Verwaltungsrecht

(Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sachurteilsvoraussetzungen und für das Vorliegen eines subjektiven Rechts; Widerruf einer Erlaubnis nach § 11 TierSchG)

Aktenzeichen  3 L 124/21

Datum:
25.7.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 3. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGST:2022:0725.3L124.21.00
Normen:
§ 11 Abs 1 Nr 8 Buchst c TierSchG
§ 16a Abs 1 Nr 3 TierSchG
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sachurteilsvoraussetzungen ist die letzte mündliche Verhandlung, im schriftlichen Verfahren der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Das gilt auch für die Anfechtungsklage. (Rn.8)

2. Hiervon ist die Frage zu unterscheiden, welcher Zeitpunkt für das Vorliegen eines subjektiven Rechts maßgeblich ist. Diese Frage – nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage – ist der Begründetheitsprüfung zuzuordnen und bestimmt sich nach dem materiellen Recht.(Rn.9)

Verfahrensgang

vorgehend VG Magdeburg, 15. April 2021, 1 A 698/17 MD, Urteil

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg – 1. Kammer – vom 15. April 2021 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Rechtsmittelverfahren wird auf 15.000 € festgesetzt

Gründe

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg – 1. Kammer – vom 15. April 2021 bleibt ohne Erfolg.
1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen der vom Kläger geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zuzulassen.
„Ernstliche Zweifel“ i.S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nur dann vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 2017 – 2 BvR 2615/14 – juris Rn. 19 m.w.N.). Da gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen ist, erfordert dies, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und unter anderem konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa Beschluss vom 3. Januar 2007 – 1 L 245/06 – juris Rn. 3 m.w.N.). Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. NdsOVG, Beschluss vom 13. März 2019 – 13 LA 160/18 – juris Rn. 9; VGH BW, Beschluss vom 11. Februar 2019 – 12 S 2789/18 – juris Rn. 3). Dabei reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Die Zweifel müssen sich vielmehr zugleich auf das Ergebnis der angegriffenen Entscheidung, also die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel beziehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9; BayVGH, Beschluss vom 19. Oktober 2018 – 8 ZB 18.1235 – juris Rn. 9).
Hieran gemessen begründen die vom Kläger erhobenen Einwände keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig angesehen: Mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 15. Juni 2020 (1 A 609/17 MD) habe das Gericht eine Klage des Klägers gegen den Bescheid vom 16. Dezember 2016 abgewiesen, mit dem der Beklagte dem Kläger das Halten und Betreuen von Equiden untersagt habe. Es sei dem Kläger daher rechtlich unmöglich, Tiere zu betreuen und in Obhut zu nehmen. Von einer Erlaubnis zum gewerbsmäßigen Unterhalten eines Reit- und Fahrbetriebs könne er daher keinen Gebrauch machen.
a) Hiergegen macht der Kläger geltend: Der Ansatzpunkt, dass das Bundesverwaltungsgericht das Rechtsschutzinteresse verneine, wenn eine Verbesserung der Rechtsstellung nicht erreicht werden könne oder das Rechtsschutzbegehren derzeit nutzlos sei, sei zwar zutreffend. Bei dem hier vorliegenden Widerruf einer Erlaubnis sei jedoch auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, also des Widerspruchsbescheides, abzustellen. Das vorliegende Verfahren habe er, der Kläger, bereits im Jahr 2017 – also vor dem Urteil im Verfahren 1 A 609/17 MD – anhängig gemacht. Es widerspräche einem fairen Verfahren, wenn das spätere Entfallen von Zulässigkeitsvoraussetzungen durch staatliches Handeln – hier der Judikative – geschaffen werde. Die staatliche Stelle hätte durch die Art und Weise der Verfahrensgestaltung die Geltung effektiven Rechtsschutzes quasi in der Hand. Dies widerspreche dem verfassungsrechtlich, europarechtlich und durch die EMRK verankerten Grundsatz des fairen Verfahrens. In einer Anfechtungssituation sei auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen. Dies müsse jedenfalls in den Fällen gelten, in denen das allgemeine Rechtsschutzinteresse in einem bereits anhängig gemachten Verfahren durch ein Handeln einer staatlichen Sphäre entfalle. Selbst wenn er, der Kläger, die Erlaubnis derzeit nicht nutzen könne, ändere dies nichts daran, dass er einen Anspruch auf eine materielle Sachentscheidung habe.
Diese Erwägungen greifen nicht durch.
Das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses als Sachurteilsvoraussetzung ist von Amts wegen in jeder Lage des Prozesses zu prüfen. Es kann auch während des laufenden gerichtlichen Verfahrens entfallen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 11. Januar 2022 – 15 CS 21.2913 – juris Rn. 27). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sachurteilsvoraussetzungen ist die letzte mündliche Verhandlung, im schriftlichen Verfahren der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Das gilt auch für die Anfechtungsklage (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. November 2017 – 7 C 25.15 – juris Rn. 17; Schmidt-Kötters, in: BeckOK, VwGO, 61. ED, Stand: 1. Oktober 2019, § 42 Rn. 51).
Hiervon ist die Frage zu unterscheiden, welcher Zeitpunkt für das Vorliegen eines subjektiven Rechts maßgeblich ist. Diese Frage – nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage – ist der Begründetheitsprüfung zuzuordnen und bestimmt sich nach dem materiellen Recht (vgl. Sennekamp, in: Fehling/Kastner/Störmer, VwGO, 5. Aufl. 2021, § 42 Rn. 55).
Vor diesem Hintergrund kann der Kläger der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass – wie er meint – bei der Anfechtungsklage der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei. Die vom Kläger angesprochene Frage des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts bei der Anfechtungsklage spielt für das Rechtsschutzinteresse und die Zulässigkeit der Klage keine Rolle. Auch wenn im vorliegenden Fall eine Rechts- oder Tatsachenänderung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Widerrufsbescheides nicht mehr zu berücksichtigen wäre, hätte dies nicht zur Folge, dass dem Kläger aufgrund der nachträglich eingetretenen Umstände ein fehlendes Rechtsschutzinteresse als Sachurteilsvoraussetzung für seine Klage nicht mehr entgegengehalten werden könnte. Unabhängig davon gibt es keinen prozessrechtlichen Rechtssatz des Inhalts, dass im Rahmen einer Anfechtungsklage die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts stets nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu beurteilen sei. Vielmehr richtet sich der maßgebliche Zeitpunkt in erster Linie nach dem materiellen Gehalt des geltend gemachten Anspruchs (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1981 – 8 C 14.81 – juris Rn. 17; Urteil vom 15. Februar 1985 – 4 C 42.81 – juris Rn. 8; Urteil vom 13. Dezember 2007 – 4 C 9.07 – juris Rn. 9).
Das allgemeine Rechtsschutzinteresse als Sachurteilsvoraussetzung für eine Anfechtungsklage ist nicht (mehr) gegeben, wenn der Kläger mit der Klage eine Verbesserung seiner Rechtsstellung nicht erreichen kann, wenn also die Inanspruchnahme des Gerichts sich als für die subjektive Rechtsstellung des Klägers zurzeit nutzlos darstellt (BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2005 – 6 B 37.05 – juris Rn. 6). Das kann insbesondere der Fall sein, wenn dem Klagebegehren ein rechtliches Hindernis entgegensteht, das sich schlechthin nicht ausräumen lässt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 1993 – 4 B 110.93 – juris Rn. 3; OVG LSA, Beschluss vom 28. April 2022 – 2 L 69/20 – juris Rn. 14), wobei als rechtliches Hindernis auch ein (bestandskräftiger) Verwaltungsakt oder ein rechtskräftiges Urteil in Betracht kommen (vgl. hierzu Hasselbarth, NVwZ 2016, 1532 [1534 f.]).
