Verwaltungsrecht

Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für einen nigerianischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  Au 9 K 17.34947

Datum:
30.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 3481
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
AsylG § 3, § 3b Abs. 1 Nr. 4
AsylG § 4
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Über den Rechtsstreit konnte trotz Ausbleibens der Beklagten aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2020 entschieden werden. In der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtordnung (VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2020 form- und fristgerecht geladen worden.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Gewährung subsidiären Schutzes bzw. auf die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 6. Oktober 2017 ist daher rechtmäßig. Es wird zunächst in vollem Umfang auf die Gründe des angefochtenen Bescheides (§ 77 Abs. 2 AsylG) Bezug genommen. Darüber hinaus wird das Folgende ausgeführt:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 ff. AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Die Tatsache, dass der Ausländer bereits verfolgt oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er neuerlich von derartiger Verfolgung bedroht ist. Hat der Asylbewerber seine Heimat jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm auf Grund von Nachfluchttatbeständen eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Dabei ist es Sache des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei genügt für diesen Tatsachenvortrag auf Grund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
Wer bereits Verfolgung erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei der Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus (vgl. BVerfG, B.v. 12.2.2008 – 2 BvR 2141/06 – juris Rn. 20; VG Köln, U.v. 26.2.2014 – 23 K 5187/11.A – juris Rn. 26).
Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Begehren des Klägers nicht zum Erfolg. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger vor seiner Ausreise aus Nigeria landesweit von politischer Verfolgung betroffen war bzw. im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria hiervon bedroht sein wird.
Insbesondere verhilft dem Asylbegehren des Klägers nicht der Vortrag zum Erfolg, er sei homosexuell veranlagt.
Homosexuelle bilden in Nigeria eine soziale Gruppe im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. Nach dieser Vorschrift gilt eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemeinsam haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder für das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird; als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet. Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter. Diese gesetzlichen Vorgaben entsprechen auch dem europäischen Recht, wie es Niederschlag in Art. 10 Abs. 1d der Qualifikationsrichtlinie RL 2011/95/EU gefunden hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 7.3.2013 – A 9 S 1873/12 – juris Rn. 34; VG Karlsruhe, U.v. 9.8.2017 – A 4 K 6228/17 – juris Rn. 16; VG Gelsenkirchen, U.v. 24.9.2018 – 9a K 7003/17.A – juris Rn. 29).
Nach den vorliegenden Erkenntnissen, sind homosexuelle Handlungen jeglicher Art in Nigeria sowohl nach säkularem Recht (mit zeitiger Freiheitsstrafe – bei vollzogenem Verkehr mit einer Freiheitsstrafe bis zu 14 Jahren) als auch nach Scharia-Recht (Körperstrafen bis hin zum Tod durch Steinigung in besonderen Fällen) strafbar (zur historischen Entwicklung: VGH BW, U.v. 7.3.2013 – A 9 S 1873/12 -, Rn. 62 ff., juris m.w.N.). Im Januar 2014 hat der vorherige Präsident Nigerias – H. K. – ein weiteres Gesetz mit dem Namen „Same Sex Marriage (Prohibition) Bill“ unterzeichnet. Bis zu vierzehn Jahren Haft droht Homosexuellen, wenn sie einen (verbotenen) Ehevertrag oder eine (verbotene) zivilrechtlich eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaft eingehen. Personen, die an einer solchen Zeremonie teilnehmen oder sie unterstützen, drohen zehn Jahre Haft. Wer öffentlich die Liebesbeziehung zu einem Menschen gleichen Geschlechts „direkt oder indirekt zeigt“, muss für bis zu zehn Jahre ins Gefängnis (VG Gelsenkirchen, U.v. 18.11.2015, a.a.O., Rn. 33, m.w.N.)
