Verwaltungsrecht

Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft – Verfolgungsschicksal nicht glaubhaft dargelegt

Aktenzeichen  14 B 17.31462

Datum:
25.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 3434
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 1 Nr. 1, § 4
VwGO § 86 Abs. 2, § 108 Abs. 1 S. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1. Hinsichtlich des Iran kommt es für die Frage einer Verfolgungsgefahr wegen Konversion maßgeblich darauf an, ob im Fall einer Rückkehr einer konvertierten Person in den Iran davon auszugehen ist, dass diese ihren neu aufgenommenen Glauben – und die damit verbundene Abkehr vom Islam – aktiv im Iran ausüben (BayVGH BeckRS 2015, 56145; BeckRS 2016, 54890) oder erzwungener Maßen, unter dem Druck drohender Verfolgung, auf eine Glaubensbetätigung verzichten wird (vgl. BVerwG BeckRS 2015, 51672 mwN). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es gibt keine Erkenntnisse dahingehend, dass allein wegen einer bisherigen religiösen Betätigung im Ausland oder in Deutschland oder gar schon wegen eines bloß formalen Glaubenswechsels zum christlichen Glauben einem Übergetretenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran eine asylrechtlich relevante Verfolgung drohen könnte (BayVGH BeckRS 2015, 56145; BeckRS 2016, 54890). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 1 K 17.30356 2017-05-11 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) hat der Kläger weder einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) (1.) noch einen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) (2.). Die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann er ebenfalls nicht verlangen (3.).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG).
a) Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, die in § 3 Abs. 4 Asyl genannten Ausnahmen liegen vor. Ein Ausländer ist – vorbehaltlich des Vorliegens eines der in § 3 Abs. 2 und 3 AsylG genannten Ausnahmefälle – nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe insbesondere außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – BVerwGE 146, 67 Rn. 19, 32).
Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten – EMRK – keine Abweichung zulässig ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylG können als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 u.a. die folgenden Handlungen gelten: 1. Die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung. Zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss dabei eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
Gemäß § 28 Abs. 1a AsylG kann die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG zu erleiden, auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist. § 3 Abs. 1 AsylG greift deshalb beispielsweise auch dann ein, wenn ein Nachfluchtgrund gemäß § 28 Abs. 1 AsylG hinsichtlich der Frage einer Asylanerkennung (Art. 16a Abs. 1 GG) im Raum steht.
b) Hinsichtlich des Iran kommt es für die Frage einer Verfolgungsgefahr wegen Konversion maßgeblich darauf an, ob im Fall einer Rückkehr einer konvertierten Person in den Iran davon auszugehen ist, dass diese ihren neu aufgenommenen Glauben – und die damit verbundene Abkehr vom Islam – aktiv im Iran ausüben (BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 7.11.2016 – 14 ZB 16.30380 – juris Rn. 7) oder nur erzwungener Maßen, unter dem Druck drohender Verfolgung, auf eine Glaubensbetätigung verzichten wird (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – NVwZ 2015, 1678 Rn. 11 m.w.N.).
Es gibt keine Erkenntnisse dahingehend, dass allein wegen einer bisherigen religiösen Betätigung im Ausland oder in Deutschland oder gar schon wegen eines bloß formalen Glaubenswechsels zum christlichen Glauben einem Übergetretenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran eine asylrechtlich relevante Verfolgung drohen könnte (BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris Rn. 5 f. m.w.N; B.v. 7.11.2016 – 14 ZB 16.30380 – juris Rn. 7). Diese Rechtsprechung bezieht sich auch auf das Recht der Scharia (vgl. BayVGH, B.v. 16.11.2015 a.a.O. juris Rn. 6 im Anschluss an OVG NW, U.v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 49 ff.).
Wenn – wie hier – eine Verfolgung in einem Land nicht ausschließlich an der Kirchenzugehörigkeit anknüpft, ist nach der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts auf der etwaigen Rechtstatsache der Kirchenmitgliedschaft aufbauend bei der Beurteilung der Schwere einer drohenden Verletzung der Religionsfreiheit des Betroffenen zu prüfen, ob die Verfolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis für diesen zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist. Da bereits der unter dem Druck drohender Verfolgung erzwungene Verzicht auf eine Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung im Sinne des § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG erreichen kann, ist für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund drohender religiöser Verfolgung in diesem Fall maßgeblich, wie der Einzelne seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (vgl. zu all dem BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – NVwZ 2015, 1678 Rn. 11 m.w.N.).
Bei der Prüfung der inneren Tatsache, ob der Kläger die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung seiner religiösen Identität empfindet, dürfen sich die Verwaltungsgerichte nicht auf eine Plausibilitätsprüfung hinreichend substantiierter Darlegung beschränken, sondern haben insoweit das Regelbeweismaß der vollen Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zugrunde zu legen (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – NVwZ 2015, 1678 Rn. 13 m.w.N.).
