Verwaltungsrecht

Nichtannahmebeschluss: Sozialversicherungspflicht von Teilnehmern an dualen Studiengängen – Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerden mangels hinreichender Begründung

Aktenzeichen  1 BvR 131/13, 1 BvR 132/13, 1 BvR 133/13, 1 BvR 145/13, 1 BvR 147/13, 1 BvR 154/13, 1 BvR 162/13, 1 BvR 163/13, 1 BvR 164/13, 1 BvR 165/13, 1 BvR 166/13, 1 BvR 167/13, 1 BvR 168/13, 1 BvR 169/13, 1 BvR 170/13, 1 BvR 171/13, 1 BvR 172/13, 1 BvR 173/13, 1 BvR 174/13, 1 BvR 178/13, 1 BvR 179/13, 1 BvR 180/13, 1 BvR 181/13, 1 BvR 196/13, 1 BvR 197/13, 1 BvR 198/13, 1 BvR 199/13, 1 BvR 200/13

Datum:
3.6.2013
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Nichtannahmebeschluss
Normen:
Art 3 Abs 1 GG
Art 6 Abs 1 GG
Art 12 Abs 1 GG
§ 23 Abs 1 S 2 BVerfGG
§ 92 BVerfGG
§ 25 Abs 1 S 2 SGB 3 vom 22.12.2011
Art 2 Nr 2 SGB4ÄndG 4
Art 3 SGB4ÄndG 4
Art 4 Nr 2 SGB4ÄndG 4
§ 5 Abs 4a S 2 SGB 5 vom 22.12.2011
§ 1 S 2 SGB 6 vom 22.12.2011
Spruchkörper:
1. Senat 3. Kammer

Tenor

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigen sich zugleich die Anträge auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung.

