Verwaltungsrecht

Nachweis häuslicher Lebensgemeinschaft maßgeblich für Höhe des Witwergeldes für den Unterhaltsbeitrag

Aktenzeichen  21 C 20.1403

Datum:
28.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 27287
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146 Abs. 1, § 147, § 152, § 154 Abs. 2, § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 127 Abs. 4
GKG § 3 Abs. 2

 

Leitsatz

Behauptet der Antragsteller, er habe mit seinem Lebenspartner über 15 Jahre in einer häuslichen Lebensgemeinschaft verbracht, muss er entsprechende Meldebestätigungen vorlegen. Dokumente mit Äußerungen privater Stellen, dass die Lebenspartner auf den Grand Bahama Island gelebt haben, genügen als Nachweis nicht. (Rn. 10 – 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 12 K 19.5455 2020-05-18 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten im Hauptsacheverfahren darüber, ob der Kläger von der beklagten Versorgungskammer statt des ihm gewährten freiwilligen Unterhaltsbeitrags in halber Höhe des Witwergeldes einen solchen in voller Höhe des Witwergeldes beanspruchen kann.
Der Kläger begründete ausweislich einer Lebenspartnerschaftsurkunde der Landesnotarkammer Bayern vom … … 2009 mit Herrn … … … … am … … 2009 eine Lebenspartnerschaft. Der am … … 1940 geborene Lebenspartner des Klägers, der seit dem 1. Mai 2005 von der Beklagten Altersruhegeld erhielt, verstarb am 23. November 2017.
Der Kläger beantragte am 1. Dezember 2017 bei der Beklagten eine „Hinterbliebenenrente“. Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 19. Dezember 2017 einen freiwilligen Unterhaltsbeitrag in halber Höhe des Witwergeldes (968,44 Euro) und führte dazu unter anderem aus: Ein freiwilliger Unterhaltsbeitrag bis zur vollen Höhe des Witwergeldes könne nicht bewilligt werden, weil eine 15-jährige ununterbrochene häusliche Gemeinschaft nicht durch eine Melderegisterauskunft für Zeiten vor dem 30. Juli 2009 nachgewiesen worden sei. Bei einer Verlegung des Wohnsitzes in das Ausland müsse nach deutschem Melderecht der Wegzug aus Deutschland gemeldet werden. Es werde um Vorlage entsprechender Meldebescheinigungen gebeten, aus denen der Wegzug des Verstorbenen und des Klägers auf die Bahamas ersichtlich sei. Weiterhin werde um Vorlage eines für den Kläger ausgestellten Certificate of Permanent Residence des Commonwealth of The Bahamas gebeten.
In der Folgezeit legte der Kläger verschiedene Dokumente vor, die er aus den Bahamas erhalten hatte. Mit an den Kläger gerichtetem Schreiben vom 17. Oktober 2018 führte die Beklagte unter anderem aus: Zum Nachweis der häuslichen Gemeinschaft vom 23. November 2002 bis zum 29. Juli 2009 seien nur Meldebestätigungen vorgelegt worden, aus denen hervorgehe, dass der Kläger vom 15. Mai 1995 bis zum 15. Oktober 2013 und der verstorbene Lebenspartner vom 6. Juni 2011 bis zum 6. August 2014 in der … … in M* … gemeldet gewesen seien. Somit sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger und der Verstorbene vom 23. November 2002 bis zum 29. Juli 2009 in einer häuslichen Gemeinschaft gelebt hätten. Der Kläger habe deshalb keinen Anspruch auf den freiwilligen Unterhaltsbeitrag in voller Höhe des Witwergeldes.
Der Kläger hat am 31. Oktober 2019 Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Das Verwaltungsgericht hat die beantragte Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 18. Mai 2020 abgelehnt.
Der Kläger hat am 16. Juni 2020 gegen den am 10. Juni 2020 zugestellten Beschluss Beschwerde eingelegt, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat.
II.
1. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1, § 147 VwGO) ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt.
1.1 Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter anderem voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Ausgehend von den verfassungsrechtlichen Vorgaben, dem Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen und die eigentliche Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht aus dem Hauptsacheverfahren in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern, dürfen die Anforderungen an eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es genügt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit, die bereits dann gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso in Betracht kommt wie ein Unterliegen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn. 26 m.w.N.).
Bei Anwendung dieses Maßstabs hat die vom Kläger erhobene Klage voraussichtlich keinen Erfolg. Nach der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung hat der Kläger keinen Anspruch darauf, dass ihm die Beklagte statt des zugestandenen Unterhaltsbeitrag in halber Höhe des Witwergeldes einen solchen in voller Höhe des Witwergeldes gewährt.
