Verwaltungsrecht

Möglichkeit internen Schutzes im Süden Malis infolge fehlenden innerstaatlichen Konflikts iSv § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AsylG

Aktenzeichen  W 3 K 17.33217

Datum:
25.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20014
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 3e, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Unabhängig davon, ob die Situation im Norden Malis den Tatbestand des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AsylG erfüllt, besteht nach den vorliegenden Erkenntnismitteln im Süden Malis derzeit kein innerstaatlicher Konflikt iSv § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AsylG. Ein nach Mali zurückkehrender Asylbewerber unterliegt dort keiner ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person (wie VG Augsburg BeckRS 2017, 118244). (Rn. 22 – 31) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Auch die neuerlich stattgefundenen Anschläge im Süden Malis führen nicht zu der Annahme, dass der dort bestehende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass allen Rückkehrern nach Mali allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet die Gefahr eines ernsthaften Schadens droht (wie VG Augsburg BeckRS 2017, 118244). (Rn. 30 – 31) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Rückgeführte Malier erfahren von staatlicher Seite keine Repressalien, auch dann nicht, wenn sie in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben. (Rn. 34) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Ein alleinstehender junger Mann kann seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sichern; es ist ihm daher zumutbar, sich dort niederzulassen (wie VG München BeckRS 2017, 121321). (Rn. 34) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die auch in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) i.d.F. d. Bek. vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Juli 2017 (BGBl I S. 2780) zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen in seiner Person auch keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Gemäß § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 und 2 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. In den §§ 3a bis 3e AsylG sind in Umsetzung von Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337/9 vom 20.12.2011) – QRL – (vgl. BT-Drs. 17/13063 S. 19) die Voraussetzungen für Verfolgungshandlungen, Verfolgungsgründe, Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann und Akteure, die Schutz bieten können, und für internen Schutz geregelt. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 – II S. 685, 953) – EMRK – keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). In § 3b Abs. 1 AsylG werden die in § 3 Abs. 1 AsylG verwendeten Begriffe Rasse, Religion, Nationalität, Gruppe und politische Überzeugung näher definiert. Gemäß § 3c AsylG kann eine Verfolgung ausgehen vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen oder unter bestimmten Voraussetzungen von nichtstaatlichen Akteuren. Demgegenüber kann gemäß § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung vom Staat oder von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geboten werden, sofern sie willens und in der Lage sind, wirksamen Schutz vor Verfolgung nicht nur vorübergehender Art zu bieten. Auf dieser Grundlage wird gemäß § 3e AsylG dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
Der Schutzsuchende muss sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darlegen. Er muss die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, zu denen insbesondere seine persönlichen Erlebnisse fallen, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, den geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen (VG Bayreuth, U.v. 13.7.2015 – B 3 K 14.30344 – juris). Dies ist nicht der Fall, wenn der Schutzsuchende im Laufe der Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen unauflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich erachtet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11; VGH Kassel, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – beide juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen (vgl. VG München, U.v. 31.3.2014 – M 25 K 13.31344 – juris). Aufgrund der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – InfAuslR 1989, 349). Maßgeblich sind die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person (VG München, U.v. 20.12.2012 – M 15 K 12.30068 – juris). Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher eine gesteigerte Bedeutung beizumessen. Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu den Umständen machen.
Grundsätzlich kann Schutz nach § 3 Abs. 1 AsylG nur derjenige beanspruchen, der bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu erwarten hat. Ein solcher Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 22.2.2017 – 9 ZB 17.30027; VGH BW, U.v. 14.6.2017 – A 11 S 511/17 – jeweils juris m.w.N.). Ist ein Schutzsuchender vorverfolgt ausgereist, ist dies ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Schutzsuchende erneut vor solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (Art. 4 Abs. 4 QRL). Diese Vorschrift privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – NVwZ 2011, 51 (53).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Sein Vorbringen sowohl im behördlichen als auch im gerichtlichen Verfahren enthält keine Anhaltspunkte dahingehend, dass er persönlich Opfer von Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG geworden ist. Auch auf mehrmalige Nachfrage im Rahmen der informatorischen Anhörung ging der Kläger nur allgemein auf die Gefahren und Probleme in seinem Heimatdorf ein. Er konnte nicht darlegen, wann und wo er konkret betroffen gewesen sein soll. Auch das Beispiel, er habe nicht mit einer Frau auf dem Mofa unterwegs sein dürfen, weil er sonst erschossen worden wäre, ändert an dieser Einschätzung nichts. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass es auch tatsächlich zu einer derartigen Situation gekommen ist.
Auch die Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG sind vorliegend nicht gegeben.
Dabei kann es dahinstehen, ob dem Kläger bei einer Rückkehr in den Norden Malis ein ernsthafter Schaden im Sinne einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) droht. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger zumindest im Süden Malis internen Schutz gemäß § 3e AsylG finden kann.
Anhaltspunkte für die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) oder für Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) bestehen beim Kläger nicht.
Als ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG auch eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Diese Regelung umfasst subsidiären Schutz in Fällen willkürlicher Gewalt im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten, nicht dagegen aber aus anderen Gründen wie z.B. krankheitsbezogenen Abschiebungshindernissen oder allgemeinen wirtschaftlichen Notlagen im Herkunftsland, die nicht auf einem bewaffneten Konflikt beruhen. Nach § 3e Abs. 1 AsylG i.V.m § 4 Abs. 3 Satz 2 AsylG ist ein Ausländer nicht subsidiär schutzberechtigt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keiner tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens unterliegt (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2).
Unabhängig von der Frage, ob die derzeitige Situation im Norden Malis für den Kläger in seinem Heimatdorf den Tatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG erfüllt, ist anhand der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel ersichtlich, dass im Süden Malis derzeit kein innerstaatlicher Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG herrscht. Der Kläger würde daher dort keiner ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person unterliegen (vgl. VG Augsburg, U.v. 10.7.2017 – Au 5 K 17.33408; VG München, B.v. 13.7.2017 – M 21 S 17.39852 – beide juris).
Bezüglich eines innerstaatlichen Konfliktes hat der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 30. Januar 2014 (C – 285/12 – NVwZ 2014, 573) ausgeführt, dass Art. 15 Buchst. c QRL (auf dem § 3e AsylG beruht) nicht nur dann gegeben ist, wenn der jeweilige innerstaatliche Konflikt als ein bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts einzustufen ist. Der Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in Art. 15 Buchst. c QRL bezieht sich entsprechend seinem Sinn auf eine Situation, in der die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder in der zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen. Zudem führt das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nur zur Gewährung subsidiären Schutzes, sofern die Auseinandersetzungen als ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person, die die Gewährung des subsidiären Schutz beantragt, angesehen werden, weil der Grad willkürlicher Gewalt bei diesen Konflikten ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. In einer Entscheidung vom 17. Februar 2009 (C – 465/07 – NVwZ 2009, 705) hat der Europäische Gerichtshof dargelegt, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit ein Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist.
Dementsprechend hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (U.v. 28.3.2017 – 20 B 15.30204 – juris) entschieden, dass eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruht. Dies sind solche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen als andere. Im Ausnahmefall kann eine ernsthafte individuelle Bedrohung aber auch durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat. Eine solche Ausnahme gilt bei einer besonderen Verdichtung der Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Liegen dagegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist das Gericht davon überzeugt, dass im Süden Malis keine Situation gegeben ist, die sich als derart gefährlich für Zivilpersonen darstellt, dass jedem Rückkehrer eine ernsthafte individuelle Bedrohung droht und dass in der Person des Klägers keine persönlichen gefahrerhöhenden Umstände vorliegen, die ihn individuell in die Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG bringen.
In Bezug auf Mali steht zunächst fest, dass spätestens seit Januar 2012 im Norden des Landes durch einen Konflikt über die Unabhängigkeit des Nordens zwischen der Regierung und verschiedenen extremistischen Gruppen Gewalt und eine schlechte humanitäre Situation vorherrschten, die im Ergebnis dafür gesorgt haben, dass eine große Zahl der Einwohner im Norden Malis ihre Heimat verlassen mussten (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Mali: Aktuelle Lage, 30.10.2012, S. 1 – 3; Amnesty International, Mali 2013, S. 1; UNHCR, UNHCR-Stellungnahme zur Rückkehr nach Mali, Mai 2012). Dabei suchte die Bevölkerung zum einen teilweise Schutz im Süden des Landes, teilweise aber auch in Nachbarländern wie etwa Mauretanien, Burkina Faso und Niger (Amnesty International, Mali 2013, S. 1; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Mali: Aktuelle Lage, 30.10.2012, S. 3; UNHCR-Stellungnahme zur Rückkehr nach Mali, Mai 2012). Diese Situation führte in Zusammenhang mit einem Militärputsch der malischen Streitkräfte schließlich dazu, dass auch Truppen aus dem Ausland in Mali militärisch intervenierten (Amnesty International, Mali 2013, S. 1 unten; USDOS, Mali 2014 Human Rights Report, S. 1). Zwar wurden im weiteren Verlauf in den Jahren 2013 und 2015 Friedensabkommen zwischen der malischen Regierung und mehreren bewaffneten Gruppen unterzeichnet, es kam im Norden Malis jedoch zu weiteren kämpferischen Auseinandersetzungen (vgl. Amnesty International, Mali 2015, S. 1; Amnesty International, Mali 2016, S. 1; Amnesty International, Mali 2017, S. 1).
Allerdings ergibt sich aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln auch, dass die oben beschriebene Situation im Süden Malis nicht in dieser Art und Weise stattgefunden hat (so auch – soweit ersichtlich – die herrschende Rspr., z.B. VG Hannover, U.v. 7.2.2017 – 10 A 6/15; VG Augsburg, U.v. 10.7.2017 – Au 5 K 27.33408; VG München, B.v. 31.7.2017 – M 21 S 17.39200 – alle juris).
In den Erkenntnismitteln seit 2012 (also seit Beginn der Auseinandersetzungen im Norden) ist stets davon die Rede, dass im Norden Malis eine kriegerische Auseinandersetzung ausgebrochen ist (vgl. u.a. UNHCR-Stellungnahme zur Rückkehr nach Mali, Mai 2012, Ziffer 1. („Seit Mitte Januar herrschen im Norden von Mali Gewalt und eine sich schnell verschlechternde humanitäre Situation vor“); USDOS, Mali 2016 Human Rights Report, S. 1 („…violent conflict between CMA and Platform forces continued throughout the northern region.“); Schweizerische Flüchtlingshilfe, Mali: Aktuelle Lage, 30.10.2012, S. 1). „Trotz der Unterzeichnung eines Friedensabkommens war die Sicherheitslage in Mali aufgrund des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts vor allem im Norden des Landes weiterhin prekär.“ (Amnesty International, Mali 2016, S. 1). In einem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe werden zwar Menschenrechtsverletzungen auch im Süden Malis dargestellt, der Großteil der Beschreibungen bezieht sich jedoch auf den Norden des Landes (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Mali: Aktuelle Lage, 30.10.2012, S. 3-5).
Vor diesem Hintergrund ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass im Süden Malis eine kriegerische Auseinandersetzung in ähnlichem Ausmaß wie im Norden herrschte oder herrscht. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass einige frühere Bewohner des Nordens intern in die südlichen Städte des Landes geflohen sind (UNHCR-Stellungnahme zur Rückkehr nach Mali, Mai 2012, Ziffer 4; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Mali: Aktuelle Lage, 30.10.2012, S. 3), was ebenfalls dafür spricht, dass sich die Situation dort anders als im Norden darstellt.
Auch die neuerlich stattgefundenen Anschläge im Süden Malis führen nicht zu der Annahme, dass der dort bestehende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass allen Rückkehrern nach Mali allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet die Gefahr eines ernsthaften Schadens droht (so auch VG Augsburg, U.v. 10.7.2017 – Au 5 K 27.33408 – juris Rn. 25).
Die verübten Anschläge richteten sich zumeist gegen die UN-Friedenssoldaten (MINUSMA) (Amnesty International, Mali 2016, S. 1). „Anschläge bewaffneter Gruppierungen auf die MINUSMA nahmen dramatisch zu“ (Amnesty International, Mali 2017, S. 1). Größtenteils richten sich auch die jüngsten Angriffe gegen Stützpunkte der UN in den verschiedenen Regionen des Landes (vgl. Spiegel Online vom 7.11.2016, Angriffe auf Blauhelme in Mali; Zeit Online vom 15. August 2017, Mehrere Tote bei Angriff auf UN-Stützpunkt in Timbuktu). Daraus wird ersichtlich, dass sich die auch außerhalb des Nordens von Mali stattfindende Gewalt zumindest nicht willkürlich gegen die dort befindliche Zivilbevölkerung richtet. Hieraus in Zusammenhang mit der Anzahl der stattfindenden Anschläge kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass im Süden Malis ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG für den Kläger gegeben ist. Insgesamt verdichten sich die Vorkommnisse im Süden Malis nicht zu einem bürgerkriegsähnlichen Zustand. Auch im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung ändert sich diese Einschätzung nicht. Insgesamt hat die Situation im Süden des Landes keine Ausmaße angenommen, die für jede Zivilperson unabhängig ihrer Vorgeschichte eine ernsthafte Bedrohung entstehen lassen.