Zu prüfen ist daher insbesondere, wie sich der Schutzsuchende bei seiner Rückkehr im Hinblick auf seine sexuelle Ausrichtung verhalten wird und wie wichtig diese Verhaltensweise für seine Identität ist. Bei der auf einer Gesamtwürdigung der Person des Schutzsuchenden beruhenden Prognose des Verhaltens in seinem Herkunftsland ist nicht beachtlich, ob er mit Rücksicht auf drohende Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 RL 2004/83/EG – etwa einer zu erwartenden Strafverfolgung – auf das behauptete Verhalten verzichten würde. Denn hierbei handelt es sich um ein Vermeidungsverhalten, das vom Schutzsuchenden angesichts der Ziele der RL 2004/83/EG nicht verlangt werden kann, weil es kausal im Sinne von Art. 9 Abs. 3 RL 2004/83/EG auf einer drohenden Verfolgung beruht. Daher darf erst recht nicht angenommen werden, dass ein Schutzsuchender nur dann tatsächlich von einer Verfolgung bedroht ist, wenn er sich trotz der drohenden Verfolgungshandlung in dieser Weise verhalten würde und praktisch bereit wäre, für seine sexuelle Orientierung Verfolgung auf sich zu nehmen. Würde er jedoch aus nicht unter Art. 9 RL 2004/83/EG fallenden Gründen – etwa aus persönlichen Gründen oder aufgrund familiären oder sozialen Drucks oder Rücksichtnahmen – ein bestimmtes Verhalten im Herkunftsland nicht ausüben, ist ein solcher Verhaltensverzicht bei der Beurteilung, ob der Schutzsuchende Flüchtling im Sinne von Art. 2 Buchst. c RL 2004/83/EG ist, zu berücksichtigen“ (VGH BW, U.v. 7.3.2013, a.a.O., Rn. 49).
Ausgehend hiervon besitzt der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der §§ 3 ff. AsylG.
Der zentrale Punkt der vom Kläger behaupteten Verfolgung, eine Verfolgung durch nigerianische Behörden (Polizei) bzw. nicht staatliche Dritte aufgrund vormaliger homosexueller Beziehungen des Klägers, werden diesem nicht geglaubt.
Das gesamte Vorbringen des Klägers betreffend seine angebliche Homosexualität ist teilweise widersprüchlich bzw. insgesamt unglaubwürdig.
So sind bereits die Angaben des Klägers zu seiner angeblich homosexuellen Lebensweise in Nigeria äußerst dürftig und oberflächlich. So ist es bereits wenig glaubhaft, dass der Kläger erst im Alter von 22 Jahren seine angeblich homosexuelle Neigung entdeckt habe und eine gleichgeschlechtliche Beziehung eingegangen sei. Weiter fällt auf, dass der Kläger die angeblichen Vorfälle seiner Homosexualität betreffend in Nigeria zeitlich schwer einordnen kann. Auch die Frage, wie lang seine gleichgeschlechtliche Beziehung zu der Person „G.“ gedauert habe, hat der Kläger nicht beantworten können. Auch der Vortrag des Klägers, wie es zur Aufdeckung seiner gleichgeschlechtlichen Beziehung gekommen ist, wird dem Kläger nicht geglaubt. Der Vortrag, dass ein junger Mann an der Tür der Wohnung seines damaligen Partners geklopft habe, um den Kläger und dessen Freund zum Fußballspielen abzuholen und dabei die homosexuellen Neigung der beiden Personen (der Kläger und dessen Freund) entdeckt haben will, erscheint konstruiert und unglaubwürdig. Es ist bereits nicht ersichtlich, wie eine vor der Tür stehende Person beim Öffnen der Tür sofort erkennen will, dass es sich bei den sich im Raum aufhaltenden Männern um Homosexuelle handelt. Dies erschließt sich für das Gericht nicht. Ebenfalls unglaubwürdig ist, dass dieser Junge fortgelaufen sei und im Dorf publik gemacht habe, dass der Kläger und sein Freund homosexuell seien. Dies liegt außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit. Gleiches gilt für die geschilderte Flucht aus dem Elternhaus, nachdem auch der Vater des Klägers von dessen angeblicher Homosexualität Kenntnis erlangt haben soll. Dass der Vater