Gründe

1
Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
verbundenen Verfassungsbeschwerden richten sich gegen die
Versicherungspflicht von Teilnehmerinnen und Teilnehmern an dualen
Studiengängen in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie im Recht
der Arbeitsförderung.
I.
2
Mit Art. 2 Nr. 2, Art. 3 und Art. 4 Nr. 2 des Vierten Gesetzes
zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.
Dezember 2011 (BGBl I S. 3057) hat der Gesetzgeber in § 25 Abs. 1
Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) – Arbeitsförderung – , in § 5 Abs.
4a Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung
– sowie in § 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) – Gesetzliche
Rentenversicherung – geregelt, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen
Studiengängen den Beschäftigten zur Berufsausbildung gleichstehen. Die
Regelungen traten gemäß Art. 23 Abs. 1 des Vierten Gesetzes zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2011
(BGBl I S. 3057) am 1. Januar 2012 in Kraft.
3
Ziel war, die Versicherungspflicht von Teilnehmerinnen und
Teilnehmern an dualen Studiengängen in der Kranken-, Pflege- und
Rentenversicherung sowie im Recht der Arbeitsförderung für die gesamte Dauer
des Studiengangs einheitlich zu regeln (vgl. BTDrucks 17/6764, S. 16).
Hintergrund war eine Entscheidung des Bundessozialgerichts, wonach
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an praxisintegrierten dualen Studiengängen
weder aufgrund einer Beschäftigung noch aufgrund einer Beschäftigung zur
Berufsausbildung versicherungspflichtig in den genannten Zweigen der
Sozialversicherung waren, wohingegen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an
den übrigen ausbildungs- beziehungsweise berufsintegrierten dualen
Studiengängen von dem Urteil nicht berührt wurden, mithin weiterhin der
Versicherungspflicht unterlagen (vgl. BSGE 105, 56; BTDrucks 17/6764, S.
19).
4
Hiergegen wenden sich die Beschwerdeführer, die in drei
Personengruppen unterteilt werden können.
5
1. Die Beschwerdeführer der Verfahren 1 BvR 131/13, 1 BvR
132/13, 1 BvR 147/13, 1 BvR 162/13, 1 BvR 163/13, 1 BvR 164/13, 1 BvR
165/13, 1 BvR 169/13, 1 BvR 171/13, 1 BvR 174/13, 1 BvR 178/13, 1 BvR
180/13, 1 BvR 181/13, 1 BvR 198/13, 1 BvR 199/13, 1 BvR 200/13 nehmen an
praxisintegrierten dualen Studiengängen teil (Beschwerdeführergruppe zu 1).
Sie rügen eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG. Die gesetzliche Regelung
bewirke eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Studierenden. Zudem würden
sie mit zur Berufsausbildung Beschäftigten gleich behandelt, obwohl diese
dem Berufsbildungsgesetz unterlägen und keinen akademischen Abschluss
anstrebten. Sie rügen weiter einen Eingriff in die Freiheit von Forschung
und Lehre gemäß Art. 5 Abs. 3 GG. Durch die gesetzliche Neuregelung werde
ein Beschäftigungsverhältnis konstruiert, welches sie den im Rahmen der
praxisintegrierten dualen Studiengänge ausbildenden Unternehmen zur Treue
verpflichte. Die hierdurch geschaffene Barriere im Denken stehe in einem
unlösbaren Konflikt zur Freiheit von Forschung und Lehre.
6
2. Die Beschwerdeführer der Verfahren 1 BvR 145/13, 1 BvR 154/13
und 1 BvR 196/13 sind juristische Personen, die im Rahmen ihrer
unternehmerischen Tätigkeit insgesamt vier Ausbildungsverträge mit
Teilnehmerinnen und Teilnehmern an praxisintegrierten dualen Studiengängen
geschlossen haben (Beschwerdeführergruppe zu 2). Sie rügen eine Verletzung
ihrer Rechte aus Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG. Sie meinen, sie
könnten in ihrem Recht auf freie Berufsausübung verletzt sein, da durch die
gesetzliche Regelung ein Beschäftigungsverhältnis mit den Teilnehmern an
praxisintegrierten dualen Studiengängen konstruiert werde, das einen höheren
Verwaltungsaufwand bewirke, weil nunmehr eine Lohnabrechnung vorzunehmen sei
und die Teilnehmer an praxisintegrierten dualen Studiengängen in der
betrieblichen Mitbestimmung abgebildet werden müssten. Zudem hätten sie
aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mit geringeren Kosten
gerechnet. Darüber hinaus komme auch eine Verletzung ihrer durch Art. 2 Abs.
1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit in Betracht, da ihnen durch
die Neuregelung das Recht genommen werde, frei über ihr Vertragsverhältnis
mit den Teilnehmern an praxisintegrierten dualen Studiengängen zu
entscheiden. Der Neuregelung zufolge müssten alle Teilnehmerinnen und
Teilnehmer an praxisintegrierten dualen Studiengängen als zur Ausbildung
Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert werden. Sie zählten somit zu den
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und erschwerten dadurch
insbesondere kleineren Unternehmen den Betrieb, da sie nun unter den
Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes fielen. Hinzu komme, dass
ihnen durch die Neuregelung zwar arbeitgebertypische Pflichten gegenüber den
Teilnehmerinnen und Teilnehmern an praxisintegrierten dualen Studiengängen
auferlegt würden, während sie hingegen durch den Studienvertrag in der
Ausübung arbeitgebertypischer Rechte weitgehend eingeschränkt seien.
7
3. Die Beschwerdeführer der Verfahren 1 BvR 133/13, 1 BvR
166/13, 1 BvR 167/13, 1 BvR 168/13, 1 BvR 170/13, 1 BvR 172/13, 1 BvR
173/13, 1 BvR 179/13, 1 BvR 197/13, die Elternteile von Teilnehmerinnen und
Teilnehmern an praxisintegrierten dualen Studiengängen sind
(Beschwerdeführergruppe zu 3), rügen eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 6
GG. Hierzu tragen sie vor, infolge der nunmehr bestehenden
Sozialversicherungspflichtigkeit ihrer Kinder, hätten diese einen
Nettoeinkommensverlust von circa 20 % hinzunehmen, der im Regelfall
ausgeglichen werden müsse. Berufsausbildungsbeihilfe komme hierzu nicht in