Die religiöse Identität lässt sich als innere Tatsache nur aus dem Vorbringen des Asylbewerbers sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen feststellen. Es unterliegt der freien Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, auf welche Weise der Tatrichter versucht, sich die erforderliche Überzeugungsgewissheit vom Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsache der Wahrung der religiösen Identität des Asylbewerbers zu verschaffen. Insbesondere überspannt es die Beweisanforderungen nicht, von einem Erwachsenen im Regelfall zu erwarten, dass dieser schlüssige und nachvollziehbare Angaben zu den inneren Beweggründen für die Konversion machen kann und im Rahmen seiner Persönlichkeit und intellektuellen Disposition mit den Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist (vgl. BVerwG, B.v .25.8.2015 – 1 B 40.15 – NVwZ 2015, 1678 Rn. 14 m.w.N.)
c) Gemessen an diesen Maßstäben kann der Kläger für sich keine begründete Furcht vor Verfolgung wegen einer schwerwiegenden Verletzung seiner Religionsfreiheit in Anspruch nehmen, weil der Senat nicht davon überzeugt ist, dass der Kläger als ursprünglicher Muslim gemäß seiner späteren religiösen Überzeugung und Identität im Iran die von ihm geschilderten Kontakte zum Christentum gehabt hat und im Bundesgebiet zum Christentum konvertiert ist.
aa) Vorab wird – wie bereits in der mündlichen Verhandlung – klargestellt, dass die Erkenntnismittel, welche die Beklagte in ihrem Schreiben vom 8. Februar 2019 angeführt hat, schon deshalb nicht entscheidungserheblich sind, weil sie hinsichtlich der Gefahrenlage für zum Christentum konvertierte Muslime im Iran von den Aussagen des aktuellen Berichts des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (vom 12. Januar 2019, Stand: November 2018, im Folgenden: Lagebericht 2019) abweichen. Dieser aktuelle Lagebericht sagt etwa aus, dass muslimische Konvertiten und Mitglieder protestantischer Freikirchen im Iran willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt sind (Lagebericht 2019 S. 13 Mitte). Damit sieht er die Lage muslimischer Konvertiten im Iran kritischer als die von der Beklagten angeführten älteren Erkenntnismittel.
bb) Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger gemäß seiner späteren religiösen Überzeugung und Identität im Iran die von ihm geschilderten Kontakte zum Christentum gehabt und den Iran aus begründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat.
Es mag sein, dass der Kläger den Islam schiitischer Prägung im Iran als ihn einengende Staatsreligion empfunden hat und er diesem deshalb bereits dort innerlich ablehnend gegenüber gestanden ist. Darauf deutet etwa die Einlassung des Klägers gegenüber dem Bundesamt, im Iran gebe es keine Redefreiheit (Bundesamtsniederschrift S. 3 Mitte), hin. In diese Richtung geht auch die Aussage des Klägers gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof, bei den Lutheranern sei auch nicht festgelegt, wann man betet (VGH-Niederschrift S. 8 unten).
Die Schilderungen des Klägers zu seinen Kontakten mit dem Christentum im Iran sind nicht glaubhaft, so dass der Senat auch nicht von einer der religiösen Überzeugung und Identität folgenden Konversion zum Christentum bereits im Iran ausgeht. Der Kläger hat sein Vorbringen in wesentlichen Hinsichten unglaubhaft gesteigert. Zudem ist es in wesentlichen Punkten in sich widersprüchlich geblieben. Teils entspricht dieses Vorbringen auch den Tatsachen nicht. Im Einzelnen ergibt sich die Unglaubhaftigkeit seines Vortrags aus Folgendem:
Der Kläger hat sein Vorbringen ab der Bundesamtsanhörung bis zur mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgerichtshof in wesentlichen Hinsichten unglaubhaft gesteigert.
Obwohl die Anhörung beim Bundesamt laut der diesbezüglichen Niederschrift drei Stunden gedauert hat und der Kläger daher damals genügend Zeit für einen schlüssigen und zusammenhängenden Vortrag zu seinem Verfolgungsvorbringen gehabt hat, ist sein dortiges Verfolgungsvorbringen in verschiedener Hinsicht durch Detailarmut gekennzeichnet. Erfolglos hat der Kläger in der Folgezeit versucht, dieses Glaubhaftigkeitsdefizit seines Vorbringens durch verschiedene Steigerungen zu kompensieren.
Wenn dem Kläger im Iran etwa wirklich die innere Ruhe gefehlt hätte (Bundesamtsniederschrift S. 3 oben), hätte er diesen dann für ihn zentralen seelischen Umstand schon in der Bundesamtsanhörung so detailliert bzw. wortreich beschreiben können und müssen, wie er das gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof getan hat. Auf diesbezüglichen Vorhalt in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgerichtshof hat der Kläger insbesondere ausgeführt, er habe beim Bundesamt alles kurz erklärt, weil er gedacht habe, dass es einfach sein solle, wenn er seine Geschichte erzähle (VGH-Niederschrift S. 4 unten). Davon abgesehen, dass die Bundesamtsanhörung des Klägers mit drei Stunden nicht kurz war, ist ihm jedenfalls in der Belehrung für Erstantragsteller über Mitwirkungspflichten, die er auch in persischer Sprache vom Bundesamt erhalten hat (Bl. 23 ff. der Bundesamtsakte), insbesondere mitgeteilt worden, es sei wichtig, dass er sein persönliches Schicksal und die ihm konkret drohenden Gefahren bei einer Rückkehr vollständig und wahrheitsgemäß im Anhörungstermin darlege. Deswegen ist die vorgenannte Einlassung des Klägers als Ausflucht zu werten. Soweit der Kläger auf nochmaligen Vorhalt des Verwaltungsgerichtshofs, vor dem Bundesamt teilweise nicht einmal Namen genannt zu haben, geltend gemacht hat, dort immer nur auf Fragen geantwortet zu haben (VGH-Niederschrift S. 5 oben), entspricht dieses Vorbringen nicht den Tatsachen. Die Niederschrift über die Anhörung beim Bundesamt (Bundesamtsniederschrift S. 3) belegt, dass dem Kläger dort zunächst erheblicher Raum zum freien Vortrag seines Verfolgungsvorbringens gegeben worden ist.
Wenn etwa der „Freund“ des Klägers wirklich eine wichtige Rolle für seine Konversion zum Christentum im Iran gespielt hätte, hätte der Kläger bereits in der Bundesamtsanhörung – und nicht erst später gegenüber dem Verwaltungsgericht – dessen Namen nennen können. Der Kläger hätte dann auch schon in der Bundesamtsanhörung und nicht erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht davon berichten können, dass dieser Freund „an Depressionen erkrankt sei“ (VG-Niederschrift S. 3 oben) und dass dieser nicht etwa nur – wie in der Bundesamtsanhörung behauptet – „immer sehr traurig“ gewesen sei (Bundesamtsniederschrift S. 3 oben).
Gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof hat der Kläger schließlich etwa erstmals „schlechte Erinnerungen z.B. in Bezug auf Menschen, die die Moschee besuchten“, erwähnt (VGH-Niederschrift S. 2 unten). Erstmals erwähnt hat er in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgerichtshof etwa auch zwei Armenier namens Ravi und Josef, ein „spezielles Ereignis“ eines armenischen Schuldners (jeweils VGH-Niederschrift S. 3 unten) und den Umstand, seine Landsleute hätten ihn im Iran aufgrund seiner Konversion „auf die Seite gestellt“ (VGH-Niederschrift S. 11 oben), ohne für all diese Steigerungen seines Verfolgungsvorbringens eine plausible Erklärung gegeben zu haben. Wenn all diese Umstände zuträfen, hätte der Kläger sie bereits in der Bundesamtsanhörung geltend machen können.
Das Vorbringen des Klägers zu seiner Hinwendung zum Christentum im Iran ist zudem in wesentlichen Punkten in sich widersprüchlich geblieben.
In der Bundesamtsanhörung hat er angegeben, der Zustand seines „Freundes“ sei über zwei bis drei Monate kritisch gewesen (Bundesamtsniederschrift S. 3 oben). Seiner Einlassung beim Verwaltungsgericht zufolge sei Mehnan nach drei Monaten am Newroz-Fest wieder bei ihm im Laden erschienen (VG-Niederschrift S. 2 Mitte). Gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof hat der Kläger schließlich gesagt, Mehran sei nach ca. vier Monaten im Frühling im Monat Farwardin wieder vor seiner Ladentür gestanden (VGH-Niederschrift S. 4 oben, S. 7 unten). Diese immer länger gewordenen Zeitangaben passen – was dem Kläger beim Verwaltungsgerichtshof vom Beklagtenvertreter vorgehalten worden ist – nicht zusammen.
Der Kläger hat auch widersprüchlich zum Eigentümer der Wohnung, in der die meisten Hauskirchensitzungen stattgefunden haben sollen, vorgetragen. In der Bundesamtsanhörung hat der Kläger gesagt, der Eigentümer der Wohnung sei katholisch gewesen (Bundesamtsniederschrift S. 4 unten). Gegenüber dem Verwaltungsgericht hat er angegeben, er wisse nicht sicher, ob es sich bei den 15 Treffen in der einen Wohnung tatsächlich auch um die Wohnung des Wahid – zu dessen Konfession er keine Angaben machen könne – gehandelt habe (VG-Niederschrift S. 5 und 6 Mitte). Dagegen hat der Kläger gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof eine dritte Version vorgetragen, indem er ausgeführt hat, er vermute, der Eigentümer dieses kleinen Appartements sei der Bruder Benjamin – den der Kläger gegenüber dem Verwaltungsgericht als armenischen Christen bezeichnet hat (VG-Niederschrift S. 5 Mitte) -gewesen, er wisse es aber nicht sicher. Auf den Vorhalt des Verwaltungsgerichtshofs zu der abweichenden Aussage des Klägers beim Bundesamt hat dieser im Kern geantwortet, er habe damals ein Problem mit dem Dolmetscher gehabt. Auch dieses Vorbringen des Klägers entspricht nicht den Tatsachen. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat ihm dazu bereits in der mündlichen Verhandlung vorgehalten, der Kläger habe gemäß Seite 5 unten des Bundesamtsprotokolls bestätigt, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe und es stehe dort außerdem, dass ihm die verfasste Niederschrift rückübersetzt worden sei (VGH-Niederschrift S. 6 Mitte). Auch soweit der Kläger im Fortgang der mündlichen Verhandlung auf Frage seines Bevollmächtigten gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof ausgeführt hat, ein Wort „katholisch“ gebe es auf Persisch/Farsi nicht (VGH-Niederschrift S. 6 unten), entspricht sein Vorbringen nicht den Tatsachen. Auf Nachfrage des Verwaltungsgerichtshofs hat die Dolmetscherin erklärt, dass es im Iran ein Wort „Katholik“ gibt. Dieser Widerspruch wiegt besonders schwer zu Lasten des Klägers, weil er seine angebliche christliche Identität zentral betrifft.
Widersprüchlich sind auch die Angaben des Klägers zu den staatlichen iranischen Kräften, die er vor dem Haus des angeblich letzten Hauskirchentreffens gesehen haben will, geblieben. In der Bundesamtsanhörung hat der Kläger gesagt, er habe dort ein paar Leute vom Informationsministerium gesehen (Bundesamtsniederschrift S. 3 unten). Dagegen hat er gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof angegeben, man habe an der Kleidung oder an der Art dieser Leute erkennen können, dass sie von den Revolutionsgarden gewesen seien (VGH-Niederschrift S. 5 Mitte). Auch soweit der Kläger auf entsprechenden Vorhalt des Beklagtenvertreters sich damit gerechtfertigt hat, dass „bei ihnen die Nachrichtendienste alle gleich genannt werden“ (VGH-Niederschrift S. 7 unten), ändert das nichts daran, dass der Kläger selbst für ein und dieselbe Gruppe von Personen unterschiedliche Bezeichnungen verwendet hat, wobei objektiv sehr wohl unterschiedliche Organisationen unterschieden werden können. So lässt sich etwa dem Lagebericht 2019 – ebenso wie früheren Lageberichten (vgl. etwa den Lagebericht 2015 S. 8 f.) – entnehmen, dass das Ministerium für Information als Geheimdienst (Vezarat-e Etela´at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt ist (Lagebericht 2019 S. 8 unten). Eine Sonderrolle nehmen demgegenüber die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami) ein, die über eigene Geheimdienste verfügen (Lagebericht 2019 S. 8 Mitte).
Nicht zuletzt zu der Frage, ob der Kläger dem Freund, bei dem er Zuflucht gesucht haben will, von den Vorfällen erzählt hat, hat der Kläger sich widersprochen. In der Bundesamtsanhörung hat er gesagt, er sei nach dem Vorfall des geplanten, letzten Hauskirchentreffens zu einem Freund gegangen, der mit dem Christentum nichts zu tun habe und er habe diesem auf dessen Frage, was los sei, nichts gesagt (Bundesamtsniederschrift S. 3 unten). Dagegen hat der Kläger gegenüber dem Verwaltungsgericht angegeben, er habe diesem nun von ihm erstmals als „Jashar“ benannten Freund nach diesem Vorfall alles erzählt (VG-Niederschrift S. 7 Mitte). Auf dementsprechenden Vorhalt des Verwaltungsgerichtshofs hat der Kläger entgegnet, er habe ja gesagt, dass er diesem Freund vor dem Vorfall nichts gesagt gehabt habe. Das, was in der Niederschrift des Bundesamts stehe, müsse ein Missverständnis sein. Sein Freund habe vor dem Vorfall nicht gewusst, dass der Kläger konvertiert sei. In dem Moment habe der Kläger ihm sagen müssen, was vorgefallen gewesen sei (VGH-Niederschrift S. 5 unten). Dem Senat erschließt sich nicht, worin hier ein „Missverständnis“ gelegen haben sollte. Nachdem auch die Bundesamtsniederschrift dem Kläger rückübersetzt worden war und es keine Verständigungsschwierigkeiten gab, geht der Senat von sich widersprechenden Schilderungen des Klägers aus.
cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass der Kläger im Bundesgebiet zum Christentum konvertiert ist.
