Verwaltungsrecht

Klagebefugnis eines Elternteils: Schulwegkostenfreiheit

Aktenzeichen  AN 2 K 18.01390, AN 2 K 18.01398

Datum:
9.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 45538
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42
SchulKfrG § 1, § 2
BayVwVfG Art. 48
BGB § 1626 Abs. 1, § 1627 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

1. Für den Anspruch auf Schulwegkostenfreiheit ist ein Elternteil bei gemeinsamem Sorgerecht nicht klagebefugt.  (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur Frage der besonderen Gefährlichkeit eines Schulweges.  (Rn. 48 – 50) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klagen haben keinen Erfolg.
Fraglich erscheint bereits die Zulässigkeit der Klagen. Denn die Klägerin könnte nicht alleine für ihre Kinder … und … … sorgeberechtigt und damit nicht alleine klagebefugt sein.
Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch ei-nen Verwaltungsakt oder seine Ablehnung in seinen Rechten verletzt zu sein. Klagebefugt ist, wer substantiiert Tatsachen vorträgt, nach denen es möglich ist, dass er in eigenen Rechten verletzt ist. Entsprechend fehlt es an der Klagebefugnis, wenn die von dem Kläger behaupteten Rechte diesem offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise zustehen können (vgl. Schmidt-Kötters in Beckscher Online-Kommentar, VwGO, 49. Edition Stand 1.7.2017, § 42 Rn. 173).
Hier ist Anspruchsinhaber der Schulwegkostenfreiheit zunächst der Schüler selbst. Zumindest für den Fall von Erstattungsansprüchen aufgrund Schulwegkostenfreiheit sind aber auch die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten des Schülers als weitere Anspruchsinhaber anerkannt (VG Hannover, U.v. 31.10.2010 – 6 A 5926/09; VG Gießen, U.v. 29.4.2015 – 7 K 2496/14; VG Ansbach, U.v. 8.10.2015 – AN 2 K 13.01829 – jeweils beck-online; vgl. auch VG Bayreuth, U.v. 14.3.2011 – B 3 K 10.791 und OVG des Saarlandes, B.v. 21.8.2997 – 8 Y 12/97- jeweils beck-online). Darüber hinaus geht der Inhaber des Anspruchs auf Schulwegkostenfreiheit aus dem Bayerischen Schulwegkostenfreiheitsgesetz (SchKfrG in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000, GVBl. S. 452, BayRS 2230-5-1-K, zuletzt geändert durch § 1 Abs. 215 der Verordnung vom 26. März 2019, GVBl. S. 98) nicht ausdrücklich hervor. Allerdings ist in Art. 2 SchKfrG von dem Unterhaltsleistenden die Rede, wobei oftmals beide sorgeberechtigten Elternteile Unterhalt leisten werden. Dies spricht dafür, auch einen eigenen Anspruch der Eltern auf Schulwegkostenfreiheit betreffend ihre Kinder anzuerkennen, zumal es regelmäßig die Eltern sein werden, die mit Blick auf ihre Unterhaltsverpflichtung unmittelbar rechtlich und wirtschaftlich von den Schulwegkosten bzw. der Schulwegkostenfreiheit betroffen sein werden. Wollte man aber gemeinsam sorgeberechtigten Eltern jeweils einen eigenen (einklagbaren) Anspruch zuerkennen, bestünde die Gefahr widersprechender behördlicher oder gerichtlicher Entscheidungen. Auch hätte ein einseitiges Handeln eines Elternteils etwa gegen den Willen des anderen Elternteils nicht nur Auswirkungen auf das Kindeswohl betreffend den Schulweg, sondern auch auf das Verhältnis der Eltern untereinander und damit mittelbar wiederum auf das Kindeswohl. Entsprechend besteht mit Blick auf die Frage der Schulwegkostenfreiheit regelmäßig ein rechtliches und tatsächliches Interesse beider sorgeberechtigter Elternteile, so dass eine einheitliche Willensbildung der Eltern erforderlich ist, ob und ggf. für welchen Schulweg Kostenfreiheit geltend gemacht werden soll (von gemeinsamer Klagebefugnis ausgehend auch VG Oldenburg, B.v. 17.1.2012 – 5 B 2806/11 – beck-online, a.A. VG Schwerin, U.v. 13.7.2016 – 6 A 1845/14 – beck-online).
