Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründeter Asylantrag aus wirtschaftlichen Gründen

Aktenzeichen  M 28 K 17.46472

Datum:
7.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 154169
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 3b, § 4, § 30, § 34, § 36 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1 Ein Asylantrag ist insbesondere dann offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalls offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch ohne familiäre Kontakte kann ein gesunder lediger Mann im erwerbsfähigen Alter ohne Hilfe Dritter in Nigeria selbst für sein Auskommen sorgen und sich mit Gelegenheitsarbeiten “durchschlagen”. (Rn. 34 – 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Sie war als offensichtlich unbegründet (vgl. § 30 Abs. 2 AsylG) abzuweisen.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen oder zu seinen Gunsten das Vorliegen der Voraussetzungen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Auch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung (Ziffer 5. des Bescheids) sowie der Befristungsentscheidung (Ziffer 6. des Bescheids) bestehen keine Zweifel.
Zur Begründung wird zunächst auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG) sowie auf die den Parteien bekannten Entscheidungsgründe des Eilverfahrens Az. M 28 S 17.46474 verwiesen.
Nur ergänzend ist noch auszuführen:
1. Verfolgungsgründe im Sinne der §§ 3, 3b AsylG hat der Kläger schon offensichtlich nicht angegeben.
2. Es ist weiter nicht davon auszugehen, dass dem Kläger in seiner Heimat ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 AsylG wegen der angegebenen Bedrohungen durch den Onkel droht: In der mündlichen Verhandlung ist nochmals deutlich geworden, dass die vom Kläger angegebene Bedrohung durch seinen Onkel lediglich einmalig und im Zusammenhang mit der vom Onkel geforderten Räumung der elterlichen Wohnung im Jahr 1999 oder 2000 erfolgte. Der Onkel hat nach eigenen Angaben des Klägers auch nicht gewusst, wo dieser wohne.
3. Die Klage war gemessen am Maßstab des § 30 AsylG als offensichtlich unbegründet abzuweisen. Letzteres setzt voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt. Da dem Asylgesetz ein einheitlicher Begriff der offensichtlichen Unbegründetheit zu Grunde liegt, ist die Bestimmung des § 30 AsylG grundsätzlich auch für das gerichtliche Verfahren als Maßstab heranzuziehen. Gemäß § 30 Abs. 2 AsylG ist ein Asylantrag insbesondere dann offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalls offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält. Bei der Berufung auf eine Individualverfolgung kann das Offensichtlichkeitsurteil unter anderem dann gerechtfertigt sein, wenn die im Einzelfall behauptete Gefährdung offensichtlich nicht asylrelevant ist, den erforderlichen Grad der Verfolgungsintensität zweifelsfrei nicht erreicht oder sich das Vorbringen des Asylbewerbers insgesamt als eindeutig unglaubhaft erweist (vgl. VG München U.v. 16.8.2017 – M 28 K 16.35808 – unveröffentlicht).
Die Aussagen des Klägers in der mündlichen Verhandlung verstärken insgesamt den Eindruck aus der Anhörung vor dem Bundesamt, dass er sein Heimatland aus wirtschaftlichen Gründen (§ 30 Abs. 2 AsylG) verlassen hat. So hat er unter anderem angegeben „im Osten von Nigeria habe es eine Krise gegeben. Daher sei es besser für ihn gewesen, das Land zu verlassen.“ Daher war die Klage als offensichtlich unbegründet (§ 30 Abs. 2 AsylG) abzuweisen.
4. Im Hinblick auf Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG und die Frage, ob der Kläger in Zukunft in seinem Heimatland für sein Auskommen sorgen beziehungsweise hierbei auf die Unterstützung Dritter setzen kann, ist noch zu ergänzen:
Es erscheint fraglich, wenn der Kläger angibt, keinerlei Kontakt mehr zu „Mister E* …“, welcher ihn als „Freund der Familie“ 16 Jahre lang beschäftigt und versorgt haben will, zu haben. Dieser hat ihm laut Aussagen des Klägers immerhin das Flugticket in die Schweiz gezahlt und ihn sogar dorthin begleitet. Allein, dass dessen Telefonnummer nicht „mehr funktioniere“, erscheint einer Kontaktaufnahme in Zeiten des Internets nur schwerlich entgegen zu stehen. Wenig glaubwürdig erscheint auch, wenn der Kläger angibt, in den 16 Jahren, in denen er bei „Mister E* …“ gelebt habe, habe er keinerlei Kontakte zu anderen Menschen gehabt, keinerlei Freund- oder Bekanntschaften geschlossen.
Selbst wenn der Kläger in Nigeria keinen Kontakt zum Rest seiner Familie oder zu „Mister E* …“ haben sollte, ist dennoch davon auszugehen, dass er als gesunder lediger Mann im erwerbsfähigen Alter ohne Unterhaltsverpflichtungen selber, das heißt ohne die Hilfe Dritter, für sein Auskommen sorgen kann (vgl. z.B. VG München B.v. 21.7.2017 – M 28 S 17.36429 – juris). Der Kläger hat in Nigeria immerhin acht Jahre lang die Schule besucht, wenn auch ohne Abschluss. Die allgemeine wirtschaftliche und soziale Lage ist für die Mehrheit der Bevölkerung in Nigeria zwar problematisch. Von der schwierigen wirtschaftlichen Situation in Nigeria ist vor allem die Gruppe der alleinstehenden Frauen betroffen (vgl. u.a. VG Aachen, U.v. – 28.03.2014 2 K 1415/13.A – juris; VG Augsburg B.v. 20.1.2017 – 7 S 16.32934 – juris).
Ausreichend ist in Bezug auf die wirtschaftliche Situation des Klägers, dass es ihm voraussichtlich gelingen wird, sich mit Gelegenheitsarbeiten „durchzuschlagen“ (vgl. hierzu VG Minden, U.v. 14.3.2017 – 10 K 2413/16.A – juris sowie VG Würzburg, U.v. 12.8.2016 – W 1 K 16.30842 – juris). Nur als ergänzende Erwägung kommt hinzu, dass der Kläger im Falle einer freiwilligen Rückkehr nach Nigeria finanzielle Unterstützung aus den Programmen REAG bzw. GARP erhalten kann, die es ihm erleichtern würden, eine Übergangszeit bis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu überbrücken (vgl. hierzu VG Minden, U.v. 14.3.2017 – 10 K 2413/16.A – juris).
Nach alledem war die (gerichtskostenfreie, § 83 b AsylG) Klage daher als offensichtlich unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO.
Dieses Urteil ist unanfechtbar, § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG.


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