Verwaltungsrecht

Kostenbescheid für Stadtbetretungsverbot anlässlich eines Fußballspiels

Aktenzeichen  W 5 K 16.534

Datum:
16.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKG BayKG Art. 1 Abs. 1 S. 1, Art. 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Nr. 10, Art. 10 Abs. 1, Art. 16 Abs. 5, Art. 20 Abs. 1, Abs. 3
BayLStVG BayLStVG Art. 7 Abs. 2, Abs. 4
BayVwVfG BayVwVfG § 28 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Der fehlende Hinweis in einer Anhörung darauf, dass mit einer belastenden Verwaltungsentscheidung in der Sache auch eine Kostenentscheidung verbunden ist, stellt keinen Anhörungsmangel dar. (redaktioneller Leitsatz)
2. Veranlasser einer Amtshandlung – und damit Kostenschuldner – ist neben einem Antragsteller auch, wer durch sein Verhalten, Tun oder Unterlassen oder durch einen von ihm selbst oder seiner Sache zu vertretenden Zustand die Amtshandlung als adäquater Verursacher auslöst. Hierfür genügt es, wenn eine Person für die Amtshandlung der Behörde ursächlich, d.h. verantwortlich zu machen ist und damit rein tatsächlich die Voraussetzungen für das Tätigwerden einer Behörde schafft. (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Fußballanhänger, der in der Vergangenheit mehrfach im Zusammenhang mit Fußballspielen polizeilich in Erscheinung getreten ist und von der Polizei der gewaltbereiten Problemfanszene zugerechnet wird, ist Veranlasser der Amtshandlung auf Erlass eines befristeten Aufenthalts- und Betretungsverbots im Zusammenhang mit einem Fußballspiel. (redaktioneller Leitsatz)
4. Rechtsgrundlage für ein zeitlich beschränkte Aufenthalts- und Betretungsverbot als Maßnahme der Gefahrenabwehr ist mangels einer spezialgesetzlichen Regelung Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 BayLStVG. (redaktioneller Leitsatz)
5. Das Gewährleistungsinhalt des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG umfasst nicht eine Befugnis, sich unbegrenzt überall aufhalten und überallhin bewegen zu dürfen (wie BVerfG BeckRS 9998, 166896). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
* * *

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Bescheid der Stadt Würzburg vom 18. April 2016 ist in Ziffern 4 und 5 (Kostenbescheid) rechtmäßig und verletzt mithin den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der streitgegenständliche Kostenbescheid erweist sich – entgegen der Auffassung der Klägerseite – als formell rechtmäßig. Es ist zwar dem Klägerbevollmächtigten zuzubilligen, dass der Kläger in dem Anhörungsschreiben der Beklagten vom 29. März 2016 nicht darauf hingewiesen wurde, dass mit dem Erlass des beabsichtigten Betretungsverbots Kosten für den Kläger verbunden seien. Hierin liegt jedoch kein Fehler im Sinne des Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG. Denn dem Kläger wurde mit dem Schreiben vom 29. März 2016, mit dem er zu dem Erlass eines Betretungsverbots angehört wurde, Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies genügt dem Anhörungserfordernis gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG. Darauf, dass die Behörde den Anzuhörenden darauf hinweist, dass mit einer belastenden Verwaltungsentscheidung in der Sache auch eine Kostenentscheidung verbunden ist, kann es nicht ankommen. Schließlich kann auch als bekannt vorausgesetzt werden, dass für Amtshandlungen grundsätzlich kraft Gesetzes Gebühren zu erheben sind, sofern nicht einer der Ausnahmetatbestände eingreift. Darüber hinaus wäre ein eventueller Verfahrensfehler hinsichtlich der Anhörung hier unbeachtlich, da er noch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geheilt worden wäre (Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG). Denn die Beklagte ist mit dem im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens eingereichten Schriftsatz vom 2. Juni 2016 auf die von der Klägerseite vorgebrachten Argumente umfassend eingegangen. Sie hat dargelegt, dass das klägerische Vorbringen auf die in Ziffer 4 und 5 des Bescheids vom 18. April 2016 getroffene Entscheidung keine Auswirkung hat und sie keine Veranlassung dazu hat, den angefochtenen Bescheid insoweit zurückzunehmen.
Entgegen der Meinung des Klägerbevollmächtigten leidet die Kostenentscheidung in Ziffer 4 und 5 des streitgegenständlichen Bescheids auch nicht an einem Begründungsmangel. Da hinsichtlich der Kostenentscheidung kein Ermessen im Raum steht, sondern sich die Entscheidung aus einer Rechtsvorschrift ergibt, bedarf sie keiner Begründung (Art. 39 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG). Unabhängig hiervon hat die Beklagte die Begründung – im gerichtlichen Verfahren – zumindest nachgeholt und somit eine Heilung bewirkt (Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG).
2. Die streitgegenständliche Kosten- und Gebührenentscheidung in Ziffern 4 und 5 des Bescheids vom 18. April 2016 erweist sich auch als materiell rechtmäßig.
Rechtsgrundlage hierfür ist Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Kostengesetzes vom 20. Februar 1998 (GVBl. S. 43), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Juli 2014 (GVBl. S. 286) (KG) i. V. m. §§ 1 und 2 der Satzung über die Erhebung von Kosten im eigenen Wirkungskreis der Stadt Würzburg vom 10. Dezember 1991, zuletzt geändert am 7. Juli 2009 (Kostensatzung).
2.1. Nach Art. 20 Abs. 1 Halbs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 KG können u.a. die Gemeinden für ihre Amtshandlungen im eigenen Wirkungskreis Kosten erheben, die in ihre Kassen fließen; die Erhebung der Kosten ist durch Kostensatzungen zu regeln (Art. 20 Abs. 1 Halbs. 1 KG). Letzteres ist bei der Beklagten geschehen durch den Erlass der Kostensatzung der Stadt Würzburg. Bei der Tätigkeit der Beklagten zum Erlass eines Bescheides über ein zeitlich befristetes Aufenthalts- und Betretungsverbot (wie in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids) handelt es sich um eine Amtshandlung, nämlich um eine Tätigkeit in Ausübung hoheitlicher Gewalt (vgl. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 KG). Diese wurde auch im eigenen Wirkungskreis (Art. 7 GO) vorgenommen. Die Beklagte wurde hier als Sicherheitsbehörde (Art. 6 LStVG) tätig. Das Tätigwerden auf dem Gebiet des Sicherheitsrechts erfolgt nach der – etwas undifferenzierten Aussage in der – Ziffer 6.3 der Vollzugsbekanntmachung zum LStVG „in der Regel“ im übertragenen Wirkungskreis. Wesentlich für die Abgrenzung zwischen eigenem und übertragenem Wirkungskreis ist hier, dass zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinden nach Art. 57 GO auch die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gehört und dass nach Art. 83 BV die Angelegenheiten der „örtlichen Polizei“ (im Sinne eines funktionalen Polizeibegriffs) hierunter fallen. Da vorliegend Anlass für den Erlass des Bescheids jedoch ein Ereignis in der Stadt Würzburg ist und sich die Anordnungen im Bescheid räumlich auf das Stadtgebiet Würzburg beschränken, ist hier der eigene Wirkungskreis betroffen (vgl. Bengl/Berner/Emmerig, Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz, Stand 2015, Art. 6 Rn. 36, 42).
2.2. Die Kostensatzung der Stadt Würzburg ist eine taugliche Rechtsgrundlage. Gemäß Art. 20 Abs. 1 Satz 3 KG ist die Erhebung der Kosten durch Kostensatzungen zu regeln. Dieses Erfordernis wurde von der Stadt Würzburg durch ihre Kostensatzung erfüllt. Formelle oder materielle Mängel der Kostensatzung sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar.
