Verwaltungsrecht

Nutzung einer Wohneinheit für Zwecke der Fremdenbeherbergung

Aktenzeichen  M 9 K 17.898

Datum:
11.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20348
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayZwEWG Art. 1 S. 2 Nr. 3
BayVwZVG Art. 18 Abs. 1, Art. 31, Art. 36
ZeS § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3
VwGO § 43 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Wirken Hauptmieter und Untermieter kollusiv zusammen, reicht eine Kündigungserklärung oder eine einvernehmliche Aufhebungsvereinbarung nicht aus, um nachzuweisen, dass der Hauptmieter die zweckfremde Nutzung nicht weiter betreibt. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Beim kollusiven Zusammenwirken von Hauptmieter und Untermieter bedarf es zum Nachweis der Beendigung der zweckfremden Nutzung des Nachweises der fristgerechten Rückgabe der Wohneinheit. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Pflicht zur Beendigung der Zweckentfremdung handelt es sich vollstreckungsrechtlich  um eine Unterlassungspflicht. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Das Zwangsgeld i.H.v. EUR 8.000,- ist fällig geworden (nachfolgend 1.). Auch die weitere Androhung eines Zwangsgeldes i.H.v. EUR 16.000,-. war rechtmäßig (nachfolgend 2.).
1. Das in Nr. 2 des Bescheids vom 15. September 2016 angedrohte Zwangsgeld i.H.v. EUR 8.000,- ist fällig geworden, der Kläger war somit zur Zahlung verpflichtet. Die entsprechende Mitteilung der Beklagten vom 20. Februar 2017 (Nr. I.) geht daher zu Recht von der Fälligkeit des Zwangsgelds aus.
Der Nichteintritt der Fälligkeit des angedrohten Zwangsgeldes hätte vorausgesetzt, dass die Nutzung zu Zwecken der Fremdenbeherbergung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung des Grundbescheids beendet wird, Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG.
Das ist nicht der Fall. Der Kläger ist seiner Pflicht, die zweckfremde Nutzung in der Form der Überlassung der Wohnung an den Untermieter Mohammed R. zu beenden, nicht nachgekommen.
Die Zustellung des Grundbescheids erfolgte am 21. September 2016 (Bl. 94a der Behördenakten). Daher hätte der Kläger die zweckfremde Nutzung spätestens bis zum Ablauf des 2. November 2016 beenden müssen. Die gesetzte Frist von sechs Wochen war auch nicht unverhältnismäßig, abgesehen davon, dass es hierauf wegen der Bestandskraft des Bescheids vom 15. September 2016 nicht mehr ankommt.
Zu diesem Zeitpunkt war die zweckfremde Nutzung des Hauses jedoch nicht beendet.
Soweit der Kläger darauf verweisen lässt, dass er fristgerecht alles ihm Mögliche getan habe, um die Zweckentfremdung zu beenden, so ist dazu festzuhalten: Dass der Kläger das Anwesen an den Mohammed R. untervermietet hat ist ein Umstand, der in anderen Personenkonstellationen zu erhöhtem Begründungsaufwand für das Pflichtenprogramm und die Störereigenschaft des Hauptmieters führen mag. In der hier gegebenen Personenkonstellation gilt das jedoch nicht. Der Kläger und Mohammed R. wirken nämlich kollusiv zusammen, weswegen beispielsweise eine Kündigungserklärung oder – wie hier geltend gemacht – eine einvernehmliche Aufhebungsvereinbarung nicht ausreichen, um nachzuweisen, dass der Kläger die zweckfremde Nutzung nicht weiter betreibt (vgl. nur BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 12 ZB 17.672 – Entscheidungsabdruck; B.v. 