Verwaltungsrecht

Klage auf Erteilung von Befähigungsschein und Unbedenklichkeitsbescheinigung, Klage gegen Widerruf der Erlaubnis nach § 7 SprengG, Unzuverlässigkeit wegen wiederholter Verstöße gegen das SprengG, Wiederholte Unterlassung fristgerechter Anzeigen, Kein Erscheinen der Taten in milderem Licht

Aktenzeichen  AN 16 K 21.00500

Datum:
10.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 4786
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SprengG § 8a Abs. 2 Nr. 5
SprengG § 34 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist es möglich und zulässig, im Rahmen einer erhobenen Untätigkeitsklage den ablehnenden Bescheid in das gerichtliche Verfahren einzubeziehen und entsprechend die Anträge umzustellen. Zudem ist auch die Erweiterung der Klage um die Anfechtung des Widerrufs der Bescheinigung nach § 7 SprengG zulässig. Soweit in diesen Umständen eine Klageänderung gesehen wird, ist diese jedenfalls sachdienlich, da sie prozessökonomisch ist und letztlich auch keine Erweiterung des inhaltlichen Prozessstoffes vorliegt.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 19. März 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Verlängerung seines Befähigungsscheines und auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung, § 113 Abs. 5, Abs. 1 VwGO (nachfolgend Ziffer 1). Auch der Widerruf der Erlaubnis nach § 7 SprengG gemäß Ziffer 3 des Bescheides vom 19. März 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (nachfolgend Ziffer 2).
1. Der Kläger hat keine Ansprüche auf Verlängerung des Befähigungsscheines und auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung. Die entsprechenden Ablehnungen gemäß Ziffer 1 und Ziffer 2 des Bescheides vom 19. März 2021 sind insoweit rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten.
1.1 Gemäß § 20 Abs. 1 SprengG dürfen die in § 19 Abs. 1 Nr. 3 und 4 a SprengG bezeichneten verantwortlichen Personen ihre Tätigkeit nur ausüben, wenn sie einen behördlichen Befähigungsschein besitzen. Nach § 20 Abs. 2 SprengG gelten für die Erteilung eines Befähigungsscheines die §§ 8 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 sowie die §§ 9 und 10 SprengG entsprechend mit der Maßgabe, dass der Befähigungsschein in der Regel für die Dauer von fünf Jahren zu erteilen ist.
Nach § 34 Abs. 1 1. SprengV ist ein Antragsteller zu einem Lehrgang zuzulassen, wenn bei ihm Versagungsgründe nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 b und c SprengG nicht vorliegen. Nach § 34 Abs. 2 1. SprengV sind die Zuverlässigkeit und die persönliche Eignung durch eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der für die Erteilung der Erlaubnis oder des Befähigungsscheines zuständigen Behörde nachzuweisen.
Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 SprengG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller oder eine mit der Leitung des Betriebs einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle beauftragten Person die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Dabei besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften unter anderem des Sprengstoffgesetzes verstoßen haben, § 8a Abs. 2 Nr. 5 SprengG.
Bei Anwendung der Normen über die Zuverlässigkeit gemäß § 8, 8a SprengG sind die Risiken, die mit jedem Besitz von Sprengmitteln und entsprechenden Erlaubnissen verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit diesen Mitteln jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. In Bezug auf das Waffenrecht wurde hierzu höchst- und obergerichtlich festgestellt, dass sich das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) nicht in einem subjektiven Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe erschöpft. Vielmehr ist aus ihm auch eine Schutzpflicht des Staates für das geschützte Rechtsgut abzuleiten, insbesondere eine Schutzpflicht hinsichtlich Missbrauchsgefahren, die vom Umgang mit Schusswaffen ausgehen. Im Interesse der inneren Sicherheit und der Notwendigkeit effektiver Gefahrenabwehr sowie der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bei der Beurteilung, wer Schusswaffen besitzen darf, kann dem öffentlichen Interesse, dass möglichst wenige Waffen „ins Volk kommen“, Vorrang vor dem Interesse einzelner am Besitz von Waffen eingeräumt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.1975 – 1C 25.73 – BVerwGE 49,1 = BayVBl. 1976, 151). In diesem Sinne ist eine niedrigschwellige Prognose für die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit ausreichend. Die Prognose hat sich mithin an dem Zweck des Gesetzes zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – juris Rn. 17).