2.3. Der Gebührentatbestand ist hinreichend bestimmt.
Nach § 2 Satz 1 der Kostensatzung bemisst sich die Höhe der Gebühr nach dem Kostenverzeichnis (Würzburger Kostenverzeichnis – WKVz). Eine Gebühr für die vorliegende Anordnung (Aufenthalts- und Betretungsverbot) enthält dieses Kostenverzeichnis nicht. Somit gilt § 2 Satz 2 der Kostensatzung, wonach für Amtshandlungen, die nicht im Kostenverzeichnis enthalten sind, eine Gebühr erhoben wird, die nach im Kostenverzeichnis bewerteten vergleichbaren Amtshandlungen zu bemessen ist. Fehlt – wie hier – eine vergleichbare Amtshandlung, so wird gemäß § 2 Satz 3 der Kostensatzung eine Gebühr von 0,50 bis 25.000 EUR erhoben.
2.4. Entgegen der Auffassung der Klägerseite liegt keine sachliche Kostenfreiheit nach Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 1 KG vor. Nach dieser Vorschrift werden Kosten nicht erhoben für Amtshandlungen, die überwiegend im öffentlichen Interesse von Amts wegen vorgenommen werden. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 KG sind aber – in Abweichung von Halbs. 1 – für den Fall, dass die Amtshandlungen von einem Beteiligten veranlasst sind, diesem dafür die Kosten aufzuerlegen, soweit dies der Billigkeit nicht widerspricht.
Nach Auffassung der Kammer kann vorliegend davon ausgegangen werden, dass der Erlass des Aufenthalts- und Betretungsverbots und damit die Amtshandlung überwiegend im öffentlichen Interesse von Amts wegen vorgenommen wurde. Öffentliches Interesse ist insoweit gegeben, wenn das öffentliche Wohl gegenüber privaten Interessen weitgehend überwiegt. Öffentliches Interesse ist dabei das öffentliche Wohl, womit die Belange der Rechtsordnung gemeint sind (vgl. Rott/Stengel, Verwaltungskostenrecht in Bayern, Stand 2016, Art. 3 KG Erl. 5b.aa unter Verweis auf VGH Kassel, U.v. 18.11.1960 – OS IV 4/58 – DÖV 1961, 345). Die Beklagte ist hier im Rahmen der Gefahrenabwehr tätig geworden, sodass hier von einer Amtshandlung im überwiegenden öffentlichen Interesse gesprochen werden kann.
Entgegen der Auffassung der Klägerseite wurde die fragliche Amtshandlung jedoch vom Kläger veranlasst im Sinn des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 KG. Der Veranlasser im Sinne der Kostentragungspflicht (auf der Sekundärebene) ist zu unterscheiden vom Störer im Sinne des Art. 9 LStVG als Veranlasser des sicherheitsrechtlichen Handelns (auf der Primärebene). Veranlasser einer Amtshandlung – und damit Kostenschuldner – ist neben dem Antragsteller auch, wer durch sein Verhalten, Tun oder Unterlassen oder durch einen von ihm selbst oder seiner Sache zu vertretenden Zustand die Amtshandlung als adäquater Verursacher auslöst. Hierfür genügt es, wenn eine Person für die Amtshandlung der Behörde ursächlich, d.h. verantwortlich zu machen ist und damit rein tatsächlich die Voraussetzungen für das Tätigwerden einer Behörde schafft. Ursächlich ist ein Verhalten, aus welchem die behördliche Reaktion mit Notwendigkeit folgt oder welches nicht weggedacht werden kann, ohne dass sein Erfolg entfiele. Dabei muss der Schuldner die Ursächlichkeit zu vertreten haben (vgl. Rott/Stengel, Verwaltungskostenrecht in Bayern, Art. 2 KG Erl. 3.c). Erforderlich ist eine zurechenbare Veranlassung im Sinne eines Verursachungs- und Verantwortungsbeitrags (BayVGH, U.v. 8.7.2016 – 4 B 15.1285 – juris).
Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Maßstäbe ist der Kläger hier als Veranlasser der Amtshandlung auf Erlass eines befristeten Aufenthalts- und Betretungsverbots anzusehen. Denn er hat hier einen – maßgeblichen – Verursachungs- und Verantwortungsbeitrag in Bezug auf die Amtshandlung der Beklagten geleistet, da er durch sein (langjähriges) Verhalten in der Vergangenheit hierzu Anlass gegeben hat und keine Anhaltspunkte für eine Änderung in der (näheren) Zukunft bestehen. So ist der Kläger in der Vergangenheit mehrfach im Zusammenhang mit Fußballspielen polizeilich in Erscheinung getreten. Er wird von der Polizei der gewaltbereiten Problemfanszene von Hansa Rostock zugerechnet und wird auch als „Gewalttäter Sport“ geführt. Er ist in regelmäßig wiederkehrenden Abständen, zuletzt am 23. September 2015, strafrechtlich in Erscheinung getreten. Er reiste regelmäßig zu Heim- und Auswärtsspielen an und trat bei gewalttätigen Aktionen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Stadions in Erscheinung. Dass das Verhalten des Klägers nicht auf den Erlass des Aufenthalts- und Betretungsverbots gerichtet, dieses von ihm nicht beabsichtigt war, ist unerheblich, da er durch sein Verhalten und sein gewaltbereites Auftreten die tatsächlichen Voraussetzungen für das Tätigwerden der Beklagten geschaffen hat; einer auf die Amtshandlung gerichteten Absicht bedarf es nicht (vgl. Rott/Stengel, Verwaltungskostenrecht in Bayern, Art. 2 KG Erl. 3.c). Der Erlass des Bescheids war die notwendige Reaktion der Beklagten, um ihrer Aufgabe, der Gefahrenabwehr, gerecht zu werden.
Die Auferlegung der Kostenpflicht auf den Kläger widerspricht auch nicht der Billigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a.E. KG. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Grad der Veranlassung gegenüber dem öffentlichen Interesse zurücktritt (vgl. Rott/Stengel, Verwaltungskostenrecht in Bayern, Art. 3 KG Erl. 5.c). Hiervon kann aber angesichts der massiven polizeilichen Auffälligkeiten des Klägers in Bezug auf Gewalttätigkeiten im Zusammenhang mit dem Besuch von Fußballspielen nicht gesprochen werden. Anders als der Klägerbevollmächtigte meint, kann hier auch nicht von einem Strafcharakter gesprochen werden. Dem Kläger ist zwar beizupflichten, dass ihm für den Fall weiterer Aufenthalts- und Betretungsverbote immer wieder Gebühren für die Erstellung derartiger Bescheide wie auch für weitere Bescheide, so für den Ausspruch von Meldeauflagen, auferlegt werden können. Jedoch obliegt es dem Kläger selbst, hierauf Einfluss zu nehmen. Der Kläger hätte sich zu den detailliert aufgelisteten Vorwürfen und zu seinem beabsichtigten Verhalten am Spieltag äußern können. Dabei hätte er von sich aus einen Verzicht auf die Teilnahme erklären oder sich anderweitig in Bezug auf ein künftiges „friedliches“ Verhalten äußern können. Der Vertreter der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung insoweit für die Kammer nachvollziehbar vorgetragen, dass für den Fall, dass im Rahmen der Anhörung der Betroffene glaubhaft versichere, dass er nicht zum Spiel anreise bzw. er sich von der Gewaltszene abgewandt habe, ein Betretungsverbot mangels Erforderlichkeit nicht ausgesprochen werde. Die Stadt Würzburg habe in der Vergangenheit neben den derzeit gerichtshängigen fünf Betretungsverboten lediglich zum Erlass von drei weiteren derartigen Entscheidungen angehört. Nachdem ein Betroffener sich glaubhaft dahingehend geäußert habe, dass er am fraglichen Spieltag die Stadt Würzburg nicht aufsuchen werde, sei ihm gegenüber vom Erlass eines Betretungsverbots abgesehen worden. Dies macht deutlich, dass von einem Strafcharakter genauso wenig gesprochen werden kann, wie davon, dass der Kläger auf die streitgegenständliche Entscheidung keinen Einfluss habe nehmen können bzw. in Zukunft wird nehmen können.