(1) Bei dieser Glaubhaftigkeitsbeurteilung ist der Senat nach der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts nicht an die Beurteilung des zuständigen Amtsträgers einer christlichen Kirche gebunden, der Taufe des betroffenen Asylbewerbers liege eine ernsthafte und nachhaltige Glaubensentscheidung zu Grunde (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – NVwZ 2015, 1678 Rn. 9 m.w.N.).
(2) Insoweit werden zunächst sämtliche Tatsachen, die der Klägerbevollmächtigte zum Gegenstand der in der mündlichen Verhandlung unbedingt gestellten Beweisanträge (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO) gemacht hat, in Übereinstimmung mit der zur Ablehnung dieser Beweisanträge gegebenen Begründung zugunsten des Klägers inhaltlich unverändert als wahr unterstellt. Als wahr unterstellt werden somit die regelmäßigen Gottesdienstbesuche des Klägers, seine Teilnahmen an den Abendmahlsfeiern, die Gespräche mit Herrn Dr. L. nach den Gottesdiensten, auch mit dessen Ehefrau insbesondere über Predigten, das Vertrautsein des Klägers mit biblischen Geschichten und Gleichnissen, der Umstand, dass Dr. L. aus Gesprächen mit dem Kläger gehört hat, dieser lebe mit diesen Geschichten und Gleichnissen, die Feiern des Gedächtnisses der Taufe des Klägers, die Tätigkeiten des Klägers als Hilfsmesner, wie etwa die Reinigungsarbeiten, die Schmückung des Altars etc., die Tätigkeit des Klägers für den Eine-Welt-Laden und die geplanten Berichte des Klägers über seine Glaubensgeschichte im Konfirmandenunterricht.
(3) Diese Wahrunterstellung ist – wenn man wiederum zugunsten des Klägers von der Entscheidungserheblichkeit sämtlicher Tatsachen ausgeht, die Gegenstand der unbedingt gestellten Beweisanträge sind – entgegen der wiederholt in der mündlichen Verhandlung und nochmals im Schriftsatz vom 15. Februar 2019 geäußerten Meinung des Klägerbevollmächtigten prozessrechtlich zulässig.
(a) Zwar gibt es verwaltungsprozessuale Konstellationen, in denen für eine Wahrunterstellung entscheidungserheblicher Tatsachen kein Raum bleibt (vgl. BVerwG, U.v. 6.12.1988 – 9 C 91.87 – juris Rn. 8 m.w.N; U.v. 17.1.1990 – 9 C 39.89 – NVwZ-RR 1990, 510/511 m.w.N; BVerfG, B.v. 12.3.1999 – 2 BvR 206/98 – NVwZ-Beil. 1999, 51/52 m.w.N; Dawin in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand September 2018, § 86 Rn. 120 m.w.N; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rn. 75 m.w.N.). Allerdings gilt das nicht in Konstellationen wie der vorliegenden (nach Fallgruppen differenzierend etwa Rixen in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 86 Rn. 100 m.w.N; siehe auch Hahn in jurisPR-BVerwG 22/2018, Anm. 4), die mit derjenigen, die dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. März 1999 – 2 BvR 206/98 – auf den sich der Klägerbevollmächtigte in seinem Schriftsatz vom 15. Februar 2019 bezieht, zugrunde liegt, wiederum nicht vergleichbar ist. Anders als dort (BVerfG, B.v. 12.3.1999 – 2 BvR 206/98 – NVwZ-Beil. 1999, 51/52 unter B.II.2.b) ist die vorliegende Wahrunterstellung des Senats auf die in den Beweisanträgen aufgeführten Beweistatsachen selbst bezogen und nicht etwa dahingehend beschränkt worden, dass (nur) unterstellt werde, die benannten Zeugen würden die Behauptung des Klägers in den Beweisanträgen bestätigen. Auch geht es vorliegend – anders als seinerzeit im Raume stehend (vgl. BVerfG, B.v. 12.3.1999 a.a.O. unter B.II.2.a) – hinsichtlich der in den Beweisanträgen bezeichneten Beweistatsachen auch nicht um eine Wahrunterstellung „ohne Bindungswirkung“ im Hinblick auf „entgegenstehende“ Erkenntnisse aus anderen Erkenntnismitteln. Vielmehr legt der Senat die in den Beweisanträgen bezeichneten Beweistatsachen im Rahmen seiner Gesamtwürdigung so zugrunde, wie sie in den Beweisanträgen beschrieben sind.