Von diesem Grundsatz ist keine Ausnahme geboten, wenn das fragliche rechtliche Hindernis erst aufgrund der Entscheidung einer staatlichen Stelle nach Klageerhebung eingetreten ist. Das Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses als Prozessvoraussetzung ist Ausfluss des allgemeinen Verbots des Rechtsmissbrauchs. Mit diesem Erfordernis sollen die Gerichte vor überflüssigen, nutzlosen und mutwilligen Prozessen bewahrt werden (vgl. Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 42 Rn. 335). In Bezug auf dieses Schutzziel kommt es nicht darauf an, ob das rechtliche Hindernis, das der Verwirklichung des Klagebegehrens entgegensteht, durch staatliches oder nichtstaatliches Handeln bzw. vor oder nach Klageerhebung eingetreten ist.
Dem steht auch nicht der Ansatz des Klägers entgegen, die staatliche Stelle habe die Geltung des effektiven materiellen Rechtsschutzes sowie des formellen und materiellen Grundrechtsschutzes durch die Art und Weise der Verfahrensgestaltung quasi in der Hand.
Soweit als „staatliche Stelle“ die Behörde selbst angesprochen ist, hat diese es nicht in der Hand, der Klage allein durch den Erlass eines anderen Verwaltungsakts den Boden zu entziehen. Denn der Kläger hat die Möglichkeit, diesen Bescheid anzufechten und auf die Rechtmäßigkeit einschließlich der Vereinbarkeit mit Grundrechten überprüfen zu lassen. Solange das Ergebnis dieser Überprüfung offen ist, liegt ein nicht auszuräumendes rechtliches Hindernis, das das Rechtsschutzinteresse entfallen ließe, nicht vor. Auch im vorliegenden Fall ist das Verwaltungsgericht nicht davon ausgegangen, dass die Untersagungsverfügung vom 16. Dezember 2016 bereits vor deren Bestandskraft das Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage entfallen lässt. Für das Verwaltungsgericht war vielmehr maßgeblich, dass es sich gemäß § 121 VwGO an das rechtskräftige Urteil vom 15. Juni 2020 gebunden gesehen hat.
Auch die Möglichkeit des Gerichts, durch die Terminierung anhängiger Verfahren Einfluss auf den Eintritt der Bestandskraft zu nehmen, berührt nicht den Grundsatz des fairen Verfahrens. Dem Kläger standen im Verfahren 1 A 609/17 MD alle prozessrechtlichen Angriffs- und Verteidigungsmittel zur Verfügung, um sich gegen die vom Beklagten verfügte Untersagung der Haltung und des Betreuens von Equiden zu wehren. Das Verwaltungsgericht hat nunmehr rechtskräftig entschieden, dass die Untersagungsverfügung rechtmäßig ist. Steht die damit bestandskräftige Untersagungsverfügung der Fortführung des Betriebs entgegen, so könnte auch eine materielle Entscheidung im vorliegenden Verfahren daran nichts ändern. Das Gebot des fairen Verfahrens vermittelt keinen Anspruch auf eine Sachentscheidung, wenn von dem Klageziel letztlich kein Gebrauch gemacht werden kann.
Die Erwägung des Klägers, dass er einen Folgenbeseitigungsanspruch haben könnte, den er bei materieller Begründetheit der Klage hätte verfolgen dürfen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Treten nach Klageerhebung Gründe ein, die zur Unzulässigkeit führen, hat der Kläger die Möglichkeit, den Klageantrag umzustellen und gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO die Feststellung zu beantragen, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn er ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein solches Interesse kann sich auch aus einem eventuell bestehenden Folgenbeseitigungsanspruch ergeben (vgl. BayVGH, Urteil vom 28. November 2007 – 22 BV 02.1560 – juris Rn. 33).
b) Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er weiterhin von einer Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. c TierSchG Gebrauch machen könnte, ohne zum Halten oder Betreuen von Equiden berechtigt zu sein. Insoweit macht er geltend, dass die Untersagung nach § 16a TierSchG systematisch, nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Regelungen nicht mit dem Widerruf der Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. c TierSchG identisch sei. So könne ein Fahrbetrieb ein Pferd einem Reiter zum Zwecke der Übung, des Ausflugs, des Sports, des Sitzes auf der Bühne oder zur Kinderfreizeitgestaltung zur Verfügung stellen. Hierzu sei es nicht erforderlich, dass der Kläger Halter oder Betreuer sei. Andernfalls wäre es sinnwidrig, dass sich allein aus einem Haltungs- und Betreuungsverbot eine Widerrufsmöglichkeit der Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. c TierSchG ergäbe.
Mit diesen Ausführungen hat der Kläger nicht aufgezeigt, dass er die Möglichkeit hätte, trotz der bestandskräftigen Untersagungsverfügung vom 16. Dezember 2016 in rechtlich zulässiger Weise von der ihm am 25. Juni 2008 erteilten Erlaubnis zur Unterhaltung eines gewerbsmäßigen Reit- und Fahrbetriebs Gebrauch zu machen. Die abstrakte Aufzählung von Tätigkeiten, die ein Fahrbetrieb durchführen könnte, wird schon dem Umstand nicht gerecht, dass die Erlaubnis aufgrund eines entsprechenden Antrags für einen bestimmten Reit- und Fahrbetrieb erteilt wird und deshalb nicht dazu berechtigt, jegliche in Betracht kommenden gewerblichen Reit- und Fahrbetriebstätigkeiten auszuüben.
Unabhängig davon sind auch die vom Kläger beschriebenen Tätigkeiten ohne das Halten oder Betreuen von Tieren nicht durchführbar.
Einen Reitbetrieb i.S. des § 11 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. c TierSchG unterhält, wer Reittiere anderen zum Reiten zur Verfügung stellt. Einen Fahrbetrieb im Sinne dieser Vorschrift unterhält, wer Reit- oder Zugtiere anderen zum Ziehen von Fahrzeugen oder Schiffen überlässt (Hirt/Moritz/Maisack, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 11 Rn. 4). Es ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht aufgezeigt, wie die von ihm beschriebenen Tätigkeiten ohne das Halten oder Betreuen von Tieren i.S. des § 16a Abs. 1 Nr. 3 TierSchG möglich sein sollten. Halter eines Tieres im Sinne des Tierschutzgesetzes ist, wer die tatsächliche Bestimmungsmacht über das Tier in eigenem Interesse und nicht nur ganz vorübergehend ausübt. Betreuer ist, wer es in einem rein tatsächlichen Sinn übernommen hat, für das Tier zu sorgen oder es zu beaufsichtigen (Hirt/Moritz/Maisack, a.a.O. § 2 Rn. 4). Wer anderen Personen Reittiere zur Verfügung stellt und überlässt, benötigt hierzu auch eine entsprechende Bestimmungsmacht über die Tiere und ist demgemäß als Halter der Tiere zu qualifizieren. Zutreffend führt das Verwaltungsgericht aus, dass der Kläger auch als „bloßer“ Betriebsleiter für die Tiere und deren tierschutzrechtliche „Bereithaltung“ verantwortlich wäre.
Auch aus rechtssystematischen Gründen ergibt sich nicht, dass das Unterhalten eines Reit- oder Fahrbetriebs i.S. des § 11 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. c TierSchG nicht zugleich ein Halten und Betreuen von Tieren im Sinne des Tierschutzgesetzes voraussetzt. Soweit der Kläger vorträgt, es sei sinnwidrig, dass sich allein aus einem Haltungs- und Betreuungsverbot nach § 16a Abs. 1 Nr. 3 TierSchG zugleich die Möglichkeit ergeben solle, eine auf der Grundlage des § 11 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. c TierSchG erteilte Erlaubnis zu widerrufen, treffen die Erwägungen schon im Ansatz nicht zu. Der Beklagte hat den Widerruf der Erlaubnis des Reit- und Fahrbetriebs nicht auf das Vorliegen der Untersagungsverfügung vom 16. Dezember 2016 gestützt, sondern auf diverse Umstände, die ihn nach seiner Auffassung i.S. des § 1 VwVfG LSA i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG berechtigt hätten, die Erlaubnis nicht zu erteilen. Auch das Argument des Klägers, die Auslegung des Verwaltungsgerichts werde dem Umstand nicht gerecht, dass die gesetzlichen Regelungen des § 11 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. c TierSchG und des § 16a Abs. 1 Nr. 3 TierSchG nach ihrem Wortlaut sowie Sinn und Zweck nicht identisch seien, führt nicht weiter: Die Voraussetzungen für die Versagung einer tierschutzrechtlichen Erlaubnis nach der Regelung des § 11 Abs. 2 TierSchG in der Fassung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1207) unterscheiden sich auch unter Zugrundelegung der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auslegung erheblich von den Voraussetzungen für ein Verbot des Haltens und Betreuens von Tieren nach § 16a Abs. 1 Nr. 3 TierSchG. Zudem haben § 11 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. c TierSchG und § 16a Abs. 1 Nr. 3 TierSchG unterschiedliche Regelungsziele: § 11 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. c TierSchG stellt die Unterhaltung eines gewerbsmäßigen Reit- oder Fahrbetriebs unter einen Erlaubnisvorbehalt. § 16a Abs. 1 Nr. 3 TierSchG ermächtigt die Behörde, das Halten oder Betreuen von Tieren zu untersagen, insbesondere bei bestimmten, näher beschriebenen Verstößen gegen § 2 TierSchG. Diese Regelung betrifft das Halten und Betreuen von Tieren im Allgemeinen, nicht nur bei der gewerbsmäßigen Tierhaltung im Zusammenhang mit der Unterhaltung von Reit- und Fahrbetrieben. Auch im Übrigen erschließt sich nicht, warum es sinnvoll sein sollte, dass jemand, dem das Betreuen und Halten von Tieren verboten wurde, gleichwohl einen Reit- und Fahrbetrieb unterhalten dürfte.
c) Ohne Erfolg macht der Kläger ernstliche Zweifel an den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Begründetheit der Klage geltend (Seite 5 bis 28 des Schriftsatzes vom 28. Juni 2021). Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung vorrangig und selbständig tragend darauf gestützt, dass die Klage mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig sei. Lediglich ergänzend hat das Verwaltungsgericht die Auffassung vertreten, dass die Klage auch unbegründet „wäre“. Ist das Urteil selbständig tragend auf mehrere Erwägungen gestützt, so muss jede von diesen mit einem durchgreifenden Zulassungsgrund angegriffen werden (NdsOVG, Beschluss vom 31. Mai 2022 – 1 LA 129/21 – juris Rn. 6). Das ist dem Kläger nicht gelungen.
2. Entsprechendes gilt für den geltend gemachten Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels i.S. des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Der Kläger rügt, dass das Verwaltungsgericht seine Ausführungen im Schriftsatz vom 22. Februar 2021, die identisch seien mit seinen Ausführungen im Abschnitt A BB II in seinem Schriftsatz vom 28. Juni 2021, bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt habe und keine weiteren Ausführungen insbesondere zur Rechtsfolgenseite, Ermessenausübung und Verhältnismäßigkeit ersichtlich seien. Die hier vom Kläger angesprochenen Ausführungen und Erwägungen beziehen sich allein auf die Begründetheit der Klage und nicht auf deren Zulässigkeit.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
III. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf den §§ 40, 47, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat folgt der erstinstanzlichen Wertfestsetzung.
IV. Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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