Verwaltungsrecht

Nutzungsuntersagung füe ein Wettbüro

Aktenzeichen  M 11 S 17.4070

Datum:
15.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 55 Abs. 1
BayBO BayBO Art. 57 Abs. 4 Nr. 1
BayBO BayBO Art. 76 Satz 2

 

Leitsatz

1 Eine vergnügungsstättenartige Nutzung als Wettbüro ist in einem allgemeinen Wohngebiet gebietsunverträglich und nach der Art der Nutzung nicht genehmigungsfähig. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Nutzung der Räume als gewerbliche Wettannahmestelle wirft gegenüber der genehmigten Ladennutzung jedenfalls nach Maßgabe der Einzelumstände die Genehmigungsfrage neu auf, ohne dass von einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit ausgegangen werden kann. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.875 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten um eine sofort vollziehbare Nutzungsuntersagung.
Aufgrund einer Baukontrolle am 24. April 2017 stellte die Antragsgegnerin fest, dass die Antragstellerin im Erdgeschoss des Anwesens … Straße …, …, mit Bescheid vom 13. Februar 1968 bauaufsichtlich genehmigt als Laden mit Aufenthaltsraum und WC, unter der Bezeichnung „…“ ein Wettbüro betreibt. Es waren mehrere Stehtische mit Wettabgabescheinen, drei Terminals zur Wettabgabe und zwei Laptops aufgestellt. Zudem waren insgesamt 10 große Flachbildschirme an der Wand montiert, auf welchen Wettquoten angezeigt wurden. An der Außenfassade wurde oberhalb des Vordaches über dem Eingangsbereich und den Schaufenstern eine aus großen Einzelleuchtbuchstaben bestehende Werbeanlage „…“ angebracht. Die Schaufenster selbst waren teilweise großflächig mit einer Werbefläche mit Darstellung eines Fußballspielers und der Aufschrift „… Wettannahme Livewetten Sportwetten“ beklebt.
Nach vorheriger Anhörung untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Bescheid vom 16. Juni 2017 die Nutzung des streitgegenständlichen Anwesens als Wettbüro und gab ihr auf, die Nutzung spätestens vier Wochen nach Bestandskraft des Bescheids aufzugeben und Werbeanlagen in den Fenstern und der Tür über dem Eingang spätestens vier Wochen nach Bestandskraft des Bescheids zu entfernen (Ziff. 1), ordnete die sofortige Vollziehung an (Ziff. 2), verfügte gegenüber der Eigentümerin eine Duldungsanordnung (Ziff. 3) und drohte für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Nutzungsuntersagung ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 EUR an.
Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, die Nutzung der Räumlichkeiten als Wettbüro sei genehmigungspflichtig. Verfahrensfreiheit bestehe nicht, da andere öffentlichrechtliche, insbesondere städtebauliche Anforderungen, in Betracht kämen, als für einen Laden. Es könnten insbesondere Belange des Lärmschutzes sowie Stellplatzfragen tangiert sein. Eine erforderliche Baugenehmigung sei weder beantragt noch erteilt worden. Das Vorhaben widerspreche den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 2/62, der ein allgemeines Wohngebiet festsetze und sei bauplanungsrechtlich unzulässig, selbst wenn man von einer reinen Wettannahmestelle ausgehen würde. Es handle sich weder um einen der Versorgung des Gebietes dienenden Laden noch um einen nicht störenden Handwerksbetrieb. Auch eine ausnahmsweise Zulassung als nicht störender Gewerbebetrieb scheide aus, da der Bebauungsplan die Zulassung von Ausnahmen abschließend regle. Die errichteten Werbeanlagen seien als untergeordnete Nebenanlagen sowohl auf Grund der Unzulässigkeit der Hauptnutzung als auch auf Grund der Unzulässigkeit von Nebenanlagen nach den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht zulässig. Zum Sofortvollzug wurde ausgeführt, es liege im besonderen öffentlichen Interesse, dass eine Nutzungsänderung nur vorgenommen werde, wenn deren Übereinstimmung mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften feststehe. Es könne nicht hingenommen werden, dass der rechtsuntreue Bürger Nutzungsvorteile (wie z.B. erhöhte Einnahmen) gegenüber den Bürgern erhalte, die zuerst das erforderliche Genehmigungsverfahren betreiben würden. Im Übrigen wird auf die Gründe des Bescheids verwiesen.
Die Antragstellerin hat am 5. Juli 2017 durch ihren Bevollmächtigten Anfechtungsklage erheben lassen (M 11 K 17.3062). Zugleich wurde ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt (M 11 S. 17.3077).
Zur Begründung des Eilantrags wurde ausgeführt, die Antragstellerin betreibe kein Wettbüro, sondern lediglich eine Wettannahmestelle. Die Nutzung führe die ursprünglich genehmigte Ladennutzung fort und stelle keine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung dar. Es würden von einem Mitarbeiter und über Wettterminals Wetten angenommen und Wettscheine verkauft sowie auf zehn großen Flachbildschirmen Wettquoten angezeigt. Sportliche Ereignisse würden in den Räumlichkeiten nicht übertragen. Ein dauernder und längerer Aufenthalt von Kunden sei weder angestrebt und erfolgt noch die Räumlichkeiten hierfür eingerichtet. Der für ein Wettbüro als Vergnügungsstätte typische Aufenthaltscharakter sei nicht gegeben. Es fehle das gemeinsame Erlebnis, Sportübertragungen anzusehen und auf das Ergebnis zu wetten. Zur Glaubhaftmachung wurde eine eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Antragstellerin vorgelegt. Die Antragstellerin habe zudem nach Zustellung des Bescheids freiwillig auf allen Bildschirmen den Hinweis eingeblendet, dass die Vermittlung und Annahme von Live-Wetten bzw. das Zeigen von Wettquoten für Live-Wetten nicht möglich sei. Zusätzlich seien die Besucher informiert worden, dass ein Aufenthalt in den Räumlichkeiten, außer zum Ausfüllen und zur Abgabe von Wettscheinen, nicht gestattet sei.
Die Antragsgegnerin hat durch ihren Bevollmächtigten beantragen lassen, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde die Einstufung als Wettbüro erläutert. Der Hinweis auf den Bildschirmen auf das Verbot von Live-Wetten werde mit Nichtwissen bestritten.
Am 27. Juli 2017 erließ die Antragsgegnerin einen Änderungsbescheid und änderte Ziffer 1 des Bescheids vom 6. Juni 2017 insoweit, als die Nutzung bis spätestens 21. August 2017 aufzugeben und die Werbeanlagen in den Fenstern und der Tür und über dem Eingang ebenfalls bis spätestens 21. August 2017 zu entfernen seien. Zudem wurde die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 4 des Bescheids vom 6. Juni 2017 geändert und es wurden u.a. neben dem Zwangsgeld bei Zuwiderhandlung gegen die Nutzungsuntersagung auch Zwangsgelder in Höhe von 500 EUR bzw. 250 EUR bei Zuwiderhandlung gegen die Anordnungen zur Entfernung der Werbeanlagen angedroht.
Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, die ursprünglichen Handlungsfristen stünden im Widerspruch zum angeordneten Sofortvollzug. Die geänderten Ausführungsfristen seien angemessen. Im Übrigen wird auf die Gründe des Bescheids verwiesen.
Die Antragstellerin hat hiergegen am 28. August 2017 durch ihren Bevollmächtigten Anfechtungsklage erheben (M 11 K 17.4046) und zugleich beantragen lassen,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid der großen Kreisstadt Dachau vom 27. Juli 2017 wiederherzustellen.
Die Begründung entspricht den Ausführungen im Verfahren M 11 S. 17.3077.
Der Eilantrag im Verfahren M 11 S. 17.3077 wurde mit Schreiben vom 1. September 2017 zurückgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem und im Eilverfahren M 11 S. 17.3077 sowie in den Klageverfahren M 11 K 17.4046 und M 11 K 17.3062 sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Gegenstand der erhobenen Anfechtungsklage M 11 K 17.4046 sowie des gegenständlichen Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist der Bescheid vom 6. Juni 2017 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 27. Juli 2017. Der auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziff. 1 des angefochtenen Bescheids gerichtete Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, der jedenfalls nach der Anpassung der Handlungsfristen an den angeordneten Sofortvollzug zulässig ist, hat in der Sache keinen Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat eine Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Diese entfällt kraft Gesetzes bei den in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO aufgeführten Maßnahmen und des Weiteren nach Nr. 4 der Bestimmung, wenn die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde besonders angeordnet wird.
Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage aufgrund einer eigenen Ermessensentscheidung ganz oder teilweise wiederherstellen. Dabei kommt es darauf an, ob eine Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts überwiegt. Hierbei ist in erster Linie auf die Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers abzustellen. Erweist sich nach summarischer Prüfung der angefochtene Verwaltungsakt als rechtswidrig, so ist die Vollziehung regelmäßig auszusetzen, da an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erscheint der Verwaltungsakt dagegen nach vorläufiger Betrachtung als voraussichtlich rechtmäßig, ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen, sofern ein besonderes Vollzugsinteresse besteht. Stellen sich die Erfolgsaussichten als offen dar, hängt das Ergebnis allein von der vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung ab.
Die anzustellende Interessenabwägung ergibt im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung und nach Aktenlage, dass das öffentliche Vollzugsinteresse das Suspensivinteresse der Antragstellerin überwiegt, da der Rechtsbehelf der Antragstellerin in der Hauptsache aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird und ein besonderes Vollziehungsinteresse besteht.
Die Untersagung der Nutzung als Wettbüro ist aller Voraussicht nach rechtmäßig.
Gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Nutzung von Anlagen untersagen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfolgt.
Ein Rechtsverstoß im Sinne dieser Bestimmung liegt schon dann vor, wenn ein genehmigungspflichtiges Vorhaben ohne Baugenehmigung ausgeführt wird. Die Genehmigungsfähigkeit ist demgegenüber lediglich insoweit von Bedeutung, als eine Nutzungsuntersagung bei offensichtlicher Genehmigungsfähigkeit ohne vorherige Aufforderung zur Stellung eines Bauantrags unverhältnismäßig ist (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2017 – 15 CS 16.2253 – juris Rn. 33; B.v. 19.5.2016 – 15 CS 16.300 – juris Rn. 21 m.w.N.).
Nach diesem Maßstab durfte die Antragsgegnerin gegen die Vermittlung von Wetten in den streitgegenständlichen Räumlichkeiten gegen die Antragstellerin einschreiten, ohne den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu verletzen, weil die untersagte Nutzung formell illegal und in materieller Hinsicht jedenfalls nicht offensichtlich zulässig ist.
Die Nutzung des Anwesens stellt gegenüber der genehmigten Ladennutzung eine gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtige Nutzungsänderung dar.
Eine – die Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO ausschließende – Nutzungsänderung im planungsrechtlichen Sinn liegt vor, wenn durch die Verwirklichung eines Vorhabens die einer genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird und durch die Aufnahme dieser veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, sodass sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichem Aspekt neu stellt (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 18.11.2010 – 4 C 10/09 – juris Rn. 12). Die Variationsbreite der bisherigen Nutzung wird dabei auch dann überschritten, wenn das bisher charakteristische Nutzungsspektrum durch die Änderung erweitert wird (BVerwG a.a.O.). Von einer genehmigungsfreien Nutzungsänderung gem. Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO ist bereits dann schon nicht mehr auszugehen, wenn die Zulässigkeit des geänderten Vorhabens im Sinne von Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO anders beurteilt werden kann; ob das tatsächlich der Fall ist, ist im Genehmigungsverfahren erst zu prüfen (BayVGH, B.v. 19.5.2016 a.a.O. – juris Rn. 32).