des Klägers diesen ohne weitere Rücksprache aus dem elterlichen Haus geworfen haben will und der Kläger deshalb die Flucht durch ein Fenster ergriffen haben will, erschließt sich für das Gericht ebenfalls nicht. Der vom Kläger geschilderte Ablauf kann so nicht der Wirklichkeit entsprechen. Die Glaubwürdigkeit des Klägers wird weiter dadurch erschüttert, dass er bei seiner ersten persönlichen Anhörung beim Bundesamt am 9. November 2016 erklärt habe, dass die Polizei ihn habe verhaften wollen und er 14 Jahre Haft für den homosexuellen Akt erhalten habe. Auch dies entspricht offensichtlich nicht den Tatsachen. Schließlich werden dem Kläger auch die Schilderungen, wie er vom Tod seines vormaligen Lebenspartners erfahren habe nicht geglaubt. Auch insoweit wirkt das Vorbringen des Klägers letztlich konstruiert und offensichtlich nicht den Tatsachen entsprechend.
Dem Kläger werden die von ihm behaupteten homosexuellen Neigungen auch deshalb nicht geglaubt, da der Kläger nicht darlegen konnte, nach seiner Flucht nach Deutschland, wo ihm die Entfaltung seiner Homosexualität straflos möglich gewesen wäre, eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft eingegangen ist. Die Frage des Gerichts, ob der Kläger in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft lebe, hat dieser verneint. Zeugen für eine eventuelle gleichgeschlechtliche Praxis seit seinem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat der Kläger ebenfalls nicht beigebracht. Beweisanträge wurden nicht gestellt.
Ohne, dass es hierauf entscheidungserheblich ankommt, weist das Gericht darauf hin, dass auch die vom Kläger lediglich in Kopie vorgelegte Eidesstattliche Versicherung vom 12. Januar 2017 (Gerichtakte Bl. 16), erheblichen Zweifeln hinsichtlich ihrer Echtheit begegnet. So wird der beschuldigte Lebenspartner des Klägers in der vorgelegten Kopie als „S.“ bezeichnet. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Nachfrage erklärt, dass sein damaliger Lebensgefährte „G.“ geheißen habe. Auch wurde lediglich eine nicht übersetzte Kopie vorgelegt. Die Gerichtsprache ist nach § 184 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) deutsch. Da dem Kläger bereits aus anderen Gründen nicht geglaubt wird, dass dieser sein Heimatland aus Gründen der Homosexualität verlassen hat, kommt es hierauf aber nicht entscheidungserheblich an. Beweisanträge zur Überprüfung der Echtheit der vorgelegten Erklärung (Kopie) wurden ebenfalls nicht gestellt.
Vor diesem Hintergrund ist das Gericht der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO), dass die vom Kläger geschilderte homosexuelle Veranlagung bei diesem nicht vorliegt. Es handelt sich nach Überzeugung des Gerichts ausschließlich um ein asyltaktisch bedingtes Vorbringen.
Der Kläger besitzt demnach keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3, 3b AsylG. Im Hinblick auf die umfangreiche Berücksichtigung vieler Erkenntnismittel und deren Auswertung ist der Asylantrag des Klägers allerdings nicht offensichtlich (§ 30 Abs. 1 AsylG) unbegründet, sondern einfach unbegründet.
2. Der beantragte (unionsrechtliche) subsidiäre Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei auch die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Die Art der Behandlung oder Bestrafung muss eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG).
Da das Gericht das Vorbringen des Klägers, er sei homosexuell, als nicht glaubhaft beurteilt, droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Nigeria weder die Verhängung einer Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) bzw. Folter oder unmenschlicher oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AslyG).
