Verwaltungsrecht

Melderecht, Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, Wegzug ins Ausland, Berichtigung des Melderegisters, Abmeldung von Amts wegen, Kein Verwaltungsakt

Aktenzeichen  M 13 E 21.2521

Datum:
10.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 23254
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
BMG § 6
BMG § 12
VO (EU) 2016/679 (DSGVO) Art. 16
BMG § 20

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen seine melderechtliche Abmeldung von Amts wegen durch die Antragsgegnerin, eine oberbayerische Gemeinde.
Der Antragsteller war bei der Antragsgegnerin unter der Anschrift “A A … … 8 … R …” mit einziger Wohnung gemeldet.
Mit Schreiben vom 27. Januar 2021 bat die Antragsgegnerin die – unter der gleichen Anschrift wohnhafte – Mutter des Antragstellers, eine Kopie ihres Betreuerausweises vorzulegen, weil diese als Betreuerin des Antragstellers eingetragen sei. Nach telefonischer Auskunft der Mutter des Antragstellers am 1. Februar 2021 sei sie noch nie Betreuerin des Antragstellers gewesen; dieser habe keinen Betreuer. Der Antragsteller halte sich seit November 2020 in Italien auf. Am 4. Februar 2021 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin telefonisch mit, dass sein Wohnsitz “hier” sei, er in Italien “auf Probe” wohne und er Pendler sei. Er solle nicht abgemeldet werden. Falls er umziehe bzw. wegziehe, werde er sich persönlich abmelden.
Nach einer von der Antragsgegnerin erbetenen Wohnungsnachschau durch die Polizeiinspektion B … am 16. März 2021 teilte diese mit Kurzmitteilung vom 17. März 2021 mit, dass unter der gemeldeten Wohnadresse die Mutter des Antragstellers angetroffen worden sei. Sie habe angegeben, dass dieser bereits im Oktober 2020 verzogen sei und auch nicht mehr zurückkehre. Auf Nachfrage wohin, habe sie keine Antwort gegeben. Sie habe noch geäußert, sie wolle “demnächst aber auch Deutschland verlassen”. Somit sei anzunehmen, dass der Antragsteller sich im Ausland aufhalte, der genaue Aufenthaltsort habe jedoch nicht geklärt werden können. Im Nachgang habe der Antragsteller am 16. März 2021 bei der Polizeiinspektion angerufen und sich über die Wohnungsnachschau beschwert. Nach Erklärung, dass diese im Rahmen der Amtshilfe getätigt worden sei und die Anordnung von der Antragsgegnerin gekommen sei, habe der Antragsteller erklärt, er werde sich bezüglich einer Beschwerde an die Antragsgegnerin wenden. Seinen derzeitigen Aufenthaltsort habe der Antragsteller nicht angegeben.
Am 22. März 2021 wurde der Antragsteller durch die Antragsgegnerin aus der bisherigen Wohnung mit Auszugsdatum 16. März 2021 “v.A.w. nach unbekannt abgemeldet”. Eine Mitteilung hierüber an den Antragsteller erfolgte nach Lage der von der Antragsgegnerin vorgelegten Akte nicht.
Am 28. März 2021 erhob der Antragsteller unter Verwendung der Anschrift “A A … … 8 … R …” gegen die Antragsgegnerin Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte festzustellen, dass die seitens der Antragsgegnerin in Bezug auf den Antragsteller angeordneten Aufenthaltsortsermittlungsmaßnahmen rechtswidrig gewesen seien, soweit es die – in Amtshilfe seitens der Polizei – durchgeführten “Hausbesuche” vom 16. März 2021 und 24. März 2021 betreffe (Antrag Nr. 1). Die Antragsgegnerin trage die Verfahrenskosten, einschließlich der dem Antragsteller entstandenen notwendigen Auslagen (Nr. 2).
Der Antragsteller erklärte unter anderem, dass er in einem Telefonat von unbekanntem Datum im Februar 2021 gegenüber der Antragsgegnerin ausgeführt habe, dass er zwar in Italien primär lebe, er jedoch ebenso zeitweilig und vor allem regelmäßig in Deutschland präsent sei. Der alte Wohnsitz bleibe erhalten. Die Antragsgegnerin solle einen rechtsmittelfähigen Verwaltungsakt erlassen, sollte sie anderer Auffassung sein.
Die Antragsgegnerin habe zwei Nachschauen angeordnet und sich hierzu einmal dreier Beamter der Polizeiinspektion B … (16.3.2021) und ein weiteres Mal eines Beamten der Polizeiinspektion R … (24.3.2021) bedient. Die Maßnahmen hätten seine Mutter, welche durch vergangene Polizeieinsätze traumatisiert sei, derart schockiert, dass sie laut eigenen Angaben jedenfalls wegen des ersten Einsatzes am 16. März 2021 Beruhigungsmittel habe einnehmen müssen. Er habe bereits am 17. März 2021 bei der Antragsgegnerin angerufen, mit gerichtlichen Maßnahmen gedroht und erneut darüber informiert, dass er aktuell abwesend sei. Davon unbeeindruckt habe die Antragsgegnerin in willkürlicher Art und Weise nur eine Woche später noch einmal einen Polizeieinsatz zur Nachschau angeordnet.