Das Bundesverwaltungsgericht hat den Ausschluss von Wahrunterstellungsmöglichkeiten selbst mehrfach relativiert. Zwar hat es formuliert, dass die Wahrunterstellung einer entscheidungserheblichen Tatsache im Verwaltungsprozess regelmäßig ausscheide (vgl. BVerwG, U.v. 24.3.1987 – 9 C 47.85 – NVwZ 1987, 812/813; U.v. 6.12.1988 – 9 C 91.87 – juris Leitsatz 1; B.v. 3.12.2012 – 2 B 32.12 – juris Rn. 12 m.w.N.). Zur Begründung dieser Ansicht hat das Bundesverwaltungsgericht mit Recht angeführt, dass sich eine das Ergebnis des Rechtsstreits beeinflussende Wahrunterstellung zugunsten einer Partei in aller Regel zuungunsten der anderen Partei auswirkte (vgl. BVerwG, U.v. 24.3.1987 – 9 C 47.85 – NVwZ 1987, 812/813). Auch wäre es prozessrechtlich ohne Zweifel nicht erlaubt, das Vorliegen entscheidungserheblicher Tatsachen zu Lasten eines Beteiligten als „wahr zu unterstellen“ und sie damit in der Sache offen zu lassen (vgl. BVerwG, B.v. 14.6.2016 – 4 B 45.15 – juris Rn. 82).
Auch im Asylprozess sind jedoch Ausnahmen von der besagten Regelannahme möglich. Dabei ist zu sehen, dass nicht beweisbedürftig unter anderem solche Tatsachen sind, die unstreitig sind (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1974 – V CB 13.74 – juris Rn. 21). Wahrunterstellungen sind in Fällen der Unstreitigkeit jedenfalls dann unbedenklich, wenn sie sich bei keinem Beteiligten zu dessen Ungunsten auswirken (vgl. BVerwG, U.v. 24.3.1987 – 9 C 47.85 – NVwZ 1987, 812/813; B.v. 14.6.2016 – 4 B 45.15 – juris Rn. 82).
Das Bundesverfassungsgericht hat darüber hinaus entschieden, dass es verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn ein Verwaltungsgericht einen den Vortragenden begünstigenden (entscheidungserheblichen) Tatsachenvortrag als wahr unterstellt seiner Entscheidung zugrunde legt und deshalb einem entsprechenden Beweisantrag nicht weiter nachgeht (vgl. BVerfG, B.v. 18.2.1988 – 2 BvR 1324/87 – juris Rn. 26).
Dabei erstreckt sich die Bindungswirkung einer solchermaßen zulässigen Wahrunterstellung nicht auf andere Tatsachen, die zusammen mit einer als wahr unterstellten Tatsache einen einheitlichen Lebenssachverhalt bilden. Auch entfaltet eine Wahrunterstellung keine Bindungswirkung für die Würdigung des betreffenden Lebenssachverhalts. Sie verbietet nicht, aus diesem Sachverhalt unter Beachtung des Überzeugungsgrundsatzes bestimmte Schlüsse zu ziehen, solange die als wahr unterstellten Tatsachen zugrunde gelegt werden (BVerwG, B.v. 10.9.2018 – 6 B 134.18 – juris Rn. 8).
(b) Unabhängig davon kann ein Tatsachengericht Behauptungen prozessrechtlich dahinstehen lassen, die, selbst wenn sie vorlägen, für den Ausgang des Rechtsstreits ohne Bedeutung wären. Abgesehen davon, ob bei fehlender Entscheidungserheblichkeit begrifflich überhaupt von einer „Wahrunterstellung“ gesprochen werden kann, bleibt eine solche für Behauptungen, auf deren Wahrheit es nicht ankommt, rechtlich folgenlos (vgl. BVerwG, B.v. 14.6.2016 – 4 B 45.15 – juris Rn. 82 m.w.N.). Ist die Schilderung, die der Asylkläger von seinem persönlichen Verfolgungsschicksal gibt, in wesentlichen Punkten unzutreffend oder in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich, so braucht das Tatsachengericht – auch substantiierten – Beweisanträgen zum Verfolgungsgeschehen nicht nachzugehen, sondern kann die Klage ohne Beweisaufnahme abweisen (vgl. BVerwG, B.v. 26.10.1989 – 9 B 405/89 – juris Leitsatz 2). Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung gebilligt (vgl. BVerfG, B.v. 10.8.2001 – 2 BvR 1238/00 – juris Rn. 4 m.w.N.).
(c) Vor diesem Hintergrund können im vorliegenden Fall die unter (2) genannten Tatsachen schon deshalb als wahr unterstellt werden, weil sich diese Wahrunterstellung weder zuungunsten des Klägers noch zuungunsten der Beklagten auswirkt. Selbst wenn die klägerseits im Beweisantrag benannten Zeugen einvernommen worden wären, hätten diese Zeugen im für den Kläger günstigsten Fall nicht mehr vermocht, als den Senat von den im Beweisantrag benannten Tatsachen zu überzeugen. Dem kommt die vorgenommene Wahrunterstellung gleich und wirkt sich deshalb allein zugunsten des Klägers aus. Diese Wahrunterstellung wirkt sich dabei auch nicht zu Lasten der Beklagten aus. Denn der Beklagtenvertreter hat die vom Kläger unter Beweis gestellten Tatsachen ausdrücklich als glaubhaft bezeichnet, also ebenfalls als wahr unterstellt bzw. unstreitig gestellt (VGH-Niederschrift S. 12 Mitte).
Jedenfalls in einer solchen Konstellation kann nicht davon die Rede sein, dass sich eine das Ergebnis des Rechtsstreits beeinflussende Wahrunterstellung zugunsten einer Partei auch zuungunsten der anderen Partei auswirkt (siehe oben unter (a)). Hier von einer Beweiserhebung abzusehen, steht im Übrigen auch wertungsmäßig mit der vom Bundesverwaltungsgericht gelegentlich ausgesprochenen Mahnung, die Tatsachengerichte sollten sich auch bei Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht „gleichsam ungefragt“ auf Fehlersuche begeben (vgl. nur BVerwG, U.v. 17.4.2002 – 9 CN 1.01 – BVerwGE 116, 188/196 f. m.w.N.), in Einklang. Die Befolgung dieser Mahnung kollidiert ihrerseits wiederum nicht mit den asylspezifischen Anforderungen an die gerichtliche Ermittlungstiefe, wenn und soweit es um die Wahrunterstellung von entscheidungserheblichen Tatsachen zugunsten des Asylbewerbers geht.
(4) Trotz dieser (zulässiger Weise zugunsten des Klägers) als wahr unterstellten Tatsachen ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der Kläger im Bundesgebiet aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert ist.
Das Nachfluchtvorbringen des Klägers zu seiner angeblichen Konversion zum Christentum im Bundesgebiet ist schon deshalb unglaubhaft, weil der Kläger selbst in Kernpunkten, insbesondere was den Grund für seine Hinwendung zum Christentum betrifft, auf sein unglaubhaftes Vorbringen zu seiner Vorverfolgung bekräftigend Bezug genommen hat. Einen neuen, das Vorfluchtvorbringen überlagernden Strang zu einem identitätsprägenden inneren Einstellungswandel hat der Kläger dabei nicht geschildert. Zwar nimmt der Senat an, dass der Kläger in die evangelische Gemeinde in F. eingebunden ist und dass bei ihm eine Entwicklung feststellbar ist, insbesondere im Hinblick auf seine Kenntnisse und Aktivitäten. Von einer inneren Hinwendung des Klägers zum Christentum hat der Kläger den Senat aber nicht überzeugen können. Insoweit liegen keine hinreichend schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben vor und es überwiegt die Unglaubhaftigkeit der Schilderung der klägerischen Kontakte mit dem Christentum im Iran, die der Kläger auch zum Inhalt seines Nachfluchtvorbringens gemacht hat.
Zu seiner inneren Hinwendung zum Christentum in Deutschland bezieht sich der Kläger in erheblicher Weise auch auf die angeblichen Ereignisse im Iran. Auf sein unglaubhaftes Vorbringen zu seiner Vorverfolgung hat der Kläger etwa bekräftigend Bezug genommen, indem er gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof, befragt zu seiner Wahl der kirchlichen Gemeinde hier in Deutschland, erklärt hat, er habe der Religionszugehörigkeit nachgehen wollen, der er schon im Iran angehört habe, nämlich der evangelischen (VGH-Niederschrift S. 8 Mitte). Eine weitere Bezugnahme dieser Art liegt vor, soweit der Kläger auf die Frage seines Bevollmächtigten nach der persönlichen Bedeutung, die das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter für den Kläger habe, gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof ausgeführt hat, im Iran sei ihm widerfahren, dass seine Landsleute ihn aufgrund seiner Konversion auf die Seite gestellt hätten und er seine Familie habe verlassen müssen; hier hätten ihm Fremde geholfen (VGH-Niederschrift S. 11 oben). Diese Bezugnahmen auf unglaubhaftes Vorbringen zur Vorverfolgung wirken sich auf die Glaubhaftigkeit des Nachfluchtvorbringens aus. Insgesamt liegen keine hinreichend schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben zu den Beweggründen für die Konversion vor.
