Verwaltungsrecht

Kostenforderung für eine Ersatzvornahme

Aktenzeichen  9 ZB 16.2536

Datum:
10.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2020, 52
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 14 Abs. 1
VwZVG Art. 32, Art. 40

 

Leitsatz

1. Verwertbare Gegenstände, die bei einer Räumung im Wege der Ersatzvornahme anfallen, müssen dem Eigentümer zur Verfügung gestellt werden, wenn überhaupt werthaltige Gegenstände vorhanden sind und sie mit vertretbarem Aufwand ausgesondert werden können (BayVGH BeckRS 1996, 17593). Der Umfang der Räumungsverpflichtung kann daher im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit auch die Entsorgung der Gegenstände umfassen (vgl. OLG München BeckRS 1996, 12745) und stellt gemäß Art. 40 VwZVG insoweit eine zulässige Einschränkung des Art. 14 Abs. 1 GG dar. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Notwendigkeit der Ankündigung des Durchführungstermins einer Ersatzvornahme ist gesetzlich nicht vorgesehen und lässt sich Art. 32 VwZVG nicht entnehmen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 15.620 2016-10-18 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten wird abgelehnt.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
IV. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 4.165,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Kostenbescheid des Landratsamts A. vom 9. Juni 2015. Mit diesem wurde der Kläger zur Zahlung der Kosten der vom 22. bis 29. Mai 2015 durchgeführten Ersatzvornahme betreffend die Räumung des Grundstücks FlNr. … Gemarkung L. von allen gelagerten Materialien und Maschinen beziehungsweise abgestellten Fahrzeugen und Anhängern in Höhe von 4.165,- Euro herangezogen. Seine Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 18. Oktober 2016 abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung unter Beantragung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Bevollmächtigten.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen der vom Kläger angeführten grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 9 ZB 16.2323 – juris Rn. 24). Eine solche grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich aus den im Zulassungsvorbringen formulierten Fragen nicht.
aa) Die Frage, ob der beklagte Freistaat Bayern Kosten für eine Verwaltungstätigkeit, die offenkundig rechtswidrig ist, fordern kann, war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich, weil es in dem angefochtenen Urteil von der Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheides ausgegangen ist.
bb) Die Frage, ob ein vollstreckbarer Bescheid, mit dem eine Räumung angeordnet und eine Ersatzvornahme angedroht worden ist, eine ausreichende Rechtsgrundlage für die endgültige Entziehung von Eigentum durch dessen Vernichtung beziehungsweise durch dessen Weiterverkauf sein kann, ist nicht klärungsbedürftig.
Es ist geklärt, dass die Ersatzvornahme dem Landratsamt bzw. der beauftragten Firma nicht das Recht gibt, sich verwertbare Gegenstände, die bei der Räumung anfallen, anzueignen, sondern dass diese dem Eigentümer zur Verfügung gestellt werden müssen. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass solche verwertbaren Gegenstände mit vertretbarem Aufwand ausgesondert werden können (BayVGH, B.v. 31.10.1996 – 20 CS 96.3518 – BeckRS 1996, 17593) und überhaupt werthaltige Gegenstände vorhanden sind. Der Umfang der Räumungsverpflichtung kann daher im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit auch die Entsorgung der Gegenstände umfassen (vgl. OLG München, B.v. 26.10.2006 – 1 U 3778/06 – juris Rn. 4) und stellt gemäß Art. 40 VwZVG insoweit eine zulässige Einschränkung des Art. 14 Abs. 1 GG dar.
Abgesehen davon, dass das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung von diesen Grundsätzen zutreffend ausgegangen ist, hat es eine Verpflichtung des Landratsamts, die Gegenstände dem Eigentümer zur Verfügung stellen zu müssen, anhand der zeitlichen und tatsächlichen Gegebenheiten des hier vorliegenden Einzelfalls verneint (UA S. 12, 16). Einen über diesen Einzelfall hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf.
cc) Die Frage, ob eine Ersatzvornahme noch verhältnismäßig sein kann, wenn die Ersatzvornahme dem Pflichtigen mit einem Beginn vom 22. August 2015 mitgeteilt wird, diese aber ohne weitere Ankündigung gegenüber dem Pflichtigen bereits am 22. Mai 2015, d.h. drei Monate vorher stattfindet, zeigt ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auf. Die Frage ist weder klärungsbedürftig noch zeigt sie eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung auf.
Die Notwendigkeit der Ankündigung des Durchführungstermins einer Ersatzvornahme lässt sich Art. 32 VwZVG nicht entnehmen. Sie ist gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 3.12.1968 – II B 55.67 – JR 1969, 376/178). Mögliche Auswirkungen der fehlerhaften Terminsmitteilung auf den Vollzug hat das Verwaltungsgericht hier im vorliegenden Einzelfall nach Einvernahme einer Zeugin der beauftragten Entsorgungsfirma und unter Würdigung der in den Akten dokumentierten zeitlichen Abläufe, Lichtbilder und Auflistungen verneint (UA S. 17). Eine über die Verwertungskosten hinausgehende Werthaltigkeit der Gegenstände zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf; die bloße Behauptung von Verkaufsbemühungen genügt bei einer mehrjährigen Dauer der Bemühungen des Landratsamts um die Räumung des Grundstücks, wie sie das Verwaltungsgericht seiner Begründung zugrunde gelegt hat und wie sie sich aus den Akten entnehmen lässt sowie ohne weitere Nachweise im Zulassungsvorbringen den Darlegungsanforderungen nicht.
Abgesehen davon, zielt die Frage unmittelbar auf den entschiedenen Einzelfall ab. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass das Landratsamt hier aufgrund der zeitlichen und tatsächlichen Umstände keine Veranlassung hatte, dem Kläger einen weiteren Zeitraum für die Räumung und den Verkauf zu belassen (UA S. 17). Ein darüber hinausgehender Klärungsbedarf wird im Zulassungsvorbringen ebenfalls nicht aufgezeigt.
b) Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Der Kläger beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel hier nicht.
Es spricht vieles dafür, dass das Zulassungsvorbringen hinsichtlich der Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bereits nicht dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO genügt. „Darlegen“ bedeutet schon nach allgemeinem Sprachgebrauch mehr als lediglich ein allgemeiner Hinweis; „etwas darlegen“ bedeutet vielmehr so viel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.2017 – 4 B 62.17 – juris Rn. 9 m.w.N.). Hierzu ist erforderlich, dass eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes sowie eine erkennbare Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs durch den Rechtsanwalt, insbesondere eine substanzielle Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil, erfolgt (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2018 – 9 ZB 18.904 – juris Rn. 3). Das Zulassungsvorbringen hält die Entscheidung für fehlerhaft, führt aber nur mehrere Fragen als Zulassungsgrund an, die der Kläger für grundsätzlich bedeutsam hält.
Soweit sich dem Zulassungsvorbringen im Rahmen der Fragestellungen die Rüge ernstlicher Zweifel entnehmen lassen sollte, bleibt der Antrag ebenfalls erfolglos. Anders als der Kläger ist das Verwaltungsgericht von der Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheides ausgegangen. Es hat ausgeführt, dass der Pflichtige bei Anwendung des Zwangsmittels Ersatzvornahme auch Eingriffe in das Eigentum zu dulden habe, worunter auch die Beseitigung nicht verwertbarer Gegenstände zähle. Das Verwaltungsgericht hat ferner darauf abgestellt und näher ausgeführt, dass die sofortige Verwertung der geräumten Gegenstände hier aufgrund der Gegebenheiten in diesem Einzelfall zulässig gewesen sei. Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht substantiiert auseinander.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dementsprechend war auch der Antrag auf Beiordnung des Bevollmächtigten als Rechtsanwalt (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 1 ZPO) abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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