Auf weitere telefonische Rücksprache bei der Antragsgegnerin am 25. März 2021 habe sich die Mitarbeiterin kurz angebunden gegeben und der Geschäftsstellenleiter habe sich seiner Überzeugung nach verleugnen lassen, weshalb die direkte Erhebung eines Feststellungsantrags notwendig sei, um der Antragsgegnerin aufzuzeigen, dass ihre Maßnahmen rechtswidrig gewesen seien.
Der Feststellungsantrag sei zulässig. Aus dem Sachverhalt ergebe sich eindeutig eine Wiederholungsgefahr. Die Antragsgegnerin sei nämlich der Auffassung, er müsse sich bei einer Gründung eines weiteren Erstwohnsitzes in der EU bei der Antragsgegnerin abmelden, zumindest dann, wenn er nicht über einen gewissen Zeitraum (auch) in Deutschland sein würde. Unabhängig von der unrichtigen Rechtsauffassung der Antragsgegnerin sei zu besorgen, dass diese auch künftig Nachschauen zur “Aufenthaltsermittlung” veranlassen werde, habe sie dies doch bereits getan, obwohl sie von ihm selbst über seine Abwesenheit in Kenntnis gesetzt worden sei.
Der Feststellungsantrag sei auch begründet, weil es für die Anordnung der antragsgegenständlichen Maßnahmen bereits an einem ausreichenden Grund gefehlt habe und sich diese auch so, insbesondere wegen der weiteren Nachschau am 24. März 2021, als unverhältnismäßig darstellten. Die Polizeieinsätze seien deswegen offenkundig rechtswidrig gewesen, da sie willkürlich angeordnet worden seien. Die Antragsgegnerin habe bereits nicht die Befugnis zur Anordnung der Maßnahme gehabt, weil die Gründung eines zweiten Erstwohnsitzes (nicht Zweiwohnsitz) in der EU zulässig und eine Abmeldung zu keinem Zeitpunkt erforderlich gewesen sei. Ebenso wenig hätte er sich nach der Gründung des zweiten Erstwohnsitzes zur Rechtfertigung des deutschen Erstwohnsitzes zum Zeitpunkt der Polizeieinsätze in Deutschland aufhalten müssen. Die Nachschau habe also gar keine Anknüpfungstatsachen erbringen können, die in der Folge verwaltungsbehördlich verwertbar hätten sein können. Dies gelte umso mehr, als die Antragsgegnerin von ihm selbst über seine Abwesenheit informiert worden sei.
Über die unter dem gerichtlichen Aktenzeichen M 13 K 21.1701 geführte Klage wurde noch nicht entschieden.
Mit Schriftsatz vom 6. Mai 2021, bei Gericht per Telefax eingegangen am 10. Mai 2021, beantragte der Antragsteller “im Rahmen der Klagehäufung unter Beibehaltung der Vornummerierung” zusätzlich, die seitens der Antragsgegnerin verfügte Abmeldung des Antragstellers von seinem deutschen Erstwohnsitz unter der Adresse: A A … … 8 … R …, als rechtwidrig aufzuheben (Antrag Nr. 3).
Zusätzlich hat er mit diesem Schriftsatz beantragt (Nr. 4),
die angefochtene Maßnahme zu 3) bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig auszusetzen.
Die Kosten des Eilverfahrens seien ebenfalls der Antragsgegnerin aufzuerlegen (Nr. 5).
Zum Sachverhalt im Antragsschreiben vom 28. März 2021 sei lediglich noch anzufügen, dass sein Bewährungshelfer ihm telefonisch mitgeteilt habe, dass seine Abmeldung von der antragsgegenständlichen Adresse von Amts wegen erfolgt sei. Gegen jene Abmeldung von Amts wegen richte sich der Anfechtungsantrag.
Den Sachverhalt und die weiteren Ausführungen im Antragsschreiben vom 28. März 2021 berücksichtigend liege ein Anordnungsanspruch vor.
Darüber hinaus liege auch ein Anordnungsgrund vor, da sein Personalausweis abgelaufen sei und er eine Neuausstellung beantragen müsse, welche ihm aufgrund der aktuellen Situation unmöglich sei. Ferner seien diverse Verträge, beispielsweise auch die KFZ-Versicherung, davon abhängig, dass ein Wohnsitz in Deutschland bestehe, was auch auf die Mobilfunkverträge zutreffen dürfte. Es liege auf der Hand, dass die Abmeldung mit diversen Rechtsbeeinträchtigungen einhergehe (auch wenn nun ohne Personalausweis Videoident-Verfahren durchgeführt werden sollten, was unmöglich sei und so seine Rechtswahrnehmung nicht nur beeinträchtige, sondern gar vereitele).
Da die Maßnahme der Antragsgegnerin als offensichtlich rechtswidrig einzustufen sei, erscheine eine Aussetzung bis zu einer Hauptsacheentscheidung angezeigt. Auch eine Folgenabwägung spreche für ihn.
Die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin haben für diese mit Schriftsatz vom 18. Mai 2021 beantragt,
“den Antrag zurückzuweisen”.
Es fehle an einem Anordnungsanspruch, da die von Amts wegen erfolgte Abmeldung rechtmäßig sei. Der Antragsteller lebe nach seinen eigenen Aussagen in Interviews mit der “Zeit” und der “Bild” mittlerweile in Italien. Diese vom Antragsteller erteilten Auskünfte deckten sich mit den von der Antragsgegnerin im Wege der Amtsermittlung zutage geförderten Tatsachen, wonach der Antragsteller Deutschland im September 2020 den Rücken gekehrt habe.
Mit Schriftsatz vom 29. Mai 2021 zum Klageverfahren erklärten die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin, dass auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werde.
Der Kläger habe sich im Dezember 2008 in der Wohnung “A A … …” in … R … angemeldet. Es handele sich um eine gemeindeeigene Wohnung mit zwei Zimmern zu insgesamt 54,32 qm, die von der Mutter des Antragstellers mit Vertrag vom 7. Juli 1983 angemietet worden sei.
Bei einem Abgleich melderechtlicher Daten im Januar 2021 sei ein Vermerk des bisherigen Wohnsitzes, der Stadt Hof, ins Auge gefallen, wonach die Mutter des Antragstellers dessen Betreuerin sein solle. Ein entsprechendes Dokument sei nicht bei den Akten gewesen. Deshalb habe man sich mit Schreiben vom 27. Januar unmittelbar an die Mutter des Antragstellers gewandt und um Aushändigung einer Kopie ihres Betreuerausweises gebeten. Die Mutter habe am 1. Februar 2021 angerufen und mitgeteilt, dass sie noch nie gesetzliche Betreuerin des Antragstellers gewesen sei, dieser noch nie einen gesetzlichen Betreuer gehabt habe. Zudem wohne ihr Sohn seit November 2020 in Sizilien bei seiner Verwandtschaft, die genauere Anschrift sei ihr nicht bekannt. Die Mutter des Antragstellers habe die Telefonnummer eines Herrn (…) mitgeteilt, den die Antragsgegnerin wegen der Betreuung kontaktieren solle. Herr (…) habe bei einer telefonischen Nachfrage der Antragsgegnerin lediglich erklärt, der Schweigepflicht zu unterliegen, kein Betreuer zu sein und zuzusagen, er werde sich mit dem Antragsteller wegen der Abmeldung in Verbindung setzen.
Am 4. Februar 2021 habe sich der Antragsteller bei der Antragsgegnerin gemeldet und mitgeteilt, er wisse schon selbst, wann er sich abmelden müsse. Er habe seinen Wohnsitz in Raubling, wohne auf Probe in Italien und sei Pendler. Falls er wegziehe, werde er sich persönlich abmelden. Er wünsche jetzt keine Abmeldung.
Weil die Einlassung des Antragstellers wenig plausibel geklungen habe, habe sich die kommunale Wohnungsverwaltung am 8. März 2021 mit der Bitte um Auskunft an den zuständigen Hausmeister gewandt. Dieser habe von der Mutter erfahren, dass der Antragsteller nach Sizilien gezogen sei.
Mit E-Mail vom 11. März 2021 habe sich die Antragsgegnerin an die Polizeiinspektion B … mit der Bitte um Prüfung gewandt, ob der Kläger noch an seinem gemeldeten Wohnort wohne. Die Polizei sei an der Wohnadresse vorstellig geworden und habe die Mutter des Antragstellers befragt. Diese habe unmissverständlich erklärt, dass der Antragsteller im Oktober 2020 verzogen sei, habe aber im Übrigen keine näheren Angaben gemacht. Als Folge der polizeilichen Nachschau sei der Antragsteller am 22. März 2021 von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet worden. Von einer Polizeistreife am 24. März 2021 sei der Antragsgegnerin nichts bekannt. Sie habe eine solchen Besuch nicht veranlasst, habe auch keinen Anlass dazu gehabt. Die Abmeldung sei ja bereits am 22. März 2021 erfolgt.
Im April 2021 habe der Antragsteller der “Zeit” und “Bild” Interviews gegeben und dort selbst erklärt, er lebe mittlerweile in Italien.
In rechtlicher Hinsicht führten die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, dass Melderegister müsse von der Meldebehörde fortgeführt bzw. berichtigt werden, wenn es unrichtig oder unvollständig sei. Aufgrund der Äußerungen der Mutter, die zugleich Wohnungsgeberin des Antragstellers gewesen sei, habe die Antragsgegnerin annehmen müssen, dass eine rechtwidrig unterlassene Abmeldung des Wohnsitzes vorliege, das Melderegister also unrichtig gewesen sei. Der Meldesachverhalt sei daher von Amts wegen zu ermitteln gewesen. Als Ermittlungsmaßnahmen kämen hierbei insbesondere Befragungen Dritter, Auskunftsersuchen an öffentliche Stellen und das Beiziehen von Urkunden in Betracht. Aufgrund der sehr vagen Einlassungen des Antragstellers im Telefonat vom 4. Februar 2021 – wo er genau lebe habe er nicht gesagt, wie sich ein “Pendeln” darstelle habe er nicht erläutert -, die zudem im Gegensatz zu der Erklärung der Mutter gegenüber der Antragsgegnerin und gegenüber anderen Dritten gestanden seien, sei die Hinzuziehung der Polizeiinspektion B … geboten und angemessen gewesen. Die Antragsgegnerin verfüge über keinen eigenen Ermittlungsdienst. Aufgrund der Einlassung des Antragstellers sei die Einleitung einer Aufenthaltsermittlung über die örtliche Polizeidienststelle gerechtfertigt gewesen. Eine “überzogene” Amtshandlung liege nicht vor.
Tatsächlich lebe der Antragsteller gar nicht mehr in Deutschland, er sei aus der Wohnung in R … ausgezogen. Es fehle auch an jeglichen Hinweisen für eine bloß vorübergehende Unterbrechung der Wohnungsnutzung. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse sei unter keinem Aspekt erkennbar. Weder liege hier ein überzogener schwerwiegender Grundrechtseingriff vor, noch bestehe Wiederholungsgefahr.
