Verwaltungsrecht

Keine Zulassung der Berufung mangels grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache

Aktenzeichen  8 ZB 19.30929

Datum:
19.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7238
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3b Abs. 1 Nr. 1, § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 4, § 79 Abs. 1
VwGO § 108 Abs. 1 S. 1, § 128a Abs. 1
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Eine Rechts- oder Tatsachenfrage, die sich für die Vorinstanz nicht gestellt hat oder auf die sie nicht entscheidend abgehoben hat, kann regelmäßig nicht zur Zulassung der Berufung führen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Rechtsprechung des Senats (BeckRS 2019, 2276; BeckRS 2019, 2279) ist zu entnehmen, dass jedenfalls infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien seit April 2018 die Oromo keiner Gruppenverfolgung unterliegen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 1 K 17.33546 2019-02-06 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der von der Klägerin allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor bzw. ist nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 21.11.2017 – 1 B 148.17 u.a. – juris Rn. 4 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 30.9.2015 – 1 B 42.15 – juris Rn. 3). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Klägerin nicht.
Die von der Klägerin aufgeworfene Frage,
„ob die Klägerin als Oromo der Verfolgung in ihrer Heimat ausgesetzt ist“,
vermag eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht zu begründen. Abgesehen davon, dass die Klägerin mit dem Vorbringen, sie sei wegen ihrer Zugehörigkeit zu der ethnischen Gruppe der Oromo in Äthiopien nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 AsylG von Verfolgung bedroht, nach § 79 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 128 a Abs. 1 VwGO in einem Berufungsverfahren präkludiert sein dürfte, weil sie diesen Gesichtspunkt – trotz entsprechender Rechtsmittelbelehrungim angegriffenen Bescheid vom 7. Juni 2017 – nicht innerhalb der Frist des § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylG im erstinstanzlichen Verfahren, sondern erstmals im Zulassungsverfahren geltend gemacht hat, war die Frage für die Entscheidung des Verwaltungsgericht nicht von Bedeutung. Das Verwaltungsgericht hat sich mit der Frage einer möglichen Gruppenverfolgung der Volkszugehörigen der Oromo nicht befasst und musste dies mangels entsprechenden Klagevortrags auch nicht tun. Eine Rechts- oder Tatsachenfrage, die sich für die Vorinstanz nicht gestellt hat oder auf die sie nicht entscheidend abgehoben hat, kann aber regelmäßig – und auch hier – nicht zur Zulassung der Berufung führen (vgl. BVerwG, B. v. 21.12.2017 – 9 B 65.16 – Rn. 6; vom 12.4.2018 – 9 BN 1.17 – juris Rn. 14 jeweils zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Im Übrigen lässt sich ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens der Rechtsprechung des Senats (U.v. 13.2.2019 – 8 B 17.31645 – juris; U.v. 13.2.2019 – 8 B 18.30261 – juris) entnehmen, dass jedenfalls infolge der grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse in Äthiopien seit April 2018 die Oromo keiner Gruppenverfolgung unterliegen.
Sollte die aufgeworfene Frage darauf zielen, dass die Klägerin wegen der von ihr im Zulassungsantrag nochmals geltend gemachten Vorfluchtgründe von Verfolgung bedroht ist, ist sie einer grundsätzlichen Klärung i.S. von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht zugänglich. Sie entzieht sich einer generellen, fallübergreifenden Klärung, weil sie nicht losgelöst von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls beantwortet werden kann. Das Verwaltungsgericht hat sich mit dem Vorbringen der Klägerin auseinandergesetzt und dieses wegen Ungereimtheiten, Widersprüchlichkeiten und des gesteigerten Vortrags als unglaubhaft bewertet. Der Sache nach wendet sich die Klägerin gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit wird kein Berufungszulassungsgrund im Sinn von § 78 Abs. 3 AsylG benannt (vgl. BayVGH, B.v. 25.7.2018 – 8 ZB 18.31802 – juris Rn. 7; B.v. 31.10.2018 – 8 ZB 17.30339 – juris Rn. 9 ff.). Durch Mängel der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann allenfalls der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt sein, allerdings nur dann, wenn ein besonders schwerwiegender Verstoß vorliegt, insbesondere wenn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 – 9 B 11.17 – juris; B.v. 12.3.2014 – 5 B 48.13 – NVwZ-RR 2014, 660 = juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 21 ZB 18.30867 – Rn. 4). Dass ein solcher Mangel hier vorliegt, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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