Zudem ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger aufgrund in seiner Person liegender Umstände konkret mit einem ernsthaften Schaden im oben genannten Sinne rechnen muss. Insoweit ergeben sich für ihn keine gefahrerhöhenden Umstände. Aus dem klägerischen Vortrag ist insbesondere nicht ersichtlich, wieso gerade ihm als Zivilperson auch im Süden des Landes mit größerer Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit drohen soll. Insoweit hat der Kläger nicht angegeben, selbst persönlichen Kontakt mit etwaigen terroristischen Gruppierungen oder sonst persönliche Probleme gehabt zu haben. Daher ist auch nicht davon auszugehen, dass er sich etwa durch die Teilnahme an Demonstrationen oder durch Arbeit für zivile Dienstleister bei UN-Stützpunkten in die besonders gefährdeten Bereiche begeben wird.
Schließlich ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht sicher und legal in den Süden Malis reisen kann, er dort nicht aufgenommen würde oder man von ihm vernünftigerweise nicht erwarten könnte, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG).
Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, Probleme mit staatlichen Organisationen in Mali gehabt zu haben. Auch aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln ist nicht ersichtlich, dass Rückkehrer nach Mali nicht aufgenommen würden. Vielmehr erfahren rückgeführte Malier keine Repressalien von staatlicher Seite, auch nicht dann, wenn sie in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Mali, Stand: November 2017, S. 15). Gleichzeitig geht das Gericht davon aus, dass der Kläger als junger alleinstehender Mann seinen Lebensunterhalt auch im Süden Malis sichern kann und es ihm daher auch zumutbar ist, sich dort niederzulassen (vgl. VG München, B.v. 31.7.2017 – M 21 S 17.39200 – juris). An dieser Einschätzung ändert sich auch nichts dadurch, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung angab, keine Ausbildung zu haben und in Niono vor seiner Ausreise zweitweise in Hütten und Zelten am Marktplatz übernachtet zu haben. Aufgrund der oben beschriebenen Situation im Süden Malis geht das Gericht vielmehr davon aus, dass auch dem Kläger persönlich eine Niederlassung dort zumutbar ist. Insbesondere hat der Kläger bereits vor seiner Ausreise zeitweise in Diabaly gearbeitet und er hat sich auch seine Flucht nach eigenen Angaben vor dem Bundesamt durch Arbeit selbst finanziert. Hinzu kommt, dass die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln in den vom Staat kontrollierten Gebieten gewährleistet ist (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Mali, Stand: November 2017, S. 14). Zudem wacht der Staat im Süden Malis über die Einhaltung der Grundrechte und wird hier seiner Schutzaufgabe gerecht (Auswärtiges Amt, a.a.O., S. 5). Etwaige frühere Probleme des Klägers in Niono führen daher nicht dazu, dass dem Kläger eine jetzige Niederlassung im Süden seines Heimatlandes nicht zumutbar ist.
Kann der Schutzsuchende auf der Ebene des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG nicht erfolgreich sein, sind hilfsweise die nationalen Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 5 AufenthG und des § 60 Abs. 7 AufenthG zu prüfen.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Diese Norm bezieht sich dabei nur auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse (Koch in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 15. Edition Stand: 15.8.2016, § 60 AufenthG Rn. 36).
Diesbezüglich kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Dem Kläger ist zumutbar, sich im Süden seines Heimatlandes niederzulassen und es ist davon auszugehen, dass er dort seinen Lebensunterhalt sichern kann.
Weiter ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung zu seiner Schwester ein gutes Verhältnis hat. Auch sein Onkel lebt noch in Mali. Zwar ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger sich auch ohne Familie seine Existenz im Süden Malis sichern könnte; er könnte dennoch zumindest zeit- und teilweise mit familiärer Unterstützung rechnen. Da sich aus dem Vortrag des Klägers keine anderen Anhaltspunkte für Verletzungen der EMRK ergeben, ist ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegend nicht gegeben.
Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erheblich konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Aus gesundheitlichen Gründen liegt eine erheblich konkrete Gefahr nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung verschlechtern würden, vor (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG).
Auch ein derartiges Abschiebungshindernis ist nicht gegeben. Insbesondere ergibt sich ein solches nicht aus gesundheitlichen Gründen. Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, an einer Krankheit zu leiden.
Aus diesen Gründen konnte die Klage keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Verwandte Themen: , , , , , ,

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben