Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründete Asylklage – Detailarmes und unplausibles Vorbringen

Aktenzeichen  M 27 K 17.38122

Datum:
31.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 16a
AsylG AsylG § 3
AsylG AsylG § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5 und 7
AsylG AsylG § 30 Abs. 2
AsylG AsylG § 30 Abs. 3 Nr. 1
AsylG AsylG § 78 Abs. 1 Satz 1

 

Leitsatz

1 Dem Asylgesetz liegt ein einheitlicher Begriff der offensichtlichen Unbegründetheit zugrunde, so dass die Bestimmung des § 30 AsylG grds. auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren maßgeblich ist. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es gibt keine Pflicht des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge die Anträge (etwaiger) Familienangehöriger in einem gemeinsamen Bescheid zu verbescheiden. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3 Kann das Bundesamt vom Asylbewerber vorgetragene, an sich asylrelevante Motive nach vollständiger Erforschung des Sachverhalts mit der für ein Offensichtlichkeitsurteil notwendigen Gewissheit als vorgeschoben aufdecken, so dass allein die in § 30 Abs. 2 AsylG genannten Motive übrigbleiben, steht einer Ablehnung des Asylantrags nach dieser Vorschrift nichts entgegen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 31. August 2017 trotz Ausbleibens der Beklagtenseite entschieden werden. Denn in der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung hat das Verwaltungsgericht gemäß § 102 Abs. 2 VwGO darauf hingewiesen, dass es auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandeln und entscheiden kann.
2. Die zulässige Klage ist offensichtlich unbegründet.
a) Die Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet – mit der Folge des Ausschlusses weiterer gerichtlicher Nachprüfung gemäß § 78 Abs. 1 AsylG – setzt voraus, dass in dem maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage sich dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt. Da dem Asylgesetz ein einheitlicher Begriff der offensichtlichen Unbegründetheit zugrunde liegt, ist die Bestimmung des § 30 AsylG grundsätzlich auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren maßgeblich.
b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht nach § 113 Abs. 1 und 5 VwGO in ihren Rechten. Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG und die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG. Die gemäß § 34 AsylG in Verbindung mit § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG sind ebenfalls nicht zu beanstanden.
Das Vorbringen der Klägerin zu 1) gegenüber der Beklagten war vage, detailarm, unplausibel und auch maßgeblich widersprüchlich. Dem Vorbringen lassen sich in Bezug auf die Schutzbegehren keine Geschehnisse oder Situationen entnehmen, welche eine erhebliche Verfolgungs- oder Bedrohungslage nahelegen. Insbesondere besteht auch eine interne Fluchtalternative.
Das Verwaltungsgericht folgt insgesamt den Feststellungen und der Begründung in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten und sieht zu der Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung gemäß § 77 Abs. 2 AsylG ab.
c) Überdies verweist das Verwaltungsgericht entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO auf die ausführlichen Entscheidungsgründe in dem Beschluss vom 8. August 2017 (M 27 S. 17.38125):
Darin hat das Verwaltungsgericht – unter anderem – den Vortrag der Klägerin zu 1) geprüft, diese sei wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden. Die Klägerin zu 1) hat in der persönlichen Anhörung lediglich angegeben, dass sie ihr Heimatland Nigeria aufgrund ihrer schlechten finanziellen und wirtschaftlichen Lage verlassen habe und dass sie außerdem das einzige Mädchen in der Familie gewesen sei. Welche Bedeutung dieser letzte Umstand für die Klägerin zu 1) hatte, blieb und bleibt jedoch gänzlich offen. Mit dieser Bemerkung ist noch nicht einmal zweifelsfrei ausgesagt, dass es überhaupt eine Benachteiligung gegeben hat. Es geht auch nicht hervor, von wem eine etwaige Benachteiligung ausgegangen sein soll, welcher Art sie gewesen sein soll und dass und inwieweit dies relevant gewesen sein soll.
Das Verwaltungsgericht hat – unter anderem – auch den Vortrag der Klägerin zu 1) geprüft, wonach die Einheit von Ehe und Familie zu berücksichtigen sei, dass nämlich die Beklagte um die Existenz des in … lebenden und ebenfalls Asyl begehrenden Vaters des Klägers zu 2) gewusst habe und dass zumindest hätte nachgefragt werden können. Die Klägerin zu 1) hat bei dem persönlichen Gespräch am Vormittag des 3. November 2016 auf die Frage der Beklagten, ob sie Familienangehörige in Deutschland … habe, ausdrücklich verneint. Davon ist sie auch später laut Aktenlage nicht abgerückt. Bei der persönlichen Anhörung am Nachmittag des 3. November 2016 hat sie auf Nachfrage angegeben, nicht zivilrechtlich, wohl aber traditionell verheiratet zu sein. Die Person des Ehegatten oder des Vaters des Klägers zu 2) (damals …*) hat sie jedoch – bei dieser Gelegenheit und auch später – nicht konkretisiert. Den Aufenthaltsort der Person des Ehegatten bzw. des Vaters des Klägers zu 2) (damals …*) erwähnte sie – bei dieser Gelegenheit und auch später – ebenfalls nicht. Die Beklagte hat in der Folge die Klägerin zu 1) als ledig geführt. Dies bedeutet, dass die Klägerin zu 1) es entgegen ihren Mitwirkungsobliegenheiten aus § 15 AsylG unterlassen hat, die Beklagte über die Existenz des Vaters des Klägers zu 2) im Bundesgebiet zu informieren. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass keine Pflicht der Beklagten besteht, bei (etwaigen) Familienangehörigen die Anträge in einem gemeinsamen Bescheid zu verbescheiden. Dies ergibt sich bereits im Umkehrschluss aus § 43 Abs. 3 AsylG. Schließlich kommt es auf die Glaubwürdigkeit des Sachvortrags des jeweiligen Betroffenen zu seinem persönlichen Schicksal an. Abgesehen davon hat die Beklagte erkennbar die Existenz des ebenfalls Asyl begehrenden Vaters der Klägerin zu 2) nach der ihr ersichtlichen Aktenlage berücksichtigt. Es ist auch weder dargelegt noch anderweitig ersichtlich, welche Erkenntnisse sich durch eine etwaige Nachfrage hätten ergeben sollen.
Das Verwaltungsgericht hat – unter anderem – auch das Vorbringen geprüft, wonach die Klägerin zu 1) im Falle der Rückkehr nach Nigeria als alleinerziehende Mutter besonders schützenswert wäre. Es ist bereits nicht substantiiert vorgetragen, dass die Klägern zu 1) im Falle der Rückkehr als alleinerziehende Mutter ausreisen müsste. § 26 AsylG gewährleistet die Institution des Familienasyls. § 43 Abs. 3 AsylG stellt sicher, dass eine gemeinsame Ausreise von (etwaigen) Familienangehörigen erreicht werden kann. Abgesehen davon ist weder dargetan noch anderweitig ersichtlich, dass der engere oder auch der weitere Familienverband die Kläger nicht unterstützen würde, so wie dies derzeit bei dem anderen in Nigeria lebenden Sohn der Klägerin zu 1) bereits geschieht.
Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch geprüft und nicht beanstandet, dass die Beklagte den Sachvortrag der Klägerin zu 1) als lediglich nach 30 Abs. 2 AsylG auf wirtschaftlichen Gründen beruhend eingestuft hat. Kann das Bundesamt vom Asylbewerber vorgetragene, an sich asylrelevante Motive nach vollständiger Erforschung des Sachverhalts mit der für ein Offensichtlichkeitsurteil notwendigen Gewissheit als vorgeschoben aufdecken, so dass allein die in § 30 Abs. 2 AsylG genannten Motive übrigbleiben, steht einer Ablehnung des Asylantrags nach dieser Vorschrift nichts entgegen (vgl. Heusch, Kluth/Heusch, Ausländerrecht, Beckonline-Kommentar, 14. Edition, Stand: 1.5.2017, AsylG, § 30, Rn. 28). So liegt aus genannten Gründen der Fall hier. Gemäß § 30 Abs. 2 AsylG ist ein Asylantrag insbesondere dann offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält. Die Klägerin zu 1) hat selbst für das Verlassen des Heimatlandes und für die Einreise in das Bundesgebiet zusammengefasst wirtschaftliche und familiäre Gründe angegeben.
d) Ergänzend ist noch Folgendes anzuführen: Die Geschehnisse und der Sachvortrag der Kläger seit dem Erlass des Bescheides der Beklagten bzw. seit dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8. August 2017, insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung am einen 31. August 2017, tragen nichts zu einer abweichenden Beurteilung bei. Der Sachvortrag der Klägerin zu 1) ist weiterhin vage („kriminelle Machenschaften“). Auf die Frage, warum sie bei der persönlichen Anhörung gesagt habe, ihr Land aus wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben, hat die Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung lediglich geantwortet, dass sie das gesagt habe aufgrund dessen, was passiert sei. Dies ist nicht dazu geeignet, diese Aussage zu relativieren. Auch hat sie sich in weitere Widersprüche verstrickt. Die Klägerin zu 1) hat bei der persönlichen Anhörung unter anderem angegeben, dass die Polizei nach dem Vater des in Nigeria lebenden Sohnes der Klägerin zu 1) gesucht habe. Dies hat sie in der mündlichen Verhandlung bestritten. Diesen Widerspruch hat sie nicht aufgeklärt. Auf den Hinweis, dass die Klägerin zu 1) gesagt habe, dass der Vater ihres anderen in Nigeria lebenden Sohnes 27 Jahre alt „ist“ und man üblicherweise von einer toten Person in der Vergangenheitsform spreche, hat sie lediglich gesagt, dass sie gedacht habe, dass Gegenwart und Vergangenheit dasselbe seien.
Speziell zu den Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG gilt hierbei:
Die Klägerin zu 1) ist jung, gesund sowie arbeits- und leistungsfähig. Die Klägerin zu 1) verfügt über eine neunjährige Schulbildung. Sie hat praktische Berufserfahrung in Nigeria als Modedesignerin gesammelt. Die Klägerin zu 1) verfügt nach eigenen Angaben bei der persönlichen Anhörung auch über ein hinreichend großes und funktionierendes Netzwerk an Verwandten in Nigeria, darunter die Eltern, einen Bruder, einen Cousin sowie den Sohn der Klägerin zu 1), auf den die Mutter des Vaters des Sohnes aufpasst. Die pauschale Aussage in der mündlichen Verhandlung, wonach sie in Italien ihr Telefon verloren und derzeit keinen Kontakt zu der Familie in Nigeria habe, ist mangels näherer Erläuterungen nicht glaubhaft. Jedenfalls stellt diese Aussage, die keinen endgültigen Bruch der familiären Beziehungen darlegt, nicht in Frage, dass es ein hinreichend großes und funktionierendes Netzwerk in Nigeria gibt. Die Klägerin zu 1) und ihre Familie in Nigeria verfügten zudem über erhebliche Geldmittel, insgesamt knapp 3.000 EUR, um die Reise nach Europa zu finanzieren. Es sind daher keine Gründe ersichtlich, aus denen die Klägerin zu 1) nicht – gegebenenfalls mit Unterstützung der Verwandtschaft – in Nigeria für sich und den Kläger zu 2) eine Existenz aufbauen können sollen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der bei der mündlichen Verhandlung anwesende Vater des Klägers zu 2), der sich auch um diesen kümmert, bei seiner persönlichen Anhörung am 3. November 2016 angegeben hat, dass neben seinen Eltern auch noch ein Bruder, eine Schwester und ein Onkel in Nigeria leben. Auch der Vater des Klägers zu 2) verfügt damit über ein hinreichend großes und funktionierendes Netzwerk in Nigeria, dass den Klägern von Nutzen sein kann.
3. Die Kläger tragen als unterliegender Teil nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
5. Das Urteil ist gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG unanfechtbar.


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