8.5.2017 – 12 ZB 17.571 – Entscheidungsabdruck). Diese Entscheidungen ergingen für dieselbe Personenkonstellation wie hier, für die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ausführte, der Kläger betreibe die Zweckentfremdung in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit Mohammed R. als Geschäftsmodell. Im Anschluss daran und auf Basis der einschlägigen Rechtsprechung der Kammer (vgl. statt aller VG München, U.v. 22.2.2017 – M 9 K 16.4276 – Umdruck; VG München, VG München, B.v. 19.1.2017 – M 9 S 16.4695 – juris; im Nachgang dazu auch VG München, U.v. 15.2.2017 – M 9 K 16.4641 – juris) zur genannten Personenkonstellation genügt zum Nachweis der Beendigung der zweckfremden Nutzung nur mehr der Nachweis der fristgerechten Rückgabe der Wohneinheit. Dieser Nachweis wurde nicht rechtzeitig vor dem Fälligwerden des Zwangsgelds erbracht. Ob insofern ausnahmsweise auf den früheren Zeitpunkt des Urteils des Amtsgerichts München vom 27. April 2017 (Az. 412 C 24470/16, Bl. 222ff. der Behördenakten) abzustellen ist – wogegen spricht, dass tatsächlich auch danach noch, nämlich im Sommer 2017, zweckfremde Nutzungen des Anwesens belegt werden konnten (vgl. Ortsermittlung vom 9.8.2017, Bl. 225 der Behördenakten) –, mit dem der Kläger, seine Ehefrau und Mohammed R. verurteilt wurden, das Anwesen an die Eigentümer herauszugeben, kann offen bleiben. Denn auch beim Abstellen auf diesen Zeitpunkt wäre das Zwangsgeld bereits fällig gewesen.
Unabhängig davon wurde das Anwesen, auch nachdem die Frist für die vom Kläger geschuldete Beendigung der Zweckentfremdung abgelaufen war, weiterhin zweckfremd genutzt. Das belegt das Ergebnis der Ortsermittlung der Beklagten vom 17. November 2016 (Bl. 156 der Behördenakten). Die Inhalte und Umstände der Ortsermittlung wurden der gängigen Praxis der Beklagten entsprechend in einem detaillierten, datierten und unterschriebenen Ermittlungsbericht wiedergegeben, der direkt nach der Befragung erstellt wurde. Diese Form der Dokumentation und Sicherung der Ermittlungsergebnisse wird vonseiten des Gerichts und des zuständigen Obergerichts in ständiger Rechtsprechung akzeptiert (statt aller BayVGH, B.v. 12.7.2018 – 12 ZB 18.1213 – Umdruck; VG München, U.v. 11.4.2018 – M 9 K 17.2381 – juris m.w.N.). Da gegen die Richtigkeit der im Verwaltungsvorgang der Beklagten enthaltenen Feststellungen keine substantiierten Einwendungen erhoben wurden, steht das Ergebnis der Ortsermittlung fest. Es bestehen auch keinerlei Zweifel daran, dass die Ortsermittlung eine erneute bzw. andauernde Zweckentfremdung darstellt. Diese muss sich der Kläger auch zurechnen lassen, vgl. dazu die obigen Ausführungen zum Zusammenwirken mit Mohammed R. Daher können die Einwände in der Klagebegründung nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Sowohl die in der Klagebegründung als auch zum Teil in der Niederschrift der mündlichen Verhandlung im Verfahren Az. M 9 K 16.4641 am 15. Februar 2017 abgegebenen Erklärungen des Klägers und Mohammed R. – die angebliche einvernehmliche Beendigung des Untermietvertrags, der Erhalt von Kündigung und Räumungsklage durch die Eigentümer oder die Erklärung des Klägers und von Mohammed R., dass nach dem 1. November 2016 keine (Unter-) Vermietungen mehr stattfänden – sind in zweckentfremdungsrechtlicher Hinsicht insofern unbeachtlich.
Da es sich bei der Pflicht zur Beendigung der Zweckentfremdung vollstreckungsrechtlich um eine Unterlassungspflicht handelt (z.B. BayVGH, B.v. 12.8.2017 – 12 C 17.1544 – juris Rn. 9), schadet eine zwischenzeitlich erfolgte Rückgabe des Anwesens nicht, Art. 37 Abs. 4 VwZVG. Ergänzend wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sich die Anordnungen des Grundbescheids hinsichtlich der vergangenen Zeiträume nicht erledigt haben, da dieser noch Grundlage von Vollstreckungshandlungen war bzw. ist, vgl. Art. 37 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 VwZVG. Vom Ermessen in Art. 37 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 VwZVG will die Beklagte, wie die hier im Streit stehende Vollstreckung zeigt, zu Recht keinen Gebrauch machen, da eine unbillige Härte bei bewussten Verstößen gegen die auferlegte Unterlassenpflicht nicht in Betracht kommt (vgl. BayVGH, U.v. 13.7.2000 – 2 B 95.331 – juris) und zudem eine Existenzgefährdung nicht nachgewiesen wurde (vgl. BayVGH, B.v. 30.11.2005 – 1 CE 05.153 – juris).
2. Die erneute Zwangsgeldandrohung, Nr. II des Bescheids vom 20. Februar 2017, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen, Art. 18f. VwZVG, waren durchgehend bis zur mündlichen Verhandlung gegeben. Die Grundverfügung ist auf ein Unterlassen (Nutzungsuntersagung) gerichtet, Art. 18 Abs. 1 VwZVG, außerdem ist sie bestandskräftig, Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG. Soweit in der Klagebegründung noch argumentiert wird, dass gegen die Grundverfügung Klage erhoben sei, über die noch nicht rechtskräftig entschieden sei, trifft das nicht zu. Mit Urteil des Gerichts vom 15. Februar 2017 wurde die Klage gegen die Grundverfügung abgewiesen, dieses Urteil ist rechtskräftig; der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Dezember 2017 zurückgewiesen (Az. 12 ZB 17.672).
Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen, Art. 31, 36 VwZVG, lagen vor. Das Zwangsgeld wurde in bestimmter Höhe angedroht, Art. 36 Abs. 5 VwzVG, die Beträge hielten sich im Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG. Mit der erneuten Androhung wurde zugewartet, bis feststand, dass die vorausgegangene Androhung erfolglos geblieben war, Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG. „Erfolglos“ bedeutet dabei nicht, dass ein weiteres Zwangsgeld erst dann angedroht werden darf, wenn das zunächst festgesetzte Zwangsgeld beigetrieben oder zumindest ein Beitreibungsversuch gemacht worden ist. Die Behörde muss vielmehr nur abwarten, dass das zunächst angedrohte Zwangsgeld fällig geworden und die frühere Androhung ohne Erfolg geblieben ist (statt aller BayVGH, B.v. 7.6.2016 – 12 ZB 16.874 – Umdruck; VG München, B.v. 30.5.2016 – M 9 S 16.1261 – juris; U.v. 24.2.2016 – M 9 K 15.3083 – juris). Die frühere Anordnung blieb hier ohne Erfolg, wie oben unter 1. dargelegt ist. Eine etwaige Begleichung des Betrags würde nichts mehr daran ändern, da die Zahlung eines Zwangsgeldes so lange nicht zum „Erfolg“ einer Zwangsgeldandrohung führt, wie der (Grund-) Anordnung nicht fristgerecht nachgekommen wird. Die Höhe des Zwangsgeldes ist nicht zu beanstanden. Die Verdoppelung des Betrags entspricht der üblichen Verwaltungspraxis und ist angemessen (statt aller VG München, B.v. 30.5.2016 – M 9 S 16.1261 – juris; U.v. 13.5.2013 – M 8 K 12.2500 – juris). Die Behörde darf Zwangsmittel so lange und so oft anwenden, bis die Verpflichtung erfüllt wird, vgl. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG.
Dass dieses Zwangsgeld wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Rückgabe des Hauses an die Eigentümer nicht mehr fällig werden wird, ist für die Rechtmäßigkeit der Androhung ohne Belang.
Nach alledem wird die Klage abgewiesen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708f. ZPO.


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