Voraussetzung dafür ist nach den seit dem 1. Januar 2014 unverändert gebliebenen Regelungen des § 51 Abs. 1 und 2 sowie § 53 der Satzung der Beklagten vom 1. Dezember 1995 (Bayer. Staatsanzeiger Nr. 51/52 1995) zuletzt geändert durch Satzung vom 4. Dezember 2018 (Bayer. Staatsanzeiger Nr. 49 2018), dass mit dem verstorbenen Lebenspartner bis zu dessen Tod fünfzehn Jahre ununterbrochen eine durch Melderegisterauskunft nachgewiesene häusliche Gemeinschaft bestanden hat.
Es besteht nach dem Inhalt der vorgelegten Akten kein durch Melderegisterauskunft erbrachter Nachweis, der konstitutiv für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ist (vgl. BayVGH, B.v. 21.1.2019 – 21 ZB 16.552 – juris Rn. 32), dass der Kläger mit seinem am 23. November 2017 verstorbenen Lebenspartner ununterbrochen seit dem 23. November 2002 in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat. Insoweit wird auf die überzeugenden Ausführungen im angegriffenen Beschluss (BA S. 10 ff.) verwiesen. Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist ergänzend auszuführen:
Der Kläger rügt ohne Erfolg, das Verwaltungsgericht hätte die ihm aus den Bahamas zugegangenen Wohnsitzbestätigungen anerkennen müssen, da er dort mit seinem Lebenspartner seit 1997 in einem gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Es handelt sich bei diesen Bestätigungen, denen zufolge der Kläger und sein Lebenspartner von November 1997 bis Januar 2017 auf Grand Bahama Island gelebt bzw. ihren ersten Wohnsitz gehabt haben sollen, schon nicht um mit Melderegisterauskünften vergleichbare amtliche Dokumente, sondern um Äußerungen privater Stellen (Hadlow Investments Ltd und Counsel and Attorneys-at-Law Cafferata & Co.). Im Übrigen sind diese Bestätigungen auch deshalb nicht geeignet, die für den geltend gemachten Anspruch erforderliche häusliche Gemeinschaft zu belegen, weil sie im Widerspruch zu Meldebescheinigungen der … M* … stehen, die der Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegt hat. Danach war der Kläger vom 15. Mai 1995 bis zum 15. Oktober 2013 in der … …, … M* … gemeldet.
Eine häusliche Gemeinschaft ergibt sich auch nicht aus dem Beschwerdevorbringen, die Beklagte habe seit dem Jahr 2001 sämtliche an den verstorbenen Lebenspartner gerichtete Post an die M* … Wohnadresse des Klägers gesandt. Maßgebend ist vielmehr, dass der Lebenspartner des Klägers nach den der Beklagten vorgelegten Meldebestätigungen der … M* … lediglich vom 1. Juni 2011 bis 6. August 2014 unter dieser Adresse gemeldet war. Im Übrigen widerspricht der Kläger mit seinem Verweis auf einen angeblich seit dem Jahr 2001 in M* … bestehenden gemeinsamen Haushalt seinem Beschwerdevorbringen, es habe ein solcher seit dem Jahr 1997 auf den Bahamas bestanden.
1.2 Hat die Klage in der Sache keine hinreichende Erfolgsaussicht, kommt es im Prozesskostenhilfeverfahren nicht mehr darauf an, ob sie – wie im angegriffenen Beschluss angenommen – deshalb unzulässig ist, weil sie nicht innerhalb der maßgeblichen Klagefrist erhoben worden ist. Insoweit ist nicht eindeutig, dass die Beklagte mit dem Bescheid vom 19. Dezember 2017 eine das Verwaltungsverfahren abschließende Regelung getroffen und den Antrag des Klägers abgelehnt hat, soweit er über die Gewährung eines freiwilligen Unterhaltsbeitrags in halber Höhe des Witwergeldes hinausgeht. Zweifel bestehen deshalb, weil die Beklagte unter Umständen in der Absicht, das Verfahren insoweit weiterzuführen, den Kläger im Bescheid vom 19. Dezember 2017 um die Vorlage bestimmter Meldebescheinigungen sowie eines für den Kläger ausgestellten Certificate of Permanent Residence des Commonwealth of The Bahamas gebeten hat. Erst mit Schreiben vom 17. Oktober 2018, für das ein Postaufgabevermerk aus der vorgelegten Behördenakte nicht ersichtlich ist, hat die Beklagte (abschließend) ausgeführt, dass ein Anspruch auf den freiwilligen Unterhaltsbeitrag in voller Höhe des Witwergeldes nicht besteht.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als im Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz fallen im Beschwerdeverfahren Gerichtskosten an, die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind allerdings nicht zu erstatten (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Eine Streitwertfestsetzung ist nicht erforderlich, denn Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) bestimmt für das Beschwerdeverfahren eine Festgebühr.
Dieser Beschluss kann nicht angefochten werden (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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