Verwaltungsrecht

Nichtberücksichtigung bedingter Beweisanträge

Aktenzeichen  10 ZB 19.30464

Datum:
21.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 3427
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 152a
AsylG § 78 Abs. 3
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht aber dem Tatsachenvortrag und der Rechtsansicht der Beteiligten zu folgen. Die Vorschrift schützt nicht davor, dass das Beteiligtenvorbringen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die behauptete Verletzung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz durch Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung kann nicht mit der Anhörungsrüge und der Behauptung der Verletzung rechtlichen Gehörs geltend gemacht werden. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Anhörungsrüge, mit der der Kläger die Fortführung des Verfahrens über seinen mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Januar 2019 abgelehnten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das seine Asylklage abweisende Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 10. Juli 2018 (M 28 K 17.36447) begehrt, ist nach § 152a Abs. 4 Satz 2 VwGO zurückzuweisen. Denn die Voraussetzungen des § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO liegen nicht vor.
Nach § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO ist das Vorliegen der in § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO genannten Voraussetzungen darzulegen. Aus der Begründung der Anhörungsrüge ergibt sich jedoch nicht, dass der Verwaltungsgerichtshof den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hätte.
Zur Begründung seiner Rüge macht der Kläger geltend, nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs im angegriffenen Beschluss habe das Erstgericht den (bedingten) Beweisanträgen nicht nachgehen müssen, weil es die Angaben des Klägers (zum Verfolgungsgeschehen) als unglaubhaft bewertet habe und die Beweisanträge daher nicht entscheidungserheblich gewesen seien. Weiter habe der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, eine aus unzureichenden Gründen erfolgte Bewertung der Sachverhaltsschilderung des Klägers als unglaubhaft könne keine Verletzung des rechtlichen Gehörs begründen. Diese Argumente seien jedenfalls in der Kombination nicht tragfähig. Ein Gericht könnte dann stets die Angaben eines Klägers mit der Begründung ignorieren, sie seien nicht glaubhaft, und ihnen sowie darauf bezogenen Beweisanträgen den Boden entziehen, ohne dass die Begründung des Gerichts einer inhaltlichen Überprüfung unterzogen werden könnte. Da die Beweisanträge des Klägers im erstinstanzlichen Urteil nicht einmal erwähnt worden seien, sei die Annahme berechtigt, dass sie vom Gericht nicht zur Kenntnis genommen worden seien. Dem Gericht sei es nicht freigestellt, Beweisanträge zu ignorieren, selbst dann, wenn es der Auffassung sei, die unter Beweis gestellten Tatsachen seien nicht entscheidungserheblich. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs knüpfe an diese fehlerhafte rechtliche Wertung an und verfestige damit die Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Die Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung sei nach alledem mit den Vorgaben des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht vereinbar und das Rechtsmittelverfahren daher fortzusetzen.
Damit hat der Kläger jedoch nicht aufgezeigt, dass der Senat bei der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung entscheidungserheblichen Vortrag in der Antragsbegründung nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat. Indem der Kläger die inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und in der Folge des Senats im Zulassungsverfahren geltend macht, verkennt er den Sinn des Rechtsbehelfs nach § 152a VwGO und den Schutzbereich von Art. 103 Abs. 1 GG.
Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht aber dem Tatsachenvortrag und der Rechtsansicht des Beteiligten zu folgen (stRspr des BVerfG, vgl. B.v. 4.9.2008 – 2 BvR 2162/07, 2 BvR 2271/07 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 5.3.2018 – 10 ZB 18.487 – juris Rn. 3 jeweils m.w.N.). Art. 103 Abs. 1 GG garantiert weder die Richtigkeit der getroffenen tatsächlichen Feststellungen noch eine ordnungsgemäße Subsumtion und Entscheidungsbegründung und schützt auch nicht davor, dass das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt bleibt (BVerfG a.a.O. Rn. 13 m.w.N.).
Da es nicht Sinn des Rechtsbehelfs nach § 152a VwGO ist, den Senat zu einer weiteren Ergänzung oder Erläuterung der Gründe seines Beschlusses vom 16. Januar 2019 zu veranlassen, wird lediglich noch auf Folgendes hingewiesen:
Soweit der Kläger meint, die Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung sei mit dem Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unvereinbar, kann er dies jedenfalls nicht mit seiner Anhörungsrüge und der Behauptung einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend machen. Unabhängig davon verkennt er vor allem den abschließenden Katalog der Zulassungsgründe nach § 78 Abs. 3 AsylG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil für das Verfahren über die Anhörungsrüge nach Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).


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