Verwaltungsrecht

Nachträgliche Forderung von Stellplätzen bei bestandskräftiger Baugenehmigung

Aktenzeichen  M 11 K 15.3503

Datum:
7.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO aF Art. 54 Abs. 2 S. 2, Art. 62
BayBO BayBO Art. 54 Abs. 4, Abs. 5

 

Leitsatz

Art. 54 Abs. 2 S. 2 BayBO, Art. 62 BayBO aF iVm den Richtzahlen für Kraftfahrzeugstellplätze Nr. 1.2 (Bekanntmachung v. 23.11.1972 – MABl S. 978) sowie eine Nebenbestimmung, die bei erhöhtem Stellplatzbedarf weitere Stellplätz vorsieht, ist keine geeignete Rechtsgrundlage für die Nachforderung von 28 Stellplätzen bei einem 1970 genehmigten Vorhaben über die Errichtung von fünf Mehrfamilienwohnhäusern in zwei Gebäudekomplexen und 12 Garagen sowie 21 Stellplätzen, wenn keine wesentlichen baulichen Änderungen oder die Verhütung von erheblichen Gefahren es erfordert. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Bescheid vom 27. Juli 2015 wird in Ziff. 1 – 6 aufgehoben.
II.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet, da der Bescheid vom 27. Juli 2015 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gestützt wird der Bescheid auf Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO, Art. 62 BayBO (1962) i. V. m. den Richtzahlen für Kraftfahrzeugstellplätze Nr. 1.2 (Bekanntmachung v. 23.11.1972 – MABl S. 978) und die unter Nr. d) aufgeführte Nebenbestimmung des Bescheids vom 7. August 1974. Diese Vorschriften bieten jedoch keine geeignete Rechtsgrundlage für die Nachforderung von 28 Stellplätzen.
Eine Rechtsgrundlage bzw. Begründung für die Nebenbestimmung d) im Bescheid vom 7. August 1974 findet sich im Bescheid von 1974 nicht.
Vielmehr wurde eine neue Hausmeisterwohnung und eine neue Stellplatzaufteilung mit insgesamt 45 Stellplätzen des mit Bescheid vom 9. November 1970 genehmigten und bestandsgeschützten Bauvorhabens genehmigt.
Nach den zum Zeitpunkt der Baugenehmigung vom 9. November 1970 geltenden Richtlinien zum Vollzug der Reichsgaragenordnung (MABl WV 18/1962 S. 344) hätte das Landratsamt 37 – 73 Stellplätze fordern können, tatsächlich wurden 46 genehmigt.
Als 1974 die Hausmeisterwohnung eingebaut und die Stellplatzanordnung verändert wurde, hätte nur die Möglichkeit bestanden, für den zusätzlichen Bedarf an Stellplätzen wegen der Hausmeisterwohnung nach den Richtzahlen für Kraftfahrzeugstellplätze (MABl 1972 S. 978) 1 – 2 neue Stellplätze zu fordern, da bei einem bestandsgeschützten Gebäude nach Art. 62 Abs. 3 Satz 2 BayBO (1.8.1962) bei anderen Änderungen baulicher Anlagen Stellplätze in solcher Zahl herzustellen sind, dass die Stellplätze die durch die Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufnehmen können. Art. 62 Abs. 3 Satz 1 BayBO (1962) war nicht einschlägig, da die bauliche Anlage durch den Einbau einer Hausmeisterwohnung im Keller und die neue Stellplatzaufteilung nicht so wesentlich geändert wurde, dass eine völlig neue Berechnung der Stellplatzanzahl gerechtfertigt gewesen wäre. Jedoch hat auch damals die Behörde nach den Plänen die Errichtung von lediglich 45 Stellplätzen genehmigt, also sogar 1 Stellplatz weniger als in der Ursprungsbaugenehmigung, obwohl sie nach den Richtzahlen von 1972 wegen des Einbaus der Hausmeisterwohnung zumindest 1 Stellplatz mehr hätte fordern müssen.
Daher ist davon auszugehen, dass sie damals keinen „erhöhten“ Bedarf an Stellplätzen gesehen hat. Demnach kann die Auflage, „bei erhöhtem Stellplatzbedarf“ seien weitere Stellplätze auszuweisen, nur so verstanden werden, dass die Behörde darauf hinweisen wollte, dass bei wesentlichen baulichen Änderungen oder zur Verhütung von erheblichen Gefahren (Art. 62 Abs. 3 Satz 1 und Art. 62 Abs. 5 BayBO 1962) ein Bedarf für weitere Stellplätze entstehen kann.
Auch aus Art. 54 Abs. 5 und Abs. 4 BayBO lässt sich keine Rechtsgrundlage für den Bescheid herleiten, da keine erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit vorliegen und die bestehende bauliche Anlage auch nicht wesentlich geändert wird.
Die Kostenentscheidung und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 154 Abs. 1, § 167 VwGO i. V. m. § 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 8.400,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m.
Nrn. 1.7.1 und 1.7.2 des Streitwertkatalogs).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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