Verwaltungsrecht

Klage auf Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer Berufsausbildung

Aktenzeichen  M 12 K 18.5982

Datum:
7.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 5782
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 61 Abs. 2
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1, S. 2
RL 2013/33/EU Art. 15 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Erteilung einer Ausbildungserlaubnis gemäß § 61 Abs. 2 AsylG ist keine gebundene Entscheidung, sondern liegt im Ermessen der Behörde. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Umstand, dass ein Betroffener bereits zuvor gearbeitet hat, schafft keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass ihm auch stets weiterhin eine Beschäftigung bzw. Ausbildung erlaubt werden müsste.  (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3 Es ist keine sachfremde Erwägung, dass Ausländer ihren Aufenthalt im Inland durch die Aufnahme einer Ausbildung verfestigen und dass dies bei Asylsuchenden verhindert werden soll, solange kein endgültiges Bleiberecht feststeht. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
4 Es ist nicht rechtsmissbräuchlich, zwischen einer Erlaubnis zur Beschäftigung einerseits und der Erlaubnis einer Berufsausbildung andererseits zu differenzieren. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2019 entschieden werden, obwohl der Kläger nicht erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer Berufsausbildung als … bei der Firma … … GmbH, … … in … München (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) noch einen Anspruch auf Neuverbescheidung seines Antrags (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Der Bescheid des Beklagten vom 28. November 2018 ist vielmehr rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nach § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG.
Die Erteilung einer Ausbildungserlaubnis gemäß § 61 Abs. 2 AsylG ist keine gebundene Entscheidung, sondern liegt im Ermessen der Behörde. Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Ausbildungserlaubnis käme folglich nur im Falle einer Ermessensreduzierung auf null in Betracht. Das wäre der Fall, wenn alle denkbaren Alternativen nur unter pflichtwidriger Vernachlässigung eines eindeutig vorrangigen Sachgesichtspunkts gewählt werden könnten. Eine Ermessensreduzierung auf null darf nur in engen Ausnahmefällen angenommen werden, um einen Übergriff der Gerichte auf den Bereich der Verwaltung zu vermeiden. Die praktische Alternativlosigkeit muss daher offensichtlich sein (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 114 Rn. 32). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Dass im Fall des Klägers ausschließlich die Erteilung einer Ausbildungserlaubnis ermessensfehlerfrei wäre, ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Asylantrag des Klägers vom Bundesamt bereits negativ beschieden wurde (s.u.), nicht ersichtlich. Vielmehr spricht dieser Gesichtspunkt erheblich gegen die Erteilung einer Ausbildungserlaubnis.
Eine Ermessensreduzierung auf null ergibt sich schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes. Zwar wurden dem Kläger bereits mehrere Beschäftigungen genehmigt. Der Umstand, dass ein Betroffener bereits zuvor gearbeitet hat, schafft jedoch keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass ihm auch stets weiterhin eine Beschäftigung bzw. Ausbildung erlaubt werden müsste (vgl. zum Ermessen bei § 10 und 11 BeschVerfV a.F.: BayVGH, B.v. 10.3.2006 – 24 CE 05.2685 – juris Rn. 20), zumal es sich bei den bisher erteilten Beschäftigungserlaubnissen um zeitlich befristete Verwaltungsakte handelte, während der Kläger mit der vorliegenden Klage die Erteilung einer dreijährigen Ausbildungserlaubnis begehrt.
