Verwaltungsrecht

Leistungen aus Betriebsschließungsversicherung nach behördlicher Maßnahme wegen der Corona-Pandemie

Aktenzeichen  21 O 1304/20 Ver

Datum:
22.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 17209
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
IfSG § 6, § 7
BGB § 305c
AVB Betriebsschließungsversicherung

 

Leitsatz

Verspricht der Versicherer einer Betriebsschließungsversicherung in seinen AVB Entschädigung für den Fall, dass die zuständige Behörde aufgrund des IfSG beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt, und definieren die AVB alsdann meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger “im Sinne dieser Bedingungen” als “die folgenden im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger”, handelt es sich um eine abschließende Aufzählung, so dass kein Versicherungsschutz für eine Betriebsschließung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie besteht, wenn weder COVID-19 noch SARS-CoV-2 in der nachfolgenden Aufzählung benannt sind. Eine solche Klausel ist auch nicht überraschend oder mehrdeutig iSv § 305c BGB (s. auch OLG Stuttgart BeckRS 2021, 2002; BeckRS 2021, 2001; OLG Oldenburg BeckRS 2021, 3248; OLG Celle BeckRS 2021, 16959; OLG Dresden BeckRS 2021, 15585; entgegen OLG Karlsruhe BeckRS 2021, 16052). (Rn. 26 – 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. –
Beschluss
Der Streitwert wird auf 174.000,00 € festgesetzt.  

Gründe

A. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Ingolstadt aufgrund des Streitwerts sachlich und örtlich nach § 215 Abs. 1 VVG zuständig.
B. Die Klage ist aber nicht begründet.
Die Klagepartei hat gegen die Beklagte keine Ansprüche aus der streitgegenständlichen Betriebsschließungsversicherung.
Durch diese Versicherung war eine Betriebsschließung wegen des Auftretens einer Corona-Viruskrankheit Covid 19 nicht versichert. Nach Meinung der Kammer ist die Aufzählung der Krankheiten in den Versicherungsbedingungen Nr. 1.2, a) und b) abschließend. Die Krankheit Covid 19 bzw. der Erreger Sars-Cov2 sind in dieser Aufzählung nicht aufgeführt.
Aus dem Wortlaut der Bedingungen Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger: 
ergibt sich nach Meinung der Kammer eindeutig, dass es sich hier um eine abschließende Aufzählung handelt. Der Wortlaut der Bedingungen lässt keinen Zweifel zu. Dies ergibt sich aus der Verwendung der Begriffe „die folgenden“ und „namentlich genannten“. Es wird eben gerade nicht pauschal auf die §§ 6 und 7 IfSG verwiesen. Wäre dies der Fall, könnte und müsste man wohl davon ausgehen, dass bei Einbeziehung weiterer Krankheiten oder Erreger in die §§ 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes diese dann quasi dynamisch auch in die Versicherungsbedingungen einbezogen worden wären.
Es wird auch keine Formulierung verwendet, die auch nur annähernd den Schluss zulassen könnte, die Aufzählung in den Versicherungsbedingungen sei nicht abschließend. Dann wären im Hinblick auf die aufgezählten Erkrankungen und Erreger Begriffe wie „beispielsweise“ oder „insbesondere“ verwendet worden.
Auf keinen Fall kann vorliegend der Begriff „namentlich“ umgedeutet werden in „insbesondere“. Dies folgt aus der Kombination des Begriffes „namentlich genannten“ mit „die folgenden“. Etwas anderes könnte gelten, wenn die Bedingungen etwa so formuliert wären „… Krankheiten und Erreger, namentlich die folgenden …“.
Es handelt sich nach Meinung der Kammer auch nicht um eine Ausschlussklausel. Es werden beispielsweise nicht einzelne Erkrankungen oder Erreger vom Versicherungsschutz ausgenommen. Der Versicherungsschutz ist von vornherein schon auf der Ebene der Anspruchsgrundlage auf die konkret genannten Krankheiten und Erreger begrenzt.
Schließlich können die genannten Bedingungen auch nicht als überraschende oder mehrdeutige Klauseln im Sinne § 305 c BGB angesehen werden. Der Wortlaut ist klar und eindeutig. Bei vernünftiger Würdigung ergibt sich nach Meinung der Kammer kein Zweifel, was gemeint ist.
Dies muss ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer auch so sehen. Eine andere Interpretation ist nach Meinung des Gerichts nicht möglich.
Die Klage unterliegt in der Hauptsache bereits aus diesem Grunde der Abweisung. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Versicherung nur betriebsimmanente Gefahren abdecken soll oder ob es auf die Wirksamkeit einer Rechtsverordnung oder Allgemeinverfügung ankommt. Ebenso erübrigen sich Ausführungen zur Anspruchshöhe.
C. Die Klage war auch hinsichtlich der Nebenforderungen (Zinsen, vorgerichtliche Anwaltsgebühren) abzuweisen. Diese teilen das Schicksal der Hauptforderung.
D. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.


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