Verwaltungsrecht

Nationales Abschiebungsverbot hinsichtlich Togos

Aktenzeichen  W 10 K 19.30106

Datum:
28.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 23908
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 5, § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG § 60a Abs. 2c
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage, über die das Gericht trotz des Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entscheiden darf (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes hinsichtlich Togo, weshalb die Ablehnung dieser Feststellung in Ziffer 4, die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 und die Befristung des gesetzlichen Wiedereinreiseverbots in Ziffer 6 des Bescheides der Beklagten vom 24. Januar 2018 rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Im Übrigen ist der Bescheid nicht Gegenstand der Klage und damit unanfechtbar geworden.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier das Verbot der Folter beziehungsweise der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gemäß Art. 3 EMRK. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ist eine unmenschliche Behandlung die absichtliche, d.h. vorsätzliche Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Leiden (EGMR, U.v. 21.1.2011 – 30696/09, M.S.S. – NVwZ 2011, 413, Rn. 220 m.w.N.; Jarass, Charta der Grundrechte, Art. 4 Rn. 9; Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.), die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine hinreichende Schwere aufweisen (EGMR, U.v. 11.7.2006 – Jalloh, 54810/00 – NJW 2006, 3117/3119 Rn. 67; Jarass a.a.O.; Hailbronner a.a.O.). Es muss zumindest eine erniedrigende Behandlung in der Form einer einen bestimmten Schweregrad erreichenden Demütigung oder Herabsetzung vorliegen. Diese ist dann gegeben, wenn bei dem Opfer Gefühle von Furcht, Todesangst und Minderwertigkeit verursacht werden, die geeignet sind, diese Person zu erniedrigen oder zu entwürdigen und möglicherweise ihren psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.). Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass die Misshandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um unter Art. 3 EMRK zu fallen. Die Beurteilung dieses Mindestmaßes ist relativ und hängt von allen Umständen des Einzelfalls ab, wie die Dauer der Behandlung und ihre physischen und psychischen Wirkungen und manchmal das Geschlecht, das Alter und der Gesundheitszustand des Opfers (EGMR, U.v. 21.1.2011 – 30696/09, M.S.S. – NVwZ 2011, 413, Rn. 220 ff. m.w.N.).
Gemessen an diesen Grundsätzen droht dem Kläger keine Folter oder Misshandlung mit dem erforderlichen Schweregrad im Falle seiner Rückkehr nach Togo.
aa) Die Gefahr einer solchen Misshandlung folgt zunächst nicht aus der vom Kläger behaupteten politischen Betätigung seines Vaters. Dieser Vortrag des Klägers ist unglaubhaft, da er ohne plausible Begründung erst im Klageverfahren vorgetragen wurde und damit eine erhebliche Steigerung des bisherigen Vortrags darstellt. In der Anhörung hat der Kläger nämlich angegeben, die Gründe, weshalb er sein Heimatland verlassen habe, seien zum einen der fehlende familiäre Rückhalt gewesen (Vater und Onkel verstorben), zum anderen der Umstand, dass Leute in Ghana ihn und einen homosexuellen Pkw-Fahrer hätten umbringen wollen. Die frühere politische Betätigung seines Vaters hat der Kläger dort nicht als Fluchtpunkt angegeben. Zum anderen ist in Anbetracht des vergangenen Zeitraums zwischen der angeblichen politischen Betätigung seines Vaters und der Ausreise des Klägers nicht ersichtlich, weshalb ihm aus diesem Grund im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bei unterstellter Rückkehr nach Togo eine Misshandlung i.S. des Art. 3 EMRK drohen sollte. Dass er aufgrund seines Namens landesweit mit seinem Vater in Verbindung gebracht werden und ihm deshalb Folter oder Misshandlung drohen könnte, ist ohne das Vorliegen besonderer Umstände, wie etwa einer besonders herausragenden (exponierten) politischen Tätigkeit, nicht beachtlich wahrscheinlich. Derartige Umstände hat der Kläger auch nicht vorgetragen.
bb) Unglaubhaft ist auch der Vortrag des Klägers, ihm drohe (Folter oder) Misshandlung wegen seiner Mitgliedschaft in einer militanten Gruppe (Kodjo-Group), die für den Tod eines Soldaten verantwortlich sein soll. Diesen Vortrag hat der Kläger ohne hinreichende Begründung erst im Klageverfahren nachgeschoben. Er stellt somit gegenüber dem Vorbringen in der Anhörung beim Bundesamt eine erhebliche Steigerung dar, welche der Kläger nicht plausibel erklärt hat. Dass er befürchtet habe, sofort abgeschoben zu werden, falls er diese Umstände angebe, vermag sein Verhalten nicht schlüssig zu erklären. Denn der Kläger will gerade in der Erwartung nach Deutschland gekommen sein, dort Schutz vor Verfolgung zu erhalten. Also musste ihm auch bewusst sein, dass er seine Fluchtgründe umfassend darzulegen hat. Des Weiteren sind auch die zeitlichen Angaben in seinem nachgeschobenen Vortrag nicht mit dem Vorbringen in der Anhörung in Einklang zu bringen. So hat der Kläger beispielsweise in der Anhörung vorgetragen, er habe sich nach der Rückkehr von Ghana nach Togo nur noch etwa eine Woche lang in seinem Elternhaus aufgehalten. Demgegenüber will er nach seiner Stellungnahme gegenüber dem Gericht (vorgelegt mit Schriftsatz vom 7.3.2018) etwa zwei Wochen lang Mitglied der Gang gewesen sein. Letztlich fehlt es aber auch an einer Erklärung des Klägers, weshalb er persönlich mit dem Tod der Soldaten in Zusammenhang gebracht werden sollte, zumal er versichert hat, niemanden getötet zu haben. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im Falle der Rückkehr nach Togo Opfer von Folter oder schwerer Misshandlung im Sinne des Art. 3 EMRK werden könnte, sind damit nicht ersichtlich. Maßnahmen der Strafverfolgung an sich stellen, soweit sie nicht mit einer Misshandlung im genannten Sinne einhergehen, keine Verletzung des Art. 3 EMRK dar.
cc) Eine schwere Misshandlung im Sinne des Art. 3 EMRK droht dem Kläger schließlich auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Falle der Rückkehr nach Togo wegen des berichteten Vorfalls mit einem Pkw-Fahrer in Ghana. Hierzu hat der Kläger angegeben, er sei mit einem Pkw-Fahrer, welchen er in Ghana kennengelernt habe, ausgereist. Dieser sei homosexuell gewesen und habe mit dem Kläger Geschlechtsverkehr ausüben wollen. Er habe das nicht gewollt, da es in seiner Kultur nicht akzeptiert werde. Der Hausbesitzer habe sie beim Geschlechtsverkehr gesehen, weshalb sie mit dem Tod bedroht worden seien. Da sich dieser Vorfall in Ghana abgespielt haben soll, betrifft er nicht den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Da die Abschiebung nach Togo angedroht ist, bezieht sich die Feststellung des Bundesamtes zu zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten auf diesen Staat. Eine Gefährdung in Togo wegen des Vorfalls in Ghana kann nicht konstruiert werden. Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dieses Ereignis auch in Togo verbreitet wurde und der Kläger deshalb dort landesweit von Misshandlung bedroht wäre.
b) Die Abschiebung eines Ausländers durch einen Konventionsstaat kann dessen Verantwortlichkeit nach der EMRK auch dann begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene dadurch tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (EGMR, U.v. 12.1.2016 – Nr. 13442/08, A.G.R./Niederlande – NVwZ 2017, 293; U.v. 5.9.2013 – Nr. 886/11, K.A.B./Schweden – Rn. 68; U.v. 28.2.2008 – Nr. 37201/06, Saadi/Italien – NVwZ 2008, 1330 Rn. 125; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 m.w.N.). Aus der EMRK folgt aber kein Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe der Aufenthaltsbeendigung zwingend entgegenstehen, wobei solche humanitären Gründe auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein können (vgl. BVerwG; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 ff. unter Verweis auf EGMR, U.v. 28.5.2008 – Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich – NVwZ 2008, 1334 Rn. 42; U.v. 28.6.2011 – Nr. 8319/07, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich – NVwZ 2012, 681; ebenso BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris Rn. 17 f.).
Von einer derart ernsthaft unzureichenden Versorgungslage in Togo kann jedoch keine Rede sein. Zwar ist die wirtschaftliche Lage in Togo insgesamt ungünstig. Nach zwei Überschwemmungskatastrophen in den Jahren 2007 und 2008 (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Togo, Stand August 2011) hat das Land in den letzten zehn Jahren große Fortschritte erzielt, insbesondere in den Bereichen Infrastruktur, Grundbildung und Bekämpfung von HIV. Im Ranking des Human Development Index belegt Togo einen hinteren Platz (Platz 166 von 188 Ländern). Trotz stabiler Wachstumsraten (durchschnittlich 5% in den letzten Jahren, Prognose für 2017: 4,2 bis 4,4%) bilden bei einem enormen Bevölkerungswachstum (Lagebericht a.a.O., S. 13) Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, das schwache Sozial- und Gesundheitssystem sowie der völlig überlastete Bildungssektor akute Probleme. Die togoische Regierung möchte die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern. Im sog. Doing-Business-Report der Weltbank, der das Geschäftsklima in 189 Staaten bewertet, liegt Togo auf Rang 156. Der Bericht erkennt ausdrücklich Fortschritte in den Bereichen Unternehmensgründung, Stromversorgung und grenzüberschreitender Handel an. Togos Hauptexportprodukte sind Rohstoffe (insbesondere Zement und Phosphat) sowie landwirtschaftliche Produkte (insbesondere Baumwolle, Palmöl und Milchpulver). Wichtigste Wirtschaftssektoren sind derzeit der landwirtschaftliche (ca. 40% des BIP) und der Dienstleistungssektor (ca. 40%), Bergbau und produzierendes Gewerbe hingegen tragen nur zu knapp 20% zum BIP bei (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich – BfA, Länderinformationsblatt Togo, Stand 24.5.2018, S. 16 f. m.w.N.). Faktoren wie Armut, unzureichende Gesundheitsversorgung und geringe Bildung sind immer noch für etwa zwei Drittel der Bevölkerung kennzeichnend, vor allem im ländlichen Milieu. 41% der Bevölkerung haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen lag 2014 bei 580 US-Dollar. Mehr als ein Drittel (38,7%) der Bevölkerung lebt unterhalb der absoluten Armutsgrenze von 1,25 US-Dollar pro Tag. Rund zwei Drittel der Bevölkerung finden ihr Auskommen in der Landwirtschaft, geschätzte 20% sind im Kleinhandel und im informellen Sektor aktiv und weniger als 10% im sog. modernen Sektor (BfA, Länderinformationsblatt Togo a.a.O., m.w.N.). Die Selbstversorgung mit Grundnahrungsmitteln ist jedoch gewährleistet, wenngleich sehr fragil (BfA a.a.O., m.w.N.).
In Anbetracht dieser Ausgangslage hat das Gericht keine durchgreifenden Zweifel daran, dass es dem Kläger im Anschluss an eine Rückkehr nach Togo möglich sein wird, seine wirtschaftliche Existenz auch ohne ein familiäres Netzwerk zu sichern. Erforderlich und ausreichend ist insoweit, dass er durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und seiner Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt Notwendige erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, die nicht den überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 1.2.2007 – 1 C 24.06 – NVwZ 2007, 590; OVG NRW, U.v. 17.11.2008 – 11 A 4395/04.A – juris Rn. 47).
Es ist nicht feststellbar, dass der Kläger eine diesen Anforderungen genügende Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, nicht vorfinden bzw. nicht nutzen können wird. Anhaltspunkte für eine Erwerbsunfähigkeit des Klägers aus gesundheitlichen Gründen liegen nicht vor. Von seiner Arbeitsfähigkeit ist daher ohne weiteres auszugehen. Es ist angesichts dessen nicht erkennbar, warum es dem Kläger weder möglich noch zumutbar sein sollte, nach seiner Rückkehr nach Togo auch außerhalb seiner Heimatregion und ohne Einbindung in ein familiäres Netz Fuß zu fassen. Im Gegenteil wird er voraussichtlich durch die Aufnahme einer legalen Erwerbstätigkeit seinen notwendigen Lebensunterhalt sichern können. Daraus folgt, dass die wirtschaftliche Lage in Togo zwar ungünstig ist, jedoch für den Kläger als gesunden, jungen Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen keine existenzielle Gefährdung besteht (so die stRspr für die Gruppe der jungen, männlichen, erwerbsfähigen Rückkehrer nach Togo: VG Stuttgart, U.v. 3.8.2018 – A 5 K 15992/17 – UA S. 10 und A 5 K 104/17 – UA S. 12; VG Würzburg, B.v. 13.3.2019 – W 10 S 19.30075 – juris; GB v. 26.3.2019 – W 10 K 19.30074; VG Halle, U.v. 29.3.2019 – 2 A 562/17). Gesundheitliche Einschränkungen seiner Erwerbsfähigkeit, insbesondere den behaupteten Autismus, hat der Kläger nicht durch Vorlage eines qualifizierten fachärztlichen Attestes dargelegt (vgl. § 60a Abs. 2c AufenthG). Nicht zuletzt hat der Kläger auch durch seine Reise nach Europa bewiesen, dass er sich in einer für ihn unbekannten Umgebung behaupten kann (vgl. VG München, U.v. 9.11.2018 – M 21 K 17.42545 – juris Rn. 30).
c) Ein individuelles Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Diese Voraussetzungen liegen zugunsten des Klägers nicht vor. Ihm droht nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit wegen der behaupteten Vorgänge. Insoweit kann auf die Ausführungen unter a) verwiesen werden.
d) Des Weiteren ergibt sich für den Kläger auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG angesichts der Versorgungslage in Togo. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein und in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird.
Mangels einer derartigen Abschiebestopp-Anordnung stellt die nach den eingeführten Erkenntnisquellen bestehende unzureichende Versorgungslage in Togo eine allgemeine Gefahr dar, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen kann. Diese Sperrwirkung kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – juris Rn. 32 m.w.N.). Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Togo erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N. = juris). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage den baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zu alldem BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24.10 – BVerwGE 137, 226 = juris).
Eine derart extreme Gefahrenlage liegt nicht vor. Wie ausgeführt, hat das Gericht keine Zweifel daran, dass es dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Togo möglich sein wird, sich unter Überwindung von Anfangsschwierigkeiten eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen.
2. Gegen die Rechtmäßigkeit der auf §§ 34, 38 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützten Abschiebungsandrohung einschließlich der gesetzten Ausreisefrist bestehen keine Bedenken.
3. Ebenfalls bestehen keine Bedenken gegen die Befristung des gesetzlichen Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 2 und 3 AufenthG. Es sind keine persönlichen Umstände des Klägers oder sonstigen Gesichtspunkte erkennbar, welche die konkret gesetzte Frist ermessensfehlerhaft erscheinen lassen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylG, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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