Ein Anspruch auf Erteilung der Beschäftigungserlaubnis ergibt sich auch nicht aus einer unmittelbaren Anwendung von Art. 15 RL 2013/33/EU; denn Art. 15 RL 2013/33/EU wurde mit § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt (vgl. hierzu ausführlich Bay VGH, B.v. 21.4.17 – 10 ZB 16.2281 und VG München, U.v. 12.1.2016 – M 4 K 15.3550). Darüber hinaus ist Art. 15 Abs. 1 RL 2013/33/EU auf den Fall eines Antrags auf (Neu-)Erteilung einer Ausbildungserlaubnis nach einer ablehnenden Entscheidung des Bundesamts nicht (mehr) anwendbar. Nach Art. 15 Abs. 1 RL 2013/33/EU haben die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, dass Antragsteller spätestens neun Monate nach der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Dies setzt allerdings voraus, dass die zuständige Behörde noch keine erstinstanzliche Entscheidung erlassen hat und diese Verzögerung nicht dem Antragsteller zur Last gelegt werden kann. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass nach der Entscheidung der zuständigen Behörde, hier des Bundesamts, unter europarechtlichen Gesichtspunkten kein Zugang zum Arbeitsmarkt mehr gewährt werden muss. Vielmehr beschränken sich die Rechte des Antragstellers in diesem Fall auf eine bloße Besitzstandswahrung, sofern das Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Bundesamts aufschiebende Wirkung hat (vgl. Art. 15 Abs. 3 RL 2013/33/EU).
b) Der in dem gestellten Verpflichtungsantrag als Minus enthaltene Antrag auf Neuverbescheidung (vgl. Schmidt in Eyermann, a.a.O., § 113 Rn. 43) ist zulässig, aber unbegründet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Die vom Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid getroffene Ermessensentscheidung ist nicht zu beanstanden (§ 114 VwGO). Der Beklagte hat sich in seiner Ermessensentscheidung die privaten Belange des Klägers sowie die öffentlichen Interessen an einer Versagung der Ausbildungserlaubnis fehlerfrei abgewogen. Die Ermessensentscheidung des Beklagten verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht.
Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht bei Ermessensentscheidungen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Eine Überprüfung der Zweckmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts findet nicht statt.
Gemessen an diesem Maßstab hat der Beklagte sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die Ausländerbehörde hat sich bei der Ermessensausübung im Rahmen der nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheides aufgehobenen Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr vom 1. September 2016 (Az: IA2-2081-1-8-19) und der mittlerweile erlassenen Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration vom 4. März 2019 (Az: F3-2081-1-64) gehalten. Diese Schreiben sind als ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift zu sehen, um das Ermessen der verschiedenen Ausländerbehörden im Sinne einer landeseinheitlichen, gleichmäßigen Anwendung zu steuern. Solche Weisungen sind zulässig, da das ausländerbehördliche Ermessen dem Grunde nach durch Verwaltungsvorschriften gelenkt und gebunden werden darf (BVerwG, B.v. 27.12.1990 – 1 B 162/90).
Der Beklagte hat alle relevanten privaten Belange des Klägers und das öffentliche Interesse an der Versagung der Erlaubnis abgewogen.
Der Beklagte durfte bei seiner Ermessensentscheidung einwanderungspolitische Ziele berücksichtigen. Es ist keine sachfremde Erwägung, dass Ausländer ihren Aufenthalt im Inland durch die Aufnahme einer Ausbildung verfestigen und dass dies bei Asylsuchenden verhindert werden soll, solange kein endgültiges Bleiberecht feststeht (vgl. Grünewald in Fritz/Vormeier, GK AsylG, § 61 Rn. 25). Dies gilt umso mehr, als es vorliegend um eine Ausbildungserlaubnis geht, die noch mehr als eine reine Beschäftigungserlaubnis den Aufenthalt des Ausländers verfestigen kann (vgl. §§ 18a Abs. 1a, 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG). Die Ermessensentscheidung darf auf grundsätzliche migrationspolitische Erwägungen gestützt werden, die dem individuellen Interesse an einer Beschäftigung vorgehen, um Fluchtanreize zu vermeiden. Dass dieser Gesichtspunkt unter Nr. 2.2.2 im IMS vom 4. März 2019 nicht explizit genannt ist, ist unerheblich, da die dort aufgezählten Umstände gerade nicht abschließend sind.
