Verwaltungsrecht

Kurbeitrag und Zweitwohnungsteuer

Aktenzeichen  M 10 K 18.3744

Datum:
11.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21917
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 3 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1
VwGO § 52, § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1
ZwStS 2018 § 5 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Satzungen dürfen neu und rückwirkend in Kraft gesetzt werden, wenn eine bestehende Zweitwohnungsteuersatzung vom Gericht als nichtig angesehen wird. Auch eine rückwirkende Erhöhung der Beitragspflicht ist zulässig, wenn dadurch gerade ein Fehler im bisher geregelten Steuermaßstab repariert wird (BayVGH BeckRS 2010, 22604).  (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zweitwohnungsteuerbescheide bleiben wirksam, auch wenn die zugrunde liegende Satzung mittlerweile aufgehoben wurde. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3 Soweit der Kläger keine substantiierte Kalkulationsrüge erhebt, braucht das Gericht der bloßen Möglichkeit fehlerhaft bestimmter Beitragssätze nicht nachzugehen (stRspr BayVGH BeckRS 2018, 7828). (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.    Die Klagen werden abgewiesen.  
II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.      
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Gründe

Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies gilt sowohl für den Zweitwohnungsteuerbescheid vom 9. August 2016 in der Fassung des Bescheids vom 22. Juni 2018 (dazu unter 1.) als auch für den Kurbeitragsbescheid vom 9. August 2016 (dazu unter 2.). Der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2016 ist daher ebenfalls rechtmäßig.
1. Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Bescheide ist die Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten vom 16. März 2018, rückwirkend in Kraft seit 1. Januar 2015 (ZwStS 2018). Sie löste die vorige Satzung ab, welche von der Rechtsprechung für unwirksam befunden wurde. Diese Rechtsgrundlage ist rechtmäßig und wirksam (dazu unter a.). Sie wurde auch rechtmäßig angewendet (dazu unter b.).
a. Nach Art. 3 Abs. 1 KAG können Gemeinden örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern erheben, solange und soweit diese nicht bundesrechtlich geregelten Steuern gleichartig sind. Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte mit der Zweitwohnungsteuersatzung vom 16. März 2018 wirksam Gebrauch gemacht. Die inhaltlichen Regelungen verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere ist der Steuermaßstab (weiterhin) zulässigerweise die Jahresnettokaltmiete. Der Steuersatz in § 5 Abs. 1 ZwStS 2018 wurde von dem durch die Rechtsprechung als rechtswidrig kritisierten Stufenmodell (vgl. dazu etwa VG München, U.v. 29.10.2015 – M 10 K 14.5589 – juris) der vorigen Zweitwohnungsteuersatzung auf einen rein linearen Steuersatz umgestellt. Dieser entspricht den Anforderungen des Gleichheitssatzes (vgl. BVerfG, B.v. 15.1. 2014 – 1 BvR 1656/09 – juris Rn. 89). Andere Fehler sind in der Satzung nicht ersichtlich und wurden von der Klägerseite auch nicht gerügt.
Die von der Klägerseite vorgetragenen Bedenken hinsichtlich der Rückwirkung der Satzung zum 1. Januar 2015 greifen nicht durch.
Der Vertrauensschutz der Steuerpflichtigen steht der Rückwirkung nicht entgegen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Satzungen neu und rückwirkend in Kraft gesetzt werden dürfen, wenn eine bereits bestehende Zweitwohnungsteuersatzung vom Verwaltungsgericht als nichtig angesehen wird, ohne dass ein Verstoß gegen das rechtstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes vorliegt. In diesen Fällen müssen die Inhaber von Zweitwohnungen im betreffenden Gemeindegebiet nämlich von Anfang an damit rechnen, zur Zweitwohnungsteuer herangezogen zu werden. Sie dürfen nicht berechtigt darauf vertrauen, wegen der vom Verwaltungsgericht festgestellten Nichtigkeit dieser Satzungen künftig von der Zweitwohnungsteuer verschont zu werden (vgl. BayVGH, U.v. 23.2.2010 – 4 N 09.1960 – juris, BayVGH, U.v. 30.4.2009 – 4 ZB 08.2317 – juris m.w.N.). Ferner ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch eine rückwirkende Erhöhung der Beitragspflicht zulässig sein kann. Voraussetzung hierfür ist, dass die Satzungsänderung gerade einen Fehler im bisher geregelten Steuermaßstab repariert (BayVGH, U.v. 23.2.2010 – 4 N 09.1960 – juris Rn. 21). Ein solcher Fehler liegt hier gerade vor (vgl. zu einem vergleichbaren Fall des abgestuften Steuermaßstabs BVerwG, U.v.14.12.2016 – 9 C 11.16 – juris), so dass die rückwirkende Änderung zulässig war.
