Verwaltungsrecht

Kostenentscheidung nach Erledigterklärung bei Untätigkeitsklage gegenüber dem Bundesamt

Aktenzeichen  M 4 K 15.30883

Datum:
12.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 75, § 161 Abs. 2, Abs. 3

 

Leitsatz

Die spezielle Kostenregelung des § 161 Abs. 3 VwGO greift nach der Erledigterklärung einer gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gerichteten Untätigkeitsklage nicht ein, wenn dem Kläger die aktuelle Belastungssituation des Bundesamts und der Umstand, dass sein Asylantrag nur sehr langsam bearbeitet wurde, bekannt waren. In diesem Fall richtet sich die Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO. (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I.
Das Verfahren wird eingestellt.
II.
Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
III.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

Der Bevollmächtigte der Klageparteien hat die Hauptsache mit Schreiben vom 27. April 2016 für erledigt erklärt. Die Gegenpartei hat mit Schreiben vom 25. Februar 2016 und der Ergänzung vom 24. März 2016 (vorab) einer etwaigen Erledigungserklärung generell zugestimmt. Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- einzustellen.
Die Kostenentscheidung ist nicht nach der der allgemeinen Regelung des § 161 Abs. 2 VwGO vorgehenden speziellen Regelung des § 161 Abs. 3 VwGO zu treffen, sondern nach § 161 Abs. 2 VwGO.
Nach § 161 Abs. 3 VwGO fallen in den Fällen des § 75 VwGO die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
Zwar liegt ein Fall des § 75 VwGO vor, da die Klägerinnen (vertreten durch ihre Eltern) im August 2014 einen Asylantrag gestellt hatten und der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 19. April 2016 (Klageerhebung … 2015) ist. Damit war die (Drei-Monats-)Frist des § 75 Satz 2 VwGO eingehalten und die Klage unabhängig davon zulässig, ob ein zureichender Grund dafür vorlag, dass die Behörde noch nicht entschieden hat (vgl. Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 27. Lfg. Oktober 2014, § 75 Rn. 7).
Doch die weitere Voraussetzung, dass die Klägerinnen bzw. deren gesetzliche Vertreter mit der Bescheidung der Anträge vor Klageerhebung rechnen durften, ist nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist diese Voraussetzung nämlich dann nicht zu bejahen, wenn die Beklagte einen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung hatte und der Klägerseite dieser Grund bekannt war oder bekannt sein musste (BVerwG, U.v. 23.7.1991 – 3 C 56.90 – NVwZ 1991, 1180, 1181 – juris Rn. 9). So verhält es sich hier.
Das Gericht geht davon aus, dass die Belastung oder richtigerweise Überlastung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge seit Sommer 2014 auch der Klägerseite bekannt ist. Folge ist, dass die Behandlung der vorliegenden Anträge nur schleppend vorangeht. Im vorliegenden Fall trifft es auch nicht zu, dass das Bundesamt den Antrag des Klägers „liegengelassen“ hätte. Vielmehr war ihm bekannt, dass das Verfahren, wenn auch sehr langsam, weiter betrieben wurde.
Durften die Klägerinnen bzw. deren Eltern sonach mit einer Entscheidung über den Asylantrag vor Klageerhebung nicht rechnen, verbleibt es bei der Anwendung des § 161 Abs. 2 VwGO (vgl. VG Stuttgart, B.v. 22.5.2003 – 2 K 412/03 – juris Rn. 7 f.). Danach ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.
Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben. Der Umstand allein, dass die Beklagte dem Antrag stattgegeben und sich insoweit in die Rolle des Unterlegenen begeben hat, rechtfertigt hier nicht, ihr die Kosten des Verfahrens vollständig aufzuerlegen. Da – wie dargestellt – das Bundesamt das Verfahren nicht liegengelassen, sondern mangels ausreichender Kapazitäten „nur“ nicht mit der wünschenswerten Beschleunigung betrieben hat, war es letztlich nur eine Frage der Zeit, bis der (Anerkennungs)-Bescheid ergehen würde.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da die Voraussetzungen des § 114 ZPO nicht vorliegen. Eine vollständige und ordnungsgemäße Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wurde bis heute nicht vorgelegt (vgl. z. B. BayVGH, B.v. 10.2.2014 – 10 C 11.1680 -).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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