Den aufgezeigten Problemen – insbesondere der Gefahr widersprechender Entscheidungen – kann auch nicht hinreichend mit dem prozessualen Institut der notwendigen Beiladung begegnet werden. Denn die lediglich gemeinsame Klagebefugnis geht letztlich auf die gemeinsame elterliche Sorge zurück, die den Eltern nach § 1626 Abs. 1 BGB grundsätzlich gemeinsam zusteht. Hinsichtlich des Schulwegs und dessen Kosten ist sowohl die Personen-, als auch die Vermögenssorge betroffen. Nach § 1627 Satz 1 BGB haben die Eltern die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kinds auszuüben. Nach dem Konsensprinzips müssen sie bei Meinungsverschiedenheiten gemäß § 1627 Satz 2 BGB versuchen, sich zu einigen (vgl. Amend-Traut in Beckscher Großkommentar BGB, Stand 1.4.2019, § 1626 Rn. 4). Danach müssen sich die Eltern grundsätzlich auch hinsichtlich des Schulwegs und damit zu zusammenhängenden Ansprüchen auf Kostenfreiheit einigen und gemeinsam handeln.
Allerdings ist das Konsensprinzip – wie vorliegend – nach dauerhafter Trennung oder Scheidung der Elternteile gemäß 1687 BGB gelockert. Gegenseitiges Einvernehmen ist in diesen Fällen nach Abs. 1 Satz 1 der genannten Vorschrift weiterhin erforderlich bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist. Dagegen besitzt in Angelegenheiten des täglichen Lebens der Elternteil die Befugnis zur alleinigen Entscheidung, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält (§ 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB). Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung werden in Abgrenzung zu Angelegenheiten des täglichen Lebens bestimmt (vgl. Hennemann in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 1687 Rn. 5). Nach § 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB sind Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens regelmäßig solche, die häufig vorkommen und keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kinds haben (§ 1687 Abs. 1 S. 3 BGB).
Nach alledem erscheint die Klagebefugnis der Klägerin fraglich. Sollte die Kläger nicht allein sorgeberechtigt sein, wäre sie auch nicht alleine klagebefugt. Denn zumindest die Klageerhebung betreffend Ansprüche auf Schulwegkostenfreiheit stellt keine Angelegenheit des täglichen Lebens mehr dar. So ist die Erhebung einer Klage nicht alltäglich, sondern außergewöhnlich. Genauso wenig sind Klageerhebungen im täglichen Leben häufig. Schließlich macht die Klägerin ausweislich der Klageschrift unmissverständlich eigene Ansprüche in eigenem Namen geltend, tritt also nicht etwa als Vertreterin ihrer Kinder oder – unabhängig von der Frage der prozessualen Zulässigkeit – als Prozessstandschafterin auf. Ggf. fehlender Klagebefugnis stünde auch nicht entgegen, dass sich die fraglichen Ausgangs- bzw. Widerspruchsbescheide alleine an die Klägerin richten. Denn ausschlaggebend ist, dass in der Sache die gerichtliche Durchsetzung eines Anspruchs auf Schulwegkostenfreiheit in Frage steht, für die – wie ausgeführt – bei gemeinsamer Sorgeberechtigung eine gemeinsame Willensbildung der Eltern erforderlich ist.
Jedenfalls aber sind die Klagen unbegründet.
Die angegriffenen Bescheide des Beklagten jeweils vom 14. September 2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 19. Juni 2018 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Rücknahme der Bewilligung von Schulwegkostenfreiheit jeweils ab dem Schuljahr 2017/2018 beruht auf Art. 48 BayVwVfG.
Die genannte Vorschrift bestimmt, dass ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann. Dabei darf ein begünstigender Verwaltungsakt nur unter den zusätzlichen Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 des Art. 48 BayVwVfG zurückge-nommen werden. Für Verwaltungsakte, die eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewähren oder hierfür Voraussetzung sind, verbietet Art. 48 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG die Rücknahme, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig ist. Teilbarkeit einer Sachleistung in diesem Sinne liegt auch vor, wenn diese zeitlich etwa in bestimmte Zeiträume untergliedert werden kann (vgl. Müller in Beckscher Online-Kommentar VwVG, 45. Edition Stand 1.1.2019, § 48 Rn. 51). Die von dem Gesetz geforderte Abwägung hinsichtlich der Schutzwürdigkeit (getätigten) Vertrauens ist gerichtlich voll überprüfbar und geht inhaltlich dahin, unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls wertend zu bestimmen, ob das öffentliche Interesse an der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände das Individualinteresse des Betroffenen an dem Bestand des Verwaltungsakts überwiegt (Müller a.a.O. Rn. 59). Dabei ist auf Seiten des Betroffenen im Wesentlichen auf die betroffene materiellrechtliche Rechtsposition sowie auf die Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in diese abzustellen (Müller a.a.O. Rn. 60). Dem ist das öffentliche Interesse an einer Rücknahme gegenüber zu stellen, dass neben dem grundsätzlichen Interesse an der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände auch fiskalische und haushaltsrechtliche Interessen berücksichtigt. Ein Vertrauensschutz auf den Fortbestand einer (rechtswidrigen) Leistung auch für die Zukunft besteht tendenziell nicht und kann lediglich in Ausnahmefällen angenommen werden (vgl. Müller a.a.O. Rn. 61). Nach Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG ist dagegen das Vertrauen regelmäßig dann schutzwürdig, wenn der Begünstigte die gewährte Leistung verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Schließlich sieht Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG grundsätzlich eine Rücknahmefrist von einem Jahr vor.
Hier liegen alle tatbestandlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Rücknahme der fraglichen Bewilligungsbescheide mit Ende des Schuljahres 2016/2917 bzw. ab dem Schuljahr 2017/2018 vor.
Zunächst handelt es sich bei der Bewilligungsbescheiden um begünstigende Verwaltungsakte, wobei die Begünstigung auf Grundlage des Vorbringens des Beklagten mit dem Grundsatz aus § 3 Abs. 2 SchBefV (Verordnung über die Schülerbeförderung in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. September 1994, GVBl. S. 953, BayRS 2230-5-1-1-K, zuletzt geändert durch § 3 der Verordnung vom 8. Mai 2018, GVBl. S. 356) als Sachleistung in Gestalt von Berechtigungsscheinen oder Wertmarken gewährt wurde. Diese Sachleistung ist – im Fall der Annahme eines Dauerverwaltungsakts – auch in zeitlicher Hinsicht, zumindest in Bezug auf einzelne Schuljahre, teilbar. Des Weiteren waren die ergangenen Bewilligungsbescheide auch rechtswidrig. Denn es bestand zu keinem Zeitpunkt ein Anspruch auf Schulwegkostenfreiheit.
Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG ist die notwendige Beförderung der Schülerinnen und Schüler auf dem Schulweg insbesondere bei öffentlichen Gymnasien bis einschließlich Jahrgangsstufe 10 Aufgabe der kreisfreien Gemeinde bzw. des Landkreises des gewöhnlichen Aufenthalts der Schülerin oder des Schülers. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG ist eine Beförderung notwendig, wenn der Schulweg in einer Richtung mehr als 3 Kilometer beträgt und die Zurücklegung des Schulwegs auf andere Weise nach den örtlichen Gegebenheiten und nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht zumutbar ist. Bei besonders beschwerlichen oder besonders gefährlichen Schulwegen kann gemäß Satz 2 der genannten Vorschrift auch bei kürzeren Wegstrecken in widerruflicher Weise die Notwendigkeit der Beförderung anerkannt werden.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Unstreitig geblieben und ausweislich des bei der Behördenakte befindlichen Kartenmaterials zutreffend ist, dass sich der kürzeste Schulweg auf 2,88 km beläuft, also entgegen Art. 2 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG nicht über 3 km hinaus geht. Dieser Schulweg führt in Richtung Schule auf … … insbesondere über die im weiteren Verlauf in die H1. Straße übergehende … und sodann auf … … über die H1. Straße und weiter entlang der H1. Straße. Dabei müssen sowohl auf dem Hin-, als auch auf dem Rückweg zur bzw. von der Schule sowohl die … bzw. H1. Straße, als auch die H1. Straße überquert werden.
Der Schulweg ist vorliegend weder besonders beschwerlich noch besonders gefährlich im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Satz 2 SchKfrG.
