Verwaltungsrecht

Kombination von Fristsetzung zur Mängelbeseitigung mit Androhung eines Zwangsgeldes rechtswidrig, § 5 Abs. 1 FZV bietet keine Befugnis zur Anordnung der Mängelbeseitigung, Ermessensfehler

Aktenzeichen  B 1 K 20.343

Datum:
24.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24633
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FZV § 5 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Bescheid des Zweckverbands Zulassungsstelle … vom 22. Januar 2019 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.
Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
II.
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Zweckverbands Zulassungsstelle … vom 22. Januar 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 5 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (Fahrzeug-Zulassungsverordnung – FZV) kann die nach Landesrecht zuständige Behörde (Zulassungsbehörde) dem Eigentümer oder Halter eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen, wenn es sich als nicht vorschriftsmäßig nach der Fahrzeug-Zulassungsverordnung, der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung oder der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung erweist.
1. Zwar entschied der Bayerischer Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 22.10.2019 – 11 BV 19.824 – juris, dass bei Nichtteilahme an einer Rückrufaktion zur Beseitigung einer unzulässigen Abschalteinrichtung trotz Aufforderung eine Betriebsuntersagung des Fahrzeugs gerechtfertigt sein kann. Insoweit wird der Bescheid vom Klägerbevollmächtigten auch nicht mehr angegriffen. Der Bescheid ist vorliegend in Nr. 1 aber deshalb rechtswidrig, da ein Nachweis an der Rückrufaktion Code: 23R7 angeordnet wurde, es sich bei der Rückrufaktion laut Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts aber um die Rückrufaktion 23R6 gehandelt hat (Schreiben vom 10. April 2018). Der Kläger würde durch den Bescheid zu einer Rückrufaktion aufgefordert, die es für seinen Pkw nicht gibt. Bei der Rückrufaktion 23R7 handelte es sich um Fahrzeuge des Herstellers VW und nicht des Herstellers Skoda (https://www.kba-online.de/gpsg/auskunftlisteServlet – Suchfrage eingegeben am 22. Juni 2020).
Die Regelung des Verwaltungsaktes verstößt gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG). Das Bestimmtheitsgebot verlangt im Hinblick auf den Inhalt der Regelung, dass der maßgebliche Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes zweifelsfrei zum Ausdruck kommt. Dies ist der Fall, wenn der Inhalt der getroffenen Entscheidung bezüglich der Art und des Umfangs aus sich heraus verständlich ist und keine mehrdeutigen Auslegungen zulässt. Daraus folgt, dass die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe nur insoweit zulässig ist, als die Feststellung ihrer Bedeutung im Wege einer eindeutigen Auslegung möglich ist. § 133 BGB ist dann entsprechend anwendbar. Sofern sich danach mehrere Auslegungsmöglichkeiten ergeben, ist zugunsten des Adressaten die diesem günstigste Auslegung zugrunde zu legen. Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot führt zur Rechtswidrigkeit und Aufhebbarkeit des Verwaltungsakts (Pautsch in: Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 1. Aufl. 2016, § 37 Rn. 5). Aus der Sicht des objektiven Empfängers musste auf Grund der ausdrücklichen Verwendung des Begriffs „Rückrufaktion (Code: 23 R7)“ im Tenor des Verwaltungsaktes (Nr. 1) davon ausgegangen werden, dass diese Rückrufaktion gemeint war, zumal die Falschbezeichnung in den Gründen ebenso auftritt.
2. Zudem ergibt sich die Rechtswidrigkeit des Bescheids daraus, dass der Kläger durch die Kombination der Fristsetzung für die Mängelbeseitigung (Nr. 1 des Bescheids) mit der Androhung eines Zwangsgeldes (Nr. 2) letztendlich ohne Alternative zur Mängelbeseitigung selbst aufgefordert wurde. Eine Rechtsgrundlage für ein derartiges Handeln bietet § 5 Abs. 1 FZV nicht. Nach dessen Wortlaut kann die Behörde dem Eigentümer oder Halter eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen. Kommt der Eigentümer oder Halter somit der Aufforderung zur Mängelbeseitigung innerhalb der Frist nicht nach, so bleibt der Behörde nur die Möglichkeit, den Betrieb des Fahrzeugs zu beschränken oder zu untersagen. Diese Pflicht kann dann mit einer Zwangsgeldandrohung versehen werden. Die Behörde kann den Halter aber nicht durch die Androhung eines Zwangsgelds zur Mängelbeseitigung selbst auffordern (vgl. auch VG Düsseldorf, B.v. 30.4.2019 – 6 L 175/19 – juris Rn. 77). Dass nur die Vorgehensweise einer alleinigen Fristsetzung (ohne Zwangsgeldandrohung) mit anschließender oder gleichzeitiger Androhung der Außerbetriebsetzung in § 5 Abs. 1 FZV vorgesehen ist, ergibt sich auch aus den Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Urteil vom 22. Oktober 2019 (11 BV 19.824 – juris Rn. 56, die allerdings in Bezug auf den Streitwert ergangen sind):
„Die Verpflichtung zur Mängelbeseitigung ist jedoch quasi nur die Vorstufe zur Betriebsuntersagung im Fall der Nichtbefolgung bis zum Ablauf der behördlich festgelegten Frist. Durch diese rechtliche Verbindung der ergangenen Bescheide relativiert sich die Bedeutung der zunächst verfügten Verpflichtung zur Mängelbeseitigung.“
Der Bescheid leidet weiter an einem Ermessensfehler. Hinsichtlich der Auswahl der Maßnahmen des § 5 FZV (Fristsetzung oder Außerbetriebsetzung) hat die Behörde ein Auswahlermessen. Dem Zweckverband ist zwar zuzustimmen, dass die Fristsetzung zur Mängelbeseitigung das mildere Mittel zur Betriebsuntersagung darstellt. Dies gilt aber dann nicht, wenn die Frist zur Mängelbeseitigung mit der Androhung eines Zwangsgelds verbunden wird. In diesem Fall hat der Adressat der Anordnung gerade nicht die Wahl, die Mängelbeseitigung durch eine Außerbetriebsetzung seines Fahrzeugs abzuwenden. Nach dem Wortlaut des Bescheids ist der Kläger verpflichtet, den Mangel innerhalb der Frist zu beseitigen, anderenfalls riskiert er in der Folgezeit die Fälligstellung eines Zwangsgeldes. Das Wahlrecht, welches ihm im Schreiben vom 20. April 2018 angekündigt wurde, findet im Bescheid keine Stütze. Dass die Behörde bei freiwilliger Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs von der Fälligstellung eines Zwangsgeldes abgesehen hätte und der Verwaltungsakt sich nach Ansicht des Zweckverbands erledigt hätte, ändert nichts daran, dass für den objektiven Empfänger des Verwaltungsaktes der Sachverhalt so zu verstehen war, dass von der noch am 20. April 2018 bevorzugten Vorgehensweise (Wahlrecht des Klägers) im Bescheid insofern Abstand genommen wurde, als nunmehr nur noch die Mängelbeseitigung im Raum stand. Da der Zweckverband irrig davon ausging, dass dem Kläger im Bescheid die Wahl eröffnet wurde, die Mängelbeseitigung durch Außerbetriebsetzung abzuwenden, leidet die Anordnung an einem Ermessensfehler, was ebenfalls zur Rechtswidrigkeit der Nrn. 1 und 2 des Bescheids führt.
Die Rechtswidrigkeit der Nrn. 1 und 2 des Bescheids erstreckt sich zwangsläufig auf die festgesetzten Kosten (Nr. 3 des Bescheids), da für einen rechtswidrigen Verwaltungsakt keine Kosten erhoben werden dürfen.
III. Der Beklagte trägt als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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