Verwaltungsrecht

öffentliche Einrichtung, Ablehnung einer Zuweisung für die Benutzung der Großmarkthalle wegen eines Widerrufsgrundes, Steuerhinterziehung durch den Vertreter des Zuweisungsempfängers als Widerrufsgrund, Ausschluss als untaugliches milderes Mittel

Aktenzeichen  4 ZB 21.2662

Datum:
30.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 15405
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GO Art. 21
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Markthallen-Satzung der Landeshauptstadt München

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 7 K 20.1259 2021-05-05 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt die Zuweisung einer Freifläche auf dem Betriebsgelände der Großmarkthalle in München zum Zwecke der Errichtung einer Lagerhalle als Ausgleichsfläche für ihr vormals zugewiesene Kellerflächen. Die Großmarkthalle ist Teil der Markthallen München, die von der Beklagten als öffentliche Einrichtung betrieben werden.
Mit Urteil des Amtsgerichts München vom 13. Juni 2017 wurde der Sohn der Klägerin wegen Steuerhinterziehung in acht tatmehrheitlichen Fällen (davon in drei Fällen jeweils in Tateinheit mit zwei weiteren Fällen der Steuerhinterziehung und in zwei Fällen in Tateinheit mit einem weiteren Fall der Steuerhinterziehung) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Nach den strafgerichtlichen Feststellungen hat er in den Jahren 2009 bis 2014 in Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuererklärungen zu gewerblichen Umsätzen und Gewinnen, die er im Rahmen seines Einzelunternehmens erzielt hat, inhaltlich unvollständige oder wahrheitswidrige Angaben gemacht. Dieses Urteil wurde auf die Berufung des Sohns der Klägerin mit Berufungsurteil des Landgerichts München I vom 4. September 2018 im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und 11 Monaten und eine zusätzliche Gesamtgeldstrafe von 250 Tagessätzen ausgesprochen wurden. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Nach den Feststellungen im Berufungsurteil wurden Steuern in Höhe von insgesamt 615.309,70 Euro verkürzt.
In einem weiteren strafgerichtlichen Verfahren war der Sohn der Klägerin zudem wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in 52 Fällen angeklagt. Mit Beschluss vom 1. Dezember 2017 wurde das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, da die in diesem Verfahren zu erwartende Ahndung neben der im Verfahren wegen Steuerhinterziehung zu erwartenden Verurteilung nicht beträchtlich ins Gewicht falle.
Mit Bescheid vom 11. Februar 2020 stellte die Beklagte fest, dass der Klägerin keine Zuweisung für eine näher bezeichnete Freifläche auf dem Betriebsgelände der Großmarkthalle zur Errichtung einer Lagerhalle erteilt werde. Hilfsweise werde eine Zuweisung für diese Fläche widerrufen. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, gemäß § 4 Abs. 1 und 3 der Markthallen-Satzung werde mangels Eignung von der Erteilung einer Zuweisung an die Klägerin abgesehen; im Hinblick auf die von ihrem Sohn begangenen strafbaren Handlungen und dessen Auftreten als ihr Vertreter seien Widerrufsgründe nach § 5 Abs. 4 Nr. 9 Buchst. a der Markthallen-Satzung erfüllt.
Am 23. März 2020 erhob die Klägerin eine Klage zum Verwaltungsgericht mit dem Ziel, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Februar 2020 zu verpflichten, ihr die näher bezeichnete Freifläche auf dem Betriebsgelände der Großmarkthalle zuzuweisen.
Mit Urteil vom 5. Mai 2021 wurde die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zuweisung der streitgegenständlichen Freifläche. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen der Markthallen-Satzung der Beklagten seien weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Die Annahme der Beklagten, es fehle an der (fortgesetzten) Eignung des (vormaligen) Zuweisungsnehmers i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 1 der Markthallen-Satzung insbesondere dann, wenn in Bezug auf diesen ein Widerrufstatbestand einschlägig sei, sei nicht zu beanstanden. In Bezug auf die Klägerin sei vorliegend der Widerrufstatbestand des § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 9 Buchst. a Alt. 2 der Markthallen-Satzung erfüllt, da ihr Sohn als ihr Vertreter eine strafbare Handlung in einem schwerwiegenden Fall begangen habe. Insbesondere stehe für das Gericht fest, dass der Sohn der Klägerin nach wie vor als deren Vertreter i.S.d. § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 9 Markthallen-Satzung im Geschäftsverkehr auftrete. Ein Ausschluss des Vertreters nach § 16 Abs. 2 Markthallen-Satzung biete keine ausreichende Gewähr für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Markthallen (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 Markthallen-Satzung a.E.). Die Ablehnung der von der Klägerin begehrten Zuweisung stelle sich vorliegend auch nicht als ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig dar.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
Die Beklagte tritt dem Zulassungsantrag entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht vorliegt. Die Klägerin hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – juris Rn. 32 m.w.N.).
a) Die Klägerin macht sinngemäß geltend, der Widerrufstatbestand des § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 9 Buchst. a der Markthallen-Satzung sei zu weit gefasst und insoweit nicht mit höherrangigem Recht vereinbar. Insbesondere werde kein Bezug der betreffenden strafbaren Handlung zur ausgeübten gewerblichen Tätigkeit vorausgesetzt. Eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO erfordere dagegen einen Zusammenhang zwischen dem Unzuverlässigkeitsgrund und der Gewerbeausübung. Diese Rüge der Klägerin ist bereits nicht entscheidungserheblich. Sie wurde erstmals im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 15. Februar 2022 und damit nicht fristgemäß erhoben (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Unabhängig davon ist der genannte Widerrufstatbestand nicht derart schwer eingrenzbar, wie die Klägerin meint. Aus § 5 Abs. 4 Satz 1 der Markthallen-Satzung ergibt sich, dass ein Zuweisungswiderruf die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Markthallen bezweckt. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann ein Widerruf diesem Zweck auch dann dienen, wenn der Zuwendungsnehmer eine strafbare Handlung außerhalb der Markthallen und nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem dort ausgeübten Gewerbe begangen hat. Im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit der denkbaren Sachverhalte ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Widerrufstatbestand weit gefasst ist und unbestimmte Rechtsbegriffe enthält. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis der Klägerin auf das andere gesetzliche Regelungskonzept zur Gewerbeuntersagung (§ 35 Abs. 1 GewO). Widerrufsgründe, die in den Benutzungsbedingungen für eine kommunale Einrichtung geregelt sind, können nicht ohne weiteres mit den Voraussetzungen einer sicherheitsrechtlichen Gewerbeuntersagung verglichen werden. Im Übrigen übersieht die Klägerin, dass sich ein Gewerbetreibender unter Umständen wegen einer strafbaren Handlung, die er nicht im Rahmen der Gewerbeausübung begangen hat, als gewerberechtlich unzuverlässig erweisen kann; dies kann z.B. in Fällen der Steuerhinterziehung in Betracht kommen. Ferner kann grundsätzlich eine Gewerbeuntersagung auf aktuell nicht ausgeübte Gewerbe oder bestimmte Tätigkeiten erstreckt werden, wenn die beim Gewerbetreibenden festgestellten Unzuverlässigkeitsgründe auch diese Gewerbe oder Tätigkeiten betreffen (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO). Eine solche „gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit“ ist z.B. bei steuerlichen Pflichtverletzungen gegeben (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – BVerwGE 152, 39 Rn. 17).
b) Die Klägerin trägt vor, eine für ihren Sohn erteilte Vollmacht sei gegenüber der Beklagten widerrufen worden. Die operativen Geschäfte des Gewerbes der Klägerin sollten durch Herrn W. als angestrebten Rechtsnachfolger durchgeführt werden, nicht durch den Sohn der Klägerin. Das strafrechtlich relevante Verhalten des Sohns habe keinen Bezug zur geschäftlichen Betätigung der Klägerin. Es sei nicht möglich, der Klägerin das Handeln ihres Sohnes nach §§ 164 ff. BGB zuzurechnen, selbst wenn man eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht annehmen wollte.
Diese Argumentation überzeugt nicht. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich begründet, weshalb es ungeachtet des gegenüber der Beklagten erfolgten Widerrufs der erteilten schriftlichen Generalvollmacht für den Sohn vom Vorliegen einer – möglicherweise formfrei erteilten – Vollmacht ausgegangen ist; der Sohn sei nach wie vor als Vertreter der Klägerin im Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 9 der Markthallen-Satzung im Rechtsverkehr aufgetreten (vgl. Urteil Rn. 27). Die Klägerin hat nicht substantiiert aufgezeigt, inwieweit diese Begründung fehlerhaft sein sollte.