In diesem Zusammenhang kann der Klägerbevollmächtigte mit dem Einwand, der Kläger habe unzulässiger Weise die Nichtreaktion des Klägers auf das Anhörungsschreiben als Beleg für die fehlende Verhaltensänderung gewertet, nicht durchdringen. Dies schon deshalb, weil dieser Umstand für die Entscheidung der Behörde nicht allein ausschlaggebend war, die Beklagte insbesondere das Verhalten des Klägers in der Vergangenheit herangezogen hat und weil es deswegen und mangels sonstiger Erkenntnisse dem Kläger obliegen hätte, sich diesbezüglich zu äußern. Insbesondere besteht nämlich eine „Mitwirkungslast“ des Klägers bezüglich für ihn günstiger Umstände im Rahmen der Amtsermittlung (Art. 24, 26 Abs. 2 BayVwVfG, § 86 VwGO). Es besteht zwar keine erzwingbare Mitwirkungspflicht des Klägers im Verfahren und eine fehlende Äußerung im Rahmen der Anhörung hat auch keine unmittelbaren verfahrensrechtlichen Folgen. Dem steht jedoch nicht entgegen, dass die Behörde – und auch das Verwaltungsgericht (vgl. § 86 VwGO) – aus dem Verhalten des Klägers für ihn nachteilige Schlussfolgerungen im Rahmen der Amtsermittlung zieht. Weder im Verwaltungsverfahren noch im jetzigen gerichtlichen Verfahren ergeben sich aber Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mittlerweile sein Verhalten geändert hat (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 2016, § 24 Rn. 1, 12a ff., 40, 43, § 26 Rn. 40 ff; Kopp/Schenke, VwGO, 2016, § 86 Rn. 11 ff.).
2.5. Es liegt auch keine sachliche Kostenfreiheit nach Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Satz 1 KG vor. Die Vorschrift, wonach Amtshandlungen, die von der Polizei zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Art. 2 des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) vorgenommen werden, soweit nichts anderes bestimmt ist – und damit im Grundsatz -, kostenfrei sind, kann hier schon deshalb nicht in Ansatz gebracht werden, weil vorliegend gerade nicht die Aufgabeneröffnung der Polizei i.S.d. Art. 2 PAG, sondern die der Sicherheitsbehörde i.S.d. Art. 6 LStVG einschlägig ist (vgl. auch Art. 3 PAG). Soweit der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Vorhandlung vorgebracht hat, dass der Grundgedanke der Regelung in Nr. 10 des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 KG, nämlich der der Kostenfreiheit auch bei der Kostenentscheidung der Sicherheitsbehörde durchschlagen müsse, verkennt er, dass damit die gesetzgeberische Grundentscheidung des Regel-Ausnahmeverhältnisse missachtet würde. Dies ist bei Nr. 10 der Grundsatz der Kostenfreiheit und der Ausnahme der Kostenpflicht und bei Nr. 2 der Grundsatz der Kostenpflicht und der Ausnahme der Kostenfreiheit (vgl. Rott/Stengel, Verwaltungskostenrecht in Bayern, Art. 2 KG Erl. 3.c)
2.6. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger aufgrund des Veranlassungsprinzips auch richtiger Kostenschuldner gemäß Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG ist.
2.7. Die Kostenpflicht entfällt auch nicht nach Art. 20 Abs. 3 i.Vm. Art. 16 Abs. 5 KG, wonach Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung durch die Behörde nicht entstanden wären, nicht erhoben werden.
