischer Staat Irak“ sowie von ba’athistischen Elementen aus (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 23.12.2014, S. 4).
Gleichwohl kann angesichts der Größe der Bevölkerungsgruppe der Schiiten am Anteil der Gesamtbevölkerung im Irak nicht die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte angenommen werden. Gleiches gilt, wenn man für die Beurteilung des Vorliegens einer Gruppenverfolgung nicht auf die Situation im gesamten Irak, sondern die Situation in der Stadt …, aus der der Kläger stammt, abstellt, deren Gesamtbevölkerung von zwischen ca. 6,5 Mio. und 7 Mio. Einwohnern sich aus ca. 70% Schiiten, ca. 29% Sunniten und ca. 1% aus anderen religiösen Minderheiten zusammensetzt.
Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutz nach § 4 AsylG.
Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3 c bis 3 e AsylG entsprechend.
Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, wonach ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt ist, wenn eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes droht.
Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.2008 – 10 C 43/07 – BVerwGE 131, 198). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.2008 a. a. O.).
Danach rechtfertigt die derzeitige Situation im Irak bzw. in …, woher der Kläger stammt, nicht die Annahme eines Bürgerkrieges im oben genannten Sinne und damit eines landesweit oder auch nur regional bestehenden bewaffneten Konfliktes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Zwar ist die Sicherheitslage im Irak immer noch verheerend und gehört unter anderem … zum Schwerpunkt terroristischer Anschläge. Trotz der Verschlechterung der Sicherheitslage im Jahr 2013 geht das Gericht aber davon aus, dass im Irak derzeit weder landesweit noch in der Herkunftsregion des Klägers ein regionaler innerstaatlicher oder internationaler bewaffneter Konflikt festgestellt werden kann. Die angespannte Sicherheitslage resultiert vielmehr aus inneren Unruhen und Spannungen, die aber nicht die Intensität und Dauerhaftigkeit eines Bürgerkrieges aufweisen.
Unabhängig davon begründet ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nur dann, wenn der Schutzsuchende von ihm ernsthaft individuell bedroht ist und kein interner Schutz besteht, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG, § 3 e AsylG.
Eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben droht dem Kläger als Angehöriger der Zivilbevölkerung vorliegend aber nicht.
Zwar kann sich auch eine allgemeine Gefahr willkürlicher Gewalt, die von einem bewaffneten Konflikt ausgeht, individuell verdichten und damit zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG führen. Für die Feststellung der Gefahrendichte können dabei die Kriterien, die im Bereich des Flüchtlingsrechts für den dort maßgeblichen Begriff der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung gelten, entsprechend herangezogen werden. Dabei ist davon auszugehen, dass ein innerstaatlicher Konflikt üblicherweise nicht eine solche Gefahrendichte hat, dass alle Bewohner des betroffenen Gebietes ernsthaft persönlich betroffen sein werden. Allgemeine Lebensgefahren, die lediglich Folge des bewaffneten Konfliktes sind, z. B. eine durch den Konflikt bedingte Verschlechterung der Versorgungslage, können nicht in die Bemessung der Gefahrendichte einbezogen werden.
Vorliegend kann, selbst wenn man im Irak einen innerstaatlichen oder internationalen Konflikt bejahte, nicht davon ausgegangen werden, dass der den bestehenden Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei ihrer Rückkehr in den Irak oder in die betroffene Region, vorliegend nach …, woher der Kläger stammt, allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet bzw. dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Die erforderliche Gefahrendichte im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist daher nicht gegeben. Auch ist für den Kläger eine Rückkehr in den schiitisch geprägten südlichen Landesteil des Irak zumutbar.
Es sind auch keine besonderen, in der Person des Klägers liegenden, individuellen Umstände ersichtlich, die auf eine erhöhte Gefährdung im Verhältnis zu sonstigen Angehörigen der Zivilbevölkerung schließen lassen.
Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben, so dass die Klage auch mit dem gestellten Hilfsantrag erfolglos bleiben muss.
Insoweit wird zunächst nach § 77 Abs. 1 AsylG auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen und ergänzend Folgendes ausgeführt.
Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG, insbesondere asylrelevante Eingriffe in die Religionsfreiheit, sind nicht ersichtlich.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 As. 7 Satz 2 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak aufgrund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
Das Bayerische Staatsministerium des Inneren hat im Erlasswege mit Rundschreiben vom 3. Juli 2008 (Az. IA-2086.10-439), welches nach wie vor Gültigkeit beansprucht, verfügt, dass irakische Staatsangehörige, die nicht Straftäter sind oder unter Sicherheitsaspekten vordringlich abzuschieben sind, nicht abgeschoben werden und Duldungen bis auf Weiteres auf der Grundlage des § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG bis zur Dauer von sechs Monaten erteilt bzw. verlängert werden. Es ist daher davon auszugehen, dass die Erlasslage hinsichtlich allgemeiner Gefahren derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 2/01 – NVwZ 2001, 1420).
Sonstige Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren erfasst werden, sind nicht ersichtlich bzw. vom Kläger nicht vorgetragen.
Abschließend weist das Gericht darauf hin, dass auch das vom Kläger vorgelegte ärztliche Attest vom 7. Dezember 2015 (Gerichtsakte Bl. 33) nicht zum Vorliegen von Abschiebungsverboten in den Irak führen kann. Diese ärztliche Bescheinigung, nach der der Kläger an einer depressiven Störung leidet und Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung aufweist, genügt bereits nicht den Mindestanforderungen an ärztliche Atteste. Grundsätzlich muss sich aus einem ärztlichen Gutachten nachvollziehbar mindestens ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat, welche Art von Befunderhebung stattgefunden hat und ob die vom Patienten geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie dem bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben (vgl. BVerwG, B. v. 26.7.2012 – 10 G 21.12 – juris Rn. 7; BayVGH, B. v. 22.8.2014 – 5 C 14.1664 – juris Rn. 5). Diesen Anforderungen genügt das zwar von einer fachärztlichen Praxis ausgestellte ärztliche Attest vom 7. Dezember 2015 nicht. Es legt bereits nicht dar, auf welcher Grundlage der behandelnde Arzt zum Schluss gelangt sei, dass der Kläger Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung aufweise. Im Übrigen verweist das Gericht darauf, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2016 selbst ausgeführt hat, derzeit gesund und psychisch stabil zu sein. Einen anderweitigen Eindruck hat das Gericht auch bei der persönlichen Einvernahme des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht gewonnen.
Nach allem war die Klage daher voll umfänglich als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.


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