Verwaltungsrecht

Kostenentscheidung einer Untätigkeitsklage

Aktenzeichen  M 4 K 15.31295

Datum:
12.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 75 S. 2, § 161 Abs. 2, Abs. 3

 

Leitsatz

Die Kostenregelung des § 161 Abs. 3 VwGO kommt nicht zur Anwendung, wenn der Asylsuchende wegen der bekannten Überlastung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge nicht mit Entscheidung über den Asylantrag vor Klageerhebung rechnen durfte. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Das Verfahren wird eingestellt.
II.
Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

Die Klagepartei hat mit Schreiben vom 20. Juni 2016 die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat mit allgemeiner Prozesserklärung vom 25. Februar 2016 und der Ergänzung vom 24. März 2016 einer Erledigungserklärung generell vorab zugestimmt. Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- einzustellen.
Die Kostenentscheidung ist nicht nach der der allgemeinen Regelung des § 161 Abs. 2 VwGO vorgehenden speziellen Regelung des § 161 Abs. 3 VwGO zu treffen, sondern nach § 161 Abs. 2 VwGO.
Nach § 161 Abs. 3 VwGO fallen in den Fällen des § 75 VwGO die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Zwar liegt ein Fall des § 75 VwGO vor, da die Klägerin im Januar 2015, möglicherweise bereits im November 2014 (aber jedenfalls nicht, wie ihr Bevollmächtigter in der Klageschrift ausführt, am 1. Juli 2014) einen Asylfolgeantrag gestellt hat und der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 6. Juni 2016 (Klageerhebung 9. Oktober 2015) datiert. Damit war die (Drei-Monats-)Frist des § 75 Satz 2 VwGO eingehalten und die Klage unabhängig davon zulässig, ob ein zureichender Grund dafür vorlag, dass die Behörde noch nicht entschieden hat (vgl. Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 27. Lfg. Oktober 2014, § 75 Rn. 7).
Denn die weitere Voraussetzung, dass die Klägerin mit der Bescheidung ihres Antrags vor Klageerhebung rechnen durfte, ist nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist diese Voraussetzung nämlich dann nicht zu bejahen, wenn die Beklagte einen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung hatte und der Klägerseite dieser Grund bekannt war oder bekannt sein musste (BVerwG, U.v. 23.7.1991 – 3 C 56.90 – NVwZ 1991, 1180, 1181 – juris Rn. 9). So verhält es sich hier.
Das Gericht geht davon aus, dass die Belastung oder richtigerweise Überlastung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge seit Sommer 2014 allgemein und auch der Klägerseite bekannt ist. Folge ist, dass die Behandlung der Anträge nur schleppend vorangeht. Im vorliegenden Fall trifft es auch nicht zu, dass das Bundesamt den Antrag der Klägerin „liegengelassen“ hätte. Vielmehr war ihr bekannt, dass das Verfahren, wenn auch sehr langsam, weiter betrieben wurde. So wurde der Klägerin am 13. Juli 2015 mitgeteilt, dass aufgrund der gestiegenen Asylbewerberzugänge und dem damit verbundenen erhöhten Verwaltungsaufwand derzeit keine verbindliche Zusage hinsichtlich einer Entscheidung getroffen werden könne.
Durfte die Klägerin sonach mit einer Entscheidung über den Asylantrag vor Klageerhebung nicht rechnen, verbleibt es bei der Anwendung des § 161 Abs. 2 VwGO (vgl. VG Stuttgart, B.v. 22.5.2003 – 2 K 412/03 – juris Rn. 7 f.). Danach ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben. Der Umstand allein, dass die Beklagte dem Antrag stattgegeben und sich insoweit in die Rolle des Unterlegenen begeben hat, rechtfertigt hier nicht, ihr die Kosten des Verfahrens vollständig aufzuerlegen. Da – wie dargestellt – das Bundesamt das Verfahren der Klägerin nicht liegengelassen, sondern mangels ausreichender Kapazitäten „nur“ nicht mit der wünschenswerten Beschleunigung betrieben hat, war es letztlich nur eine Frage der Zeit, bis der (Anerkennungs-) Bescheid ergehen würde.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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