Bei lediglich summarischer Prüfung (Ziffer 1 des Bescheids wurde nicht angefochten und hat sich darüber hinaus erledigt) ist der Bescheid in der Sache nicht zu beanstanden. Im Einzelnen:
Rechtsgrundlage für das in Ziffer 1 des Bescheids vom 18. April 2016 angeordnete, zeitlich beschränkte Aufenthalts- und Betretungsverbot als Maßnahme der Gefahrenabwehr ist mangels einer spezialgesetzlichen Regelung im Landesstraf- und Verordnungsgesetz oder in anderen Rechtsvorschriften – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie der bayerischen Verwaltungsgerichte und der Literatur (vgl. statt vieler BayVGH, B.v. 9.6.2006 – 24 CS 06.1521 – juris und Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 7 Rn. 151 ff., 71) – Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG. Entgegen der vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Rechtsansicht handelt es bei Art. 16 PAG, der der Polizei die Befugnis einräumt, eine Person vorübergehend von einem Ort zu verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Orts zu verbieten, nicht um eine der beschränkten Generalklausel vorgehende spezialgesetzliche Ermächtigung, da diese Befugnis nicht den Sicherheitsbehörden i.S.v. Art. 6 LStVG, sondern der Polizei i.S.d. Art. 1 PAG (eingeschränkter institutioneller Polizeibegriff) zusteht. Wenn der Klägerbevollmächtigte weiterhin der Auffassung ist, dass hier vorrangig die Polizei als „sachnähere“ Behörde und nicht die Sicherheitsbehörde hätte tätig werden müssen, übersieht er die Vorschrift des Art. 3 PAG, nach der die Polizei – im Sinne der Subsidiarität – (nur) tätig wird, soweit ihr die Abwehr der Gefahr durch eine andere Behörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint.
Die Kammer hat nach Aktenlage keinerlei Zweifel am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen, zumal von Klägerseite hierzu auch nichts Wesentliches vorgebracht wurde.
Nach Art. 7 Abs. 2 LStVG können die Sicherheitsbehörden bei fehlender gesetzlicher Ermächtigung im Einzelfall Anordnungen, die in die Rechte anderer eingreifen, zur Erfüllung ihrer Aufgaben nur treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu verhüten oder zu unterbinden (Nr. 1) und/oder um Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder Sachwerte, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, bedrohen oder verletzen, zu unterbinden (Nr. 3).
Erforderlich ist das Vorliegen konkreter nachprüfbarer Tatsachen, aufgrund derer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Prognose getroffen werden kann, dass der Adressat der Verfügung eine Straftat begehen wird. Solche Tatsachen sind vorliegend ersichtlich. Es liegen konkrete Verdachtsmomente gegen den Kläger vor. Dieser gehört nicht nur einer gewaltbereiten Fanszene an, sondern ist in der Vergangenheit mehrfach einschlägig in Erscheinung getreten. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird insoweit auf die umfangreiche Begründung des Bescheids vom 18. April 2016 Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Sofern der Klägerbevollmächtigte einwendet, dass von Seiten der Beklagten keine Überprüfung der Erkenntnisse zur Person des Klägers erfolgt sei, ist dem schon entgegenzuhalten, dass für die Beklagte nicht der geringste Anhaltspunkt dafür ersichtlich war und ist, dass die von den Polizeibehörden übermittelten Erkenntnisse nicht zutreffend (gewesen) wären. Auch der Kläger selbst hat die Erkenntnisse der Polizei und die darauf beruhende Gefahrenprognose weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren infrage gestellt. Für ihn günstige Umstände wurden von ihm bzw. von seinem Bevollmächtigten nicht dargelegt. Insoweit trifft ihn eine „Mitwirkungslast“. Die Behörde ist ihrer Sachaufklärungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen.
Art. 7 Abs. 4 LStVG steht entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten der behördlichen Anordnung nicht entgegen (vgl. BayVGH, B.v. 9.6.2006 – 24 CS 06.1251 – juris). Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166) schützt das Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG im Rahmen der allgemeinen Rechtsordnung die gegebene tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit vor staatlichen Eingriffen. Sein Gewährleistungsinhalt umfasst von vornherein aber nicht eine Befugnis, sich unbegrenzt überall aufhalten und überallhin bewegen zu dürfen. Demgemäß liegt eine Freiheitsbeschränkung nur vor, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen gehindert wird, einen Ort oder Raum aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der für ihn an sich (tatsächlich oder rechtlich) zugänglich ist. Die allgemeine Handlungsfreiheit, die nach Art. 2 Abs. 1 GG unter dem Vorbehalt steht, dass nicht Rechte anderer verletzt werden und dass nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstoßen werden darf, ist auf dem Umweg über Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG einem generellen Gesetzesvorbehalt unterworfen. Dies folge aus der Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG als Eingriffsfreiheit, aus dem Zusammenhang mit Art. 104 GG, der die formellen Voraussetzungen der Entziehung der Freiheit der Person regele, sowie aus der Entstehungsgeschichte, aus der sich ergebe, dass „die persönliche Bewegungsfreiheit im engeren Sinne“ gemeint gewesen sei . Nach der Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 23.4.1999 – 24 CS 98.3551 und B.v. 9.6.2006 – 24 CS 06.1521 – beide juris), ist im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, der systematischen Stellung zwischen Art. 2 Abs. 1 und Art. 11 GG und der formellen Gewährleistung des Grundrechts in Art. 104 GG der Begriff der Freiheit der Person i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG eng auszulegen und nicht als Unterfall der Freizügigkeit, sondern als Unterfall der Freiheitsentziehung zu verstehen. Hieraus folgt, dass Art. 7 Abs. 4 LStVG der angefochtenen Anordnung nicht entgegensteht, weil hierdurch die Freiheit der Person im engeren Sinn nicht tangiert wird, denn der Kläger wird nicht generell in seiner körperlichen Bewegungsfreiheit gehindert, sondern nur verpflichtet, zu einer bestimmten Zeit bestimmte Orte nicht aufzusuchen.
Darüber hinaus entspricht das von der Beklagten verfügte zeitlich befristete Betretungs- und Aufenthaltsverbot auch dem im Einzelfall zu berücksichtigenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wonach unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenige zu treffen ist, die den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigen (Art. 8 LStVG).
2.8. Die Kammer hat auch keinen durchgreifenden Zweifel daran, dass die festgesetzte Gebühr von 150,00 EUR auch in der Höhe angemessen ist.
Gemäß § 2 Satz 3 der Kostensatzung der Beklagten ist hier ein Gebührenrahmen von 0,50 EUR bis 25.000 EUR vorgegeben. Nach der ergänzenden Regelung des Art. 20 Abs. 3 KG i. V. m. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 KG sind bei der Ermittlung der Gebühr innerhalb eines Rahmens der mit der Amtshandlung verbundene Verwaltungsaufwand aller beteiligten Behörden und Stellen und die Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten zu berücksichtigen.
Zu Grunde gelegt wurde hier von der Beklagten ein Verwaltungs- bzw. Arbeitsaufwand von vier Stunden durch einen Beamten der 3. Qualifikationsebene. Dieser Arbeitsaufwand ist im Hinblick auf den Umfang des Bescheids nachvollziehbar, zumal er von Klägerseite auch nicht bestritten wurde. Dementsprechend ist auch ein „Stundensatz“ von hier unter 40,00 EUR definitiv nicht zu hoch bemessen (vgl. die allgemeine Gebührenordnung im Bereich der Bundesverwaltung in der Fassung der Änderungsverordnung vom 22.9.2016 – BGBl I 2016, 2162: Stundensatz für Personal im gehobenen Dienst zwischen 42,75 EUR und 67,30 EUR).
3. Der streitgegenständliche Bescheid erweist sich auch hinsichtlich der Erhebung von Auslagen in Höhe von 2,63 EUR als materiell rechtmäßig.
Rechtsgrundlage hierfür ist Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG, wonach Entgelte für Postzustellungsaufträge als Auslagen der an der Amtshandlung beteiligten Behörden und Stellen erhoben werden können, soweit im Kostenverzeichnis nicht Ausnahmen vorgesehen sind.
4. Nach allem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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