Verwaltungsrecht

Nigeria, Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, Ermessen

Aktenzeichen  Au 9 K 19.31546

Datum:
13.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 49466
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
AufenthG § 11 Abs. 1
AufenthG § 11 Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.   

Gründe

Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beteiligten an der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2021 teilgenommen haben. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Der Kläger und die Beklagte sind zur mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2021 form- und fristgerecht geladen worden.
Die Klage bleibt ohne Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Die mit der Klage angegriffene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG auf zwölf Monate ab dem Tag der Abschiebung weist keine gemäß § 114 VwGO beachtlichen Ermessensfehler auf.
Dies ergibt sich aus den nachfolgenden Überlegungen. Art. 6 Grundgesetz (GG) gewährt keinen grundsätzlichen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet. Die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Beklagte zwar, bei der Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers zu Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in seinen Erwägungen zur Geltung zu bringen. Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach § 6 GG ist es aber ebenso wie mit Art. 8 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), der dem Kläger ebenfalls einen Anspruch auf Achtung des Familienlebens vermittelt, grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung des erforderlichen Visumsverfahrens zu verweisen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland und den weiteren Aufenthalt begehrt, i.d.R. hinzunehmen. Die Durchführung des Visumsverfahrens verhindert ein familiäres Zusammenleben im Bundesgebiet nämlich regelmäßig nur für einen überschaubaren Zeitraum (vgl. VG Saarland, U.v. 10.12.2019 – 6 K 1413/18 – juris Rn. 20; VG Augsburg, B.v. 10.2.2020 – Au 6 E 19.1999 – juris Rn. 51). Vorliegend kommt hinzu, dass es für den Kläger zumutbar ist, nach Nigeria zurückzukehren. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit ist entscheidend, welche Dauer das Visumsverfahren voraussichtlich haben wird und ob besondere Umstände vorliegen. Die nachträgliche Einholung des erforderlichen Visums zum Familiennachzug ist dabei nicht als bloße Förmlichkeit anzusehen. Denn Art. 6 GG gewährleistet keinen grenzenlosen Schutz der familiären Lebensgemeinschaft. Insoweit spielt es eine Rolle, ob der Drittstaatsangehörige das Unionsgebiet, etwa zur Nachholung des Visumverfahrens, für unbestimmte Zeit oder aber nur für einen kurzen, verlässlich zu begrenzenden Zeitraum zu verlassen hat (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 34 ff.). Bei vorhandenen familiären Bindungen ist davon auszugehen, dass eine Ermessensverdichtung allenfalls dahingehend in Betracht kommt, dass die Befristung einen Zeitraum von einem Jahr nicht übersteigen darf (vgl. VG Berlin, U.v. 14.1.2020 – 21 K 189.19 – juris Rn. 24). Dem hat die Beklagte vorliegend mit der Befristungsdauer von zwölf Monaten (noch) in ausreichendem Maße Rechnung getragen. Für einen Ermessensfehler bzw. eine Ermessensverdichtung zu Gunsten des Klägers ist nichts ersichtlich.
Weiter weist das Gericht darauf hin, dass ausweislich einer Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Landratsamt … vom 30. September 2019 bezüglich der Dauer des Visumsverfahrens bei nigerianischen Staatsangehörigen bei Vorlage von Vorabzustimmungen von folgenden Zeiträumen auszugehen sei. Das regelmäßig verlangte Urkundenüberprüfungsverfahren dauere regelmäßig ca. vier bis fünf Monate. Bei vorliegender Vorabzustimmung bei einem Nachzug zu einem deutschen Kind dauere das sich anschließende Visumsverfahren noch etwa einen Monat. Auch vor diesem Hintergrund erweist sich die vorgenommene Befristung von zwölf Monaten als (noch) ermessensgerecht.
Abschließend weist das Gericht auch darauf hin, dass das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nur in den Fällen Geltung beansprucht, in denen es zu einer tatsächlichen Abschiebung des Ausländers kommt. Der Kläger ist vorliegend vollziehbar ausreisepflichtig und hat dementsprechend das Visumsverfahren zu durchlaufen. Ein irgendwie gearteter Anspruch auf abweichende Fristfestsetzung steht dem Kläger daher nicht zur Seite.
Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.


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