Verwaltungsrecht

Nicht hinreichende Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung

Aktenzeichen  11 ZB 16.30136

Datum:
22.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 51751
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1
AufenthG § 60 Abs. 5
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1 Ukrainische Staatsbürger, Ausländer, Staatenlose und Flüchtlinge mit rechtmäßigem Wohnsitz in der Ukraine haben nach der Auskunftslage dort Anspruch auf soziale Unterstützung seitens des Staates. (redaktioneller Leitsatz)
2 Es kommt daher nicht darauf an, ob die diesem Personenkreis angehörenden Kläger ohne staatliche Sicherheitssysteme in der Lage sein würden, ihre Existenz zu sichern. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 7 K 15.30855 2016-04-11 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I. Die Kläger sind ukrainische Staatsangehörige tatarischer Volkszugehörigkeit. Sie lebten vor ihrer Ausreise in Feodosia auf der Krim.
Die Kläger reisten am 5. Oktober 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 20. Oktober 2015 Asylanträge. Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gaben sie an, der Kläger zu 1. habe an proukrainischen Demonstrationen teilgenommen. Er sei deshalb zwei Mal verhaftet worden. Danach seien sie geflohen.
Das Bundesamt lehnte die Asylanträge mit Bescheid vom 18. Dezember 2015 ab, erkannte weder die Flüchtlingseigenschaft noch subsidiären Schutz zu und stellte fest, dass nationale Abschiebungsverbote nicht vorliegen. Sollten die Kläger nicht innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens ausreisen, werde die Abschiebung in die Ukraine angedroht. Die Kläger hätten eine politische Verfolgung nicht glaubhaft gemacht, da die Angaben des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. unglaubhaft und widersprüchlich seien. Unabhängig davon stehe ihnen eine inländische Fluchtalternative in anderen Landesteilen der Ukraine zu. Der Kläger zu 1. habe selbst eingeräumt, dass er auch dort Zuflucht suchen könne.
Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Würzburg mit Urteil vom 11. April 2016 abgewiesen. Die Kläger hätten eine politische Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Es werde dazu nach § 77 Abs. 2 AsylG auf den Bescheid des Bundesamts Bezug genommen. Darüber hinaus könne offen bleiben, ob die Kläger als Angehörige der Volksgruppe der Tataren auf der Krim verfolgt würden, denn sie könnten auf internen Schutz in den übrigen Landesteilen der Ukraine verwiesen werden. Die allgemeine humanitäre Situation in der Ukraine begründe keine nationalen Abschiebungsverbote. Die Lage sei nicht mit der Lage in Afghanistan vergleichbar, wo keinerlei soziale Sicherungssysteme bestünden. In der Ukraine gebe es mit dem IDP-Gesetz vom 19. November 2014 inzwischen eine Rechtsgrundlage für die Registrierung, Versorgung und Unterbringung von Binnenflüchtlingen. Die Kläger hätten auch noch zahlreiche Verwandte in der Ukraine, die sie ggf. unterstützen könnten.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung machen die Kläger geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Es stelle sich die Frage, ob die allgemeine humanitäre Situation in der Ukraine nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründe und ob die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu Afghanistan auf die Ukraine zu übertragen sei. Den Klägern als Familie mit fünf Kindern, von denen eines schwer krank sei, drohe nach der Rückkehr ein Leben unter dem Existenzminimum. Entscheidungserheblich sei, ob die Kläger ohne staatliche Sicherungssysteme in der Lage sein würden, ihre Existenz zu sichern, denn es gäbe keinerlei rechtliche Grundlage, dass die Verwandten die Kläger unterstützen müssten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht hinreichend dargelegt ist.
Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass eine im Zulassungsantrag darzulegende konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Orientierungspunkt dieser Erfordernisse ist die Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und es ist regelmäßig eine Durchdringung der Materie und in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts erforderlich (Happ a. a. O. § 124a Rn. 72). Daran fehlt es hier.
Das Verwaltungsgericht ist zum einen davon ausgegangen, dass mit dem ukrainischen Gesetz zur Sicherung von Rechten und Freiheiten der Binnenflüchtlinge vom 19. November 2014 (IDP-Gesetz) eine Rechtsgrundlage zur Verfügung steht, die die Registrierung, Versorgung und Unterbringung der Kläger gewährleistet. Die Kläger setzen sich mit dieser Argumentation auch nicht ansatzweise auseinander und legen weder dar, dass die auf dieser Rechtsgrundlage gewährten Leistungen des ukrainischen Staates ihnen nicht zustehen oder zur Existenzsicherung nicht ausreichen könnten.
Darüber hinaus ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Lage in der Ukraine mit der Lage in Afghanistan nicht vergleichbar ist, da in der Ukraine soziale Sicherungssysteme bestehen. Nach der Auskunftslage haben ukrainische Staatsbürger, Ausländer, Staatenlose und Flüchtlinge, die ihren rechtmäßigen Wohnsitz in der Ukraine haben, Anspruch auf soziale Unterstützung seitens des Staates (vgl. Länderinformationsblatt Ukraine, Hrsg.: Bundesamt für Migration und Flüchtlingen/Internationale Organisation für Migration/Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung, Stand: August 2013). Auch damit setzt sich die Antragsbegründung nicht auseinander, sondern die Kläger halten es für entscheidungserheblich, ob sie ohne staatliche Sicherungssysteme in der Lage sein würden, ihre Existenz zu sichern. Diese Frage stellte sich im erstinstanzlichen Verfahren so nicht, denn das Verwaltungsgericht legte zugrunde, dass soziale Sicherungssysteme bestehen, die auch für Rückkehrer eine knapp ausreichende Grundversorgung gewährleisten (vgl. Lagebericht, Auswärtiges Amt, Stand: Januar 2016, S. 5 und 14). Erkenntnismittel, denen entnommen werden könnte, dass die Grundversorgung für Rückkehrer nicht gewährleistet ist, nennen die Kläger nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss, mit dem das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben