Verwaltungsrecht

Kosten der Ersatzvornahme, Zweitbescheid, Leistungsbescheid, Feuerstättenschau, Verwaltungsgerichte, Bezirksschornsteinfeger, Terminsverlegung, Befähigung zum Richteramt, Bevollmächtigter, Unrichtige Sachbehandlung, Vollstreckungsvoraussetzungen, Kostenverzeichnis, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Zwangsmittel, Rechtsmittelbelehrung, Feuerstättenbescheid, Erheblicher Grund, Vollstreckungsverfahren, Streitwertfestsetzung, Kostenschuldner

Aktenzeichen  W 8 K 20.492

Datum:
14.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 39836
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 1
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
SchfHwG § 26
SchfHwG § 25
VwZVG Art. 41 Abs. 1
KG Art. 16 Abs. 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Über die Klage konnte entschieden werden, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist (§ 102 Abs. 2 VwGO). Der Kläger war zur mündlichen Verhandlung laut Zustellungsurkunde vom 19. November 2020 rechtzeitig und ordnungsgemäß geladen worden. Anlass für eine Terminverlegung aufgrund des Telefax des Klägers vom 14. Dezember 2020, in dem dieser mitteilte, er leide seit dem Morgen unter Erbrechen und Durchfall, bestand nicht.
Nach § 173 VwGO i.V.m. § 227 ZPO kann aus erheblichen Gründen ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Nach § 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO sind erhebliche Gründe insbesondere nicht das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafürhält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist. Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen glaubhaft zu machen (§ 227 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung steht im Ermessen des Gerichts.
Bei Berücksichtigung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots (§ 87b, § 87 Abs. 1 VwGO) sowie bei Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Erfordernisses des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 2 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) war eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung nicht erforderlich. Je kurzfristiger der Antrag auf Terminverlegung gestellt wird, umso höhere Anforderungen sind an die Darlegung des wichtigen Grundes zu stellen. Ein erheblicher Grund für eine Aufhebung oder Verlegung des Termins war vorliegend – auch angesichts der Prozessgeschichte mit bereits stattgegebenem kurzfristigem Verlegungsantrag – nicht rechtzeitig glaubhaft gemacht worden.
Der Kläger hat erst kurz vor dem planmäßigen Aufruf des Verfahrens (um 13:45 Uhr) dem Gericht um ca. 13:15 Uhr telefonisch mitgeteilt, dass er erkrankt sei, obwohl er laut dem um 14:10 Uhr eingegangenen Telefax bereits seit dem Morgen unter Erbrechen und Durchfall litt. Die mit Telefax vom 14. Dezember 2020 übersandte Arztbescheinigung vom selben Tag genügt nicht zur Glaubhaftmachung eines erheblichen Grundes für eine Terminverlegung. Denn aus dieser ergibt sich zwar die Arbeitsunfähigkeit des Klägers, nicht aber dessen Verhandlungs- bzw. Reiseunfähigkeit. Eine solche folgt ohne Ausführungen zur Dauer und Schwere der Erkrankung auch nicht zwingend aus der in der Bescheinigung enthaltenen Diagnose A09.9 G.
Die als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO statthafte Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der angegriffene Leistungsbescheid vom 22. Oktober 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Voraussetzungen für den Erlass des Leistungsbescheids, mit dem die Kosten für die am 15. April 2019 und 25. August 2019 erfolglos vorgenommenen Ersatzvornahmen von bezüglich des klägerischen Anwesens festgesetzten Kehr- und Überprüfungsarbeiten und der Feuerstättenschau erhoben wurden, liegen vor. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen sind gegeben und die erfolglos vorgenommenen Ersatzvornahmen waren rechtmäßig. Das Gericht verweist insoweit zunächst auf die zutreffende Begründung des Leistungsbescheids vom 3. März 2020 (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Das Vorbringen des Klägers im Klageverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
Der Beklagte konnte die Kosten für die am 15. April und 27. August 2019 erfolglos vorgenommenen Ersatzvornahmen in Bezug auf den Zweitbescheid gemäß § 26 Abs. 2 Schornsteinfegerhandwerksgesetz (SchfHwG) und in Bezug auf den Bescheid vom 4. Februar 2020 gem. Art. 32 Abs. 1, Art. 41 Abs. 1 Satz 1 VwZVG gegenüber dem Kläger mit dem angegriffenen Leistungsbescheid geltend machen. Nach § 26 Abs. 2 SchfHwG kann die zuständige Behörde für die Ausführung der Ersatzvornahme von dem betroffenen Eigentümer Gebühren und Auslagen erheben. Gemäß Art. 41 Abs. 1 VwZVG werden für Amtshandlungen im Vollstreckungsverfahren kosten nach dem Kostengesetz erhoben, soweit nicht bundesrechtliche Kostenvorschriften unmittelbar gelten oder landesrechtlich für anwendbar erklärt worden sind. Kostenschuldner ist der Vollstreckungsschuldner.