Diese für das Waffenrecht aufgestellten Vorgaben sind grundsätzlich auf das Sprengstoffrecht zu übertragen. Dieses ist, wie Sinn und Zweck des Gesetzes sowie der Wesensgehalt der Normen verglichen mit den Regelungen des Waffengesetzes aufzeigen, in weiten Teilen mit diesem materiell identisch. Die Vorgaben hinsichtlich der Zuverlässigkeit von Waffenträgern in § 5 WaffG entspricht in weiten Teilen den Regelungen des § 8a SprengG. Aufgrund der besonderen Gefährlichkeit von Sprengmitteln sind im Sprengstoffrecht mindestens so strenge Anforderungen zu stellen, wie im Waffenrecht. Vor dem Hintergrund der effektiven Gefahrenabwehr und der besonderen Gefahren, die vom Umgang mit Sprengmitteln ausgehen, und der damit verbundenen Gefahr für hochrangige Rechtsgüter wie Leib und Leben, hat grundsätzlich auch eine Berufsfreiheit aus Art. 12 GG zurückzutreten (vgl. BayVGH, B. v. 11.5.2020 – 24 ZB 18.2120 – juris Rn. 8).
1.2 Gemessen an diesem Maßstab stehen dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche auf Verlängerung des Befähigungsscheines und auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht zu. Der Kläger besitzt nicht die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 8a Abs. 2 Nr. 5 SprengG. Ein Abweichen von der Regelvermutung des § 8a Abs. 2 Nr. 5 SprengG kommt vorliegend nicht in Betracht.
1.2.1 Der Kläger besitzt nicht die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 8a Abs. 2 Nr. 5 SprengG.
Danach besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit Personen in der Regel nicht, die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften des Sprengstoffgesetzes verstoßen haben. Es ist demnach ausreichend, dass die Tatbestandsmerkmale der Wiederholung oder des gröblichen Verstoßes alternativ vorliegen. Sie müssen nicht kumulativ gegeben sein. Die genannte Norm soll es ermöglichen, auch nicht sanktionierte oder „nur“ bußgeldbewährte Rechtsverletzungen, beispielsweise auf dem Gebiet des Sprengstoffgesetzes, in der Zuverlässigkeitsprüfung zu berücksichtigen; zudem soll eine ordnungsbehördliche Bewertung ermöglicht werden, sofern es zu einer Verfahrenseinstellung gekommen ist (siehe BT-Drs. 14/8886, S. 110 zum inhaltsgleichen § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG). Zu den von der Regelung geahndeten Tatsachen zählen üblicherweise Verstöße gegen Anzeigepflichten (vgl. zum Waffenrecht Gade, in: Gade, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 31). Eine wiederholte Tatbegehung liegt bereits bei mindestens zwei Verstößen vor, wobei es unerheblich ist, ob die Verstöße gleichartig sind (vgl. Brunner, in: Adolph/Brunner/Bannach, WaffG, 82. AL Okt. 2019, § 5 Rn. 94). Für eine entsprechende vorzuwerfende Tat ist nicht einmal der Erlass eines Bußgeldbescheides erforderlich (vgl. Heinrich, in: Steindorf, WaffG, 10. Auflage 2015, § 5 Rn. 24). Grundsätzlich sind Behörden und Verwaltungsgerichte bei der Beurteilung des Verhaltens nicht an die Würdigung durch Strafgerichte gebunden. Eine Beurteilung durch Letztgenannte kann zwar von einigem Gewicht sein und eine entsprechende Indizwirkung haben und damit auch eine gewisse Bindungswirkung entfalten. Maßgeblich ist jedoch eine ordnungsrechtliche und damit im vorliegenden Fall sicherheitsrechtliche Beurteilung. Damit ist es im Grundsatz auch unerheblich, ob ein Verhalten überhaupt sanktioniert wurde oder ein entsprechendes Verfahren von der ordentlichen Gerichtsbarkeit eingestellt worden ist, beispielsweise aufgrund § 153a StPO. Entsprechendes gilt für das bußgeldrechtliche Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG.
Gröblich im Sinne des Gesetzes ist ein Verstoß dann, wenn die Rechtsverletzung gemessen an den genannten Zielsetzungen objektiv schwer wiegt und in subjektiver Hinsicht dem Betroffenen als grobe Pflichtverletzung zuzurechnen ist, sei es, weil er vorsätzlich gehandelt oder sich als besonders leichtsinnig, nachlässig oder gleichgültig gezeigt hat, sodass sich in dem Verstoß die fehlerhafte Einstellung zu waffenrechtlichen Ordnungsvorschriften wiederspiegelt (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.1996 – 1 C 12/95 – juris Rn. 25). Ausgangspunkt der Bewertung, ob eine Verletzung von Vorgaben des Sprengstoffgesetzes gröblich ist, ist der ordnungsrechtliche Zweck; das Gesetz will das mit jedem Besitz von Sprengmitteln verbundene Sicherheitsrisiko möglichst geringhalten. Es soll nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit den Sprengmitteln stets und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. zu § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG BayVGH, B.v. 20.7.2020 – 24 ZB 19.1204 – juris Rn. 12).
Der Kläger hat am 12. August 2017 gegen seine Anzeigepflicht gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 1. SprengV i.V.m. § 46 Nr. 8c 1. SprengV i.V.m. § 41 Abs. 1 Nr. 16 SprengG verstoßen, indem er das Abbrennen einer Blitzknallbombe und einer Kugelbombe mit Kaliber 75 mm nicht bei der zuständigen Behörde angezeigt hat.
Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist es vorliegend nicht erheblich, dass die Behörde diesen Verstoß mit einem Verwarnungsgeld anstelle eines Bußgeldbescheides geahndet hat. Der Vorfall dürfte auch dann berücksichtigt werden, wenn überhaupt keine Ahndung vorgelegen hätte. Die Ahndung mittels Verwarnungsgeld dürfte aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten geschehen sein. Darüber hinaus muss der Verstoß des Klägers nicht gröblich im Sinne des Gesetzes sein. Es reicht aus, wenn der Verstoß unterhalb der Schwelle der Gröblichkeit begangen wurde, dann jedoch wiederholt.
Der Kläger hat am 4. Mai 2019 gegen § 14 SprengG i.V.m. § 41 Abs. 1 Nr. 4 SprengG i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 1 1. SprengV i.V.m. § 46 Nr. 8c 1. SprengV i.V.m. § 41 Abs. 1 Nr. 16 SprengG verstoßen, als er das Abbrennen eines Feuerwerks nicht rechtzeitig angezeigt hat. Damit liegt ein wiederholter Verstoß im Sinne des § 8a Abs. 2 Nr. 5 SprengG vor. Der Kläger ist dem behördlichen Vorwurf des genannten Verstoßes nicht überzeugend entgegengetreten. Der Kläger hat die entsprechende Veranstaltung verfristet angezeigt. Zuständige Behörde im Sinne des Gesetzes, bei welcher die Anzeige eingehen muss, ist das Gewerbeaufsichtsamt, das bei der Regierung von … angesiedelt ist. Dieses ist insoweit als eigenständige Behörde zu betrachten. Gemäß Art. 1 Abs. 2 BayVwVfG ist Behörde im Sinne des Gesetzes jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Demnach muss eine Behörde eine mit hinreichender organisatorischer Eigenständigkeit ausgestattete Einrichtung sein, sie muss Aufgaben der öffentlichen Verwaltung übernehmen und entsprechende Zuständigkeiten haben, diese muss sie eigenverantwortlich wahrnehmen, wobei diese auch nach außen erkennbar übertragen sind (vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider, VwVfG, 1. EL Aug. 2021, § 1 Rn. 137). Das Gewerbeaufsichtsamt erfüllt nach Auffassung des Gerichts diese Voraussetzungen. Insoweit ist entgegen der Auffassung des Klägers die Regierung von … nicht als einheitliche Behörde anzusehen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Sachgebiete und Geschäftsbereiche einer bayerischen Regierung verschiedenen Ministerien nachgeordnet sind. Das Gewerbeaufsichtsamt nimmt insoweit eigenverantwortlich und selbständig sowie nach außen erkennbar Aufgaben wahr, die ihm gemäß § 1 Satz 2 ZustV-GA zugeteilt wurden. Insoweit ist es eine dem Staatsministerium für Umwelt- und Verbraucherschutz nachgeordnete Behörde (vgl. § 10 Nr. 2 Buchst. l StRGVV). Demnach ist die Anzeige erst am 23. April 2019 bei der zuständigen Stelle eingegangen. Damit war die zweiwöchige Anzeigefrist jedenfalls nicht eingehalten. Selbst wenn man vorliegend den Eingang der Anzeige bei der Poststelle der Regierung von … am Samstag, den 20. April 2019 als Eingang bei der zuständigen Behörde anerkennen würde, wäre die zweiwöchige Frist des § 23 Abs. 3 Satz 1 1. SprengV nicht eingehalten. Unabhängig davon, ob die zweiwöchige Frist vorwärts oder rückwärts gerechnet wird, sind diese zwei Wochen jedenfalls nicht eingehalten. Auch in diesem Fall hätte die Anzeige durch den Kläger spätestens am Freitag, den 19. April 2019 abgegeben werden müssen. Das Gericht folgt nicht der Argumentation, dass es für die Frist nur darauf ankomme, dass der Behörde zehn Werktage zur Bearbeitung bleiben würden. Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 1 1. SprengV, der von einer Frist von zwei Wochen ausgeht, nicht von zehn Werktagen. Eine Auslegung dieser Fristenregelung und damit Reduktion ist nicht möglich. Ein Verstoß durch den Kläger liegt demnach vor.
Der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass die 14-tägige Frist des § 23 1. SprengV durch einen entsprechenden Antrag verkürzt werden könnte, führt vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Zwar mag dies theoretisch möglich sein. Das Gericht geht aber davon aus, dass der Kläger vorliegend keinen entsprechenden Antrag auf verkürzte Frist, der mit einem erhöhten Bearbeitungsentgelt verbunden ist, gestellt hat. Hierzu finden sich in den Akten keine Unterlagen. Trotz konkreter Nachfrage des Gerichts, ob er einen entsprechenden Antrag auf verkürzte Frist gestellt hätte, gibt der Kläger lediglich an, dass dies alles am Telefon besprochen worden sei. Damit ist nach Auffassung des Gerichts bereits nach Aussage des Klägers kein entsprechender Antrag auf verkürzte Frist gestellt worden.
Der Kläger hat am 30. März 2020 gegen § 21 Abs. 2 SprengG i.V.m. § 41 Abs. 1 Nr. 9 SprengG verstoßen, als er Herrn … und damit eine verantwortliche Person ohne gültigen Befähigungsschein zum damaligen Zeitpunkt bestellt hat. Unabhängig von der Frage, ob darin nicht bereits ein gröblicher Verstoß im Sinne des Gesetzes gesehen werden kann, da damit der Sinn und Zweck des Gesetzes, das Sprengmittel nicht in die Hände unbefugter gelangen sollen, verhindert worden ist, ist jedenfalls auch dieser Verstoß eine weitere Wiederholung im Sinne des § 8a Abs. 2 Nr. 5 SprengG. Der Kläger ist den Ausführungen des Beklagten zu diesem Vorwurf nicht überzeugend entgegengetreten. Herr … hatte zum Zeitpunkt der Bestellung durch den Kläger keinen Befähigungsschein. Dass dies dadurch bedingt ist, dass der zeitlich zuvor geltende Befähigungsschein nicht die Gültigkeit von fünf Jahren hatte, da ein damals anschließender Befähigungsschein frühzeitig beantragt worden war und entsprechend ausgestellt worden ist, ist vorliegend unerheblich. Aufgabe des Klägers wäre es gewesen, im konkreten Zeitpunkt der Bestellung zu prüfen, ob ein wirksamer Befähigungsschein vorliegt. Der Kläger hätte sich insoweit diesen ggf. vorlegen lassen müssen. Es ist nicht ausreichend, sich in einem Kalender alle fünf Jahre eine Notiz zu machen, dass ab diesem Zeitpunkt ein neuer Befähigungsschein gilt. Nicht gefolgt wird zudem dem Vortrag, dass der Kläger sich darauf hätte verlassen können, dass ein gültiger Befähigungsschein vorliege. Er darf sich hierauf gerade nicht verlassen, sondern muss diesen zum Zeitpunkt der Bestellung prüfen. Darüber hinaus normiert § 20 Abs. 2 SprengG, dass der Befähigungsschein „in der Regel“ für die Dauer von fünf Jahren zu erteilen ist. Demnach sind Abweichungen von dieser Regeldauer möglich und zulässig.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorträgt, dass die Unterlagen für die Ausstellung des Befähigungsscheines bereits bei dem Beklagten gelegen hätten und er von diesem gedrängt worden sei, seine Bestellungen zu melden, so führt das vorliegend zu keiner anderen Einschätzung des Gerichts. Der Vortrag macht deutlich, dass dem Kläger bewusst war, dass Herr … in diesem Zeitpunkt der Bestellung keinen Befähigungsschein hatte. Eine Bestellung von Herrn … zu diesem Zeitpunkt war daher nicht möglich. Gegebenenfalls hätte der Beklagte auf den ausstehenden Befähigungsschein und eine NachBestellung hingewiesen werden können. Letzteres ist jedoch insoweit unerheblich, als jedenfalls zum Zeitpunkt der Bestellung kein Befähigungsschein vorgelegen hat.
1.2.2 Der Kläger hat demnach wiederholt gegen Vorschriften des Sprengstoffgesetzes und der hierauf fußenden 1. SprengV verstoßen. Daher ist von seiner RegelUnzuverlässigkeit auszugehen.
Auch eine Abweichung im Einzelfall kommt vorliegend nicht in Betracht.
Eine Abweichung von der Vermutung der Unzuverlässigkeit kommt nur dann in Betracht, wenn die Umstände der vorgeworfenen Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Tat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Sprengmitteln nicht gerechtfertigt sind (vgl. zum WaffG BVerwG, U.v. 21.7.2008 – 3 B 12.08 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 20.7.2020 – 24 ZB 19.1204 – juris Rn. 15). In einem solch milden Licht können die vorgeworfenen Taten nicht gesehen werden. Der Kläger hat mindestens zweimal gegen Anzeigepflichten verstoßen. Der Beklagte hat vorliegend seinen Bescheid nicht auf die Nicht-Anzeige des Abbrennens von pyrotechnischen Gegenständen am 6. Oktober 2019 in … gestützt. Jedoch ist auch zu diesem Vorfall festzuhalten, dass Behörde und Gericht nicht gehindert sind, auch nicht aufgrund der Verfahrenseinstellung gemäß § 47 Abs. 2 OWiG, diesen Vorfall grundsätzlich zu bewerten. Eine Wertung darf unabhängig von einer Verfahrenseinstellung erfolgen, wenngleich eine solche möglicherweise Indizwirkung hat. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass eine Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG nicht deshalb erfolgt, weil der Tatvorwurf nicht nachzuweisen ist oder anderweitig nicht vorliegt. Lediglich die Ahndung hält das Gericht in einem solchen Fall für nicht geboten. Eine ordnungs- bzw. sicherheitsrechtliche Bewertung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit ist dadurch nicht gegeben. Der Verstoß vom 12. August 2017, der mit einer Verwarnung geahndet wurde, hat nicht deshalb unberücksichtigt zu bleiben, weil er eben „nur“ mit einer Verwarnung verfolgt worden ist. Eine erstmalige Ahndung mittels Verwarnung entspricht regelmäßig zunächst allein dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der gleichgeartete Verstoß vom 4. Mai 2019 zeigt, dass der Kläger die Anzeigevorschriften, die die Überwachung sprengstoffrechtlicher Tätigkeiten bezwecken, nicht allzu ernst nimmt. Auch der Vorwurf aufgrund der Veranstaltung am 4. Mai 2019 kann nicht in milderem Licht gesehen werden. Unabhängig von dem Umstand, dass das Gewerbeaufsichtsamt die zuständige Behörde für die Anzeige der Veranstaltung ist, ist für das Gericht nicht ohne weiteres erkennbar, weshalb der Kläger, der bereits seit Jahren über entsprechende Erlaubnisse verfügt und damit in Kontakt mit dem Gewerbeaufsichtsamt steht, nunmehr seine Anzeige an die allgemeine E-Mail-Adresse (Poststelle) der Regierung von … richtet.
Auch hinsichtlich der Bestellung von Herrn … sind keine Entschuldigungsgründe für den Kläger erkennbar, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen würden. Vielmehr wiegt dieser Verstoß besonders schwer. Sinn und Zweck des Gesetzes ist es gerade, dass Personen ohne entsprechende Erlaubnisse nicht an Sprengmittel herankommen können. Der Kläger hätte hier im konkreten Zeitpunkt der Bestellung das Vorliegen eines Befähigungsscheins kontrollieren müssen.
In einer Gesamtwürdigung der vorgeworfenen Taten ist festzustellen, dass diese innerhalb eines kurzen Zeitraums von drei Jahren begangen wurden. Trotz anfänglicher Ahndung mit einem Verwarnungsgeld hat der Kläger weitere Verstöße begangen. Nach Auffassung des Gerichts legt er damit nicht die erforderliche Sorgfalt an den Tag, die von einer verantwortlichen Person im Sinne des Sprengstoffgesetzes verlangt werden kann. Zu keinem anderen Ergebnis führt auch die möglicherweise vorliegende Sicherheitsfreigabe des Klägers in militärischen Einrichtungen. Diese kann, insbesondere in dem vorliegenden Fall, eine Zuverlässigkeitsprüfung nach dem Sprengstoffgesetz nicht ersetzen. Hierzu wurde auch nicht weiter substantiiert vorgetragen.
1.3 Auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten und vor dem Hintergrund der beruflichen Auswirkungen für den Kläger ergibt sich keine abweichende Bewertung.
Der Kläger hätte es in der Hand gehabt, auf die Verwarnung vom 11. Oktober 2017 entsprechend innerorganisatorisch zu reagieren, und hier mehr Sorgfalt an den Tag zu legen. Das Gericht verkennt nicht, dass die Versagung der Bescheinigungen und Erlaubnisse für den Kläger voraussichtlich berufliche Auswirkungen haben werden. Der Kläger wird insoweit andere Tätigkeiten bei der … ausüben müssen. Auch die Geschäftstätigkeit der … wird er zunächst anderen mit entsprechenden Erlaubnissen ausgestatteten Personen übertragen müssen. Jedoch können solche beruflichen Auswirkungen nicht dazu führen, dass dem Kläger deshalb der Befähigungsschein und die Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen wären. Dies würde dazu führen, dass derjenige, der tagtäglich mit Sprengmitteln zu tun hat, privilegiert wäre. Vielmehr muss aber auch und gerade derjenige, der viel mit Sprengmitteln arbeitet und dessen Wirken damit eine besondere Gefährlichkeit für die Allgemeinheit darstellt, die gesetzlich geforderte Sorgfalt an den Tag legen. Insoweit hat die Berufsfreiheit des Art. 12 GG hinter einer effektiven Gefahrenabwehr und der inneren Sicherheit zurückzustehen (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2020 – 24 ZB 18.2120 – juris Rn. 8).
Es ist zudem davon auszugehen, dass der Kläger nach Ablauf eines gewissen Zeitraums entsprechende Bescheinigungen wieder beantragen kann.
Die Klage auf Erteilung des Befähigungsscheines und der Unbedenklichkeitsbescheinigung war demnach abzuweisen.
Aus den obig genannten Gründen, insbesondere zur sprengstoffrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers, führen auch die hilfsweise gestellten Anträge auf Neuverbescheidung hinsichtlich Befähigungsschein und Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht zum Erfolg.
2. Die Klage ist darüber hinaus unbegründet, soweit der Kläger den Widerruf der Erlaubnis nach § 7 SprengG in Ziffer 3 des Bescheides vom 19. März 2021 anficht. Auch die Entscheidungen des Beklagten in Ziffer 5 und Ziffer 6 des genannten Bescheides begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
Der Bescheid vom 19. März 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Beklagte stützt den Widerruf der Erlaubnis nach § 7 SprengG in zulässigerweise auf § 34 Abs. 2 SprengG. Danach ist eine Erlaubnis nach dem SprengG zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SprengG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ein Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.
Vorliegend besitzt der Kläger die erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 8a Abs. 2 Nr. 5 SprengG nicht. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. verwiesen.
Da der Kläger vorliegend den Tatbestand des § 8a Abs. 2 Nr. 5 SprengG erfüllt und seine regelmäßig angenommene Unzuverlässigkeit auch nicht ausnahmsweise in milderem Licht erscheint (s.o.), war die Erlaubnis nach § 7 SprengG auf Grundlage des § 34 Abs. 2 SprengG zu widerrufen. Ein Ermessen steht dem Beklagten insoweit nicht zu.
Auch hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1 verwiesen.
Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheides erweist sich ebenfalls als rechtmäßig. Diese stützt sich auf Art. 29, 31 BayVwZVG. Ermessensüberschreitungen oder Verstöße gegen Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte sind nicht ersichtlich. Insoweit wird auf den streitgegenständlichen Bescheid verwiesen.
Auch die Kostenentscheidung in Ziffer 6 des streitgegenständlichen Bescheides begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.


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