Auch dass die den streitgegenständlichen Zweitwohnungsteuerbescheiden zu Grunde liegende Zweitwohnungsteuersatzung von 2018 bereits durch eine weitere Satzung von 2019 aufgehoben wurde, ändert nichts am Ergebnis der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Zweitwohnungsteuerbescheide. Die Bescheide bleiben wirksam, auch wenn die Satzungsgrundlage mittlerweile geändert wurde. Dies gilt unabhängig davon, ob die aktuelle Satzung von 2019 überhaupt wirksam ist und daher die Rechtswirkung zu entfalten vermochte, die streitgegenständliche Satzung von 2018 aufzuheben. Denn maßgeblich ist das Entstehen der Steuerpflicht. Die Steuerpflicht für ein Kalenderjahr entsteht nach § 1 Abs. 1 ZwStS am 1. Januar; sie ist demnach für die streitgegenständlichen Jahre jeweils bereits entstanden. Allein dass die Satzung vor Eintritt der Bestandskraft möglicherweise außer Kraft getreten ist, entzieht dem Bescheid nicht die Rechtsgrundlage. Soweit die Klägerseite auf das Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 27. April 1990 Bezug nimmt, ist aus dem Erlöschen eines Aufhebungsanspruchs bei nachträglicher Satzungsänderung („Heilung“) nicht zu schließen, dass ein Aufhebungsanspruch auch besteht, wenn hinsichtlich eines rechtmäßigen Verwaltungsakts nachträglich die Satzung geändert wird.
Auch soweit die Jahre 2019 und folgende von dem Bescheid vom 22. Juni 2018 erfasst werden, kann der Kläger die Satzungsänderung nicht geltend machen. Denn soweit die Zweitwohnungsteuersatzung 2019 wirksam sein sollte, sieht sie mit ihrem Inkrafttreten am 1. April 2019 einen höheren Steuersatz vor. Der Kläger hat somit kein Rechtschutzbedürfnis, die Anwendung der erhöhten Steuersätze der ZwStS 2019 klageweise einzufordern.
b. Die Zweitwohnungsteuersatzung wurde auch rechtmäßig angewendet. Nach § 3 ZwStS 2018 ist steuerpflichtig, wer im Gemeindegebiet eine Zweitwohnung, also nach § 2 eine Wohnung in einem anderen Gebäude als seine Hauptwohnung zu seiner persönlichen Lebensführung oder der seiner Familienangehörigen innehat. Der Kläger ist im Gemeindegebiet der Beklagten für den streitgegenständlichen Zeitraum mit Nebenwohnsitz gemeldet und hält sich überwiegend an seinem Hauptwohnsitz auf. Er hat als Mieter das alleinige Nutzungsrecht und die Verfügungsgewalt über die Wohnung inne, ohne dass es auf die tatsächliche Nutzung ankommt.
2. Auch der Kurbeitragsbescheid vom 9. August 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
a. Die Kurbeitragssatzung vom 4. Dezember 2009 der Beklagten ist eine wirksame Rechtsgrundlage. Nach Art. 7 Abs. 1 KAG können unter anderem Gemeinden, die als Heilbad anerkannt sind, zur Deckung ihres Aufwands für ihre Einrichtungen und Veranstaltungen, die Kur- oder Erholungszwecken dienen, einen Beitrag erheben. Die Aufhebung der Satzungsgrundlage durch die neue Satzung aus dem Jahr 2019 macht den streitgegenständlichen Bescheid nicht rechtswidrig (s.o. zur Zweitwohnungsteuersatzung).
Die materiellen Regelungen der Kurbeitragssatzung sind rechtmäßig, insbesondere die Pauschalierung in § 7 KBS für Zweitwohnungsinhaber, welche ggf. durch Auslegung zu ergänzen ist (vgl. ausführl. BayVGH, U.v. 30.9.2016 – 4 N 14.546 – juris Rn. 41).
Soweit der Bevollmächtigte einen Fehler bei der Beitragskalkulation geltend macht, genügt dies nicht den Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine sog. substantiierte Kalkulationsrüge stellt (vgl. etwa BayVGH, B.v. 19.3.2018 – 20 ZB 17.1681 – juris Rn. 6 m.w.N.). Danach reicht es gerade nicht aus, wenn eine Klagepartei ohne substantiierte Belegung lediglich behauptet, die bestimmten Beitragssätze seien nicht ordnungsgemäß ermittelt worden. Zwar verlangt der Grundsatz der Amtsermittlung des § 86 Abs. 1 VwGO, dass das Gericht alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Möglichkeiten zur Aufklärung des für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts ausschöpft. Diese Pflicht findet aber in der Mitwirkungspflicht der Beteiligten eine Grenze; solange sie dieser Pflicht nicht nachkommen, überprüfbare und einem Beweis zugängliche Tatsachen vorzutragen, braucht das Gericht der bloßen Möglichkeit fehlerhaft bestimmter Beitragssätze nicht nachzugehen (vgl. auch BVerwG, U.v. 17.4.2002 – 9 CN 1/01 – BVerwGE 116, 188).