Werden die in § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 9 Buchstaben a bis g der Markthallen-Satzung genannten Verstöße von einem Vertreter des Zuweisungsnehmers begangen, so kann die Zuweisung gegenüber dem Zuweisungsnehmer widerrufen werden. Dem Wortlaut dieser Bestimmung nach ist nicht erforderlich, dass der betreffende Vertreter die jeweiligen Verstöße in Ausübung der Vertretung begangen hat und das pflichtwidrige Handeln dem Vertretenen zurechenbar ist. Auch der offensichtliche Sinn und Zweck der Vorschrift spricht dagegen, deren Anwendungsbereich mithilfe eines Zurechnungserfordernisses als ungeschriebener Tatbestandsvoraussetzung einzuschränken. Der Zuweisungswiderruf dient der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Markthallen. Ist ein Vertreter unzuverlässig, weil in seiner Person wegen seines pflichtwidrigen Handelns ein Widerrufsgrund verwirklicht ist, so besteht grundsätzlich eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung. Das gilt regelmäßig auch dann, wenn er die Pflichtverstöße in der Vergangenheit nicht in Ausübung seiner Vertreterfunktion begangen hat; es muss damit gerechnet werden, dass er sich künftig auch in Ausübung dieser Funktion pflichtwidrig verhalten könnte.
c) Die Klägerin rügt, die Beendigung des Zuweisungsverhältnisses sei nicht erforderlich, um Gefahren für die Sicherheit und Ordnung abzuwenden. Die „marktübliche Interaktion“ der Klägerin mit anderen Marktteilnehmern sei seit Jahren nachweislich einwandfrei. Die Behauptung möglicher weiterer Straftaten ihres Sohnes sei rein spekulativ. Dieser habe zudem Einsicht und tätige Reue gezeigt. So sei er bemüht, einen Geschäftsführerwechsel bei der GmbH, deren Alleingesellschafter er ist, herbeizuführen, mit Wirkungen über die Bewährungszeit hinaus (vgl. Parallelverfahren M 7 K 19.6512). Zwischen dem strafrechtlich relevanten Fehlverhalten des Sohnes und der Einleitung des Widerrufsverfahrens sei viel Zeit verstrichen. Im Übrigen gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass drohenden Regelverstößen anderer Marktteilnehmer mit einer generalpräventiven Wirkung des Widerrufs entgegengewirkt werden müsse. Neben der präventiven Wirkung der strafrechtlichen Verurteilung des Sohnes in Verbindung mit Bewährungsauflagen komme dem Zuweisungswiderruf keine relevante zusätzliche abschreckende Wirkung zu.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung darzutun. Wie der Senat in seinem Urteil vom 10. April 2018 (4 CS 17.2083 – BayVBl 2018, 820 Rn. 22) ausgeführt hat, dürften die für die gewerberechtliche Zuverlässigkeitsprüfung geltenden Anforderungen auf den Widerruf einer von der Beklagten selbst kraft ihres Selbstverwaltungsrechts verliehenen öffentlich-rechtlichen Rechtsposition nicht vollumfänglich übertragbar sein, ungeachtet der sachlichen Nähe der Regelungsgegenstände. Es bedarf keiner Entscheidung, ob oder anhand welcher Maßstäbe die Beklagte eine Prognoseentscheidung zu treffen hat, wie sie die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit bei Anwendung des § 35 Abs. 1 GewO erfordern würde. Jedenfalls ist die Bewertung im angefochtenen Urteil (Rn. 27 in Verbindung mit in Bezug genommenen Gründen des Urteils im Verfahren M 7 K 19.6510, dort Rn. 28 ff.) nicht zu beanstanden, wonach die der Verurteilung vom 4. September 2018 zugrundeliegenden Straftaten als strafbare Handlungen in einem schwerwiegenden Fall i.S.d. § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 9 Buchst. a Alt. 2 Markthallen-Satzung zu werten sind und dadurch die öffentliche Sicherheit und Ordnung auf dem Lebensmittelmarkt nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird. Das Verwaltungsgericht hat auch zutreffend festgestellt (Rn. 31), es sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon auszugehen, dass der Sohn der Klägerin sein marktschädigendes Verhalten nicht auch in der Zukunft fortsetzen würde. Aufgrund der in den Jahren 2009 bis einschließlich 2014 erfolgten Steuerhinterziehungen besteht die erhebliche Gefahr, dass dieser erneut derartige Straftaten begehen könnte. Für diese Prognose sprechen insbesondere der lange Zeitraum der wiederholten Tagbegehung, das planvolle Vorgehen des Täters und die dabei aufgewandte kriminelle Energie. Dies lässt auf eine – jedenfalls damals – zugrundeliegende Einstellung schließen. Ob insoweit ein Einstellungswandel eingetreten ist, kann in der Regel erst nach Ablauf eines gewissen Zeitraums, in der keine einschlägigen Pflichtverletzungen mehr aufgetreten sind, beurteilt werden. Ein Unterlassen derartiger Taten während noch laufender Straf- oder Widerrufsverfahren oder einer noch offenen Bewährungsfrist ist grundsätzlich nicht ausreichend; die Bewährungsfrist ist erst am 11. Dezember 2021 abgelaufen. Erst recht genügt der bloße Umstand, dass zwischen der letzten Tatbegehung im Jahr 2014 und dem Widerruf im Jahr 2019 rund fünf Jahre vergangen sind, nicht für die Annahme eines Einstellungswandels.
Aus dem Hinweis der Klägerin, der Sohn strebe einen Geschäftsführerwechsel bei der GmbH, deren Alleingesellschafter er ist, an, ergibt sich nichts Anderes. Der beabsichtigte Geschäftsführerwechsel kann schon deshalb nicht als Hinweis auf ein ernsthaftes Bemühen gedeutet werden, Unzuverlässigkeitsgründe konsequent auszuräumen, weil der Sohn der Klägerin weiterhin im Rechtsverkehr als deren Vertreter auftritt. Im Übrigen erweckt es Zweifel an einem entschlossenen Handeln ihres Sohnes, dass er offensichtlich bis auf weiteres Alleingesellschafter geblieben ist.
Inwieweit von der Ablehnung der Zuweisung eine präventive Wirkung auf die Klägerin und ihren Sohn ausgeht, ist nicht entscheidungserheblich. Ihnen gegenüber bezweckt die ablehnende Entscheidung nicht, dass sie im Rahmen einer künftigen Gewerbeausübung in den Markthallen der Beklagten keine Regelverstöße begehen; vielmehr wird eine Benutzung der Markthallen insgesamt unterbunden. Hinsichtlich anderer Zuweisungsnehmer ist durchaus davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Entscheidung dazu beitragen kann, sie von gewerbebezogenen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Benutzung der Markthallen abzuhalten. Dadurch wird den Zuweisungsnehmern signalisiert, dass die Vornahme strafbarer Handlungen nicht nur strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, sondern auch die weitere Benutzung der Markthallen in Frage stellen kann. Die präventive Wirkung einer strafrechtlichen Ahndung einerseits und die satzungsrechtliche Reaktion der Beklagten andererseits ergänzen sich insoweit.
Im angefochtenen Urteil (Rn. 28 in Verbindung mit den in Bezug genommenen Gründen des Urteils im Verfahren M 7 K 19.6510, dort Rn. 36) wird ausgeführt, es sei nicht zu erwarten, dass ein (bloßer) Marktausschluss im vorliegenden Einzelfall angesichts der Höhe der verhängten Gesamtfreiheits- bzw. -geldstrafe eine weitere ins Gewicht fallende Abschreckungswirkung entfalten würde. Die Klägerin bezieht diese Aussage unzutreffend auf jegliche „in Betracht kommenden Konsequenzen“ (vgl. Antragsschrift vom 24.11.2021, S. 8). Es ist nachvollziehbar, dass das Verwaltungsgericht einer endgültigen Beendigung des Zuweisungsverhältnisses als schwerwiegenderer Maßnahme eine größere präventive Wirkung zugesprochen hat (Urteil Rn. 32).
d) Die Klägerin meint, ein Ausschluss mit Verlängerungsoption nach § 16 der Markthallen-Satzung und Auflagen hätte ein milderes Mittel gegenüber einem Zuweisungswiderruf dargestellt. In einem Bezugsfall mit einer vergleichbaren strafrechtlichen Verurteilung eines Zuweisungsnehmers habe die Beklagte nur einen Ausschluss für 6 Monate ausgesprochen, was auf eine dahingehende Verwaltungspraxis hindeute. Ein Ausschluss müsse auch im Falle einer Tatbegehung außerhalb des Satzungsgebiets möglich sein.
Dem ist nicht zu folgen. Im angefochtenen Urteil (Rn. 28) wird zutreffend ein Stufenverhältnis zwischen einem Widerruf (oder vorliegend der Ablehnung einer Zuweisung) einerseits und dem Marktausschluss andererseits dergestalt, dass zunächst immer erst ein zeitweiser Ausschluss erfolgen müsste, abgelehnt. Ein derartiges Stufenverhältnis wäre weder mit dem Wortlaut des § 5 Abs. 4 der Markthallen-Satzung noch mit dem Sinn und Zweck dieser Regelung vereinbar. Ist im jeweiligen Einzelfall der Ausschluss nach § 16 der Markthallen-Satzung keine geeignete Maßnahme, um die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Markthalten zu gewährleisten, kommt (nur) ein Widerruf in Betracht und kann eine (erneute) Zuweisung abgelehnt werden. Das Verwaltungsgericht (Urteil Rn. 28 in Verbindung mit in Bezug genommenen Gründen des Urteils im Verfahren M 7 K 19.6510, dort Rn. 36, und Rn. 32) hat zu Recht angenommen, dass ein Ausschluss nach § 16 der Markthallen-Satzung im vorliegenden Fall keine geeignete Maßnahme gewesen wäre und deshalb nicht als milderes Mittel in Betracht kam. Der Ausschluss beinhaltet ein personenbezogenes Zutrittsverbot. Diese Maßnahme kann insbesondere dann der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Markthallen dienen, wenn ein Fehlverhalten im Rahmen des Marktgeschehens aufgetreten ist. Die Abgabe inhaltlich unrichtiger Steuererklärungen dagegen, wie sie der Sohn der Klägerin in den Jahren 2009 bis 2014 vorgenommen hat, setzt das Betreten der Markthallen nicht voraus und kann umgekehrt nicht durch ein Betretungsverbot effektiv verhindert werden.
Es ist nicht entscheidungserheblich, ob sich die Beklagte in einem anderen Fall eines strafbaren Verhaltens eines Zuweisungsnehmers auf einen Ausschluss beschränkt hat. In dem von der Klägerin genannten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München wurde ausweislich des Beschlusses vom 7. Januar 2016 (Az. M 7 S 15.5129, M 7 K 15.5128 – juris) nicht thematisiert, ob anstelle des oder zusätzlich zum streitgegenständlichen Ausschluss aus der Großmarkthalle ein Zuweisungswiderruf denkbar gewesen wäre. In diesem Beschluss wird auch nicht ausgeführt, dass bei einer derartigen Sachlage die Beschränkung auf einen Ausschluss üblich sei, wie die Klägerin nahelegt; es ist lediglich davon die Rede (a.a.O., Rn. 6), dass im dortigen Fall der „übliche Ausschluss für zwölf Monate auf die Hälfte der Zeit reduziert worden“ sei.
Selbst wenn die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Widerruf gemäß § 5 Abs. 4 der Markthallen-Satzung im vorgenannten anderen Fall vorgelegen haben sollten, hätte der Beklagten bei einer etwaigen Widerrufsentscheidung ein Ermessensspielraum zugestanden. Die Beklagte hat in der Antragserwiderung vom 22. Dezember 2021 dargelegt, weshalb sie im genannten früheren Fall von einem Widerruf abgesehen habe und inwieweit sich dieser vom vorliegenden Sachverhalt unterscheide. Die Klägerin hat nicht aufgezeigt und es ist auch sonst nicht ersichtlich, inwieweit diese Erwägungen rechtsfehlerhaft sein sollten.
Nicht schlüssig ist die Argumentation der Klägerin, in der Konsequenz der angefochtenen Entscheidung würden sachwidrigerweise außerhalb des Satzungsgebiets begangene Straftaten stets zu einem Widerruf führen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb keine Fälle denkbar sein sollten, in denen auf die Begehung strafbarer Handlungen außerhalb des Satzungsgebiets zweckmäßigerweise mit einem Ausschluss reagiert werden könnte (z.B. unter Umständen bei Diebstählen auf Märkten außerhalb des Satzungsgebiets). Ferner ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb allein der Umstand, dass Straftaten außerhalb des Satzungsgebiets begangen werden, ein Indiz für eine geringere Gefährdung der Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 5 Abs. 4 der Markthallen-Ordnung sein sollte.
Auch war aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht geboten, dass die Beklagte anstelle oder in Verbindung mit einem Ausschluss nach § 16 der Markthallen-Satzung gegenüber der Klägerin Auflagen verfügt. Die Klägerin hat nicht aufgezeigt und es ist auch sonst nicht ersichtlich, welche von der Beklagten anzuordnenden Auflagen geeignet sein könnten, die Klägerin und deren Sohn zur Einhaltung steuerlicher Pflichten anzuhalten. Die Überwachung der Erfüllung steuerlicher Pflichten obliegt auch nicht der Beklagten, sondern den Steuerbehörden. Im Übrigen wäre die Beklagte nicht ohne weiteres befugt, anstelle der Ablehnung einer (erneuten) Zuweisung lediglich Auflagen zu verfügen, wenn die Widerrufsvoraussetzungen gemäß der Markthallen-Satzung vorliegen und Auflagen nicht geeignet sind, die künftige Begehung von Pflichtverstößen eines Zuweisungsnehmers ebenso zuverlässig zu verhindern. Bei dieser Sachlage könnte es dem Sinn und Zweck der §§ 4 Abs. 3 Satz 1 und 5 der Markthallen-Satzung widersprechen, das Zuweisungsverhältnis fortzusetzen.
e) Die Klägerin macht geltend, es sei damit zu rechnen, dass ein alternativer Betriebsstandort von vielen Kunden nicht zusätzlich aufgesucht würde, wenn er nicht über dieselbe Reputation wie die Großmarkthalle verfüge. In anderen Fällen strafrechtlicher Verurteilungen von Zuweisungsempfängern habe die Beklagte keine Konsequenzen gezogen, was für eine Selbstbindung der Verwaltung spreche.
Im angefochtenen Urteil (Rn. 30) wurde ausdrücklich davon ausgegangen, dass die die Klägerin als langjährige Zuweisungsnehmerin ein Interesse an der fortgesetzten Nutzung der öffentlichen Einrichtung der Beklagten zum Einkommenserwerb besitzt. Weiter hat das Verwaltungsgericht die Ermessenserwägung der Beklagten, das Interesse an einem möglichst ungestörten Ablauf des Marktbetriebs – insbesondere auch das Vertrauen in die Rechtssicherheit auf dem Markt – höher zu bewerten als das persönliche, wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der weiteren Nutzung der Markthalleneinrichtung zum Einkommenserwerb, zutreffend als rechtsfehlerfrei angesehen. Das Verwaltungsgericht hat dabei die Annahme der Beklagten zugrunde gelegt, dass die Klägerin ihrem Gewerbe des Obst- und Gemüsegroßhandels auch außerhalb des Betriebsgeländes der Großmarkthalle nachgehen könne; in der Praxis seien vielfach andere Händler – auch ehemalige Großmarkthallenhändler – für Obst und Gemüse mit eigenen bzw. angemieteten Gewerbehallen im Großraum München vertreten. Es hat jedoch nicht die Behauptung aufgestellt, dass ein Alternativstandort voraussichtlich gleichwertig sein würde, sondern betont, dass das Betriebsgelände Großmarkthalle eine herausgehobene Stellung innerhalb des Münchener Obst- und Gemüsegroßhandels einnehme. Es liegt in der Natur der von der Beklagten vorgenommenen Abwägung, dass die Klägerin etwaige geschäftliche Nachteile infolge des Zuweisungswiderrufs hinzunehmen hat, weil den vorgenannten gegenläufigen Interessen rechtsfehlerfrei der Vorrang eingeräumt wurde.
Die Klägerin hat nur behauptet, aufgrund von Bezugsfällen könne sie sich auf eine Selbstbindung der Beklagten berufen, ohne hierfür substantiiert Anhaltspunkte zu nennen. Auf den einzigen von ihr genannten Fall, welcher der Entscheidung des Verwaltungsgerichts München vom 7. Januar 2016 (Az. M 7 S 15.5129, M 7 K 15.5128) zugrunde lag, kann sie sich aus den oben genannten Gründen nicht zur Begründung eines Anspruchs auf Gleichbehandlung berufen. Auch hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt, aufgrund welcher Erklärungen oder Verhaltensweisen sie darauf hätte vertrauen dürfen, dass die Beklagte trotz Kenntnis von den von ihrem Sohn begangenen Straftaten und aller entscheidungserheblichen Umstände eine Zuweisung nicht ablehnen würde. Insbesondere konnte die Klägerin nicht annehmen, dass die Beklagte insoweit eine Entscheidung treffen würde, bevor die Strafverfahren abgeschlossen waren.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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