In einem weiteren Schriftsatz vom 29. Mai 2021 erklärten die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin zum vorliegenden Antragsverfahren, dass ein Anordnungsanspruch nicht bestehe. Sei das Melderegister unrichtig oder unvollständig, müsse die Meldebehörde es fortführen bzw. berichtigen. Die Ermittlung des Meldesachverhalts von Amts wegen habe ergeben, dass der Antragsteller gar nicht mehr in Deutschland lebe, aus der Wohnung in R … ausgezogen sei und Deutschland dauerhaft verlassen habe.
Ein Anordnungsgrund sei nicht gegeben. Zwar sei es richtig, dass der Personalausweis des Antragstellers zum 20. Oktober 2020 abgelaufen sei. Allerdings genüge der Antragsteller seiner Ausweispflicht durch seinen noch bis zum 28. Juni 2025 gültigen Reisepass. Der Antragsteller könne ohne weiteres bei der für ihn zuständigen Auslandsvertretung einen Personalausweis beantragen, ohne in R … angemeldet zu sein. Es würde sogar möglich sein, dass die Antragsgegnerin als unzuständige Behörde ein solches Dokument ausstelle.
In weiteren Schriftsätzen vom “6.5.2021” (Fax am 28.5.2021), vom 9. Juni 2021 und vom 16. Juni 2021 führte der Antragsteller im Wesentlichen noch aus, dass ein Anordnungsanspruch bestehe, weil seine Abmeldung rechtwidrig gewesen sei. Bis März habe es noch keinen Grund für eine Abmeldung gegeben, weil der Abzug ungewiss gewesen sei. Es habe noch gar nicht festgestanden, ob einer dauerhafter Verzug stattfinden solle oder nicht. Es habe sich um einen Auslandsumzug “auf Probe” gehandelt. Erst gegen Ende März habe er beschlossen, in Italien zu verbleiben, aber die alte Wohnung weiter zu nutzen, wofür sie bereitgestanden habe und noch stehe, wobei gleichzeitig noch kein Jahr seit Wegzug verstrichen sei. Er habe den festen Willen, einmal oder mehrmalig im Jahr nach Deutschland zu kommen (insgesamt etwa zwei Monate) und zu diesem Zweck die Wohnung unter der antragsgegenständlichen Meldeadresse zu beziehen. Zu diesem Zweck befänden sich auf dem Dachboden Bett, Kleidung, Hygieneartikel ec.
Er habe eine “komplette Einrichtung” von sich zugriffsbereit auf dem Dachboden zurückgelassen, um diese im Falle der sporadischen Rückkehr nutzen zu können, als im März 2021 ein großer Transport bezüglich der Wohnungseinrichtung nach Sizilien stattgefunden habe.
Bislang habe er nur deshalb nicht nach Deutschland zurückkehren können, weil die aktuelle Corona-Lage dies drastisch erschwere und er vorläufig davon abgesehen habe. Allein auf seinen Willen und seine Vorstellung komme es an, nicht auf den Dritter oder Aussagen in der Presse. Richtig sei lediglich, dass er gegenüber der Presse erwähnt habe, er werde nie wieder auf Dauer in Deutschland wohnen. Der Postempfang sei gesichert. Er erhalte sämtliche Post per E-Postscan, für den Fall der Unscanbarkeit werde die Post seitens seiner Mutter geöffnet und weitergeleitet. Die Polizei habe die Wohnung zu keinem Zeitpunkt betreten, was seine Mutter auch untersagt habe. Wie sie unter diesen Umständen seine An- oder Abwesenheit oder die Verfügbarkeit der Wohnung substanziell hätte prüfen können, erschließe sich ihm nicht.
Zum Anordnungsgrund sei noch nachzutragen, dass seine Recherche ergeben habe, dass es keiner Anmeldung zur Anforderung eines neuen Ausweisdokuments bedürfe. Somit sei dieser Aspekt auszuklammern. Hinzu komme aber, dass seine Konten bei Banken mit der Abmeldung zu kündigen wären, da diese einen deutschen Wohnsitz erforderten. Der Anordnungsgrund liege also im faktischen Eingriff in vertragliche Beziehungen zwischen ihm und Versicherungen und Banken, wobei hier auch Rechte berührt seien (deutsche Steuerpflicht, etc.), die er bislang noch gar nicht berücksichtigt habe.
Er habe einen Kontoeröffnungsantrag bei einer weiteren Bank mittels seines noch gültigen Reisepasses gestellt und sich hierfür mittels Videoident legitimiert. Nunmehr sei die Eröffnung des Kontos daran gescheitert, dass er über keinen Wohnsitz in Deutschland verfüge und die seitens der Bank angeforderte Meldebescheinigung nicht vorzeigen könne. Damit liege nun auch ein greifbarer Anordnungsgrund vor (in dem vom Antragsteller hierzu vorgelegten Schreiben einer Bank vom 27. Mai 2021 heißt es unter anderem wörtlich: “zur umgehenden Bearbeitung der von Ihnen eingereichten Unterlagen benötigen wir Ihre Mithilfe. Wir bitten Sie die folgenden noch ausstehenden Unterlagen oder fehlenden Informationen nachzureichen: Aus Ihrem zur Legitimation genutzten Ausweisdokument geht ihre Adresse nicht hervor. Bitte beachten Sie, dass wir einen amtlichen Nachweis mit Ihrem aktuellen steuerlichen Hauptwohnsitz in Kopie benötigen (z.B. Personalausweis, Aufenthaltstitel, Steuerbescheid, Meldebescheinigung). Ausländische Wohnsitzbestätigungen können nur in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch oder Spanisch akzeptiert werden. Von nicht EU-Staatsangehörigen benötigen wir einen gültigen Aufenthaltstitel in Kopie.”).
Es sei der Antragsgegnerin im Rahmen der Folgenabwägung ohne Weiteres zuzumuten, die angefochtene Maßnahme vorläufig aufzuheben.
Die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin führten in weiteren Schriftsätzen vom 8. Juni 2021 und vom 16. Juni 2021 im Wesentlichen noch aus, dass der Antragsteller letztlich eine Vorwegnahme der Hauptsache begehre, ohne dass er glaubhaft gemacht habe, dass ein Durchlaufen eines Hauptsacheverfahrens für ihn unzumutbare Folgen haben würde und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spreche.
Der Antragsteller beschränke sich lediglich auf unsubstantiiertes Bestreiten der Richtigkeit der von der Antragsgegnerin getroffenen Feststellungen. Eine Anmeldung setze die tatsächliche Benutzung einer Wohnung mit der Absicht, diese für einen nicht unerheblichen Zeitraum zu nutzen, voraus. Die Beweis- und Darlegungslast liege beim Antragsteller. Dieser räume selbst ein, dass er “Ende März” beschlossen habe, in Italien “zu verbleiben”, nachdem er im Februar noch angegeben habe, er “pendle”. Er behaupte nicht, dass er sich seit seinem Weggang nach Italien im Oktober 2020 jemals tatsächlich in Deutschland aufgehalten habe. Es sei falsch, dass es für eine Weiteranmeldung genügen würde, dass die Wohnung dauerhaft zur Verfügung stehe und die Absicht bestehe, sie wieder aufzusuchen. Aus den Schilderungen des Antragstellers ergebe sich allenfalls die Absicht, seine Mutter zu besuchen. Selbst ein tatsächlicher Besuch bei seiner Mutter würde aber kein Wohnungsbezug im Sinne des Melderechts sein. Die Behauptung, dass Bett, Kleidung und Hygieneartikel in der Wohnung bereitlägen, werde bestritten und reiche für die Annahme eines Wohnungsbezugs auch nicht aus.
Dass der Antragsteller eine “komplette Einrichtung” zurückgelassen habe, müsse bezweifelt werde. Mit der Aussage “für den Fall einer sporadischen Rückkehr” werde aus melderechtlicher Sicht kein die Anmeldung auslösender Wohnungsbezug ausgelöst.
Eine Jahresfrist sei kein Kriterium und dass der Postempfang gesichert sei oder dass ein Briefkasten vorgehalten werde, begründe keinen Wohnungsbezug, erst recht nicht eine nur computertechnisch generierte postalische Erreichbarkeit.
In seinen Schriftsätzen vom 20. Juni 2021 und vom 6. Juli 2021 vertrat der Antragsteller die Rechtsauffassung, dass es sich bei der Fortschreibung des Melderegisters durch Abmeldung von Amts wegen um einen feststellenden Verwaltungsakt handele, da die Meldebehörde mit dieser Maßnahme verbindlich feststelle, dass der Betroffene keine Wohnung in der Gemeinde habe und so seinen Status regele. Die Aussetzung der angefochtenen Maßnahme nehme die Hauptsache nicht vorweg, sondern die Außerkraftsetzung sei typische Folge des Rechtsmittels. Eine Vorwegnahme würde lediglich bei einem Verpflichtungsantrag denkbar sein. Ein solcher sei jedoch nicht gestellt, denn es werde die Außervollzugsetzung eines erlassenen Verwaltungsakts, mithin die Änderung eines bestehenden Zustands angefochten, kein Neuerlass begehrt. Soweit es sich hier um einen kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsantrag handele, betreffe die Leistungsseite lediglich die Folgenbeseitigung. Der angefochtene Verwaltungsakt habe zudem Außenwirkung. Damit seien keine erhöhten Anforderungen an den Eilantrag zu stellen, wie dies beispielsweise bei einer Vorwegnahme der Hauptsache der Fall sein würde.
Die Antragsgegnerin habe die Berichtigung des Melderegisters vorgenommen, ohne vorher abschließendes rechtliches Gehör zu den von ihr getätigten Ermittlungen zu gewähren und ihn damit zum bloßen Objekt ihres Verfahrens degradiert. Er habe insoweit nämlich auch einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu einer möglichen Abmeldung von Amts wegen gefordert, der nicht ergangen und ihm auch zu keinem Zeitpunkt zugestellt worden sei. Mangels Begründung sei ein kompletter “Ermessensausfall” anzunehmen. Die Darlegungslast treffe die Antragsgegnerin.
Die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin erklärten im Schriftsatz vom 27. Juni 2021, dass der Antragsteller durch die Antragsgegnerin keinesfalls “zum Objekt degradiert” worden sei. Er sei im Telefonat vom 4. Februar 2021 davon in Kenntnis gesetzt worden, dass eine Abmeldung im Raum steht. Das sei nichts anderes als eine Anhörung gewesen. Die vagen und nicht plausiblen Einlassungen des Antragstellers hätten zur Amtsermittlung mithilfe von Polizeibeamten veranlasst.