Die Klägerseite hat aus Zeitungsartikeln, Gemeinderatsbeschlüssen sowie den Satzungen der … GmbH gefolgert, die Beklagte habe das Kurbeitragsaufkommen nicht für ihre Kureinrichtungen und -veranstaltungen verwendet, sondern an die … GmbH für deren Zwecke überwiesen. Mit diesem Vortrag ist die Klägerseite ihren Mitwirkungspflichten nicht ausreichend nachgekommen.
Die Beklagtenseite hat vorgetragen, dass das Kurbeitragsaufkommen für die eigenen Kureinrichtungen und -veranstaltungen verwendet wurde. Sie hat mit Schriftsatz vom 28. Mai 2019 Übersichten für die Jahre 2016, 2017 und 2018 vorgelegt, wonach die Ausgaben für die Kureinrichtungen (aufgeschlüsselt nach Kurverwaltung, Kuranlagen, Kurveranstaltungen, Spielepark, Tourismuszentrum, Hallenbad, Kurorchester, Wintersportanlagen, Freizeitanlage und Jod- und Schwefelbad) die Einnahmen aus dem Kurbeitrag bei weitem übersteigen.
Die Klägerseite hat die entsprechenden Ausgaben und Einnahmen nicht substantiiert in Frage gestellt. Zuletzt beruhte der Vortrag der Klägerseite letztlich darauf, dass die Zahlungen an die … GmbH in der Summe das Kurbeitragsaufkommen überstiegen, Damit ist jedoch kein Nachweis geführt, dass die Überweisungen an die … GmbH nicht aus dem allgemeinen Haushalt geleistet wurden. Vor allem ist jedoch nicht substantiiert dargetan, welche Fehler in der Kalkulation zu einer Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Beitragsbescheids geführt haben sollen.
Aus der Beitragseigenschaft des Kurbeitrags folgt, dass die Summe der von den Beitragspflichtigen geforderten Beiträge den voraussichtlichen gemeindlichen Aufwand für die Fremdenverkehrsförderung nicht übersteigen darf (Kostendeckungsprinzip als Obergrenze). Das heißt, die Gemeinde darf insgesamt aus den Einnahmen aus Kurbeitrag und Fremdenverkehrsbeitrag keinen Überschuss für den allgemeinen Haushalt erzielen (vgl. Schieder/Happ, BayKAG, 3. Aufl. 18. El. 2018, Art. 7 Rn. 5; vgl. auch BayVGH, U.v. 25.2.1998 – 4 B 97.399 – juris).
Dies hat der Kläger nicht substantiiert nachgewiesen. Vielmehr hat der Kläger Zweifel an der Verwendung der Mittel geäußert. Dieser Vortrag richtet sich nicht unmittelbar gegen die Kalkulation des Beitrags, sondern fordert die Zweckbindung ein. Die Beklagte hat jedoch die Kurbeiträge wie von Art. 7 Abs. 1 KAG verlangt „zur Deckung ihres Aufwands für ihre Einrichtungen und Veranstaltungen“ erhoben. Denn der Kuraufwand ist tatsächlich entstanden und überschreitet die Einnahmen. Die in die Kalkulation eingestellten Kosten sind für die Kureinrichtungen und -veranstaltungen berechnet worden und somit rechtmäßig in die Berechnung des Kurbeitrags eingeflossen. Nachdem das Kurbeitragsaufkommen die Ausgaben für die Kureinrichtungen und -veranstaltungen unterschreitet, steht nicht in Rede, dass die Beklagte unter dem Deckmantel des Kuraufwandes überhöhte Beiträge zur Deckung anderer Ausgaben gefordert hätte.
Eine etwaige Zweckentfremdung der Mittel, für die somit keinerlei Anhaltspunkte bestehen, führte zudem nicht zur Nichtigkeit der Satzung. Es kann mithin dahin stehen, ob das subjektiv-öffentliche Recht des Klägers als Beitragszahler die Überprüfung einer etwaigen Zweckentfremdung überhaupt umfasste. Es ist diesbezüglich anzumerken, dass ein Beitragszahler nicht „zum Wächter über die objektive Verfassungsordnung“ bestellt ist (vgl. BVerfG, B.v. 18.4.1984 – 1 BvL 43/81 – juris Rn. 36), sondern im Rahmen des § 42 Abs. 2 VwGO allein seine eigenen subjektiv-öffentlichen Rechte klageweise geltend machen kann.
b. Die Beklagte hat die Kurbeitragssatzung auch rechtmäßig angewendet. Die Beitragspflicht ist nach § 1 Abs. 2 KBS entstanden, nachdem der Kläger Zweitwohnungsinhaber im Sinne der Satzung ist. Der pauschale Jahreskurbeitrag für Zweitwohnungsinhaber ist in § 7 Abs. 2 KBS mit 62 EUR pro Jahr geregelt und wurde von der Beklagten in dieser Höhe erhoben.
3. Die Klage hat somit insgesamt keinen Erfolg und ist daher abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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