Verwaltungsrecht

Litauen – PTBS kein Abschiebungshindernis

Aktenzeichen  B 3 K 17.31964

Datum:
9.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 VwGO
AufenthG § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG
AufenthG § 60a Abs. 2c AufenthG

 

Leitsatz

1. Geht es um das Begehren auf Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, ist die Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart gegen den Bescheid des Bundesamtes. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Umstand, dass die allgemeinen Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte in Litauen schlechter sind als in Deutschland, führt nicht dazu, dass eine Abschiebung gegen Art. 3 EMRK verstößt. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zur Substantiierung des Vorbingens einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sowie eines entsprechenden Beweisantrags gehört angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden ärztlichen Attests. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Das Gericht konnte über die Klage entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 06.11.2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
II.
Die Klage ist bereits unzulässig, soweit die – zwischenzeitlich anwaltlich vertretenen – Kläger „Verpflichtungsanträge“ auf Anerkennung als Asylberechtigte bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus bzw. auf Feststellung von Abschiebungsverboten im Hinblick auf das Herkunftsland, gestellt bzw. aufrechterhalten haben. Geht es – wie vorliegend – um das Begehren auf Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, ist die Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart gegen den Bescheid des Bundesamts vom 18.05.2017 (BayVGH, U.v. 13.10.2016 – 20 B 15.30008 – juris; vgl. auch BVerwG, U.v. 27.10.2015 – 1 C 32.14 – juris; BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris; BayVGH, U.v. 23.03.2017 – 13a B 17.50003 – juris). Eine isolierte Aufhebung der angefochtenen Regelungen führt zur weiteren Prüfung der Anträge der Kläger durch die Beklagte und damit zu dem erstrebten Rechtsschutzziel, denn damit wird das Verwaltungsverfahren in den Stand zurückversetzt, in dem es sich vor Erlass der streitgegenständlichen Regelungen befunden hat. Das Bundesamt ist im Falle einer Aufhebung des Bescheides gemäß §§ 24, 31 AsylG gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren weiterzuführen.
Weiterhin haben die Kläger die Anfechtungsklage gegen den Unzulässigkeitsbescheid mit einem hilfsweisen Verpflichtungsbegehren auf Feststellung nationalen Abschiebungsschutzes zu verbinden, wenn sie die Nichtfeststellung von Abschiebungsverboten für fehlerhaft erachten und in Bezug auf den Abschiebezielstaat (Litauen) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG sehen (BVerwG, B.v. 03.04.2017 – 1 C 9/16 – juris; Berlit, Anmerkung zum B.v. 03.04.2017 – 1 C 9/16 vom 10.07.2017, jurisPR-BVerwG, 114/2017, Anm. 1 – juris). Für eine unbedingt beantragte klageweise Verpflichtung der Beklagten auf Feststellung von Abschiebungsverboten fehlt den Klägern das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ist wegen der Regelung des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG das Bundesamt auch in den Fällen zur Entscheidung über das Bestehen von Abschiebungsverboten verpflichtet, in welchen es den Asylantrag (hier nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) für unzulässig erachtet. Aufgrund der gesetzlichen Systematik des § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG kann die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots aber nur für den Fall begehrt werden, dass der Bescheid in Ziffer 1 aufrechterhalten bleibt, also als Hilfsantrag. Denn im Falle der Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung wird auch eine Feststellung, wonach Abschiebungsverbote nicht vorliegen, kassiert (BVerwG, B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 – juris; BVerwG, U.v. 1.6.2017 – 1 C 9/17 – juris; vgl. auch VG Ansbach U.v. 6.9.2017– AN 3 K 17.51126 – juris). Vorliegend wurde aber Verpflichtung der Beklagten auf Feststellung von Abschiebungsverboten nicht für den Fall der erfolglosen Anfechtung der Unzulässigkeitsentscheidung (Ziffer 1 des Bescheides) beantragt, sondern als (weiterer) Hilfsantrag für das – schon unzulässige – Verpflichtungsbegehren in Ziffer 2 des Klageantrags (Verpflichtung auf Anerkennung als Asylberechtigte bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft).
III.
Soweit die Klage zulässig ist, bleibt sie ebenfalls ohne Erfolg. Der Bescheid vom 18.05.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Asylantrag der Kläger ist gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in Deutschland unzulässig.
Gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Nach Mitteilung der zuständigen Behörde in V. vom 10.05.2017 wurde den Klägern bereits am 01.03.2017 in Litauen internationaler Schutz i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt.
2. Selbst wenn man zugunsten der Kläger davon ausgeht, dass das Begehren auf Verpflichtung der Beklagten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Hinblick auf Litauen festzustellen, in prozessual zulässigerweise zum Klagegegenstand gemacht wurde (s.o.), haben die Kläger jedenfalls keinen Anspruch auf Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
a) Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK sind im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) hinsichtlich Litauen nicht gegeben.
Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Hieraus folgen neben Unterlassungsauch staatliche Schutzpflichten. Eine Verletzung von Schutzpflichten kommt in Betracht, wenn sich die staatlich verantworteten Lebensverhältnisse von international Schutzberechtigten in Spanien allgemein als unmenschlich oder erniedrigend darstellen würden (vgl. OVG NRW, U.v. 19.5.2016 – 13 A 1490/13.A – juris).
Die hinsichtlich der allgemeinen Lebensverhältnisse von international Schutzberechtigen bestehenden Gewährleistungspflichten hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Einzelnen konkretisiert. Demnach kann die Verantwortlichkeit eines Staates aus Art. 3 EMRK begründet sein, wenn der Betroffene vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig ist und behördlicher Gleichgültigkeit gegenübersteht, obwohl er sich in so ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befindet, dass dies mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. EGMR, U.v. 4.11 2014 – 29217/12 (Tarakhel / Schweiz) – juris). Dagegen verpflichtet Art. 3 EMRK die Vertragsstaaten nicht, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Art. 3 EMRK begründet auch keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Es verstößt demnach grundsätzlich nicht gegen Art. 3 EMRK, wenn international Schutzberechtigte den eigenen Staatsangehörigen gleichgestellt sind und von ihnen erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen.
Der Umstand, dass die allgemeinen Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte in Litauen schlechter sind als Deutschland, führt nicht dazu, dass eine Abschiebung der Kläger gegen Art. 3 EMRK verstößt. Der (bloße) Verweis auf die in Deutschland lebende Verwandtschaft sowie die vorgetragenen besseren Lebensbedingungen in Deutschland führen nicht zu einem zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Gleiches gilt für das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, in Litauen seinen nur Araber. Eine konkrete „Gefahr“ oder unmenschliche Behandlung durch Araber in Litauen wurde jedoch nicht glaubhaft gemacht und ist auch nicht anderweitig ersichtlich. Im Übrigen sind die Kläger mittlerweile in Litauen als Schutzberechtigte anerkannt und müssen nicht zwingend mit anderen Menschen zusammen in einer Unterkunft leben. Weitere individuelle Aspekte, die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnten, sind nicht ersichtlich, insbesondere ist für die Feststellung eines Abschiebungsverbots – genauso wie für die Entscheidung im Rahmen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG – völlig unerheblich, dass der Kläger zu 1 jederzeit in Deutschland eine Ausbildung bzw. Beschäftigung aufnehmen könnte und entsprechende Zusagen vorliegen. Das Asylverfahren ist nicht der geeignete Weg, um sich Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu verschaffen. Insbesondere führt selbst eine bereits angetretene Arbeitsstelle bzw. eine aufgenommene Ausbildung nicht zu einem zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbot. Innerstaatliche Vollstreckungshindernisse sind hingegen kein Prüfungsgegenstand im hiesigen Verfahren.
b) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei erfasst diese Regelung nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solche ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Zielstaat wesentlich verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Darüber hinaus kann sich – trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung – das Abschiebungsverbot aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. In die Beurteilung mit einzubeziehen und bei der Gefahrenprognose zu berücksichtigen sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer wesentlichen Verschlimmerung der Erkrankung führen können. Für die Annahme einer „konkreten Gefahr“ genügt jedoch nicht die bloße theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in Leib, Leben oder Freiheit zu werden. Vielmehr entspricht der Begriff der Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dem asylrechtlichen Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“, wobei allerdings das Element der Konkretheit der Gefahr für „diesen Ausländer“ das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten oder erheblichen Gefährdungssituation statuiert (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 23.11.2012 – 13a B 12.30061 – juris).
Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist daher, dass sich die vorhandene schwerwiegende Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Von einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes kann nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes gesprochen werden, sondern nur bei außergewöhnlichen schweren physischen oder psychischen Schäden oder Zuständen. Dies stellt auch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG klar, wonach eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt. Insbesondere ist es gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Irak mit der der Versorgung in Deutschland vergleichbar ist (vgl. zum Ganzen auch VG Gelsenkirchen, B.v. 08.11.2016 – 6a L 2452/16.A – juris).
aa) Dies zugrunde gelegt besteht für den Kläger zu 1 keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es ist nicht ersichtlich, dass eine wesentliche Verschlechterung einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung alsbald nach der Rückkehr nach Litauen droht.
(1) Soweit die Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 14.06.2017 vorträgt, der Kläger zu 1 sei schwer traumatisiert und könne in Litauen nicht adäquat gesundheitlich betreut werden, fehlt es bereits an der Vorlage entsprechender (fachärztlicher) Atteste.
Zur Substantiierung des Vorbringens einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sowie eines entsprechenden Beweisantrags gehört angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 11.09.2007 – 10 C 17/07 – juris).
Zwar wurde in der mündlichen Verhandlung ein Attest der Gemeinschaftspraxis …, vom 06.11.2017 vorgelegt, dieses Attest entspricht jedoch schon nicht im Ansatz den obigen Anforderungen der Rechtsprechung. Zum einem ist es kein fachärztlicher Attest, zum anderen fehlt es an jeglichen Grundlagen der Diagnose („Beim oben genannten Patienten besteht eine Depression“).
Eine PTBS ist damit nicht hinreichend substantiiert vorgebracht worden.
(2) Gleiches gilt für die vom Hausarzt bescheinigte „Depression“. Selbst wenn man die obige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur auf PTBS und nicht auf andere (psychische) Erkrankungen anwendet, so ist jedenfalls auch das Vorliegen einer „Depression“ nicht annähernd hinreichend substantiiert vorgetragen (vgl. § 60a Abs. 2c AufenthG).
Die Regelung des § 60a Abs. 2c AufenthG beschränkt sich nicht nur auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse im Zusammenhang mit der Reisefähigkeit, sondern umfasst auch zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (VG München, U.v. 10.1.2017 – M 21 K 15.31612 – juris; VG Würzburg, B.v. 14.7.2017 – W 8 S 17.32770, juris; VG München, GB v. 7.7.2017 – M 21 K 16.36151 – juris; VG Gelsenkirchen, U.v. 3.2.2017 – 6a K 2802/15.A. – juris; VG Bayreuth, U.v. 3.8.2017 – B 3 K 17.31531 – juris). Der Wortlaut des § 60a Abs. 2c AufenthG stellt ausschließlich darauf ab, ob Abschiebungsverbote aus gesundheitlichen Gründen vorliegen und differenziert nicht zwischen inlands- und zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten. Auch die Gesetzesbegründung lässt erkennen, dass der Gesetzgeber mit der Vermutungsregelung in § 60a Abs. 2c AufenthG die Abschiebung erleichtern und die Anforderungen an die Geltendmachung psychischer Erkrankungen als Abschiebungshindernisse insgesamt erschweren wollte (vgl. ausführlich: VG Bayreuth, U.v. 3.8.2017 – B 3 K 17.31531 – juris m.w.N.)
Daher liegt schon keine schwerwiegende oder lebensbedrohliche Erkrankung des Klägers zu 1 vor. Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass sich die psychischen Probleme als alsbald nach der Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht ersichtlich, dass Depressionen in Litauen nicht behandelbar sind, zumal mit keinem Wort erwähnt wird, welche Therapie der Kläger zu 1 überhaupt benötigt. Dass eine ausreichende Therapie in Litauen nicht sichergestellt ist, ist eine reine – durch nichts belegte – Behauptung des Arztes.
bb) Soweit vorgetragen wird, die Kläger zu 3-5 seien ebenfalls traumatisiert bzw. „psychisch müde“, fehlt es bereits an der Vorlage entsprechender (fachärztlicher) Atteste (vgl. hierzu nur BVerwG, U. v. 11.09.2007 – 10 C 17/07 – juris). Insoweit wird lediglich behauptet, dass die Kinder psychisch erkrankt seien, was nicht einmal im Ansatz der Substantiierung eines Vorbringens einer Erkrankung genügt (vgl. auch § 60a Abs. 2c AufenthG).
cc) Die – unsubstantiiert vorgetragene – Allergie der Klägerin zu 2 kann schon im Ansatz kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen.
3. Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheids ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach § 35 AsylG droht das Bundesamt im Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war. Dabei beträgt die zu setzende Ausreisefrist nach § 36 Abs. 1 AsylG eine Woche.
4. Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 AufenthG) beruht auf § 11 Abs. 2 i. V. m. § 75 Nr. 12 AufenthG und begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben