Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründete Asylklage einer Nigerianerin

Aktenzeichen  M 21 K 17.42556

Datum:
23.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 30581
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3e, § 30 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1

 

Leitsatz

Die im Fall einer alleinigen Rückkehr des Asylsuchenden entstehenden trennungsbedingten, mittelbaren Gefahren im Abschiebezielstaat sind im Asylverfahren nicht entscheidungserheblich, weil sie als inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse nur von der zuständigen Ausländerbehörde zu prüfen sind (BVerwG BeckRS 1999, 30073834). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zwar zulässig, aber insgesamt offensichtlich unbegründet.
Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bundesamtsbescheids und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Bei der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet, welche die Unanfechtbarkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Folge hat (§ 78 Abs. 1 AsylG), sind nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts besondere Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung und an die Urteilsbegründung zu stellen. Es muss sich die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage zumindest eindeutig aus der Entscheidung selbst ergeben (vgl. nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3). Das Bundesverfassungsgericht hat zudem den unbestimmten Rechtsbegriff der Offensichtlichkeit in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dahin ausgelegt, dass Offensichtlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG dann vorliegt, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (hier: § 77 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Dieselben Anforderungen sind auch an eine gerichtliche Entscheidung über das offensichtliche Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG, auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (vgl. BVerfG, B.v. 25.4.2018 – 2 BvR 2435/17 – juris Rn. 21) und an die Abweisung der Klage auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet zu stellen (vgl. zu all dem nur BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3 m.w.N.; BVerfG, B.v. 27.9.2007 – 2 BvR 1613/07 – juris Rn. 18 m.w.N.). Die Darlegung, worauf das Offensichtlichkeitsurteil im Einzelnen gestützt wird, erfordert vor allem dann besondere Sorgfalt, wenn das Bundesamt den Antrag lediglich als (schlicht) unbegründet abgelehnt hat (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – juris Rn. 10 m.w.N.). Steht, wie im Fall der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylG), nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. nur BVerfG, B.v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Gemessen an diesen Maßstäben ist die Klage insgesamt als offensichtlich unbegründet abzuweisen.
Die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigte und für die Zuerkennung des internationalen Schutzes liegen offensichtlich nicht vor (§ 30 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Das nicht asylrelevante Vorbringen ist in wesentlichen Punkten unsubstantiiert, entspricht teils offenkundig nicht den Tatsachen und ist damit insgesamt unglaubhaft. So hat sich die Klägerin auch unglaubwürdig gemacht. Zudem muss sie sich hinreichend gesichert auf internen Schutz verweisen lassen. Es wäre somit bereits Sache des Bundesamts gewesen, den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Im Einzelnen:
Im Kern hat die Klägerin, die nach eigenem Vorbringen auf dem Landweg (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG) eingereist ist, familiäre und wirtschaftliche Probleme geltend gemacht.
Dieses Vorbringen ist nicht asylrelevant, weil es keinen Bezug zu einem asylerheblichen Merkmal der Klägerin hat.
Das Vorbringen ist zudem in wesentlichen Punkten unsubstantiiert, entspricht teils offenkundig nicht den Tatsachen und ist damit insgesamt unglaubhaft.
Datums- und umstandsgenaue Angaben zu den behaupteten Gefahren, insbesondere zu den die Ausreise verursachenden Umständen, fehlen. Das Vorbringen ist insoweit durchweg substanzlos und oberflächlich geblieben. Damit ist es unglaubhaft.
Soweit die Klägerin behauptet hat, in keinem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz beantragt oder zuerkannt bekommen zu haben, entspricht dieses Vorbringen offenkundig nicht den Tatsachen. Durch den EURODAC-Treffer der Kategorie 1 (IT1PZ00AJX) ist belegt, dass die Klägerin auch in Italien einen Asylantrag gestellt hat.
Hinsichtlich der geltend gemachten Gefahren muss sich die Klägerin zudem hinreichend gesichert auf internen Schutz verweisen lassen (§ 3e AsylG).
Bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Fall einer Abschiebung im Heimatstaat drohen, ist regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr mit den Familienangehörigen auszugehen, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn ein Familienangehöriger aufgrund rechtskräftiger Feststellung als politisch Verfolgter anerkannt ist oder ihm rechtskräftig Abschiebungsschutz wegen nichtstaatlicher Verfolgung nach § 53 Abs. 6 AuslG (jetzt: § 60 Abs. 7 AufenthG) zuerkannt worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 12.4.2001 – 1 B 124/01 – juris Rn. 2 m.w.N.).
Da insbesondere für die letztgenannten Ausnahmekonstellationen nichts ersichtlich ist, ist davon auszugehen, dass die Klägerin mit all ihren Familienmitgliedern zurückkehren würde. Da die Klägerin selbst erwerbsfähig ist, kommt es nicht einmal darauf an, ob die Klägerin auch mit dem Vater ihrer Zwillinge, die sie gegebenenfalls selbst bei der täglichen Arbeit etwa als Schneiderin oder als Kellnerin betreuen muss, zurückkehrte.
Für den Fall der alleinigen Rückkehr der Klägerin geltend gemachte, trennungsbedingte, mittelbare Gefahren im Abschiebezielstaat wären offensichtlich nicht entscheidungserheblich, weil sie nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse nur von der zuständigen Ausländerbehörde zu prüfen sind (vgl. nur BVerwG, U.v. 21.9.1999 – 9 C 12/99 – juris).
Grundsätzlich besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, insbesondere Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann allerdings ausnahmsweise mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie bzw. erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben (vgl. zu all dem nur Lagebericht 2017, S. 18).
Einen solchen, engen Ausnahmefall kann die Klägerin, die nach eigenem Vortrag noch ihren Vater und ihre Großmutter in Nigeria hat, offensichtlich nicht für sich in Anspruch nehmen. Sie war nicht nur in Nigeria bereits beruflich tätig und hat zudem als junge, gesunde und arbeitsfähige Frau nicht zuletzt durch ihre Reise nach Europa bewiesen, dass sie sich in einer für sie unbekannten Umgebung behaupten kann. Hinzu kommt, dass die Klägerin – was die Geburt ihrer nun angeblich bereits vaterlosen Zwillinge im Bundesgebiet belegt – gegebenenfalls offensichtlich unschwer männlichen Anschluss findet, so dass sie jedenfalls auch auf andere Landesteile als Delta State, und dort insbesondere auf Großstädte, zu verweisen ist.
Die Klägerin hat nach den vorstehenden Darlegungen auch offensichtlich keinen Anspruch auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots, insbesondere der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Das Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG).


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