Verwaltungsrecht

Neuer Vortrag nach Ablauf der mit der Antragsbegründung gewahrten Berufungszulassungsbegründungsfrist

Aktenzeichen  14 ZB 20.31647

Datum:
2.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36130
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 71 Abs. 1, § 78 Abs. 3, Abs. 4 S. 4
VwGO § 60

 

Leitsatz

Im asylrechtlichen Berufungszulassungsverfahren sind neue Tatsachen, die erst nach dem Ablauf der Antragsbegründungsfrist vorgetragen werden, nicht zu berücksichtigen; sie bleiben einem Folgeantrag (§ 71 AsylG) vorbehalten (im Anschluss an SächsOVG, B.v. 23.10.2015 – 5 A 80/15.A – juris Rn. 14 m.w.N.). Diese aus der systematischen Abgrenzung von § 71 und § 78 AsylG resultierende Begrenzung des Prüfungsstoffs stellt keine eigenständige „gesetzliche Frist‟ i.S.v. § 60 Abs. 1 VwGO dar. Insoweit kommt eine Wiedereinsetzung auch in analoger Anwendung des § 60 Abs. 1 VwGO nicht in Betracht, wenn die Antragsbegründungsfrist als solche gewahrt ist. (Rn. 16 – 20)

Verfahrensgang

M 28 K 18.30656 2020-06-29 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Soweit Zulassungsgründe i.S.v. § 78 Abs. 3 AsylG ausdrücklich oder sinngemäß geltend gemacht werden, sind sie nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor.
1. Die Berufung ist nicht wegen der Gehörsrüge (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) im Zusammenhang mit der verwaltungsgerichtlichen Würdigung der Religionslosigkeit des Klägers zuzulassen.
Das Verwaltungsgericht ist nicht davon ausgegangen, dass der Kläger seine Religionslosigkeit und die damit verbundene Abkehr vom Islam aktiv im Iran ausüben oder nur erzwungenermaßen unter Druck drohender Verfolgung auf die ihm allein entsprechende Lebensform verzichten werde (UA Rn. 20 f.). Dabei verweist es explizit gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auch auf den streitgegenständlichen Bescheid (UA Rn. 13), der seinerseits die klägerische Schilderung zur strengen islamischen Erziehung durch den Vater des Klägers und die Ablehnung des Korans durch den Kläger thematisiert (Bescheid S. 2 und S. 9).
In der Antragsbegründung wird gerügt, das Verwaltungsgericht habe dabei das entscheidende Parteivorbringen übersehen, dass der Kläger seine ablehnende Haltung gegenüber dem Islam aufgrund der ihm von seinem autoritären und gewaltbereiten Vater aufgezwungenen Religiosität entwickelt habe, wobei diese Distanz zum Vater offenkundig eine gewichtige Rolle für das Selbstverständnis des Klägers spiele, was das Gericht hätte berücksichtigen und zu einer anderen Gesamtsicht kommen müssen.
Damit ist den gesetzlichen Darlegungsanforderungen (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) schon deshalb nicht genügt, weil die Antragsbegründung nicht näher auf die besagte Einbeziehung des Bescheids durch das angegriffene verwaltungsgerichtliche Urteil eingeht.
Unabhängig davon wird auch nicht genau genug dargestellt, weshalb sich dem Verwaltungsgericht – angesichts der einbezogenen Ausführungen des Bescheids – die klägerseits vermisste Auseinandersetzung mit gerade diesem klägerischen Vortrag hätte „aufdrängen‟ müssen, wobei zu sehen ist, dass die Gerichte nicht gehalten sind, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen, weshalb im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen müssen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist, was nur der Fall ist, wenn Tatsachen oder Tatsachenkomplexe übergangen werden, deren Entscheidungserheblichkeit sich aufdrängt (BVerfG, B.v. 12.10.1988 – 1 BvR 818/88 – BVerfGE 79, 51/61 m.w.N.; BVerwG, B.v. 1.10.1993 – 6 P 7.91 – NVwZ-RR 1994, 298 m.w.N.).
2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) zuzulassen. Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt dabei voraus, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage im konkreten Rechtsstreit klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich ist, dass diese Frage sich als klärungsbedürftig, insbesondere nicht schon höchst- oder obergerichtlich geklärt und nicht direkt aus dem Gesetz zu beantworten erweist und dass ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BayVGH, B.v. 28.7.2010 – 14 ZB 09.422 – juris Rn. 8 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer innerhalb der Frist des § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG im Hinblick auf § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren sowie deren (2.) Klärungsfähigkeit, (3.) Klärungsbedürftigkeit und (4.) allgemeine Bedeutung darlegen (BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.; B.v. 23.1.2019 – 14 ZB 17.31930 – juris Rn. 2).