Die Heranziehung des Gesichtspunktes der niedrigen Bleibeperspektive des Klägers in der Ermessensabwägung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Denn gemäß Nr. 2.2.2 des IMS vom 4. März 2019 kann die Ablehnung des Asylantrages durch das Bundesamt, falls der Ablehnungsbescheid noch nicht bestandskräftig geworden ist, berücksichtigt werden. Beim Bundesamt handelt es sich im Hinblick auf das Asylverfahren um die allein zuständige Fachbehörde mit besonderer Expertise und besonderen Erkenntnisquellen. Der Bescheid konkretisiert aufgrund konkret-individueller Einzelfallprüfung – gegenwärtig – die Bleiberechtsaussichten des Klägers. Das gegen den Bescheid des Bundesamts anhängige Klageverfahren ändert hieran nichts, da es sich bei der Bleibeprognose um die Voraussage einer wahrscheinlichen künftigen Entwicklung, nicht jedoch um eine schon erwiesene Gewissheit handelt.
Insbesondere hat der Beklagte die persönlichen Interessen des Klägers bei seiner Ermessensentscheidung ausreichend gewürdigt. Die zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigende geklärte Identität, das bisherige Mitwirken des Klägers im Asylverfahren, die lange Aufenthaltsdauer und das lang andauernde Asylverfahren fanden ausdrücklich Eingang in die behördliche Entscheidung. Der Beklagte hat zu Recht keine besonderen individuellen Integrationsleistungen zu Gunsten des Klägers berücksichtigt. So wird in Nr. 2.2.2 des IMS vom 4. März 2019 dafür unter anderem beispielhaft der Nachweis von im Vergleich zur Aufenthaltsdauer in Deutschland guten Sprachkenntnissen genannt. Der Kläger befindet sich zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt seit über drei Jahren in der Bundesrepublik Deutschland. Laut dem vorgelegten Zertifikat vom 28. Dezember 2018 verfügt er gemäß dem gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen über Sprachkenntnisse der Niveaustufe A2 und somit über grundlegende Kenntnisse. Ein solches Sprachniveau hat die Beklagte angesichts der Aufenthaltszeit des Klägers zu Recht nicht als besondere individuelle Integrationsleistung gewertet und dementsprechend nicht zu Gunsten des Klägers im Ermessen berücksichtigt. Bei der darüber hinaus vorgelegten Bescheinigung der Volkshochschule … e.V. vom 23. April 2018 handelt es sich um eine reine Teilnahmebescheinigung, welche keine Aussage über die Sprachkenntnisse des Klägers treffen kann.
Die Ermessensentscheidung des Beklagten verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht.
Es sind vorliegend keine Ermessensfehler im Hinblick auf eine unter Berücksichtigung von Art. 15 RL 2013/33/EU gebotene richtlinienkonforme Anwendung von Art. 61 Abs. 2 AsylG ersichtlich. Zum einen ist Art. 15 Abs. 1 RL 2013/33/EU wie oben bereits dargelegt im vorliegenden Fall nicht anwendbar, zum anderen ist im Hinblick auf den in Art. 15 Abs. 2 RL 2013/33/EU normierten Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers nicht ersichtlich, dass Art. 15 Abs. 1 RL 2013/33/EU Ermessensgrenzen aufstellt bzw. Ermessensgesichtspunkte nennt, die der Beklagte im Wege einer richtlinienkonformen Anwendung von Art. 61 Abs. 2 AsylG im Rahmen seines Ermessens zu berücksichtigen gehabt hätte (vgl. auch BayVGH, B.v. 21.4.2017 – 10 ZB 16.2281 – juris Rn. 16).
Dass dem Kläger nunmehr erneut eine Beschäftigungserlaubnis erteilt wurde, ohne ihm auch die Aufnahme einer Ausbildung zu erlauben, ändert nichts an der ermessensgerechten Entscheidung im Bescheid vom 28. November 2018. Denn im Gegensatz zur Beschäftigungserlaubnis würde die Erteilung einer Berufsausbildungserlaubnis zu einer – vom Beklagten ermessensgerecht abgelehnten – weiteren Verfestigung des Aufenthalts des Klägers führen, wie sich aus §§ 18a Abs. 1a, 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ergibt (vgl. zur Intention BT-Drs. 18/8615, S. 26). Daher ist es nicht rechtsmissbräuchlich, zwischen einer Erlaubnis zur Beschäftigung einerseits und der Erlaubnis einer Berufsausbildung andererseits zu differenzieren.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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