Eine Abmeldung sei, wie an diesem Fall exemplarisch deutlich werde, nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren, da es die abgemeldete Person durch Weigerung der Angabe ihres neuen Aufenthaltsortes ansonsten in der Hand haben würde, über ihre Wirksamkeit zu disponieren.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des sonstigen Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Klageverfahren M 13 K 21.1701 sowie auf die von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 31. Mai 2021 vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
1. Erklärtes Rechtsschutzziel des Antragstellers (Antrag Nr. 4 im Schriftsatz vom 6.5.2021) ist die – bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache – vorläufige Aussetzung der seitens der Antragsgegnerin verfügten Abmeldung von Amts wegen, die er in der Hauptsache als rechtswidrig aufzuheben beantragt (Antrag Nr. 3).
2. Statthafter Rechtsbehelf hierfür ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1, Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), weil ein Fall des § 80 VwGO nicht vorliegt. Die von der Antragsgegnerin am 22. März 2021 vorgenommene Abmeldung des Antragstellers von der Anschrift “A A … … 8 … R …” stellt keinen Verwaltungsakt dar.
a) Durch eine Anfechtungsklage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt werden (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Verwaltungsakt ist nach Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Das gilt nach § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a VwGO). Entfällt die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise nach § 80 Abs. 2 VwGO, so kann das Gericht der Hauptsache nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen oder wiederherstellen, wobei § 80 Abs. 6 VwGO zu beachten ist. Wird von einer Behörde die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage in Frage gestellt, kann analog § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ein Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt werden.
b) Eine von einer Meldebehörde nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Bundesmeldegesetz (BMG; Inkrafttreten am 1.11.2015) vorgenommene Berichtigung des Melderegisters im Wege einer Abmeldung von Amts wegen stellt per se keinen Verwaltungsakt dar, weil eine solche zumindest nicht auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Im Melderegister sollen nur die tatsächlichen Verhältnisse abgebildet werden. Rechtliche Folgen etwa für das Kommunalwahlrecht oder die Bürgerbeteiligung stellen sich für den Betroffenen lediglich mittelbar ein.
Die Berichtigung ist vielmehr als tatsächliches Verwaltungshandeln zu qualifizieren (Realakt; Süßmuth, Bundesmeldegesetz, 31. EL Dezember 2013, § 12 Rn. 12; Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, Teil V: MeldePass- und Ausweisrecht, Nr. 5 Rechtsschutz, Rn. 38; VG München, U.v. 23.1.2018 – M 13 K 17.1793 – juris und beck-online; B.v. 12.9.2019 – M 13 K 18.623 – Rn. 16, nicht veröffentlicht [Entscheidung über Prozesskostenhilfe]). Prozessual ist die allgemeine Leistungsklage statthaft; vorläufiger Rechtsschutz wird nach § 123 VwGO gewährt.
Soweit teilweise die Ansicht vertreten wird, dass eine Abmeldung von Amts wegen stets die verbindliche Feststellung in Form eines Verwaltungsakts enthalte, dass der Betroffene im Zuständigkeitsbereich der Behörde keine Wohnung habe, die er zum Wohnen in Anspruch nehme (z.B. Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, Teil V: MeldePass- und Ausweisrecht, Nr. 5 Rechtsschutz, Rn. 40), wird dabei – wie auch hinsichtlich einer verbindlichen Feststellung des Hauptwohnsitzes durch eine Meldebehörde (ebenda) – übersehen, dass in der jeweils in Bezug genommenen Rechtsprechung Fälle entschieden wurden, in denen von den Behörden Bescheide, die Gegenstand der jeweiligen verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren waren, also Verwaltungsakte gesondert erlassen wurden (Abmeldung von Amts wegen: VGH Kassel, B.v. 27.8.2009 – 7 A 1884/09 – BeckRS 2009, 39305; Feststellung des Hauptwohnsitzes: VGH Mannheim, U.v. 21.7.1986 – 1 S 3060/85 – NJW 1987,209). Das gilt auch für die vom Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 6. Juli 2021 zitierte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 9.12.1988 – 5 B 87.04031 – NVwZ-RR 1989, 365; B.v. 27.7.1998 – 5 ZS 98.1714 – NVwZ 1998, 1318; VG München, B.v. 30.7.2008 – M 22 E 08.3571 – juris – übersieht dies).
Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt in einem Beschluss vom 12. Juli 2018 (5 ZB 18.479 – Rn. 3 – nicht veröffentlicht; ergangen zur o.g. Entscheidung: VG München, U.v. 23.1.2018 – M 13 K 17.1793 – juris und beck-online) aus:
“Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass der Kläger die streitgegenständliche Wohnung am (…) im melderechtlichen Sinne nicht bewohnte und deshalb zu Recht das Melderegister berichtigt wurde, weil der Kläger die Wohnnutzung bis zu seinem Umzug nach Berlin zum (…) auch nicht wieder aufgenommen hat. Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Berichtigung des Melderegisters für den maßgeblichen Zeitraum vom (…) bis (…) nach § 9 Nr. 2 i.V.m. § 12 BMG. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), wobei offenbleiben kann, ob und unter welchen Umständen der Berichtigung des Melderegisters ein Verwaltungsakt, wie der Kläger in der Zulassungsbegründung meint, vorausgehen kann, weil ein solcher hier offensichtlich nicht ergangen ist.”
Eine bloße Mitteilung der Meldebehörde an den Betroffenen über eine vollzogene Berichtigung stellt ebenfalls nur schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln dar (Süßmuth, Bundesmeldegesetz, 31. EL Dezember 2013, § 12 Rn. 12), noch keinen Verwaltungsakt.
Erst wenn ein Betroffener – ggfs. nach einer solchen Mitteilung über eine Berichtigung – nach § 12 Satz 1 BMG i.V.m. Art. 16 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der RL 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO) einen Antrag bei der Meldebehörde auf Berichtigung stellt (Rückgängigmachung der Abmeldung von Amts wegen; Feststellung, dass eine andere Wohnung die Hauptwohnung sei) und dieser abgelehnt wird, liegt tatbestandsmäßig ein Verwaltungsakt vor. Ein solcher Verwaltungsakt könnte auch mündlich ergehen (Art. 37 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG), was jedoch tunlichst aktenkundig gemacht werden sollte. Statthaft ist dann die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO; sog. Versagungsgegenklage); vorläufiger Rechtsschutz wird nach § 123 VwGO gewährt. Unterlässt die Meldebehörde den Erlass eines beantragten Verwaltungsakts, kann Untätigkeitsklage erhoben werden (§ 75 VwGO).
c) Vorliegend stellt die von der Antragsgegnerin am 22. März 2021 vorgenommene Abmeldung des Antragstellers von der Anschrift “A A … … 8 … R …” für sich genommen keinen Verwaltungsakt dar. Es blieb beim Realakt der Berichtigung des Melderegisters als solchen. Auch der Antragsteller selbst führte aus, dass ein von ihm begehrter rechtsmittelfähiger Bescheid hinsichtlich einer Abmeldung nicht ergangen sei. Die Frage einer damals unterlassenen Anhörung nach Art. 28 BayVwVfG ist deswegen rechtlich irrelevant. Im Hinblick auf das Klageverfahren gilt es, die Heilungsvorschrift des Art. 45 Abs. 1 und 2 BayVwVfG zu beachten.
3. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern (Regelungsanordnung).
Eine derartige einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO setzt sowohl ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes aufgrund Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in einem (etwaigen) Hauptsacheverfahren. Das Vorliegen eines derartigen Anordnungsgrunds und Anordnungsanspruchs ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Das Gericht kann jedoch dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte.
Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot eines effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) gilt dieses grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache nur dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (Eyermann/Happ, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 66a mwN).
4. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
a) Würde die streitgegenständliche Berichtigung des Melderegisters in Gestalt der Abmeldung des Antragstellers vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache “ausgesetzt”, d.h. der Antragsteller wieder unter der streitgegenständlichen Anschrift als dort wohnhaft ins Melderegister eingetragen, würde dem Antragsteller für diesen Zeitraum das gewährt, was er an sich nur im Hauptsacheprozess erreichen kann, die Hauptsache also insoweit – ohne dass dies später für zwischenzeitliche melderechtliche Vorgänge rückgängig gemacht werden könnte – vorweggenommen.
b) Es ist jedoch vom Antragsteller bereits nicht glaubhaft gemacht, dass ihn ohne die begehrte vorläufige Regelung unzumutbare Nachteile treffen würden. Deutsche Ausweispapiere kann der Antragsteller nach Aussage der Antragsgegnerin von der zuständigen Auslandsvertretung erhalten, subsidiär auch bei ihr als unzuständiger Meldebehörde. Dies wird nunmehr auch vom Antragsteller eingesehen. Nachteile hinsichtlich bestehender Verträge hat der Antragsteller nur behauptet, jedoch durch nichts belegt oder gar glaubhaft gemacht. Soweit der Antragsteller ein Schreiben einer Bank vom 27. Mai 2021 vorlegt und behauptet, dass ihm mangels deutschen Personalausweises (mit Wohnanschrift) oder Meldebescheinigung keine Kontoeröffnung möglich sei, lässt er unerwähnt, dass die Bank alternativ eine ausländische Wohnsitzbestätigung in den angegebenen Sprachen akzeptieren würde. Es ist nicht ersichtlich, dass es dem Antragsteller nicht möglich sein sollte, einen entsprechenden Nachweis italienischer Behörden beizubringen. Im Übrigen geht aus dem Vortrag des Antragstellers hervor, dass er bereits Konten bei zwei anderen Banken hat.
c) Selbst wenn man nicht von den gesteigerten Anforderungen im Falle einer (teilweisen bzw. zeitweisen) Vorwegnahme der Hauptsache ausgehen würde, hätte der Antragsteller aus den genannten Gründen einen (normalen) Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
d) Es spricht zudem weder (bei Annahme einer zeitweisen Vorwegnahme der Hauptsache) ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg des geltend gemachten Begehrens im Hauptsacheverfahren, noch hat der Antragsteller im regulären Sinne einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Zwar kann im gegenwärtigen Stand des Verfahrens vorläufigen Rechtsschutzes der Ausgang des vom Antragsteller bereits angestrengten Hauptsacheverfahrens noch nicht abschließend beurteilt werden, jedoch spricht der Akteninhalt bei notwendiger, aber auch ausreichender summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage überwiegend für die Richtigkeit der nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BMG erfolgten Abmeldung von Amts wegen, so dass der Antragsteller keinen Anspruch aus § 12 Satz 1 BMG i.V.m. Art. 16 DSGVO auf (unverändert beibehaltene oder erneut vorgenommene) Eintragung der streitgegenständlichen Anschrift als Wohnung in das Melderegister hat.
Die Eintragung einer Wohnung im Melderegister setzt nach § 20 BMG eine tatsächliche Nutzung dieser Wohnung voraus. Eine bloße Berechtigung zur Benutzung ist dabei unerheblich. Zusätzlich muss die Absicht bestehen, die Wohnung für einen nicht unerheblichen Zeitraum zu benutzen (vgl. Nr. 17.1.1 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Bundesmeldegesetzes – BMGVwV). Auszug bedeutet das tatsächliche, endgültige Verlassen einer Wohnung. Kein Auszug, sondern lediglich eine vorübergehende Unterbrechung der Benutzung einer Wohnung liegt vor, wenn die Absicht und die tatsächliche Möglichkeit bestehen, die Benutzung der Wohnung fortzusetzen (Nr. 17.2.2 BMGVwV). “Beziehen” bedeutet, dass der Betreffende tatsächlich in die Wohnung einzieht, sie also tatsächlich benutzt, und zwar – wie sich aus § 20 Satz 1 BMG ergibt – zum Wohnen und/oder Schlafen. Unter Wohnen ist zu verstehen, dass eine Wohnung für die Angelegenheiten des täglichen Lebens wie Aufhalten, Essen und Schlafen benutzt wird (Böttcher/Ehmann, MeldeG [seit 31.10.2015 außer Kraft] nunmehr BMG, Art. 13 Rn. 23).
Aufgrund der zunächst wenig aufschlussreichen Aussagen der Mutter des Antragstellers und auch des Antragstellers selbst in den Anfang Februar 2021 geführten Telefonaten war die Antragsgegnerin nach § 6 Abs. 3 BMG berechtigt und verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Hierfür durfte sie die örtlich zuständige Polizei um eine Wohnungsnachschau bitten. Dass die Mutter des Antragstellers den Polizeibeamten am 16. März 2021 den Zutritt zur Wohnung verwehrt hat war in dieser Situation ihr gutes Recht, verhinderte jedoch auch, dass sich die Polizeibeamten einen Eindruck von der Wohnung hätten verschaffen können, der hypothetisch den Angaben des Antragstellers hätte entsprechen können. Die Erkenntnisse der Polizei gemäß Kurzmitteilung vom 17. März 2021 zu Grunde legend durfte die Antragsgegnerin davon ausgehen, dass der Antragsteller die im Melderegister gespeicherte Wohnung jedenfalls ab dem 16. März 2021 im melderechtlichen Sinn nicht mehr bewohnte und deshalb die Wohnung im Melderegister zu löschen war.
Die Richtigkeit dieser Auffassung wurde nachträglich durch die Einlassungen des Antragstellers selbst im vorliegenden Verfahren bestätigt. In der Gesamtschau ergibt sich das Bild eines vollständig nach Italien umgezogenen Antragstellers, der gegenwärtig lediglich besuchsweise – wenn unter Umständen dann anlassgemäß auch für längere Zeit – nach Deutschland zurückzukehren gedenkt. Dafür spricht der von ihm genannte “große Transport bezüglich der Wohnungseinrichtung nach Sizilien” im März 2021. Demgegenüber erscheint die Angabe, eine “komplette Einrichtung” zugriffsbereit auf dem Dachboden zurückgelassen zu haben, angesichts der 54,32 qm großen Zwei-Zimmer-Wohnung – in der ja die Mutter aktuell noch zu wohnen scheint – unplausibel; sie ist jedenfalls durch nichts belegt. Eine Aufbewahrung auf dem Dachboden spricht auch nicht für eine jederzeit wieder aufnehmbare Wohnnutzung, wie sie etwa bei einer möblierten und auch ansonsten eingerichteten Wohnung gegeben wäre. Jedoch auch das bloße Vorhalten einer Wohnung, die dann nicht benutzt wird, ist melderechtlich nicht relevant.
Der Antragsteller vermag nicht damit durchzudringen, dass es allein auf seinen Willen zu einer “sporadischen” Rückkehr und seine Vorstellungen hinsichtlich Häufigkeit und Dauer von Aufenthalten in der Wohnung ankomme. Auch Coronabedingte Beschwernisse spielen keine Rolle, sind doch zwischenzeitlich auch Urlaubsreisen von und nach Italien ohne Weiteres wieder möglich (gewesen). Melderechtlich ist – wie bereits ausgeführt – allein die tatsächliche Nutzung maßgeblich. Eine vom Antragsteller mehrfach erwähnte Jahresfrist – die seit seinem Auszug noch nicht verstrichen sei – spielt dabei rechtlich keine Rolle.
e) Es bleibt dem Antragsteller unbenommen, im Falle einer Rückkehr und dann längeren Aufenthalts bei der Antragsgegnerin vorstellig zu werden und die dann aktuelle melderechtliche Situation zu klären.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Von einer Anhebung des Streitwerts bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts (hier: Abmeldung von Amts wegen: 5.000 Euro; vgl. z.B. U.v. 23.1.2018 – M 13 K 17.1793 – juris und beck-online) wegen teilweiser Vorwegnahme der Entscheidung in der Sache nach Nr. 1.5 Satz 2 wurde im Hinblick auf die diesbezügliche bisherige Rechtsprechung der Kammer abgesehen (vgl. z.B. B.v. 20.7.2017 – M 13 E 17.1775 – juris und beck-online; so dann auch im diesbezüglichen Beschwerdebeschluss: BayVGH, B.v. 15.12.2017 – nicht veröffentlicht).


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