2.1. Nicht zuzulassen ist die Berufung hinsichtlich der von der Antragsbegründung aufgeworfenen Frage, „nach welchen Kriterien das Gericht die Glaubhaftigkeit vorgetragener Homosexualität zu bestimmen hat“. Dazu erläutert die Antragsbegründung, es solle nicht die Beweiswürdigung als solche, die in der Regel dem materiellen Recht zuzuordnen sei, ausnahmsweise aber verfahrensfehlerhaft sein könne, gerügt werden. Auch solle nicht in die freie Überzeugungsbildung des Gerichts eingegriffen werden. Jedoch handele es sich bei der sexuellen Orientierung um ein asylerhebliches Merkmal, dessen Vorliegen den Einzelnen einer sozialen Gruppe i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 AsylG zuordne oder zuordnen könne. Die grundsätzliche Bedeutung bestehe deshalb in der Frage, wie dieses Merkmal der sexuellen Orientierung gemäß diesen Normen zu bestimmen sei. Da es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff handele, sei dieser der Auslegung und damit auch der Überprüfung zugänglich.
In der besagten Form ist diese Frage schon viel zu allgemein gehalten, um in einem Berufungsverfahren abstrakt beantwortet werden zu können, weil sie von einer Vielzahl von Einzelaspekten und individuellen Faktoren, insbesondere dem konkreten Inhalt des klägerischen Vortrags und dem Vorliegen sonstiger Beweismittel des jeweiligen Einzelfalls abhängig ist.
Unabhängig davon ist die Frage in dieser Form auch nicht klärungsbedürftig, weil sie keine konkrete Fragestellung aufweist, die über die bereits in der Rechtsprechung erfolgten Klärungen im Zusammenhang mit der asylrechtlichen Prüfung der Homosexualität hinausweisen könnte. So ist nicht nur geklärt, dass homosexuelle Personen asylrechtlich als eine bestimmte soziale Gruppe anzusehen sind und dass bei der Prüfung des Asylantrags nicht erwartet werden darf, dass homosexuelle Asylbewerber ihre Homosexualität im Herkunftsstaat geheim- oder sich bei deren Ausleben zurückhalten (EuGH, U.v. 7.11.2013 – C-199/12 u.a. – ECLI:ECLI:EU:C:2013:720 Rn. 41 ff., 70 ff.), sondern auch, dass Befragungen zur Homosexualität nicht allein auf stereotypen Vorstellungen von Homosexuellen beruhen und nicht auf Details der sexuellen Praktiken gerichtet sein dürfen (EuGH, U.v. 2.12.2014 – C-148/13 u.a. – ECLI:ECLI:EU:C:2014:2406 Rn. 59 ff., 64), dass Beweise der Art, dass der betreffende Asylbewerber homosexuelle Handlungen vornimmt, Videoaufnahmen solcher Handlungen vorlegt oder sich „Tests‟ zum Nachweis seiner Homosexualität unterzieht, nicht akzeptiert werden dürfen (EuGH, U.v. 2.12.2014 a.a.O. Rn. 65 f.) und dass Gutachten über die sexuelle Orientierung zwar nicht per se unzulässig sind (EuGH, U.v. 25.1.2018 – C-473/16 – ECLI:EU:2018:36 Rn. 37 f., 46), jedoch nicht die alleinige Entscheidungsgrundlage darstellen dürfen, nicht unverzichtbar sind und nicht unverhältnismäßig in Grundrechte eingreifen dürfen (EuGH, U.v. 25.1.2018 a.a.O. Rn. 45, 54 ff.), wobei auch eine persönliche Anhörung eine geeignete Vorgehensweise sein kann (EuGH, U.v. 25.1.2018 a.a.O. Rn. 66 ff., 69) und die Glaubhaftigkeit einer Aussage des Asylbewerbers zu seiner Homosexualität nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil dies nicht schon bei der ersten Gelegenheit geltend gemacht wurde (EuGH, U.v. 2.12.2014 a.a.O. Rn. 67 ff.). Dabei entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass Tatrichter auch in schwierigen Fällen berechtigt und verpflichtet sind, den Beweiswert einer Aussage in eigener Verantwortung selbst zu würdigen, dass insoweit richterliche Überzeugungsgewissheit von der Wahrheit des Parteivortrags notwendig ist und dass die Frage, in welchem Umfang dabei eine Auseinandersetzung und Prüfung zu erfolgen hat, nicht verallgemeinerungsfähig, sondern eine Frage des Einzelfalls ist (BVerwG, B.v. 18.7.2005 – 1 B 10.05 – Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 36; BayVGH, B.v. 8.10.2019 – 9 ZB 19.31644 – juris Rn. 4 m.w.N.; OVG NW, B.v. 5.8.2020 – 4 A 2792/19.A – juris Rn. 13 ff. m.w.N.). Vor dem Hintergrund dieser bereits vorliegenden umfangreichen Klärungen wirft die unsubstantiierte Fragestellung keinen weitergehenden Klärungsbedarf auf.
Jedenfalls genügt die Antragsbegründung insoweit hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit nicht den Darlegungsanforderungen § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, weil sie sich nicht näher mit den besagten Klärungen der Rechtsprechung auseinandersetzt.
2.2. Nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zuzulassen ist die Berufung auch wegen der weiteren in der Antragsbegründung aufgeworfenen Frage, ob die Teilnahme an einer offen gegen das iranische Regime gerichteten Demonstration an einem Hauptplatz einer Großstadt (wie dem Münchner Marienplatz) mit einem lautverstärkten Redebeitrag als untergeordnete Handlung anzusehen ist, die eine ernsthafte Gefahr der Verfolgung durch das iranische Regime nicht begründen kann.
Insoweit genügt die Antragsbegründung den Darlegungsanforderungen zur Klärungsbedürftigkeit nicht, weil sie sich weder mit der Rechtsprechung, die das Verwaltungsgericht selbst zitiert (UA Rn. 24), noch mit derjenigen Rechtsprechung befasst, die der vom Verwaltungsgericht (UA Rn. 13) gemäß § 77 Abs. 2 AsylG einbezogene streitgegenständliche Bescheid (dort S. 7 f.) referiert.
Unabhängig davon ist auch diese Frage zu allgemein gehalten, um abstrakt beantwortet zu werden, weil die Formulierung „…mit einem lautverstärkten Redebeitrag…“ unterschiedlichste Inhalte von Redebeiträgen umfassen kann und auch nicht festlegt, ob es nur um Redebeiträge des jeweiligen Asylbewerbers oder auch um Redebeiträge anderer Demonstrationsteilnehmer gehen soll.
2.3. Schließlich scheidet eine Berufungszulassung auch aus im Hinblick auf die erst im klägerischen Schriftsatz vom 12. November 2020 unter Stellung eines diesbezüglichen Wiedereinsetzungsantrags und Vorlage zweier fremdsprachiger Schriftstücke einschließlich zugehöriger Übersetzungen nachgeschobene Frage, ob der Ausschluss eines Rechtsmittels durch ein erkennendes Gericht, insbesondere im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Verurteilung wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit als Konterrevolutionär im Iran, (1) eine justizielle Maßnahme im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylG darstellt und (2) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 4 AsylG bedeutet.
2.3.1. Eine Berufungszulassung wegen dieser Frage kommt – selbst wenn zugunsten des Klägers davon ausgegangen wird, dass die aufgeworfene Frage die für eine grundsätzliche Bedeutung vorausgesetzte Verallgemeinerungsfähigkeit besitzt – schon deshalb nicht in Betracht, weil der Schriftsatz vom 12. November 2020 erst nach Ablauf der einmonatigen gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG bei Gericht eingegangen ist, woran der klägerische Wiedereinsetzungsantrag nichts ändert.
2.3.1.1. Eine Wiedereinsetzung (§ 60 VwGO) in die einmonatige Antragsbegründungsfrist des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG scheidet schon deshalb aus, weil diese gesetzliche Frist vorliegend gar nicht versäumt ist, sondern vielmehr mit der am 14. August 2020 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Antragsbegründung – das verwaltungsgerichtliche Urteil war der Klagepartei am 14. Juli 2020 zugestellt worden – gewahrt wurde. Es fehlt an der in § 60 Abs. 1 VwGO vorgesehenen Wiedereinsetzungsvoraussetzung der Nichteinhaltung einer „gesetzlichen‟ Frist.
2.3.1.2. Auch ein analoger Rückgriff auf § 60 VwGO kommt nicht Betracht.
Zwar darf das Oberverwaltungsgericht im asylrechtlichen Berufungszulassungsverfahren beim Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) neue, nach dem Ergehen des erstinstanzlichen Urteils anfallende Tatsachen berücksichtigen, soweit sie innerhalb der Antragsbegründungsfrist vorgetragen werden (SächsOVG, B.v. 23.10.2015 – 5 A 80/15.A – juris Rn. 14 m.w.N.; BayVGH, B.v. 2.8.2012 – 14 ZB 12.30259 – juris Rn. 12 m.w.N.; siehe auch BVerwG, B.v. 14.6.2002 – 7 AV 1.02 – NVwZ-RR 2002, 894; B.v. 15.12.2003 – 7 AV 2.03 – NVwZ 2004, 744 jeweils zum hier nicht einschlägigen Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Soweit sich neue Tatsachen dagegen außerhalb dieser Frist ergeben, bleibt dies einem Folgeantrag (§ 71 AsylG) vorbehalten (SächsOVG, B.v. 23.10.2015 a.a.O. m.w.N.).
Allerdings stellen diese Erwägungen – auch wenn sie an die Frist des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG „anknüpfen‟ – keine eigenständige „gesetzliche Frist‟ i.S.v. § 60 Abs. 1 VwGO dar. Vielmehr betreffen sie die Begrenzung des Prüfungsstoffs im Berufungszulassungsverfahren und folgen aus der gebotenen Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Berufungszulassungsverfahrens (§ 78 AsylG) einerseits und des Asylfolgeverfahrens (§ 71 AsylG) andererseits. Insoweit ist das in § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG enthaltene Merkmal „nach…unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags“ in dem Sinn zu verstehen, dass Unanfechtbarkeit den Ausschluss der rechtlichen Möglichkeit meint, den Streitstoff in einem Berufungsverfahren zur Überprüfung zu stellen (ThürOVG, B.v. 31.3.1999 – 3 ZKO 1331/97 – NVwZ-Beilage 1999, 56/57 m.w.N.). Diese aus dem systematischen Verhältnis von § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG einerseits und § 71 Abs. 1 AsylG andererseits resultierende Abgrenzung ist nicht dadurch zu relativieren, dass im Wege einer Analogie zu § 60 VwGO der Anwendungsbereich des Berufungszulassungsverfahrens über Wiedereinsetzungsanträge in die Verfügungsmacht von Prozessbeteiligten gestellt und erweitert wird (vgl. zur fristgerechten Stellung des Folgeantrags in solchen Fällen BVerwG, U.v. 25.11.2008 – 10 C 25.07 – NVwZ 2009, 595 Rn. 14 m.w.N.; SächsOVG, U.v. 22.11.2014 – A 3 A 519/12 – juris Rn. 26).
2.3.2. Selbst wenn zugunsten des Klägers das Vorbringen im Schriftsatz vom 12. November 2020 als fristgerecht zu berücksichtigen wäre und dieser Schriftsatz zu Recht direkt an den Verwaltungsgerichtshof und nicht an das Verwaltungsgericht adressiert werden konnte, käme eine Berufungszulassung nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG in der Sache nicht in Betracht.
Auch diese Frage ist viel zu allgemein gehalten. Sie ist nicht auf die Lage im Iran beschränkt, auf den sie sich nur „insbesondere‟ bezieht, sondern umfasst textlich gesehen alle denkbaren Staaten. Gleichzeitig umfasst sie textlich gesehen jeden denkbaren gerichtlichen Rechtsmittelausschluss (in jedem denkbaren Staat), und zwar nicht nur bei strafrechtlichen Verurteilungen „wegen Gefährdungen nationaler Sicherheit“, die sie wiederum nur „insbesondere‟ benennt, wobei die Frageformulierung auch nicht-strafrechtliche Rechtsmittelausschlüsse umfasst. Weil die Beantwortung dieser Frage von einer Vielzahl von Umständen abhängt, etwa um welchen Staat es sich handelt, um welches Rechtsgebiet und – soweit das Rechtsgebiet Strafrecht betroffen ist – um welche Straftatbestände es geht, welche Strafmaße im Raum stehen sowie welche realen Gefahren im jeweiligen Staat beim jeweiligen Delikt im Raum stehen, ließe sie sich angesichts ihrer thematischen Weite in einem Berufungsverfahren nicht klären.
Unabhängig davon genügt die Antragsbegründung insoweit auch den Darlegungsanforderungen zur Klärungsbedürftigkeit nicht; sie führt nur aus, die Frage sei klärungsbedürftig, begründet dies aber nicht ansatzweise – es wird nicht einmal festgehalten, ob aus Sicht der Klagepartei bislang einschlägige Rechtsprechung zu dieser Frage existiert oder nicht. Außerdem wäre den Darlegungsanforderungen selbst dann nicht genügt, wenn die Frage zugunsten des Klägers dahingehend ausgelegt werden können sollte, dass sie sich nur auf Rechtsmittelausschlüsse anlässlich strafrechtlicher Verurteilung im Iran wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit als Konterrevolutionär bezieht. Denn es wäre dann jedenfalls nicht dargelegt, inwieweit eine solche Frage im Hinblick auf den von der Frage vorausgesetzten Ausspruch einer Verurteilung als Konterrevolutionär im Iran überhaupt noch von Relevanz, also entscheidungserheblich sein könnte. Schon aus diesem Grund scheidet eine Berufungszulassung im Hinblick auf die im Schriftsatz vom 12. November 2020 aufgeworfene Frage aus.
3. Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger, der dieses Rechtsmittel vorliegend ohne Erfolg eingelegt hat (§ 154 Abs. 2 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die angegriffene Entscheidung rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG i.V.m. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


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