Die Variationsbreite der genehmigten Ladennutzung wird durch die Nutzung der Räume zur Annahme von Wetten mit Wettterminal und nach Maßgabe der Ausstattung mit Flachbildschirmen und Laptops sowie unter Berücksichtigung der Öffnungszeiten überschritten. Zum einen (1) spricht vieles dafür, dass die Räume tatsächlich als Wettbüro vergnügungsstättenartig genutzt werden, zum anderen (2) wird die Variationsbreite der genehmigten Nutzung auch dann verlassen, wenn man von einer Nutzung als Wettannahmestelle ausgehen würde.
Der Betrieb von Wettvermittlungsstellen kommt in bauplanungsrechtlicher Hinsicht der Art nach als Gewerbebetrieb oder als Vergnügungsstätte in Betracht. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird zwischen sogenannten Wettannahmestellen und Wettbüros unterschieden. Während bloße Wettannahmestellen für Sportwetten den Annahmestellen für Lotto und Toto gleichgestellt werden, sind Wettbüros als Vergnügungsstätten zu behandeln, wenn sie auch der kommerziellen Unterhaltung dienen. Unter Wettbüros in diesem Sinn fallen Räumlichkeiten, in denen zwischen dem Kunden (Spieler), dem Wettbüro (Vermittler) und dem – meist im europäischen Ausland ansässigen – Unternehmen Transaktionen abgeschlossen werden, wobei es sich um Sportwetten bzw. um Wetten auf diverse sonstige Ereignisse handelt. Hinzu kommt im Regelfall, dass die Räumlichkeiten – insbesondere durch die Anbringung von Bildschirmen – Gelegenheit bieten, die Wettangebote bzw. Ergebnisse Live mit-zuverfolgen (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2016 – 9 ZB 14.1146 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Die Vermittlung von Live-Wetten in einer Wettvermittlungsstelle überschreitet dabei die Schwelle zur Vergnügungsstätte (BayVGH a.a.O. – juris Rn. 8). Denn LiveWetten bieten anders als Sportwetten, bei denen lediglich auf das Eintreffen eines Sportergebnisses zu festen Gewinnquoten gesetzt wird, eine rasche Aufeinanderfolge der Wettmöglichkeiten und verleiten den Kunden damit zu einem Verweilen bis zum Eintritt der jeweiligen Wettergebnisse, während dessen der Kunde die aktuellen Quoten und die Ergebnisse der Wettkämpfe auf Monitoren verfolgen und ggf. seine weiteren Wetten danach ausrichten kann.
(1) Es kann davon ausgegangen werden, dass die Räume jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Nutzungsuntersagungsverfügung vom 6. Juni 2017 für Live-Wetten genutzt wurden und damit eine vergnügungsstättenartige Nutzung als Wettbüro vorlag. Die Nutzung für Live-Wetten drängte sich nach Maßgabe der technischen Einrichtung auf, wurde entsprechend beworben und wird auch seitens der Antragstellerin nicht bestritten. Auch die Öffnungszeiten von Montag bis Sonntag von jeweils 11:00 Uhr bis 23:00 Uhr sprechen für den Betrieb eines Wettbüros und nicht einer reinen Wett annahmestelle. Hinzu kommt das Vorhandensein von Stehtischen, was für ein längeres Verweilen von Kunden zum Verfolgen von Live-Wetten bzw. den zugrundeliegenden Sportereignissen spricht. Das von der Antragstellerin geltend gemachte fehlende gemeinsame Erlebnis, in den Räumen eine Sportübertragung anzusehen, ist demgegenüber nicht maßgeblich. Der „Verweilcharakter“ folgt nicht aus einer möglichst angenehmen oder geselligen Atmosphäre, die dem Kunden neben dem Ab-schluss seiner Wette angeboten werden soll, sondern schlicht aus der Möglichkeit, sich während des Laufs der Sportveranstaltungen in den Räumen des Wettbüros aufzuhalten, um die über Wandmonitore ausgestrahlten aktuellen Quoten und Ergebnisse der Wettkämpfe live zu verfolgen und noch während der laufenden Sportveranstaltungen in schneller Abfolge auf bestimmte Ereignisse zu wetten (BayVGH, B.v. 19.5.2016 a.a.O. – juris Rn. 24). Ob seit der Nutzungsuntersagung nachträgliche Hinweise zu Live-Wetten und zur Aufenthaltsdauer auf den Bildschirmen gezeigt bzw. an die Kunden gegeben werden, spielt keine Rolle, da sich die unzulässige Nutzung nicht in einem Kundenverhalten erschöpft, sondern maßgeblich durch die technische Einrichtung der Räume, die Öffnungszeiten sowie die angebrachte Werbung geprägt ist. Bei einer Gesamtbetrachtung der Einzelumstände drängt sich eine Nutzung als Wettbüro für Live-Wetten mit entsprechender Verweildauer der Kundschaft auf. Damit kann insbesondere auch die Entfernung oder Außerfunktionsstellung der auf Live-Wetten ausgerichteten technischen Einrichtung sowie der entsprechenden Werbung als Teil der unzulässigen Nutzung untersagt werden. Ob eine zulässige Nutzung trotz der auf ein Wettbüro ausgerichteten technischen Ausstattung sichergestellt werden kann, wäre durch die Vorlage geeigneter Bauvorlagen und insbesondere durch eine Betriebsbeschreibung nachzuweisen und wird nicht durch unverbindliche Aussagen im Gerichtsverfahren zu einer freiwilligen Nutzungseinschränkung ersetzt (vgl. dazu auch unter (2)).
Eine vergnügungsstättenartige Nutzung als Wettbüro ist in einem allgemeinen Wohngebiet gebietsunverträglich und nach der Art der Nutzung gemäß § 4 BauNVO nicht genehmigungsfähig.
(2) Im Übrigen würde auch eine Nutzung der Räume als gewerbliche Wettannahmestelle gegenüber der genehmigten Ladennutzung jedenfalls nach Maßgabe der Einzelumstände die Genehmigungsfrage neu aufwerfen, ohne dass von einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit ausgegangen werden kann. Das gilt insbesondere für die erforderliche Abgrenzung zu einer unzulässigen Wettbüronutzung vor dem Hintergrund der wettbürotypischen technischen Einrichtung sowie den Öffnungszeiten.
Entscheidend für die Genehmigungspflicht ist im vorliegenden Fall allein schon der Umstand, dass den vormals als Ladengeschäft genehmigten Räumlichkeiten mit der Nutzung für die Vermittlung von Wetten, der technischen Ausstattung und den Öffnungszeiten eine gegenüber einer herkömmlichen Ladennutzung völlig neue Zweckbestimmung gegeben wurde, deren Zuordnung je nach Einordnung als schlichte Wettannahmestelle oder als Wettbüro sowie je nach dem Ergebnis der Prüfung im Baugenehmigungsverfahren als schlichter Gewerbebetrieb oder als Vergnügungsstätte in Betracht kommt, die jeweils anderen planungsrechtlichen Anforderungen unterliegen (vgl. für den Wechsel einer Nutzung von einer Ladennutzung in eine Nutzung als Wettvermittlungsstelle in einem faktischen Mischgebiet BayVGH, B.v. 19.5.2016 – 15 CS 16.300 – juris Rn. 33).
Die Nutzung wirft aufgrund der technischen Einrichtung sowie der Öffnungszeiten, aufgrund der sich eine Nutzung als Wettbüro für Live-Wetten aufdrängt, schwierige Abgrenzungsfragen zwischen einer Nutzung als Wettannahmestelle und einem Wettbüro auf. Dementsprechend wird davon ausgegangen, dass eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung auch dann vorliegt, wenn eine als solche geneh migte bloße Wettannahmestelle ihren Betrieb wesentlich ändert und nunmehr über Monitore und Terminals mit aktueller Spielstandanzeige und aktuellen Wettquoten Live-Wetten anbietet (BayVGH, B.v. 19.5.2016 a.a.O. – juris Rn. 34).
Aufgrund dieser Abgrenzungsfragen wäre die Vorlage von Bauvorlagen erforderlich, aufgrund der – insbesondere auf der Grundlage einer Betriebsbeschreibung – Art und Umfang der beabsichtigten Nutzung und damit die Genehmigungsfähigkeit beurteilt und ein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden oder ggfs. eine Genehmigungsfreistellung erfolgen könnte.
Hinzu kommt, dass sich auch für eine Nutzung als Wettannahmestelle andere baurechtliche Anforderungen ergeben können, die die Genehmigungsfrage neu aufwerfen, ohne dass von einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit ausgegangen werden kann. Das betrifft im Hinblick auf die über eine typische Ladennutzung weit hinausgehenden Öffnungszeiten und den damit verbundenen Kundenverkehr vor allem Lärmschutzfragen nach Maßgabe des Rücksichtnahmegebots (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) und ggfs. auch Stellplatzfragen.
Auch die angeordnete Entfernung von Werbeanlagen ist voraussichtlich nicht zu beanstanden.
Soweit sich eine Nutzungsuntersagung auf Einrichtungen bezieht, die nicht unter den Anlagenbegriff fallen und in denen sich die unzulässige Nutzung manifestiert, kann auch die Entfernung solcher Einrichtungen als Teil der Nutzungsuntersagung angeordnet werden (vgl. BayVGH, U.v. 19.11.2007 – 25 B 05.12 – juris Rn. 27). Soweit die Entfernung baulicher Anlagen angeordnet wird, handelt es sich um eine Beseitigungsanordnung nach Maßgabe von Art. 76 Satz 1 BayBO. In solchen Fällen muss die Anlage auch materiell baurechtswidrig sein. Auch insofern lägen die Vorausset zungen vor. Wie bereits oben dargestellt, spricht vieles dafür, dass eine unzulässige Nutzung als Wettbüro vorliegt. Die Werbeanlagen sind Teil der untersagten unzulässigen Nutzung und mit dieser untrennbar verbunden – ihre Bedeutung erschöpft sich in dieser unzulässigen Nutzung. Damit kann ihre Beseitigung bereits im Hinblick auf die Unzulässigkeit der damit verbundenen Nutzung angeordnet werden. Darüber hinaus stellen Werbeanlagen am Ort der Leistung Nebenanlagen dar, die entsprechend den unbestrittenen Ausführungen im Bescheid vom 6. Juni 2017 nach Maßgabe von § 4 des Bebauungsplans Nr. 2/62 nicht zulässig sind.
Einwände gegen das Vorliegen des öffentlichen Interesses am Sofortvollzug bzw. die formalen Anforderungen an die Begründung des Sofortvollzugs wurden nicht geltend gemacht – entsprechende Bedenken bestehen auch nicht (vgl. zu den Anforderungen bei einer Nutzungsuntersagung BayVGH, B.v. 2.11.2011 – 2 CS 11.1558 – juris Rn. 3 und 7). Das gilt wegen des engen Bezugs und mangels konkreter Anhaltspunkte auf einen nicht wiedergutzumachenden Schaden auch für die Entfernung der Werbeanlagen. Die Ausführungen zum Sofortvollzug in den Bescheiden vom 6. Juni und 27. Juli 2017 beinhalten im Übrigen eine knappe, aber noch ausreichend konkrete Auseinandersetzung mit den Umständen des Einzelfalls und den wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen, wieso gerade im konkreten Fall ein Aufschub der Anordnung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht hingenommen werden kann.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 9.4, 9.5 des Streitwertkatalogs, wobei die Höhe der angedrohten Zwangsgelder als Anhaltspunkt für das wirtschaftliche Interesse und einen drohenden wirtschaftlichen Schaden sowie den Zeitwert der zu beseitigenden Werbeanla gen zugrunde gelegt und auf die Hälfte des im Klageverfahren anzusetzenden Streitwerts abgestellt wurde.


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