Verwaltungsrecht

Konkurrentenstreitverfahren um Beförderungsstellen bei der Deutschen Telekom AG

Aktenzeichen  6 CE 20.699

Datum:
25.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14695
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 122 Abs. 2 S. 3, § 146 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Nur wenn die Beurteiler der Einschätzung der Führungskraft hinsichtlich der Benotung der Einzelkriterien im Beurteilungssystem der Deutschen Telekom AG nicht folgen und diese herauf- bzw. herabstufen, damit also eine Abweichung von größerem Gewicht vorliegt, bedarf dies einer nachvollziehbaren Begründung (Rn. 9). (redaktioneller Leitsatz)
2. Fallen Statusamt und Bewertung des tatsächlich wahrgenommenen Dienst- oder Arbeitspostens auseinander, muss der Beurteiler im Beurteilungssystem der Deutschen Telekom AG diesen Umstand bei dem Rückgriff auf die allein am Arbeitsposten ausgerichtete Stellungnahme der unmittelbaren Führungskraft gesondert berücksichtigen, um den von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten Leistungsvergleich der Bewerber um ein Beförderungsamt anstellen zu können (Rn. 11). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 2 E 20.94 2020-03-06 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 6. März 2020 – Au 2 E 20.94 – wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 11.144,67 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz im Zusammenhang mit einer beamtenrechtlichen Beförderungsentscheidung.
Er steht als Technischer Fernmeldehauptsekretär (Besoldungsgruppe A 8 t) im Dienst der Antragsgegnerin, ist bei dem Postnachfolgeunternehmen D. T. AG (im Folgenden T.) beschäftigt und zur Ausübung einer entsprechend der Besoldungsgruppe A 11 bewerteten Tätigkeit eines Sachbearbeiters „Delivery Service Manager“ bei der T-Systems International GmbH beurlaubt. Bei der dienstlichen Beurteilung vom 9./16. Juli 2019 für den Zeitraum 1. September 2016 bis 31. August 2018 (eröffnet am 24.7.2019) erhielt er als Gesamturteil die zweithöchste von sechs Notenstufen („sehr gut“) mit der höchsten Ausprägung „++“. Hiergegen hat der Antragsteller durch Schreiben seines Bevollmächtigten vom 10. Dezember 2019 Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden wurde.
Bei der Beförderungsrunde 2019/2020 konkurrieren der Antragsteller und 152 weitere Beamte auf der Beförderungsliste „Beteiligung intern_TSI_T “ um eine von 18 Planstellen zur Beförderung auf ein nach A9_vz bewertetes Amt. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2019 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass er mit dem Ergebnis „sehr gut ++“ geführt werde. Seine Beförderung in dieser Beförderungsrunde sei nicht möglich, weil nur solche Beamte zum Zuge kommen könnten, die mit „hervorragend ++“ beurteilt worden seien. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch ist noch nicht entschieden.
Am 10. Dezember 2019 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die letzten drei Beförderungsplanstellen der Beförderungsliste „Beteiligung intern_TSI_T “ nach A9_vz in der Beförderungsrunde 2019/2020 mit anderen Beamtinnen und Beamten zu besetzen und diese zu befördern, solange nicht über seine Beförderung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist und zwei Wochen seit der Mitteilung dieser Entscheidung vergangen sind. Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 6. März 2020 mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs abgelehnt. Die der Auswahlentscheidung zugrundeliegende dienstliche Beurteilung des Antragstellers sei rechtlich nicht zu beanstanden. Mit Blick auf die besonderen Beschäftigungsstrukturen bei der T. sei gegen deren Beurteilungssystem rechtlich nichts zu erinnern. Insbesondere schaffe die Aufspreizung der Noten für das Gesamturteil gerade im oberen Bereich („hervorragend“ und sehr „gut“ mit jeweils drei Ausprägungen) den nötigen Raum für eine sachgerechte Beurteilung solcher Beamter, die bei sehr guten oder sogar Spitzenleistungen zugleich – teilweise deutlich – höherwertig eingesetzt seien, oder die ausweislich der beschreibenden Texte ihrer unmittelbaren Führungskräfte ein so hervorragendes Leistungsbild abgäben, dass ihre (innerhalb des Systems der Einzelnoten keine weitere Steigerung zulassenden) Bewertungen der Einzelmerkmale mit der Note „sehr gut“ dieses besonders hervorstehende Leistungsbild nur unvollkommen wiedergäben. Die dienstliche Beurteilung des Antragstellers beruhe auf einer ausführlichen und hinreichend aussagekräftigen Stellungnahme seiner unmittelbaren Führungskraft und sei plausibel hieraus entwickelt, in der erforderlichen Weise auf die Anforderungen für das tatsächlich innegehabte Statusamt (A 8) bezogen und ausdrücklich unter Berücksichtigung des Auseinanderfallens von Statusamt und Arbeitsposten begründet worden. Die Einordnung der vorliegenden Bewertungen der Einzelmerkmale in die ausdifferenzierte Bewertungsskala für das Gesamturteil sei nachvollziehbar und plausibel dargetan. Im Hinblick auf den Beurteilungsbeitrag der unmittelbaren Führungskraft ergebe sich im Quervergleich zu den Beigeladenen nicht, dass der Antragsteller solch herausragende Leistungen erbracht habe, dass trotz seines „lediglich“ um drei Besoldungsgruppen höherwertigen Einsatzes ausnahmsweise nur die Vergabe der Spitzennote mit der höchsten Ausprägung als beurteilungsfehlerfrei erscheinen würde. Im Übrigen habe der Antragsteller auch nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass und warum er bei einer erneuten Auswahlentscheidung nach einer möglicherweise neu zu erstellenden Beurteilung anstelle eines der drei Beigeladenen zum Zuge käme. Denn da neben den drei Beigeladenen noch weitere Beamte mit dem Gesamturteil „hervorragend ++“ bewertet worden seien, erscheine eine Auswahl des Antragstellers auch dann nicht möglich, wenn er erneut zu beurteilen sein sollte, da sich jedenfalls eine Vergabe der Spitzennote mit dem höchsten Ausprägungsgrad nicht aufdrängen würde. Dass sämtliche oder zumindest die den im Ranking vor dem Antragsteller gelisteten Beamten erteilten dienstlichen Beurteilungen rechtswidrig seien, sei nicht ersichtlich.
Der Antragsteller hat hiergegen Beschwerde eingelegt, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Die Antragsgegnerin widersetzt sich der Beschwerde.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Die Gründe, die mit der Beschwerde fristgerecht dargelegt worden sind und auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i.V.m. Satz 1 und 3 VwGO), rechtfertigen es nicht, dem mit dem Rechtsmittel weiterverfolgten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entsprechen.
Das Verwaltungsgericht ist – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats zu den Anforderungen an die Begründung des Gesamturteils einer dienstlichen Beurteilung mit Blick auf die Besonderheiten des Beurteilungssystems bei der T. (vgl. B.v. 11.2.2020 – 6 ZB 19.2351; B.v. 24.9.2019 – 6 CE 19.1749; B.v. 26.8.2019 – 6 CE 19.1409; B.v. 23.4.2019 – 6 CE 19.76, jeweils juris m.w.N.) – zu dem Ergebnis gelangt, dass die dienstlichen Beurteilungen des Antragstellers und seiner Konkurrenten rechtlich nicht zu beanstanden sind und eine tragfähige Grundlage für die Auswahlentscheidung bilden. Den überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts hält die Beschwerde nichts Stichhaltiges entgegen. Vielmehr wiederholt und vertieft sie im Wesentlichen lediglich die bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorgetragenen Argumente, ohne jedoch neue wesentliche Gesichtspunkte aufzuzeigen, die eine andere Beurteilung der Rechtssache angezeigt erscheinen lassen könnten. Der Senat nimmt daher auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses Bezug und sieht insoweit von einer eigenen weiteren Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Das Beschwerdevorbringen gibt lediglich Anlass zu folgenden Klarstellungen:
Der Umstand, dass die Beurteiler bei ihrer textlichen Bewertung der Einzelkriterien diverse in den Erläuterungen der Führungskraft enthaltene deutliche Hervorhebungen – mit wenigen Ausnahmen – nicht wörtlich übernommen und statt dessen eine – nach dem Empfinden des Antragstellers – abgeschwächte Beschreibung verwendet haben, lässt keinen Rechtsfehler zu dessen Nachteil erkennen. Die im Beurteilungsbeitrag enthaltenen textlichen Erläuterungen müssen von den Beurteilern nicht wörtlich übernommen werden (vgl. BayVGH, B.v. 24.9.2019 – 6 CE 19.1749 – juris). Es reicht vielmehr aus, wenn sich die Beurteiler – wie vorliegend – eng an die im Beurteilungsbeitrag verwendeten Formulierungen anlehnen und damit deren Sinngehalt wiedergeben. Nur Abweichungen von größerem Gewicht bedürfen einer nachvollziehbaren Begründung. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Beurteiler der Einschätzung der Führungskraft hinsichtlich der Benotung der Einzelkriterien nicht folgen und diese herauf- bzw. herabstufen. Vorliegend haben die Beurteiler bei allen sechs Einzelkriterien entsprechend der Einschätzung des unmittelbaren Vorgesetzten die Bestnote „sehr gut“ vergeben; einer vom Antragsteller vermissten Begründung bedurfte es aus diesem Grund nicht.
Fehl geht auch der Einwand des Antragstellers, es sei nicht mit Art. 33 Abs. 2 GG in Einklang zu bringen, wenn ein höherwertiger Einsatz den Ausschlag für die Vergabe der Bestnote gebe. Im Gegenteil wäre, wie der Senat bereits in einem vom Antragsteller früher geführten Konkurrenteneilverfahren ausgeführt hat (BayVGH, B.v. 24.9.2019 – 6 CE 19.1749), eine Beurteilung unplausibel und mit Art. 33 Abs. 2 GG nicht vereinbar, die den Antragsteller auf derselben Notenstufe wie diejenigen Beigeladenen einordnen würde, die bei vergleichbar guten Leistungseinschätzungen der jeweiligen Führungskräfte im Beurteilungszeitraum laufbahnübergreifend höherwertig – und damit noch höherwertiger als der Kläger – beschäftigt waren.
Denn gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Grundsatzes der Bestenauslese zu besetzen. An diesen Grundsatz ist der Dienstherr daher gebunden, wenn er ein Amt im statusrechtlichen Sinn durch Beförderung des Inhabers eines niedrigeren Amtes vergeben will. Es ist allgemein anerkannt, dass die dienstliche Beurteilung neben der objektiven individuellen Bewertung der Leistungen des Beamten dem Vergleich des jeweiligen Beamten mit den anderen Beamten seiner Besoldungsgruppe und Laufbahn dem Zweck der Bestenauslese dient (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.2012 – 2 A 2.10 – juris Rn. 9; BVerwG, U.v. 2.3.2000 – 2 C 7.99 – juris). Fallen – wie bei der Mehrzahl der Bewerber auf der Vergleichsliste des Antragstellers – Statusamt und Bewertung des tatsächlich wahrgenommenen Dienst- oder Arbeitspostens auseinander, muss der Beurteiler im Beurteilungssystem der T. diesen Umstand bei dem Rückgriff auf die allein am Arbeitsposten ausgerichtete Stellungnahme der unmittelbaren Führungskraft gesondert berücksichtigen, um den von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten Leistungsvergleich der Bewerber um ein Beförderungsamt anstellen zu können. Denn es besteht der allgemeine Erfahrungssatz, dass mit einem höheren Statusamt die Wahrnehmung höherwertiger Aufgaben verbunden ist, die im allgemeinen gegenüber einem niedrigeren Statusamt gesteigerte Anforderungen beinhalten und mit einem größeren Maß an Verantwortung verbunden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG, B.v. 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13 – ZBR 2016, 128 Rn. 59; BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – BVerwGE 147, 20 Rn. 52; BayVGH, B.v. 12.11.2015 – 6 CE 15.2031 – juris Rn. 16). Deshalb ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Beamter, der die Aufgaben eines Dienst- oder Arbeitspostens „gut“ oder gar „sehr gut“ erfüllt, der einer (deutlich) höheren Besoldungsgruppe zugeordnet ist, als sie seinem Statusamt entspricht, die (wesentlich) geringeren Anforderungen seines Statusamtes in mindestens ebenso guter oder besserer Weise erfüllt. Je weiter der innegehabte Dienst- oder Arbeitsposten und das Statusamt auseinanderfallen, desto schwerer wiegt eine positive Leistungseinschätzung durch den Vorgesetzten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil diese keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 40‚ 47 Abs. 1 Satz 1‚ § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG sowie § 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 1‚ Satz 2 bis 4 GKG. Anzusetzen ist danach im Ergebnis ein Viertel der für ein Kalenderjahr in dem angestrebten Amt zu zahlenden Bezüge der Endstufe (BayVGH, B.v. 24.10.2017 – 6 C 17.1429 – BayVBl 2018, 390; hier: 3 x 3.714,89 €).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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