Verwaltungsrecht

Klage gegen eine tierschutzrechtliche Anordnung

Aktenzeichen  RO 4 K 19.454

Datum:
1.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 60007
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 2, § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

Die Wegnahme des Pferdes R. ist auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG gestützt. Danach kann die zuständige Behörde ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierschG erheblich vernachlässigt ist, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 TierschG entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung gleiche Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Landratsamts R. vom 15.1.2018 ist rechtmäßig, er verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Wegnahme des Pferdes R. ist auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG gestützt. Danach kann die zuständige Behörde ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierschG erheblich vernachlässigt ist, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 TierschG entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist.
Die Wegnahme des Pferdes R. konnte gegenüber den Klägern angeordnet werden, da sie Halter i.S.d. § 16a TierSchG sind. Ein Halter in diesem Sinne ist jede Person, die ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat. Mehrere Personen können gleichzeitig Halter in diesem Sinne eines Tieres sein und dann auch gleichzeitig in Anspruch genommen werden. Darauf, ob der in Anspruch genommene Halter zugleich auch Eigentümer der Tiere ist, kommt es grundsätzlich nicht an, denn das Gesetz stellt ausdrücklich nur auf die Eigenschaft als Halter ab. Ausschlaggebend ist allein das Obhutsverhältnis (vgl. Hirt/Maisack/Moritz Tierschutzgesetz Kommentar 3. Auflage § 16a Rn. 21 m.w.N.).
Die Wegnahme erfolgte, weil das Pferd nach dem Gutachten der beamteten Tierärzte mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt war. Die Amtstierärzte, die gemäß § 15 Abs. 2 TierSchG im Rahmen der Durchführung des Tierschutzgesetzes als Sachverständige tätig sind, haben die Wegnahme des Tieres gefordert, weil die Kläger das Pferd aufgrund fehlender Hufkorrektur über einen längeren Zeitraum nicht ausreichend gepflegt haben, wodurch das Pferd wesentlich in seinen Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt wurde. Dadurch ist eine weitere Schädigung des Hufbeines (fortschreitende Fehlstellung) in Kauf genommen worden und dem Pferd sind somit erhebliche Schmerzen und vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt worden (vgl. Schreiben von Herrn Dr. … vom 22.11.2017, Blatt 650/651 der Behördenakte). In der mündlichen Verhandlung wurde dies durch die anwesende Amtstierärztin dahingehend konkretisiert, dass davon auszugehen ist, dass die vorliegende massive Fehlstellung des Hufes Auswirkungen auf den gesamten Körper des Tieres hat, insbesondere die Bänder und Sehnen, Pferde aber lernten, mit derartigen Gegebenheiten umzugehen.
In dem Nicht-Tätigwerden der Kläger liegt eine erhebliche Vernachlässigung, da die Kläger die in § 2 TierSchG an sie als Halter gestellten Anforderungen für einen längeren Zeitraum und in besonders intensiver Form vernachlässigt haben. Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage ist, ob für das Tier durch die Vernachlässigung die Gefahr von Leiden, Schmerzen oder Schäden droht (vgl. Hirt/Maisack/Moritz a.a.O. § 16a Rn. 22). Dies zugrunde legend kommt es auf die von der Klägerin behauptete, nicht verifizierte Aussage von Herrn Dr. …, dass R. keine Schmerzen habe, nicht an. Ausreichend ist, dass durch die unterlassene ordnungsgemäße Hufpflege die Gefahr bestand, dass sich der Zustand verschlechtern werde und dies zu Beeinträchtigungen des Pferdes führen würde. Damit kommt auch der Aussage der Klägerin, R. sei auf der Koppel galoppiert, keine Relevanz zu. Im Übrigen hat Herr Dr. … nicht – wie von der Klägerin behauptet – festgestellt, dass sich seit der ersten Behandlung Anfang 2016 keine Veränderung am Huf des Pferdes ergeben habe. Vielmehr hat er im Befundbericht vom 19.01.2018 (Bl. 690 der Behördenakte) eine deutliche Veränderung im Vergleich zum Befund aus dem Jahr 2016 festgestellt. Den Aussagen des vorherigen Tierarztes Dr. … kommt angesichts der anderweitigen Bewertung der Amtstierärzte keine Relevanz zu.
Die Ausführungen der Kläger, warum die Hufpflege bei R. nicht ordnungsgemäß durchgeführt habe werden können, ändert an der festgestellten erheblichen Vernachlässigung nichts. Die Behauptung regelmäßiger Hufpflege wird schon dadurch in Frage gestellt, dass die Kläger nach ihrem Umzug in den Landkreis Regensburg im Februar 2016 nach ihren eigenen Angaben zwar zunächst einen Hufschmied hatten, der alle Pferde einmal behandelt hat. Dann hätten sie erst im Jahr 2017 wieder einen Schmied gefunden. Angesichts der seinerzeit amtstierärztlich für erforderlich gehaltenen Hufpflege bei R. alle 4 bis 6 Wochen, war schon aus dem eigenen Sachvortrag der Kläger eine regelmäßige Hufpflege im Jahr 2016 nicht gegeben. Dass R. alle 8 Wochen – wie von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen – vom Schmied behandelt worden wäre, ist nicht belegt. Die Kläger sind den Anordnungen, die entsprechenden Nachweise vorzulegen, nicht nachgekommen. Der weitere Vortrag der Klägerseite, dass sie im Oktober 2017 Kontakt zur Regierung