Betracht, da ein praxisintegriertes duales Studium vom Berufsbildungsgesetz
nicht erfasst werde. Eine Förderung nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz wiederum scheide infolge der
Gleichstellung mit Auszubildenden aus. Somit verblieben nur Leistungen nach
dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) – Grundsicherung für
Arbeitssuchende -, welche jedoch vom Einkommen und Vermögen der
Antragstellenden und ihrer Angehörigen abhängig seien, weshalb vielfach
Eltern in die Pflicht genommen würden, ihre Kinder finanziell zu
unterstützen.
II.
8
Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung
anzunehmen, weil Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.
Ihnen kommt weder eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu
noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der von den Beschwerdeführern als
verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerden haben
keine Aussicht auf Erfolg, weil sie jedenfalls mangels hinreichender
Begründung unzulässig sind. Damit erledigen sich zugleich die Anträge auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung.
9
Die Begründung von Verfassungsbeschwerden erfordert nach §§ 23
Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG eine substantiierte Auseinandersetzung mit dem
zugrunde liegenden einfachen Recht und mit der verfassungsrechtlichen
Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts; darzulegen ist, dass eine
Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 89, 155 ).
Soweit das Bundesverfassungsgericht bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe
entwickelt hat, ist anhand dieser Maßstäbe aufzuzeigen, inwieweit
Grundrechte verletzt sein könnten (vgl. BVerfGE 99, 84 ; 101, 331
; 102, 147 ; 108, 370 ). Das gilt
jedenfalls dann, wenn die Verletzung des Grundrechts nicht auf der Hand
liegt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August
2010 – 1 BvR 1584/10 -, juris, Rn.3). Zur hinreichenden Begründung einer
Verfassungsbeschwerde gehört auch, dass der Beschwerdeführer seine
gegenwärtige und unmittelbare Betroffenheit ausreichend substantiiert (vgl.
BVerfGE 40, 141 ; 79, 1 ; BVerfG, Beschluss der 1.
Kammer des Ersten Senats vom 27. September 2012 – 1 BvR 1809/12, juris, Rn.
5). Wird Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz erhoben, so
müssen die Tatsachen, aus denen sich die Betroffenheit des Beschwerdeführers
ergibt, im Verfassungsbeschwerdeverfahren hinreichend belegt werden. Die
bloße Behauptung oder Versicherung des Beschwerdeführers reicht dazu nicht
aus (vgl. BVerfGE 83, 162 ; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer
des Ersten Senats vom 27. September 2012 – 1 BvR 1809/12 -, a.a.O., Rn. 5).
10
1. Soweit die Beschwerdeführer der Beschwerdeführergruppe zu 1
eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG
rügen, genügt die Beschwerdebegründung diesen verfassungsrechtlichen
Maßstäben nicht.
11
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber,
wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln
(vgl. BVerfGE 98, 365 ). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen
als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 ; 126,
400 ; 129, 49 ), wobei es grundsätzlich Sache des
Gesetzgebers ist, zu entscheiden, welche Merkmale er beim Vergleich von
Lebenssachverhalten als maßgebend ansieht, um sie im Recht gleich oder
verschieden zu behandeln (vgl. BVerfGE 50, 57 ).
12
Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach
Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen
für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten
Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen
können (vgl. BVerfGE 117,1 ; 122, 1 ; 126, 400
; 129, 49 ). Differenzierungen bedürfen stets der
Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß
der Ungleichbehandlung angemessen sind. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nicht nur,
dass die Ungleichbehandlung an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes
Unterscheidungskriterium anknüpft, sondern verlangt auch für das Maß der
Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen
Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung, der sich als sachlich
vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist
(vgl. BVerfGE 124, 199 ; 129, 49 ). Der
Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder
Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl
zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem
Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen
können (vgl. BVerfGE 55, 72 ; 88, 87 ; 93, 386
; 99, 367 ; 105, 73 ; 107, 27 ;
110, 412 ; 129, 49 ).
13
Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und
Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen
unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl.
BVerfGE 75, 108 ; 93, 319 ; 107, 27 ;
126, 400 ; 129, 49 ). Eine strengere Bindung des
Gesetzgebers ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Differenzierung an
Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen
Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für den
Einzelnen verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87 ; 129, 49
) oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl.
BVerfGE 124, 199 ; 129, 49 ). Eine strengere Bindung
des Gesetzgebers kann sich auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten
ergeben (vgl. BVerfGE 88, 87 ; 129, 49 ). Im Übrigen
hängt das Maß der Bindung unter anderem davon ab, inwieweit die Betroffenen
in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Kriterien zu
beeinflussen, nach denen unterschieden wird (vgl. BVerfGE 88, 87 ;
127, 263 ; 129, 49 ). Eine großzügige Prüfung ist
insbesondere dann angezeigt, wenn eine Regelung Ungleiches gleich behandelt
(vgl. BVerfGE 90, 226 ).
14
Auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts ist dabei dem
Gesetzgeber wegen der fortwährenden schnellen Veränderungen des Arbeits-,
Wirtschafts- und Soziallebens eine besonders weite Gestaltungsfreiheit
zuzugestehen, die nur einer eingeschränkten verfassungsgerichtlichen
Kontrolle unterliegt (vgl. BVerfGE 81, 156 ). Das
Bundesverfassungsgericht kann insbesondere nicht prüfen, ob der Gesetzgeber
im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung
gefunden hat (vgl. BVerfGE 71, 255 ; 81, 156 ; 89, 365
).
15
Insbesondere bei der Ordnung von Massenerscheinungen braucht
der Gesetzgeber nicht um die Gleichbehandlung aller denkbaren Einzelfälle
besorgt zu sein. Er ist vielmehr berechtigt, generalisierende, typisierende
und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit
verbundenen unvermeidlichen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu
verstoßen. Allerdings darf das Maß der Ungleichbehandlung die Grenzen, die
dem Gesetzgeber gezogen sind, nicht überschreiten (vgl. BVerfGE 100, 59
). Die Typisierung setzt, soll sie verfassungsrechtlich zulässig
sein, voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten
nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß
gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Wesentlich ist ferner, ob
die Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl. BVerfGE 100, 59
).
16
Angesichts der genannten verfassungsrechtlichen Maßstäbe hätte
es vor allem näherer Ausführungen zu Abgrenzung und Legitimation der
gebildeten Vergleichsgruppen bedurft, zumal der Gesetzgeber mit der
angegriffenen Regelung lediglich die frühere Verwaltungspraxis, nach der
Teilnehmer an praxisintegrierten dualen Studiengängen als
sozialversicherungspflichtig anzusehen waren, gesetzlich bestätigt hat.
Insbesondere zu der sich aufdrängenden Frage nach sachlichen Gründen für
beziehungsweise gegen eine Differenzierung ist der Beschwerdebegründung
jedoch nichts zu entnehmen.
17
2. Auch die Beschwerdeführer der Beschwerdeführergruppe zu 2
zeigen nicht anhand der bereits entwickelten verfassungsrechtlichen Maßstäbe
auf, inwieweit sie in ihren verfassungsmäßigen Rechten verletzt sein
könnten.
18
So ist für Steuer- und Abgabevorschriften seit langem
anerkannt, dass sie nur dann an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen sind, wenn sie
in einem engen Zusammenhang zur Ausübung eines Berufes stehen und objektiv
eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen (vgl. BVerfGE 75, 108 <153
f.>; 98, 83 ; 110, 274 ). Die Verpflichtung zur
Zahlung der Künstlersozialabgabe zum Beispiel berührt Art. 12 Abs. 1 GG
nicht, da sie weder infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit
der Ausübung eines Berufes steht noch objektiv eine berufsregelnde Tendenz
erkennen lässt; sie soll nach der Intention des Gesetzgebers nicht etwa den
Entschluss zur Wahl oder gar Ausübung eines Berufes im Bereich der
Vermarktung von Werken der Kunst oder Publizistik steuern und hat auch schon
wegen ihrer geringen Höhe objektiv keine berufspolitische Wirkung (vgl.
BVerfGE 75, 108 ). Auch die Begründung der
Rentenversicherungspflicht selbstständiger Lehrer durch § 2 Satz 1 Nr. 1
Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) – Gesetzliche Rentenversicherung –
berührt den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG nicht, da die Vorschrift
keine Berufs-, sondern Beitragspflichten zum Gegenstand hat, der Gesetzgeber
mithin weder die Wahl noch die Ausübung des Berufs des selbstständigen
Lehrers steuert (vgl. BVerfGK 11, 352 ).
19
Hierzu haben die Beschwerdeführer jedoch nichts vorgetragen.
Ihr Vortrag beschränkt sich im Wesentlichen auf die abstrakte Ableitung
einer möglichen Betroffenheit des Schutzbereichs des Art. 12 Abs. 1 GG aus
arbeits- beziehungsweise betriebsverfassungsrechtlichen Folgen.
20
3. Der Vortrag der Beschwerdeführergruppe zu 3 lässt
gleichfalls nicht die Möglichkeit einer Verletzung ihrer verfassungsmäßigen
Rechte erkennen.
21
Als Freiheitsrecht schützt Art. 6 Abs. 1 GG vor Eingriffen des
Staates in die Familie. Das Grundrecht gewährleistet das Recht der
Familienmitglieder, ihre Gemeinschaft nach innen in familiärer
Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten. Die Auswirkungen
familiärer Freiheit nach außen, insbesondere auf das Berufsleben, das
Schulwesen, die Eigentumsordnung und das öffentliche Gemeinschaftsleben,
müssen aber mit der verfassungsmäßigen Rechtsordnung übereinstimmen (vgl.
BVerfGE 80, 81 ). Ein Verstoß gegen diese Vorschrift kommt nur in
Betracht, wenn die angegriffene Gesetzesbestimmung gerade an das Bestehen
einer Familie nachteilige Rechtsfolgen knüpft. Benachteiligt sie dagegen
Personen ohne Rücksicht darauf, wird also, wie hier, insbesondere auch ein
Nichtfamilienmitglied denselben Rechtsfolgen unterworfen, so scheidet eine
Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG jedenfalls als Benachteiligungsverbot aus
(vgl. BVerfGE 28, 104 ; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des
Ersten Senats vom 13. März 2001 – 1 BvR 1265/96 -, juris, Rn. 16).
22
Darüber hinaus fehlt es an einer hinreichend nachvollziehbaren
Darlegung einer eigenen unmittelbaren Betroffenheit, zumal keiner der
Beschwerdeführer substantiiert darlegt, infolge der angegriffenen Regelung
tatsächlich “finanziell in die Pflicht genommen” worden zu sein. Soweit die
Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Vermutung aufstellen, dass ihre
Kinder keinen Anspruch auf Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz haben, wäre dies zunächst im
fachgerichtlichen Verfahren zu klären.
23
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3
BVerfGG abgesehen.
24
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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