Der Kläger ist im Falle seiner Rückkehr auch nicht einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG) ausgesetzt, auch nicht wegen seines christlichen Glaubens. Die immer wieder aufkommenden, gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen christlichen und muslimischen Gruppen, bzw. die Angriffe und Auseinandersetzung mit der Gruppierung „Boko Haram“ sind überwiegend regional begrenzt und weisen nicht die Merkmale eines innerstaatlichen Konflikts i.S. der Vorschrift und der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auf (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 2013 -, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/10 -, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4/09 -, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9/08 und U.v. 24.6.2008 – 10 C 43/07 – sowie B.v. 14.11.2012 – 10 B 22/12 – jeweils juris). Das Ausmaß dieser Konflikte ist in Intensität und Dauerhaftigkeit nicht mit Bürgerkriegsauseinandersetzungen, die in Nigeria (noch) nicht festzustellen sind, vergleichbar. Nach den allgemein zugänglichen Erkenntnismitteln (Tagespresse, Medien) und Erkenntnissen des Gerichts kam es zwar auch im Jahr 2017 und 2018 sehr häufig zu Anschlägen der Gruppe „Boko Haram“ und sind auch die Einsätze der nigerianischen Sicherheitskräfte mit Gewaltexzessen und willkürlichen Verhaftungen verbunden. Allerdings konzentrieren sich die Anschläge von „Boko Haram“ und die daraus folgenden Auseinandersetzungen immer noch hauptsächlich auf den Norden bzw. Nordosten Nigerias, während es im Süden und Südwesten des Landes nur vereinzelt zu Anschlägen bzw. Terrorakten gekommen ist. Eine landesweite Verübung von Terrorakten durch die Organisation „Boko Haram“ findet nicht statt (vgl. dazu: AA, Lageberichte von Nigeria vom 10. Dezember 2018, 21. Januar 2018, 26. November 2016, 28. November 2014, jew. Zusammenfassung S. 5 sowie II, 1.4., vom 28. August 2013, vom 6. Mai 2012, 7. März 2011, 11. März 2010 und vom 21. Januar 2009, jeweils Ziffer II.1.4). Ein Bürgerkrieg findet in Nigeria nicht statt; Bürgerkriegsparteien sind nicht vorhanden.
Der Kläger ist daher in der Lage, diesen Konflikten durch Rückkehr in weniger gefährdete Gebiete im Sinne eines internen Schutzes (§ 4 Abs. 3, § 3e AsylG) aus dem Wege zu gehen. An dieser Stelle ist darauf zu verweisen, dass der Kläger selbst nach seinem Vorbringen aus dem Süden Nigerias (* State) stammt. Selbst wenn der Kläger nicht an seine vormaligen Aufenthaltsorte zurückkehren wollte, kommt nach Auffassung des Gerichts jedenfalls eine Rückkehr nach Abuja bzw. Lagos, aber beispielsweise auch nach Port Harcourt oder nach Owerri in Betracht.
3. Auch in Bezug auf die vom Kläger begehrte Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bleibt die Klage ohne Erfolg. Dem Kläger steht kein diesbezüglicher Anspruch zur Seite.
a) Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria – hier leben immer noch ca. 70% der Bevölkerung am Existenzminimum und sind von informellem Handel und Subsistenzwirtschaft abhängig (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria – Lagebericht – a.a.O. Nr. I.2.) – ebenso wie die Situation hinsichtlich der verschiedenen gewalttätigen Auseinandersetzungen und Übergriffe, z.T. auch durch die Sicherheitskräfte, und die damit zusammenhängenden Gefahren (s.o. und Lagebericht a.a.O. Nr. II.2 und 3.) grundsätzlich nicht zu einer individuellen, gerade dem Kläger drohenden Gefahr führt, sondern unter die allgemeinen Gefahren zu subsumieren ist, denen die Bevölkerung oder relevante Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist und die gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG durch Anordnungen gemäß § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen sind.
Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage eines Betroffenen erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen; anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen, wie zum Beispiel im Falle einer tödlichen Erkrankung in fortgeschrittenen Stadium, wenn im Zielstaat keine Unterstützung besteht (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – BVerwGE 146, 12-31, juris, Rn. 23 ff. m.w.N.). Im Hinblick auf die Bewertung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK gelten dabei bei der Beurteilung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG die gleichen Voraussetzungen wie bei der Frage der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG wegen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – a.a.O. – juris Rn. 22, 36).
Auch eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) für einen Betroffenen aufgrund allgemein für die Bevölkerung bestehender Gefahren, die über diese allgemein bestehenden Gefahren hinausgeht ist, nur im Ausnahmefall im Sinne eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – a.a.O., juris Rn. 38). Ein Ausländer kann im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser allgemein bestehenden Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für die Betroffenen die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Betroffenen daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (zum Ganzen BVerwG, U.v. 31.1.2013 a.a.O., juris Rn. 38).
b) Für derartige besondere Gefahren aufgrund schlechter humanitärer oder wirtschaftlicher Verhältnisse ist hier nichts ersichtlich. Insbesondere kann im Falle des Klägers nicht davon ausgegangen werden, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria zu einem Abschiebungsverbot aufgrund schlechter humanitärer Verhältnisse führt, die im Ausnahmefall als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK qualifiziert werden könnten.
Wie bereits ausgeführt, geht das Gericht davon aus, dass der Kläger auch nach seiner Rückkehr in der Lage sein wird, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger keine Unterhaltslasten hat. Auch weist er mit einem Schulbesuch von sechs Jahren (Primary School) eine für nigerianische Verhältnisse überdurchschnittliche Schulbildung auf. Auch hat der Kläger in Nigeria bereits erste berufliche Erfahrungen gemacht. So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er sich in Nigeria als Gelegenheitsarbeiter/Tagelöhner betätigt hat. Daneben verfügt der Kläger über weitere sogar mehrjährige berufliche Erfahrungen in der Bundesrepublik Deutschland. So ist der Kläger seit etwa 3,5 Jahren bei einer Metzgerei in * in Vollzeit beschäftigt. Er verfügt insoweit über ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Dies zugrunde gelegt ist ein nationales Abschiebungsverbot zugunsten des Klägers auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht ersichtlich.
c) Auch ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 7 Satz AufenthG liegt zugunsten des Klägers nicht vor. Zu eventuellen gesundheitlichen Einschränkungen in der mündlichen Verhandlung befragt, hat der Kläger ausgeführt, dass er im Wesentlichen gesund sei. Er habe lediglich gewisse Beschwerden im Nacken- bzw. Rückenbereich. Diese seien jedoch Folge seiner beruflichen Tätigkeit. Eine nennenswerte Einschränkung ergebe sich hieraus für ihn nicht. Auch wurden im Verfahren keinerlei ärztliche Atteste vorgelegt.
4. Die auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung ist ebenfalls rechtmäßig, da die Voraussetzungen dieser Bestimmungen vorliegen. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergibt sich aus § 38 Abs. 1 AsylG.
Hinweise auf eine Fehlerhaftigkeit der Befristung der Einreise- und Aufenthaltsverbote nach § 11 AufenthG bestehen im maßgeblichen Zeitpunkt nicht. Die Beklagte hat das ihr zustehende Ermessen erkannt und im Rahmen der gerichtlich gem. § 114 Satz 2 VwGO beschränkten Prüfung ordnungsgemäß ausgeübt. Die erforderliche Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer kann in unionsrechtskonformer Auslegung des Aufenthaltsgesetzes auch in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG 2011 (§ 11 Abs. 2 AufenthG n.F.) gesehen werden (BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21.17 – juris).
5. Die Klage war mithin mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.


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