der Oberpfalz aufgenommen habe, ihnen von dort eine Kontaktperson benannt worden sei, über die die weitere Kommunikation mit dem Veterinäramt des Landratsamts R. zu erfolgen gehabt hätte, entspricht nicht der Aktenlage. Aus den Akten ergibt sich, dass die Klägerin unter dem 29.1.2018 (Blatt 741 der Behördenakte) eine Eingabe an Herrn M. Dr. S. gerichtet hatte, die sodann an die Regierung der Oberpfalz weitergleitet wurde, die wiederum das Landratsamt R. am 21.2.2018 um Stellungnahme bis zum 26.2.2018 ersucht hatte. Einer E-Mail der Regierung der Oberpfalz vom 23.3.2018 (Blatt 815 der Behördenakte) an das Landratsamt R. ist zu entnehmen, dass seitens der Regierung Herr Dr. … als Ansprechpartner benannt wurde. Hieraus ergibt sich, welche Person für die von den Klägern erhobenen Vorwürfen innerhalb der Regierung der Oberpfalz zuständig war. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass die Regierung der Oberpfalz den weiteren verwaltungsmäßigen Vollzug an sich gezogen hätte, wie dies wohl durch die Kläger interpretiert wurde. Im Übrigen erfolgte die Benennung dieser Kontaktperson nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 15.01.2018.
Soweit die Kläger ihre Bemühungen hinsichtlich der Hufpflege dargelegt haben, zeigt sich, dass diese jedenfalls weitgehend nicht erfolgreich waren. Hinsichtlich der in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Hufpflege am 15.1.2018, bei der der Huf des Pferdes gekürzt wurde, entspricht dies nicht der seitens der Veterinäre geforderten Art und Weise der durchzuführenden Hufpflege, die sich eben nicht nur auf die Entfernung der schnabelartigen Verwachsungen beschränkt. Damit können sich die Kläger auch nicht mit Erfolg auf die (im Übrigen nicht verifizierte) Aussage der Landrätin des Landkreises Regensburg berufen, wonach das Pferd nicht weggenommen werde, wenn der Hufschmied da sei. Diese Aussage kann sich schon dem Grunde nach nur auf die ordnungsgemäße Durchführung der Hufpflege bezogen haben, die nach Bewertung des zuständigen Amtstierarztes gerade nicht erfolgt war.
Die Fortnahme des Pferdes war zur Beseitigung eines bereits eingetretenen tierschutzwidrigen Zustands und zur Verhinderung künftiger Verstöße geeignet, erforderlich und verhältnismäßig.
In der neuen Haltungseinrichtung erfolgt die erforderliche Hufpflege des Pferdes regelmäßig. Der Huf wird von einem Hufschmied zusammen mit einem Tierarzt sachgerecht zugeschnitten, zusätzlich wird eine eigens entwickelte Spezialplatte auf den Huf aufgebracht. Dass es bei den Hufpflegemaßnahmen, die nach wie vor unter Sedierung des Pferdes erfolgen müssen, zu Problemen käme, wurde dem Veterinäramt trotz einer Kontrolle nicht vorgetragen.
Dass die Wegnahme erforderlich war, zeigen die von Beklagtenseite ausführlich dargelegten zahlreichen erfolglosen Versuche, mittels Anordnungen, Zwangsgeldandrohungen, Fälligstellungen von Zwangsgeldern und sogar in zwei Fällen Antrag auf Erzwingungshaft, die Kläger zu einer fachgerechten regelmäßigen Hufpflege des Pferdes zu veranlassen.
Auch hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit ist die streitgegenständliche Anordnung nicht zu beanstanden. Die Kläger sind dem intensiven und in kurzen Intervallen erforderlichen Behandlungsbedarf des Pferdes R. über einen langen Zeitraum nicht gerecht geworden. Sie in dieser Situation erneut durch einen Bescheid zur Einhaltung ihrer Halterverpflichtungen anzuhalten, war nicht geboten. Die erforderliche Hufpflege im Rahmen einer Ersatzvornahme durchführen zu lassen, wie dies in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde, hieße, dass das Veterinäramt für die Halter die diesen obliegenden Aufgaben hätte durchführen lassen müssen bei weiterer Belassung des Tieres in der Obhut der Kläger. Hierzu bestand schon deshalb keine Veranlassung, da die Kläger nicht bereit waren, mit den Amtstierärzten zusammen zu arbeiten. Dies zeigt sich nicht nur in der Nichteinhaltung zahlreicher Anordnungen, sondern auch in der Aussage der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, sie habe mit der Regierung der Oberpfalz kommuniziert, weil das Landratsamt unseriös sei.
Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Wegnahme dauerhaft erfolgte und eine Rückkehr des Pferdes zu den Klägern ausgeschlossen wurde. Die Behörde konnte zurecht davon ausgehen, dass sich angesichts der Uneinsichtigkeit der Kläger keine Änderung in ihrem Verhalten einstellen werde. Die Akten belegen, dass sie in vielfacher Hinsicht nicht bereit waren, den Anordnungen des Amts Folge zu leisten. Auch in der mündlichen Verhandlung haben die Kläger noch versucht deutlich zu machen, dass die gegen sie getroffenen Anordnungen nur dem Ziel gedient hätten, dem Verein Fohlenhilfe St. Leonhard und ihnen zu schaden. Nach wie vor gehen die Kläger davon aus, dass ihre Argumente stichhaltig seien, das Amt jedoch aus sachfremden Gründen nicht bereit sei, diese Argumente zu akzeptieren. Die emotionale Bindung der Kläger an das Tier ist kein Grund, die tierschutzwidrige Behandlung des Pferdes fortbestehen zu lassen.
Soweit die Kläger die Art und Weise der Fortnahme des Pferdes kritisieren, ist hierauf nicht näher einzugehen, da dies nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist.
Die Klage war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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