Verwaltungsrecht

Neubewertung einer Masterarbeit

Aktenzeichen  AN 2 K 15.02220, AN 2 K 15.02244

Datum:
14.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Rahmenprüfungsordnung für die Fachhochschulen (RaPO) vom 17. Oktober 2001 §§ 10 II, 7 III, 8 III
APO §§ 14 V 1, 19 IX

 

Leitsatz

Die mangelnde schriftliche Ausarbeitung einer Masterarbeit kann nicht dadurch ausgeglichen werden, dass die im Rahmen dieser Arbeit erstellte Software in der Praxis funktioniert. (redaktioneller Leitsatz)
Private Probleme können die Verlängerung der Bearbeitungszeit einer Masterarbeit rechtfertigen; der Bewertung der Prüfung sind hingegen nur die tatsächlich erbrachten Leistungen zugrunde zu legen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Verfahren.

Gründe

Die zulässigen Klagen, mit denen der Kläger eine Nachkorrektur seiner Masterabschlussarbeit und Neubewertung mit der Note mindestens „ausreichend“ sowie die Aufhebung seiner Exmatrikulation zum Ende des Sommersemesters 2015 begehrt, sind in der Sache unbegründet. Das Gericht erachtet den Bescheid der Hochschule vom 26. Juni 2015 für rechtmäßig und hält eine Verletzung des Klägers in seinen Rechten für nicht gegeben, § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO. Da die Bewertung der im Zweitversuch zu fertigenden Masterarbeit mit der Note „nicht ausreichend“ rechtlich nicht zu beanstanden ist, hat der Kläger weder einen Anspruch auf nochmalige Bewertung durch den Erst- und Zweitkorrektor (1.) noch bestehen rechtliche Bedenken gegen seine Exmatrikulation (2.).
1.
Die Bewertung der im Zweitversuch zu bearbeitenden Masterabschlussarbeit mit der nicht ausreichenden Note „5“ und der daraufhin ergangene Bescheid der Hochschule vom 26. Juni 2015, wonach der Kläger die Masterprüfung im Studiengang … endgültig nicht bestanden hat, sind rechtlich nicht zu beanstanden.
Gemäß § 15 Abs. 6 Satz 1 der Allgemeinen Prüfungsordnung der Technischen Hochschule N. G. S. O. (APO) vom 23. Dezember 2010 bzw. § 10 Abs. 2 Satz 1 der Rahmenprüfungsordnung für die Fachhochschulen (RaPO) vom 17. Oktober 2001 kann eine mit der Note „nicht ausreichend“ bewertete Masterarbeit einmal wiederholt werden.
Auf die im Erstversuch zu fertigende Masterarbeit hatte der Kläger wegen Überschreitens der Regelstudienzeit um mehr als zwei Semester gemäß § 8 Abs. 3 Satz 3 RaPO eine nicht ausreichende Endnote erhalten. Dieser Bescheid der Hochschule vom 14. März 2014 ist zwischenzeitlich bestandskräftig geworden, so dass die Masterarbeit des Klägers als erstmals abgelegt und nicht bestanden gilt. Dabei wirkt sich nicht aus, dass in diesem Bescheid fälschlicherweise das erstmalige Nichtbestehen der Bachelorarbeit festgestellt wurde. Der Inhalt der getroffenen Regelung war für die Beteiligten im Wege einer Auslegung vollständig, klar und unzweideutig erkennbar. Dem Kläger war bewusst, dass nur die Masterarbeit gemeint sein konnte, da er die Bachelorarbeit bereits bestanden hatte und insbesondere der Bescheid die Belehrung enthielt, dass die Masterarbeit einmal wiederholt werden kann.
Auch gegen die Bewertung der im Zweitversuch angefertigten Masterarbeit mit der nicht ausreichenden Note „5“ bestehen keine rechtlichen Bedenken.
a.
Verfahrensfehler, die zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung und Einräumung einer zusätzlichen Wiederholungsmöglichkeit führen könnten, liegen nach Auffassung des Gerichts nicht vor und sind auch klägerseits nicht geltend gemacht.
Insbesondere wurde dem Zweiprüferprinzip gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1 und § 19 Abs. 9 Satz 1 APO bzw. § 7 Abs. 3 Satz 1 RaPO Rechnung getragen, indem die Masterarbeit des Klägers zunächst dem Erstprüfer Herr Prof. Dr. … und im Anschluss daran dem Zweitprüfer Herr Prof. Dr. … zur Beurteilung vorgelegt wurde. Durch die Bewertungsbegründung wurde der Kläger auch ausreichend in den Stand versetzt, substantiierte Einwände gegen die Bewertung zu erheben. Sowohl die im Text der Masterarbeit angebrachten Zwischenbemerkungen der Prüfer als auch das der Masterarbeit vorangestellte Gesamturteil ermöglichen es dem Kläger, die die Bewertung tragenden Gründe der Prüfer in den Grundzügen nachzuvollziehen. Die Prüferbewertung lässt ausreichend erkennen, welche Kriterien für die Benotung maßgeblich waren und wie die Anwendung dieser Kriterien in den wesentlichen Punkten zu dem Bewertungsergebnis geführt hat.
b.
Der Kläger hat in Auseinandersetzung mit der Bewertung der Prüfer relevante Bewertungsfehler nicht erfolgreich aufgezeigt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zur gerichtlichen Kontrolle von berufsbezogenen Prüfungsentscheidungen ist den Prüfern ein Beurteilungsspielraum zuzuerkennen, der nur der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. Dieser Beurteilungsspielraum bezieht sich auf Gesichtspunkte, die sich wegen ihrer prüfungsspezifischen Komplexität im Verwaltungsstreitverfahren nicht ohne weiteres nachvollziehen lassen und die daher mit rein objektiven Maßstäben kaum messbar sind. Der Bewertungsspielraum betrifft dabei vor allem die Punkte- und Notenvergabe, die Bewertung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Schwere einzelner Fehler und die Bestimmung von Stärken und Schwächen einer Prüfungsleistung. Das Gericht kann sich daher nicht an die Stelle der Prüfer setzen, sondern nur überprüfen, ob anzuwendendes Recht verkannt wurde, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt wurden, sachfremde Erwägungen angestellt wurden oder ob die Bewertung der Prüfer willkürlich erfolgt ist (BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81; BVerwG, B.v. 13.5.2004 – 6 B 25/04).
Gemessen an diesen Grundsätzen war die Bewertungsentscheidung der Prüfer Herrn Prof. Dr. … und Herrn Prof. Dr. … weder willkürlich noch in sonstiger Weise sachwidrig.
Der Kläger macht insbesondere nicht mit Erfolg geltend, die Note „nicht ausreichend“ sei nur dann gerechtfertigt, wenn die im Rahmen seiner Tätigkeit als Masterstudent bei … GmbH von ihm selbst, eigenverantwortlich und vollumfänglich erstellte Software (…) fehlerhaft und inhaltlich angreifbar dargestellt worden wäre. Gemäß § 9 Abs. 1 der Studien- und Prüfungsordnung für den Masterstudiengang … an der Technischen Hochschule N. G. S. O. vom 12. Januar 2009 soll der Studierende in der Masterarbeit seine Fähigkeit nachweisen, die im Studium erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten in einer selbstständigen, wissenschaftlichen Arbeit auf komplexe Aufgabestellungen anzuwenden. Zu den Anforderungen an eine wissenschaftliche Arbeit in diesem Sinne gehören nach der nicht zu beanstandenden Auffassung der Prüfer unter anderem auch eine Literatur-Aufarbeitung, das Aufzeigen und Analysieren unterschiedlicher Sichtweisen auf das in der Masterarbeit aufgegriffene Problem, die Diskussion unterschiedlicher Lösungsansätze sowie ein systematisches und begründetes Vorgehen. Dass der Kläger diese von einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit zu fordernden Punkte vernachlässigt hat, räumt dieser – ohne gegen die Bewertung der schriftlichen Ausführungen substantiierte Bewertungsrügen geltend zu machen – selbst ein. Den vom Kläger aufgestellten Automatismus, wonach allein eine funktionierende Software eine mangelhafte schriftliche Ausarbeitung aufwiegen könne, hält das Gericht hingegen nicht für zwingend. Gegenstand der Aufgabenstellung der klägerischen Masterarbeit mit dem Titel „Integration neuer Software innerhalb existierender IT-Strukturen am Beispiel eines …“ war entsprechend den Ausführungen des Prüfers Herrn Prof. Dr. … nicht die konkrete Anwendung des Programms im Sinne einer Programmieraufgabe. Zwar räumte der Prüfer ein, dass positive Begleitumstände, wie z. B. eine funktionierende Software, eine zusätzliche Aufwertung von Abschlussarbeiten bewirken können. Da jedoch Gegenstand der Bewertung einer Abschlussarbeit grundsätzlich allein die schriftliche Ausarbeitung ist und überdies die Prüfer üblicherweise – so auch im Falle des Klägers – gar keinen Zugriff auf die entwickelte Software haben, ist die Auffassung der Prüfer, wonach auch eine funktionierende Software keinesfalls eine mangelhafte schriftliche Ausarbeitung aufwiegen könne, rechtlich nicht zu beanstanden. Indem der Kläger die Funktionsfähigkeit seiner erstellten Software hervorhebt, setzt er sich nicht mit der detaillierten Bewertungsbegründung der Prüfer auseinander, sondern setzt nur seine eigene Schwerpunktsetzung an die Stelle der – vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbaren und vom Beurteilungsspielraum gedeckten – Prüferkritik. Einer Neubewertung der Leistung des Klägers bedurfte es überdies schon deshalb nicht, da es nach Aussage des Erstprüfers Herrn Prof. Dr. … in der mündlichen Verhandlung keinen Sinn ergeben würde, die Anwendung vor Ort nachzuvollziehen. Aufgrund der Tatsache, dass der Prüfer seiner Bewertung ohnehin die Funktionsfähigkeit der Software zugrunde gelegt hat und somit eine tatsächliche Überprüfung des entwickelten … nichts an der Bewertung ändern könnte, hat sich der gerügte Bewertungsfehler jedenfalls nicht kausal ausgewirkt.
Dem Kläger steht auch nicht deshalb ein Anspruch auf Neubewertung seiner Masterarbeit zu, weil er während der Zeit der Erstellung der Masterabschlussarbeit existenzielle private Probleme zu meistern hatte und psychisch extrem unter Druck gestanden ist. Der Kläger hätte, auf diese Gründe gestützt, gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 8 Abs. 4 RaPO eine Nachfrist für den Beginn der Bearbeitungszeit seiner Masterarbeit beantragen bzw. einen Antrag auf Verlängerung der Bearbeitungszeit gemäß § 19 Abs. 6 Nr. 4 i. V. m. § 16 APO stellen können. Aus Gründen der Chancengleichheit aller Studierenden der Hochschule können hingegen ungeachtet einer privaten Ausnahmesituation nur die tatsächlich erbrachten Leistungen in die Bewertung eingestellt werden.
Schließlich kann aus einem Abgleich der vom Kläger im Bachelor- bzw. seinem bisherigen Masterstudium erworbenen Durchschnittsnoten von 2,2 bzw. 1,62 nicht im Sinne eines Anscheinsbeweises der Schluss gezogen werden, die Beurteilung der Masterarbeit mit der nicht ausreichenden Note „5“ sei rechtsfehlerhaft erfolgt. Es kann auf vielerlei Gründen beruhen, weshalb verschiedene Prüfungsleistungen desselben Prüfungsteilnehmers deutlich unterschiedlich bewertet werden. Der Bewertung zugrunde gelegt werden darf indes stets nur die Qualität der konkret erbrachten Leistung.
2.
Da der Kläger somit eine nach der Prüfungsordnung erforderliche Prüfung endgültig nicht bestanden hat, war er gemäß Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 HS 1 BayHSchG i. V. m. § 11 Abs. 1 RaPO von der Hochschule zu exmatrikulieren.
3.
Im Hinblick auf die Abweisung der Klagen bedurfte der Antrag auf Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren keiner Entscheidung.
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird im Verfahren AN 2 K 15.02220 auf 2.500,00 EUR
und im Verfahren AN 2 K 15.02244 auf 15.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Festsetzung des Streitwerts im Verfahren AN 2 K 15.02244 beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziffer 18.5 des Streitwertkatalogs 2013. Bei dem Streitwert für das Verfahren AN 2 K 15.02220 hielt das Gericht eine Halbierung des Auffangstreitwerts gemäß § 52 Abs. 2 GKG für angemessen (§ 52 Abs. 1 GKG), da die Exmatrikulation aufgrund des endgültigen Nichtbestehens einer Prüfung erfolgte und somit die Entscheidung in diesem Verfahren notwendige Folge der Entscheidung im Verfahren AN 2 K 15.02244 war.


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