Die Voraussetzungen hierfür liegen jeweils vor.
Insbesondere sind die erfolglos vorgenommenen Ersatzvornahmen als Grundlage für die Kostenforderung in rechtmäßiger Weise erfolgt (vgl. Art. 16 Abs. 5 KG). Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen waren gegeben.
Der Kläger hat die mit Bescheid vom 4. Februar 2019 festgesetzte Feuerstättenschau und die im Zweitbescheid vom 5. Februar 2019 festgesetzten Kehr- und Überprüfungsarbeiten nicht innerhalb der dort gesetzten Frist durchführen lassen. Auf ein Vertretenmüssen der Kläger kommt es diesbezüglich nicht an (vgl. VG Würzburg, B.v. 4.3.2020 – W 8 S 20.247 – juris Rn. 29). Der Bescheid vom 4. Februar 2019 und der Zweitbescheid vom 5. Februar 2019 sind wirksam und konnten durch die Ersatzvornahme vollstreckt werden. Die Bescheide waren im Zeitpunkt der erfolglos vorgenommenen Ersatzvornahmen vollziehbar. Hinsichtlich der Nummern 1 und 2 des Bescheids vom 4. Februar 2019 wurde die sofortige Vollziehung angeordnet, der Zweitbescheid ist von Gesetzes wegen gemäß § 25 Abs. 4 SchfHwG sofort vollziehbar (Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG).
Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 29 ff. VwZVG für die Vollstreckung von Verwaltungsakten, mit denen eine Handlung, Duldung oder Unterlassung gefordert wird, sind gegeben.
Nach Art. 32 Satz 2 VwZVG ist die Ersatzvornahme grundsätzlich nur zulässig, wenn ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lässt. Dieser Grundsatz wird jedoch durch § 25 Abs. 2 Satz 2 SchfHwG eingeschränkt, als dass im Falle der Nichtvornahme der im Zweitbescheid festgelegten Pflichten – wie hier – zwingend das Zwangsmittel der Ersatzvornahme vorgesehen ist. Hinsichtlich der Durchführung der Feuerstättenschau ließ ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten. Vor dem Hintergrund von Brandgefahren und unter Berücksichtigung der Weigerungshaltung des Klägers konnte nicht erst versucht werden, ein Zwangsgeld beizutreiben.
Die Ersatzvornahme wurde in den inzwischen bestandskräftigen Bescheiden vom 4. und 5. Februar 2019 jeweils angedroht und die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme veranschlagt, Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG, § 25 Abs. 2 Satz 2 SchfHwG. Die Rechtmäßigkeit des der Vollstreckung zugrundeliegenden Verwaltungsakts wird im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht mehr geprüft. Gemäß Art. 21 Satz 2 VwZVG sind Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch nur zulässig, soweit die geltend gemachten Gründe erst nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes entstanden sind und mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht mehr geltend gemacht werden können (vgl. VG Bayreuth, B.v. 18.5.2015 – B 3 E 15.160 – juris; VG München, B.v. 5.12.2014 – M 6b E 14.4417 – juris). Solche Einwände, die die Voraussetzungen des Art. 21 VwZVG erfüllen, hat der Kläger indes nicht vorgebracht.
Nach § 26 Abs. 2 SchfHwG kann die zuständige Behörde für die Ausführung der Ersatzvornahme in Bezug auf den Zweitbescheid von den betroffenen Eigentümern Gebühren und Auslagen erheben. Gründe für das Absehen von der Erhebung der Kosten sind nach vorstehenden Ausführungen nicht ersichtlich (Formulierung: „kann“).
Ansatzpunkte für eine unrichtige Sachbehandlung durch den Beklagten im Hinblick auf die Ersatzvornahmen selbst liegen wie oben ausgeführt zur Überzeugung der Kammer ebenfalls nicht vor (Art. 16 Abs. 5 KG).
Die Höhe der für die erfolglos vorgenommenen Ersatzvornahmen geforderten Kosten, die angesetzte Verwaltungsgebühr und die weiteren Auslagen sind nicht zu beanstanden. Die tatsächlich für die Ersatzvornahme angefallenen und mit dem streitgegenständlichen Leistungsbescheid geforderten Kosten blieben zudem deutlich hinter den im Bescheid vom 4. Februar 2019 bzw. im Zweitbescheid vom 5. Februar 2019 geschätzten Kosten für die Ersatzvornahme in Höhe von jeweils 300,00 EUR zurück.
Dem steht auch nicht entgegen, dass die Ersatzvornahmen jeweils abgebrochen wurden.
Gegenstand des Leistungsbescheids sind sämtliche durch die Ersatzvornahme entstandenen erforderlichen Kosten (VG München, U.v. 5.11.2015 – M 1 K 15.3391 – juris; Seidel/Fischer/Kreiser, Schornsteinfeger-Handwerksrecht, 2. Auflage 2019, § 26 Rn. 14, 26). Bei überflüssigen Maßnahmen soll die Kostentragung insoweit ausgeschlossen sein (Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2019, § 10 VwVfG, Rn. 22).
Vorliegend handelt es sich bei den mit dem streitgegenständlichen Leistungsbescheid geltend gemachten Kosten um erforderliche Kosten. Der Abbruch der Ersatzvornahmen steht dem nicht entgegen. Grundsätzlich können nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Dem Kläger als zur Tragung der Kosten der Ersatzvornahme Verpflichteten können auch die Kosten einer fehlgeschlagenen bzw. abgebrochenen Ersatzvornahme auferlegt werden, z.B. im Fall des wegen Wegfahrens des Pkw durch den Verantwortlichen selbst abgebrochenen Abschleppvorgangs oder bei einem Abbruch von Schornsteinfegerarbeiten im Wege der Ersatzvornahme aufgrund eines Defekts an der Heizungsanlage (OVG Saarl., U.v. 25.4.2019 – 2 A 802/17 – juris, Rn. 32 u. 38; VG Saarland, U.v. 11.3.2016 – 6 K 2111/14 – juris Rn. 20; Sadler/Tillmanns, VwVG/VwZG, 10. Auflage 2020, § 19 Kosten Rn. 17).
Diesen genannten Fällen ist der streitgegenständliche Fall vergleichbar, denn der Abbruch der Ersatzvornahmen lag jeweils in der Sphäre des Klägers begründet. Dieser brachte in beiden Ersatzvornahmeterminen neue zu prüfende Einwände gegen die Ersatzvornahme vor. Ferner schilderte die Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung glaubhaft, dass der Kläger bei beiden Ersatzvornahmeterminen aggressiv und provokativ aufgetreten sei. Die erfahrene Sachbearbeiterin habe die Gefahr vor Ort eingeschätzt und sich entschieden, die Sache nicht eskalieren zu lassen. Der Abbruch der Ersatzvornahmen durch die Behörde aufgrund des neuen Vorbringens des Klägers und aus Gründen der Deeskalation ist nicht zu beanstanden. Er war jeweils durch das Verhalten des Klägers veranlasst und ist mit den Fällen vergleichbar, in denen der Kläger seiner Verpflichtung selbst nachkommt und die Ersatzvornahme deshalb abgebrochen wird. Dem klägerischen Vorbringen, es sei darzulegen, warum Durchführungen der Ersatzvornahme festgesetzt, aber nicht durchgeführt worden seien, ist entgegenzuhalten, dass die Kosten der Ersatzvornahme bei deren zwangsweiser Durchführung weit höher ausgefallen wären, was schon ein Vergleich mit den in den Bescheiden angegebenen voraussichtlichen Kosten zeigt. Nach den Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 31. August 2020 wäre ein Zutritt zum klägerischen Anwesen nur durch Einsatz von unmittelbarer Polizeigewalt unter erheblichen Kosten möglich gewesen.
Gegen die Höhe der mit dem streitgegenständlichen Leistungsbescheid geltend gemachten Kosten bestehen keine Bedenken.
Gemäß Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG erheben die Behörden des Freistaats Bayern für Tätigkeiten, die sie in Ausübung hoheitlicher Gewalt vornehmen (Amtshandlungen), Kosten (Gebühren und Auslagen). Gemäß Art. 10 Abs. 1 KG werden an Auslagen der an der Amtshandlung beteiligten Behörden und Stellen, soweit im Kostenverzeichnis nicht Ausnahmen vorgesehen sind, u.a. die anderen Behörden oder anderen Personen für ihre Tätigkeit zustehenden Beträge erhoben (Nr. 5). Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 KG bemisst sich die Höhe der Gebühren grundsätzlich nach dem Kostenverzeichnis. Nach der Tarif-Nr. 2.IV.8/9 des Kostenverzeichnisses ergibt sich für die Anwendung des Zwangsmittels Ersatzvornahme nach § 26 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG ebenso wie nach der Tarif-Nr. 1.I.8.2 für die Anwendung des Zwangsmittels Ersatzvornahme ein Gebührenrahmen von 50,00 EUR bis 2.500,00 EUR. Die streitgegenständliche Gebühr liegt im unteren Bereich der Rahmengebühr. Die festgesetzte Gebühr ist nicht überhöht, sondern der Sachlage angemessen und ist auch gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 KG im Hinblick auf den mit der Amtshandlung verbundenen Verwaltungsaufwand und die Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass die an dem mit der Durchführung der Ersatzvornahmen beauftragten bevollmächtigten Schornsteinfeger zu zahlenden Kosten in Höhe von insgesamt 130,90 EUR (je 55,00 EUR netto) außer Verhältnis zu den von diesem erbrachten Leistungen bzw. Aufwand stünden, sind vom Kläger weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Die Erhebung von Auslagen für die Postzustellungsurkunde entspricht Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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