Während Umstände einer besonderen Beschwerlichkeit weder vorgebracht noch ersichtlich sind, ist in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu der Frage besonderer Gefährlichkeit anerkannt, dass diese nur dann anzunehmen ist, wenn sich die Gefahr gegenüber den mit jedem Schulweg verbundenen und von Schülern zu bewältigenden durchschnittlichen Gefahrensituationen erkennbar abhebt. Dabei ist eine objektive Betrachtungsweise anzulegen, bei der subjektiv gesteigerte, aber objektiv nicht begründete Befürchtungen außer Betracht bleiben (BayVGH, U.v. 17.02.2009 – 7 B 08.1027 – BeckRS 2009, 32597 Rn. 24).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht hier auch keine besondere Gefährlichkeit im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Satz 2 SchKfrG.
Dabei ist im Ausgangspunkt festzuhalten, dass im Verlauf des gesamten Schulwegs eine besondere Gefährlichkeit allenfalls betreffend die Verbindungs straße zwischen … und … – der … bzw. H1. Straße – in Betracht kommen könnte. Denn bis zum Erreichen der … bzw. H1. Straße sind auf dem Schulweg (in Richtung Schule) besonders gefährliche Straßen- bzw. Verkehrsverhältnisse weder geltend gemacht noch ersichtlich. Soweit die Klägerin hinsichtlich des Schulwegs (in Richtung Schule) nach der … bzw. H1. Straße geltend macht, auch in … müsse die H1. Straße bzw. H1.traße überquert werden, wobei keine gefahrlose Querungsmöglichkeit bestehe, trifft letzteres nicht zu. Denn entgegen dem Vorbringen der Klägerin muss hierzu nicht die (etwaige) Querungshilfe im Bereich der … genutzt werden. Vielmehr kann die H1. Straße zur Überzeugung der Kammer unproblematisch mit Hilfe einer Fußgängerampel im Bereich der Einmündungen … überquert werden. Von der Existenz dieser Fußgängerampel ist die Kammer aufgrund des in der Behördenakte befindlichen Berichts des Schulwegbeauftragten vom 5. Februar 2018 überzeugt. Dort wird die Fußgängerampel nicht nur im Text beschrieben, sondern ist – ausgehend von dieser Beschreibung – auch aufgrund entsprechender Straßenmarkierungen aus einem dem Bericht beigefügten Lichtbild (aus der Vogelperspektive) nachvollziehbar. Nach Überqueren der H1. Straße bis zum Erreichen der Schule sind wiederum keine besonders gefährlichen Straßen- bzw. Verkehrsverhältnisse geltend gemacht oder ersichtlich.
Ein besonders gefährlicher Schulweg im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 SchKfrG liegt auch nicht vor, soweit die Überquerung der Ortsverbindungs straße zwischen … und …, also die Überquerung der … bzw. H1. Straße in Frage steht. Zwar ist der Streckenverlauf weder mit einer (Fußgänger-)Ampel noch mit sonstigen Querungshilfen versehen. Jedoch spricht eine Vielzahl von Umständen gegen die Annahme besonderer Gefährlichkeit, insbesondere betreffend das erforderliche Überqueren der Straße. So verläuft die Strecke ausweislich des aus der Behördenakte ersichtlichen Kartenmaterials vergleichsweise geradlinig und ist somit vergleichsweise gut einsehbar. Darüber hinaus ist die Kammer davon überzeugt, dass der Straßenzug beidseitig mit Gehwegen ausgestattet ist. Dies ergibt sich zum einen aus der Stellungnahme des Schulwegbeauftragten vom 13. Dezember 2018, wobei auch die Klägerseite diesen Umstand als solchen nicht in Frage gestellt hat. Überdies bestätigen allgemeinbekannt aus GoogleMaps ersichtliche Satellitenaufnahmen – soweit einsehbar – die Angaben des Schulwegbeauftragten zu den Gehwegen. Schließlich hat die mündliche Verhandlung aufgrund der insoweit übereinstimmenden Angaben der Beteiligten zu Überzeugung der Kammer ergeben, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf dem fraglichen Streckenabschnitt außerorts 100 km/h beträgt, diese innerorts aber auf 50 km/h beschränkt ist. Hiervon ausgehend folgt aus dem bei der Akte befindlichen Kartenmaterial weiter, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf etwa zwei Dritteln des fraglichen Streckenabschnitts auf 50 km/h begrenzt ist. Hieraus ergibt sich wiederum, dass die Kinder der Klägerin auf ihrem Weg zur und von der Schule zunächst den Gehweg auf der jeweils in Gehrichtung linken Fahrbahnseite nutzen können und sodann irgendwann im Streckenverlauf die Straße überqueren können. Ggf. kann dies in dem (überwiegenden) Bereich des Streckenverlaufs erfolgen, in dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h begrenzt ist. Des Weitern ergibt sich aus dem bei der Akte befindlichen Kartenmaterial, dass der gesamte fragliche Streckenverlauf auf der … bzw. H1. Straße eine Länge von etwa … m aufweist. Auch diese Streckenlänge spricht grundsätzlich dafür, dass die Straße – abhängig von den jeweiligen konkreten Verkehrsverhältnissen – im Einzelfall zumindest an irgendeiner Stelle ohne besondere Gefahren überquert werden kann. Schließlich ist die Kammer davon überzeugt, dass es auch das Verkehrsaufkommen zu Spitzenzeiten – etwa zu Unterrichtsbeginn – zulässt, die fragliche Straße ohne besondere Gefahren zu überqueren. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass erfahrungsgemäß nicht alle Verkehrsteilnehmer die Begrenzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h nach bzw. vor einem, wenn auch kurzen Streckenabschnitt außerorts (mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit dort von 100 km/h) einhalten werden. Denn es ist zur Überzeugung der Kammer davon auszugehen, dass es in dem Streckenverlauf zu ausreichenden Lücken im fließenden Verkehr kommt, die es auch Kindern im hier maßgeblichen Alter erlauben, die Straße ohne besondere Gefahren zu überqueren. Dies ergibt sich schon daraus, dass ausweislich des bei der Akte befindlichen Kartenmaterials in dem Streckenverlauf verschiedene Abzweigungen bzw. Einmündungen untergeordneter Straßen existieren. Dabei ist nicht ersichtlich, dass Verkehrsteilnehmer, die diese Abzweigungen bzw. Einmündungen befahren, nicht gefahrlos in die … bzw. H1. Straße einfahren könnten, etwa weil dort das Verkehrsaufkommen zu hoch wäre. Entsprechend müssen auch für Fußgänger, auch in Spitzenzeiten, hinreichende Möglichkeiten bestehen, die Straße ohne besondere Gefahren und unabhängig von den Beleuchtungsverhältnissen im Einzelnen zu überqueren. Hierfür spricht auch der durchschnittliche, tägliche Verkehrswert auf dem Streckenabschnitt von 4. …, d.h. die täglichen Verkehrsbewegungen im Wochenschnitt. Denn bei überschlägiger rechnerischer Skalierung dahingehend, auf wie viele Sekunden – durchschnittlich – eine einzige Verkehrsbewegung fällt, spricht der Wert indiziell dafür, dass auch in Spitzenzeiten hinreichende Lücken im Verkehr entstehen, um die Straße ohne besondere Gefahren überqueren zu können. Dies entspricht nicht zuletzt auch der Einschätzung des Schulwegbeauftragten. Aus dem durchschnittlichen, täglichen Verkehrswert von 4. … ist auch ersichtlich, dass das Verkehrsaufkommen auf der … bzw. H1. Straße nicht mit dem Verkehrsaufkommen auf der H1. Straße vergleichbar ist. Denn dort beläuft sich der durchschnittlich, tägliche Verkehrswert nach den Mitteilungen des Schulwegbeauftragten zwischen 11. … und 13. …, wobei das Verkehrsaufkommen aufgrund (nicht gemessenen) Querverkehrs zwischen den Messpunkten noch höher sein soll, als die genannten Zahlen dies ausdrücken. Da bereits die genannten Zahlen als solche im Vergleich zur … bzw. H1. Straße auf der H1. Straße ein mindestens um den Faktor 2,4 erhöhtes Verkehrsaufkommen belegen, kann die von den Straßen ausgehende Gefährlichkeit für Fußgänger – ohne Berücksichtigung von Querungshilfen – entgegen dem Vortrag der Klägerin nicht als vergleichbar angesehen werden, zumal auch die H1. Straße über zahlreiche Verkehrsbeziehungen mit Blick auf Einmündungen bzw. Kreuzungen verfügt.