(5) Unabhängig davon lässt sich aus den unter Nummer (4) genannten Gründen auch die Entscheidungserheblichkeit der als wahr unterstellten Tatsachen verneinen, weil sich das Nachfluchtvorbringen wegen der Bezugnahme des Klägers auf die – wie gezeigt – unglaubhaften Schilderungen seines Kontakts mit dem Christentum im Iran letztlich ebenfalls als unglaubhaft erweist, was ein Absehen von der Beweiserhebung ebenfalls rechtfertigte (siehe oben (3) (b); vgl. BVerfG, B.v. 10.8.2001 – 2 BvR 1238/00 – juris Rn. 4 m.w.N.).
2. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Darlegungen hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG), weil insoweit kein anderer, eigenständig zu würdigender Sachverhalt vorliegt.
3. Auch unter Berücksichtigung der vorliegenden ärztlichen Stellungnahme zum Gesundheitszustand des Klägers hat dieser nach den vorstehenden Darlegungen keinen Anspruch auf die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote (§ 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG), insbesondere eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
Diese Vorschriften stehen im Zusammenhang mit § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG, die nach gefestigter Rechtsprechung mehrerer Obergerichte, der sich der Senat grundsätzlich anschließt, auch auf die Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG übertragbar sind (vgl. OVG LSA, B.v. 28.9.2017 – 2 L 85/17 – juris Leitsatz, Rn. 6 ff.; BayVGH, B.v. 24.1.2018 – 10 ZB 18.30105 – juris Rn. 7 m.w.N; B.v. 20.4.2018 – 11 ZB 18.30838 – juris Rn. 4 m.w.N; B.v. 26.4.2018 – 9 ZB 18.30178 – juris Rn. 6 ff. m.w.N; OVG Bremen, B.v. 13.6.2018 – 2 LA 50/17 – juris Leitsatz, Rn. 7 m.w.N; OVG RhPf, B.v. 2.10.2018 – 6 A 11552/17 – juris Leitsatz, Rn. 14 m.w.N; a.A. Funke-Kaiser in GK-AufenthG, Stand April 2017, § 60a Rn. 117.1 f.; Hailbronner, AuslR, Stand November 2017, § 60a Rn. 57 ff.).
Im Fall des Klägers ist die Vermutung, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen (§ 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG), nicht suspendiert, weil durch den Arztbrief des Dr. D. vom 15. Februar 2018 keine (aktuell bestehende) Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, im Sinne des § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG glaubhaft gemacht ist. Unabhängig davon, dass dieser Arztbrief nicht aktuell ist, trägt er entgegen § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG jedenfalls die in ihm enthaltene Diagnose einer depressiven Episode nicht. Zur Anamnese wird in dem Arztbrief insbesondere festgehalten, der Kläger habe an Gewicht zugenommen. Als psychiatrischer Befund wird festgehalten: „Soweit bei Sprachbarriere beurteilbar allseits orientiert; Stimmungsmäßig depressiv unausgeglichen, antriebsgemindert, affektive Schwingungsfähigkeit nicht eingeengt; Gedankengang geordnet; mnestische Funktion und Wahrnehmung nicht beeinträchtigt.“ Diesen Ausführungen lässt sich auch nicht in der Sache entnehmen, inwiefern etwa die Fähigkeit des Klägers zur Freude, sein Interesse, seine Konzentration und sein Appetit vermindert sein sollten, so wie dies der Erläuterungstext zur depressiven Episode nach F32.- ICD-10-GM Version 2018 vorsieht. Es fehlt zudem an der genaueren Zuordnung der Diagnose „Depressive Episode“ zum einschlägigen Kode nach ICD-10-GM Version 2018, welche zwischen einer leichten (F32.0), mittelgradigen (F32.1) und schweren (F32.2) depressiven Episode unterscheidet. Somit äußert sich der Arztbrief auch nicht zum Schweregrad der Erkrankung, so wie das § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG vorsieht.
Unabhängig davon ist weder dargelegt, noch sonst ersichtlich, inwiefern sich die im Arztbrief diagnostizierten Erkrankungen des Klägers nach einer Rückkehr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG wesentlich verschlechtern würden. Der Arztbrief legt nicht näher dar, dass sich eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers aus einer Unerreichbarkeit der ihm laut Arztbrief verschriebenen Medikamente ergeben könnte.
Angesichts der genannten Unzulänglichkeiten des Arztbriefs vom 15. Februar 2018 nicht entscheidungserheblich sind im Einzelnen die Fragen, inwieweit trotz § 60a Abs. 2d AufenthG eine gerichtliche Pflicht zur Sachverhaltsermittlung besteht (vgl. Bauer/Dollinger in Bergmann/Dienelt, AuslR, 12. Aufl. 2018, § 60a Rn. 46) bzw. ob und inwieweit § 60a Abs. 2d AufenthG unter bestimmten Umständen auch im Asylprozess verfassungskonform eng auszulegen ist (vgl. hierzu allerdings nur im Kontext inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse Funke-Kaiser in GK-AufenthG, § 60a Rn. 117.2, 117.5).
Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.


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