Darüber hinaus ergibt die Abwägung zwischen den individuellen Interessen der Klägerin und ihrer Kinder sowie dem öffentlichen Interesse, dass die Rücknahme der Bewilligungsbescheide ab dem Schuljahr 2017/2018 – mit Schulbeginn am 12. September 2017 – rechtmäßig war. Soweit die Rücknahme für die Zukunft erfolgte, ist zwar davon auszugehen, dass die Klägerseite tatsächlich auf den Inhalt der Bewilligungsbescheide vertraut hat. Aufgrund des Wortlauts der Bewilligungsbescheide spricht auch Vieles dafür, dass diese nicht auf ein Schuljahr befristet waren, sondern zeitlich jedenfalls eine Bewilligung bis Ende der 10. Klasse des Gymnasiums vorsahen. Entsprechend ist davon auszugehen, dass die Klägerin auch hierauf tatsächlich vertraut hat. Jedoch überwiegt das öffentliche Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände. Gesichtspunkte, die schutzwürdiges Vertrauen der Klägerseite in die gewährten Leistungen auch für die Zukunft begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Soweit Klägerin in der Sache letztlich geltend gemacht hat, die Schulwahl ihrer Kinder sogar betreffend die Schulart sei durch die Bewilligungsbescheide und ihr Vertrauen auf deren Fortbestand bedingt gewesen, wäre ein in dieser Weise entstandenes Vertrauen aus Rechtsgründen jedenfalls nicht schutzwürdig. Denn Eltern sind nach § 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB zur elterlichen Sorge verpflichtet, die bereits kraft Gesetzes zum Wohl des Kinds auszuüben ist (§ 1627 Satz 1 BGB). Hiermit ist es nicht vereinbar, sollten Eltern die Wahl von Schule und Schulart nicht hauptsächlich von den Neigungen und Fähigkeiten ihrer Kinder abhängig machen, sondern ausschlaggebend davon, ob und ggf. inwieweit Ansprüche auf Schulwegkostenfreiheit bestehen. Denn hinsichtlich des Kindeswohls ist die bestmögliche schulische Ausbildung und Förderung, nicht aber das Bestehen vermögensrechtlicher Ansprüche auf Schulwegkostenfreiheit ausschlaggebend.
Auch soweit die Rücknahme vorliegend in geringem Umfang für die Vergangenheit erfolgte, liegen die tatbestandlichen Rücknahmevoraussetzungen nach Art. 48 Abs. 1, 2 BayVwVfG vor. So hatte der Beklagte hinsichtlich … … mit Bescheid vom 14. September 2017 die Übernahme von Schulwegkosten ab dem Schuljahr 2017/2018 abgelehnt. In tatsächlicher Hinsicht kann unter Berücksichtigung der gewöhnlichen Postlaufzeiten mit dem Zugang des Bescheids bei der Klägerin spätestens am 20. September 2017 ausgegangen werden. Dagegen hatte der Schulunterricht für das Schuljahr 2017/2018 bereits am 12. September begonnen. In diesem Zusammenhang spricht Vieles dafür, dass in tatsächlicher Hinsicht für das neue Schuljahr schon keine Berechtigungsscheine oder Wertmarken ausgeben wurden, diese also auch nicht mehr verbraucht werden konnten. Allerdings greift hier selbst bei unterstelltem Leistungsverbrauch ausnahmsweise nicht die Regelvermutung aus Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG. Denn zu berücksichtigen ist, dass der Beklagte die Klägerin bereits mit Anhörungsschreiben vom 25. Juli 2017 unter Hinweis auf die Schulweglänge darauf hingewiesen hatte, ab dem Schuljahr 2017 2018 könne eine Beförderung mit dem Schulbus nicht mehr stattfinden. Aufgrund dessen war das Vertrauen in den Fortbestand der Leistungen auch für das neue Schuljahr ganz erheblich eingeschränkt, sodass auch insoweit das öffentliche Interesse an der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände überwiegt. Im Ergebnis gilt dasselbe, soweit der Beklagte mit Bescheid vom 14. September 2017 hinsichtlich … … die Bewilligung der Kostenübernahme bereits zum 31. Juli 2017 aufgehoben hatte. Denn in diesem Zeitpunkt war das Schuljahr 2016/2017 bereits beendet, sodass für dieses Schuljahr keine Schulwegkosten mehr anfallen konnten, auf dessen Übernahme durch den Beklagten hätte vertraut werden können.
Schließlich ist auch die Jahresfrist aus Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG gewahrt. Anhaltspunkte, dass der Beklagte bereits außerhalb der Jahresfrist positive und vollständige Kenntnis des Sachverhalts insbesondere hinsichtlich der tatsächlichen Schulweglänge und damit verbundenen Umständen zu Zumutbarkeitsfragen erlangt hatte (vgl. Müller in Beckscher Online-Kommentar, 45. Edition 1.1.2019, § 48 Rn. 111), waren weder vorgetragen noch ersichtlich.
Damit liegen alle tatbestandlichen Rücknahmevoraussetzungen vor.
Auch die Ermessensausübung des Beklagten mit Blick auf die Rücknahme der Bewilligungsbescheide ist nicht zu beanstanden. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich (§ 114 VwGO), zumal in Fällen der vorliegenden Art mit Blick auf die Ermessensausübung im Wesentlichen lediglich gleichheitsrechtliche Gesichtspunkte verbleiben (vgl. Suerbaum in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 48 Rn. 149). Hier hat der Beklagte zum einen das ihm eingeräumte Ermessen erkannt und zum anderen ermessensfehlerfrei darauf abgestellt, auch bei Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes sei der rechtmäßige Zustand wieder herzustellen.
Im Übrigen waren die Rücknahmeentscheidungen auch verhältnismäßig im Einzelfall. So war die Rücknahme jeweils geeignet und erforderlich, um rechtmäßig Zustände wiederherzustellen. Darüber hinaus waren die Rücknahmeentscheidungen auch angemessen und stellen insbesondere in finanzieller Hinsicht keine unbillige Härte gegenüber der Klägerin dar. Zwar wird die Klägerin unterhaltsrechtlich mit den Kosten des öffentlich-rechtlichen Nahverkehrs für den Schulweg belastet sein, sollten ihre Kinder den Schulweg nicht kostengünstig etwa mit dem Fahrrad zurücklegen können. Rechtlich ausschlaggebend ist jedoch, dass es sich bei Kostenfreiheit der Schülerbeförderung ohnehin um eine freiwillige Leistung der öffentlichen Hand handelt. Insoweit besteht weder eine staatliche Verpflichtung unter dem Gesichtspunkt des besonderen Schutzes der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) noch begründen das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Elternrecht, das Grundrecht der Schülers auf Bildung aus Art. 2 Abs. 1 GG oder das Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1 GG einen (verfassungsrechtlichen) Anspruch auf Kostenübernahme der Schülerbeförderung durch die öffentliche Hand (OVG Lüneburg, B.v. 16.11.2012 – 2 ME 359/12 – NVwZ-RR 2013, 148). Auch begründet die Schulpflicht als Konkretisierung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags aus Art. 7 GG keinen Anspruch auf kostenlose Schülerbeförderung, da die Erfüllung der Schulpflicht als „Bringschuld“ zu verstehen ist. Entsprechend obliegt grundsätzlich den Eltern, für den Transport zu und von den Schulen zu sorgen und die hiermit verbundenen Kosten als allgemeine Lebenshaltungskosten zu tragen (OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 25.8.2003 – 2 A 10588/03 – beck-online; Schleswig-Holsteinisches VG, U.v. 9.10.2017 – 9 A 257/16 – juris Rn. 22). Zusammengefasst wäre es grundsätzlich verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, hätte sich der Gesetzgeber dazu entschieden, überhaupt keine Schulwegkostenfreiheit zu gewähren. Damit ist es erst Recht verfassungsrechtlich unbedenklich, sofern der Gesetzgeber Schulwegkostenfreiheit lediglich teilweise oder unter bestimmten Voraussetzungen gewährt. Da es sich vorliegend um eine verfassungsrechtlich freiwillige Leistung handelt, ist dem Gesetzgeber zudem ein sehr weitreichender Gestaltungsspielraum eingeräumt, sodass er die Reichweite seiner Förderung standardisieren und pauschalisieren darf (OVG Lüneburg, B.v. 16.11.2012 – 2 ME 359/12 – NVwZ-RR 2013, 148).
Auch die Kostenentscheidungen der Widerspruchbescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie folgen aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG und Art. 1 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 Satz 4 und 5, Art. 10 Abs. 1 Nr. 2, 11 BayKG.
Mangels Anspruchs auf Schulwegkostenfreiheit scheiden auch dem Grunde nach geltend gemachte Erstattungsansprüche wegen klägerseits bereits übernommener Schulwegkosten aus.
Nach alledem waren die Klagen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1,154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben