Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründeter Asylantrag eines Asylbewerbers aus dem Senegal

Aktenzeichen  Au 7 S 16.30245

Datum:
24.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4, § 10 Abs. 1, § 29a, § 54
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 16a

 

Leitsatz

1 Die grundsätzliche Verpflichtung der Ausländerbehörde zur Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift an das Bundesamt (§ 54 AsylG) entbindet den Antragsteller nicht von der Mitwirkungsverpflichtung des § 10 Abs. 1 AsylG. Die Konsequenzen einer seitens der Ausländerbehörde unterbliebenen Unterrichtung des Bundesamtes hinsichtlich eines Wechsels der Anschrift trägt allein der Asylbewerber (ebenso VG München BeckRS 2015, 44683). (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Senegal ist ein sicherer Herkunftsstaat. Bei einer Gefahr für Leib und Leben durch nichtstaatliche Dritte kann auf die Hilfe durch die zuständigen Behörden im Senegal verwiesen werden. Zumindest besteht eine inländische Fluchtalternative. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der keine Ausweisdokumente vorlegte und mit dem Geburtsdatum … 1988 erfasst ist, ist eigenen Angaben zufolge senegalesischer Staatsangehöriger, vom Volk der Wolof, islamischen Glaubens. Er meldete sich am 28. Mai 2013 in … als Asylsuchender und gab an, am 26. Mai 2013 nach Deutschland eingereist zu sein.
Am 13. Juni 2013 stellte der Antragsteller beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter.
An diesem Tag wurden dem Antragsteller die mit „WICHTIGE MITTEILUNG“ bzw. „INFORMATION IMPORTANTE“ überschriebenen Schriftstücke in deutscher Sprache und in französischer Übersetzung ausgehändigt. Der Antragsteller hat mit seiner Unterschrift bestätigt, diese Information erhalten und verstanden zu haben. Die Schriftstücke enthalten u. a. eine Belehrung über die Zustellungsvorschriften und die Pflicht des Asylbewerbers, u. a. dem Bundesamt jeden Wohnungswechsel mitzuteilen.
Mit Schreiben vom 3. November 2015 bat das Bundesamt die Ausländerbehörde des Landratsamtes … um Mitteilung über die Anschrift des Antragstellers; das per Fax übermittelte Schreiben wurde nicht beantwortet.
Mit Schreiben des Bundesamtes vom 6. November 2015 (Versendung mit Postzustellungsurkunde/PZU) wurde der Antragsteller unter seiner letzten dem Bundesamt bekannten Anschrift „Aufnahmeeinrichtung …, …str. …, …“ zur persönlichen Anhörung am 16. November 2015 geladen. Die PZU mit dem Vermerk „Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ ging beim Bundesamt, Außenstelle …, am 16. November 2015 und bei der Außenstelle … des Bundesamtes am 18. November 2015 ein. Der Antragsteller ist zur Anhörung nicht erschienen (Aktenvermerk vom 17.11.2015). Mit Schreiben des Bundesamtes vom 17. November 2015, das ebenfalls an die Adresse „Aufnahmeeinrichtung …, …str. …, …“ gerichtet war, wurde der Antragsteller aufgefordert, innerhalb eines Monats nach Zugang dieses Schreibens zu seinen Asylgründen schriftlich Stellung zu nehmen, da er den Anhörungstermin vom 16. November 2015 ohne genügende Entschuldigung nicht wahrgenommen habe. Die PZU mit dem Vermerk „Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ ging beim Bundesamt, Außenstelle …, am 24. November 2015 ein.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2015 bat das Bundesamt die Ausländerbehörde des Landratsamtes … nochmals um Mitteilung über die Anschrift des Antragstellers; das per Fax übermittelte Schreiben wurde nicht beantwortet.
Im Aktenvermerk des Bundesamtes vom 18. Januar 2016 ist festgehalten, dass der Antragsteller die Aufforderung zur Stellungnahme nicht beantwortet habe und die Akte daher zur Entscheidung abgegeben worden sei.
Mit Bescheid vom 22. Januar 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet ab (Nr. 1), ebenso den Asylantrag (Nr. 2); subsidiärer Schutz wurde nicht zuerkannt (Nr. 3.). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Weiter wurde die Abschiebung nach Senegal angedroht (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG wurde angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).
In einem Aktenvermerk des Bundesamts vom 17. Februar 2016 ist festgehalten, dass laut zuständiger Ausländerbehörde die neue Adresse des Antragstellers „…str. …, …“ laute. An diese Adresse wurde der Bescheid vom 22. Januar 2016 per Einschreiben verschickt und am 19. Februar 2016 laut Aktenvermerk zur Post gegeben.
Der Antragteller erhob mit Schreiben vom 23. Februar 2016, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg am 24. Februar 2016, Klage und stellte gleichzeitig den Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO),
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung von Klage und Eilantrag wurde ausgeführt, dass dem Antragsteller weder eine Anhörung gewährt worden sei, noch sei er schriftlich zu seinem Asylantrag befragt worden. Die Entscheidung des Bundesamtes beruhe ausschließlich auf allgemeinen Auslassungen zum Zustand in seinem Herkunftsland. Das Asylrecht sehe jedoch vor, dass ein Asylantrag individuell geprüft werden müsse. Dem Antragsteller sei kein rechtsstaatliches Verfahren gewährt worden. In seinem Fall lägen eindeutig die Gründe für eine Gewährung von subsidiärem Schutz vor, da es stichhaltige Gründe gebe, dass in seiner Heimat Casamance sein Leben in Gefahr sei. Ihm drohe Gefahr durch den nach wie vor währenden Konflikt. Er sei aus der Casamance geflohen, weil er von den Rebellen gezwungen worden sei, für sie zu kämpfen. Darum sei seine Familie nach wie vor in Gefahr. Würde er zurückkehren, stünde ihm eine Zwangsrekrutierung durch die Diola-Rebellen bevor, die dort weite Landesteile kontrollieren und eine weitreichende Kriegsökonomie unterhalten. Als Angehöriger der Wolof werde er von der Mehrheit der Diola diskriminiert, bekämpft oder zwangsrekrutiert. Diese Asylgründe habe er nie vortragen können und erwarte nun, dass die deutschen Behörden ihn anhören.
Das Bundesamt legte am 16. März 2016 die Behördenakte vor, äußerte sich aber nicht zur Sache.
Das Gericht hat beim Landratsamt …, Ausländerbehörde, am 23. März 2016 telefonisch die Übermittlung der Zuweisungsentscheidung der Regierung von … angefordert. Auf entsprechende Frage des Gerichts wurde mitgeteilt, dass sich die Adressanfragen des Bundesamtes vom 3. November 2015 und 17. Dezember 2015 nicht in der Ausländerakte befänden. Die per E-Mail übermittelte Zuweisungsentscheidung der Regierung von … datiert vom 18. Juni 2013. Danach wurde dem Antragsteller zum 27. Juni 2013 als künftiger Wohnsitz „… Lkr. – …, …-Str. …, …“ zugewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte (§ 36 Abs. 3 Satz 1 des Asylgesetzes – AsylG) Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die kraft Gesetzes ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im angefochtenen Bescheid anzuordnen, bleibt in der Sache ohne Erfolg, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen (vgl. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG).
1. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung. Die mit dieser Verwaltungsentscheidung intendierte umgehende Beendigung des Aufenthalts des Asylbewerbers im Bundesgebiet stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet und ist deren Folge. Anknüpfungspunkt der fachgerichtlichen Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes muss daher die Frage sein, ob das Bundesamt den Asylantrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat (BVerfG U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 – juris Rn. 93). Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes daher die Einschätzung des Bundesamtes, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht, ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes bzw. ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht besteht, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 – a. a. O.; BVerfG [Kammer] B. v. 10.07.1997 -2 BvR 1291/96 – juris).
Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG). Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG vom 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 – juris Rn. 98; VG Augsburg vom 22.9.2009 – Au 7 S 09.30149).
2. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der mit Bescheid des Bundesamts vom 22. Januar 2016 erfolgten Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet.
a) Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Asylantrag gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG wegen gröblicher Verletzung der Mitwirkungspflichten als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist. Die Rüge des Antragstellers, dass das Bundesamt ihn nicht persönlich angehört hat, sondern nach Aktenlage entschieden hat, greift nicht durch.
Zwar hat das Bundesamt den Ausländer gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylG persönlich anzuhören. Gemäß § 25 Abs. 5 AsylG kann jedoch von der persönlichen Anhörung eines Ausländers, der nicht verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, dann abgesehen werden, wenn er einer Ladung zur Anhörung ohne genügende Entschuldigung nicht folgt. Ihm ist sodann Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme binnen eines Monats zu geben. Äußert sich der Ausländer innerhalb dieser Frist nicht, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage, wobei auch das Nichtmitwirken zu berücksichtigen ist.
So liegt der Fall hier. Das Bundesamt hat ohne Rechtsverstoß über den Asylantrag des Antragstellers nach Aktenlage entschieden.
Die Ladung des Antragstellers zur persönlichen Anhörung über sein Asylbegehren für den 16. November 2015 erfolgte mit Schreiben des Bundesamtes vom 6. November 2015 (Bl. 31/32 der Bundesamtsakte/BA), das gemäß § 3 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) mit Postzustellungsurkunde versandt wurde. Da eine vorherige Anfrage zur Adressenermittlung (Schreiben des Bundesamts vom 3.11.2015, Bl. 29/30) an das Landratsamt … fehlschlug, war das Ladungsschreiben an die dem Bundesamt zuletzt bekannte Adresse des Antragstellers „Aufnahmeeinrichtung …, …str. …, …“ adressiert. Diese Ladung erreichte den Antragsteller zwar nicht, da er bereits mit Zuweisungsentscheidung der Regierung von … vom 18. Juni 2013 (Bl. 19/20 der Gerichtsakte) dem Landkreis … mit Wirkung ab 27. Juni 2013 zugewiesen worden war (zunächst in die Unterkunft … -Str. …, …). Dementsprechend kam auch die PZU an das Bundesamt mit dem Vermerk „Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ zurück (Bl. 37 BA). Der Antragsteller ist zum Anhörungstermin am 16. November 2015 nicht erschienen. Der Umstand, dass der Antragsteller bereits seit dem 27. Juni 2013 im Landkreis … wohnt und die Ladung zum Anhörungstermin nicht erhalten hat, führt jedoch nicht dazu, dass sein Nichterscheinen im Sinne von § 25 Abs. 5 AsylG als „genügend entschuldigt“ anzusehen ist.
Nach § 10 Abs. 1 AsylG hat der Ausländer während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen des Bundesamtes, der zuständigen Ausländerbehörde und der angerufenen Gerichte stets erreichen können. Insbesondere hat er jeden Wechsel seiner Anschrift den genannten Stellen unverzüglich anzuzeigen. Dies hat nach § 10 Abs. 2 AsylG zur Folge, dass der Ausländer Zustellungen unter der letztgenannten Anschrift, die der jeweiligen Stelle aufgrund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen muss, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsbevollmächtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann. Das Gleiche gilt, wenn die letzte bekannte Anschrift unter der der Ausländer wohnt oder zu wohnen verpflichtet ist, durch eine öffentliche Stelle mitgeteilt worden ist. Kann die Sendung dem Ausländer nicht zugestellt werden, so gilt die Zustellung mit der Aufgabe zur Post als bewirkt, selbst wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt.
In der Akte des Bundesamts ist keine Mitteilung des Antragstellers über seine jeweilige Adresse bzw. Adressenänderung enthalten, so dass davon auszugehen ist, dass er seiner Meldepflicht gegenüber der Antragsgegnerin nicht nachgekommen ist. Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller aber am 13. Juni 2013 auf die Zustellungsvorschriften schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hingewiesen (s. § 10 Abs. 7 AsylG). Ausweislich der in der Bundesamtsakte (Bl. 4 bis 11) befindlichen mit „WICHTIGE MITTEILUNG „und „INFORMATION IMPORTANTE“ überschriebenen Schriftstücke, deren Empfang der Antragsteller mit seiner Unterschrift bestätigt hat, ist der Antragsteller zureichend hierüber belehrt worden, wobei der ausdrückliche Hinweis enthalten ist, dass ein Wohnungswechsel auch dann mitzuteilen ist, wenn – wie hier – dem Ausländer von einer staatlichen Stelle ein neuer Wohnort und eine neue Unterkunft zugewiesen worden sind.
Damit gilt die Ladung zum Anhörungstermin als am 6. November 2015 (Tag der Aufgabe zur Post) als bewirkt und der Antragsteller muss die Ladung gegen sich gelten lassen, was zur Folge hat, dass sein Nichterscheinen zum Anhörungstermin am 16. November 2015 auch nicht genügend entschuldigt ist. Die grundsätzliche Verpflichtung der Ausländerbehörde zur Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift an das Bundesamt (§ 54 AsylG) entbindet den Antragsteller nicht von der Mitwirkungsverpflichtung des § 10 Abs. 1 AsylG. Die Konsequenzen einer – wie hier – seitens der Ausländerbehörde unterbliebenen Unterrichtung des Bundesamtes hinsichtlich eines Wechsels der Anschrift trägt damit allein der Asylbewerber (vgl. VG München, U. v. 15.1.2015 – M 12 K 14.31170 – juris Rn. 22).
Die obigen Ausführungen gelten entsprechend im Hinblick auf das Schreiben des Bundesamts vom 17. November 2015 (Bl. 34 BA), in dem der Antragteller unter Hinweis auf die Versäumung des Anhörungstermins gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 AsylG dazu aufgefordert wurde, zu seinen Asylgründen innerhalb eines Monats nach Zugang dieses Schreibens schriftlich Stellung zu nehmen und auf die Möglichkeit der Entscheidung nach Aktenlage hingewiesen wurde. Wegen Versäumung seiner Meldepflicht muss der Antragsteller auch die Zustellung dieses Schreibens, die entsprechend der PZU spätestens am 23. November 2015 erfolgt ist, gegen sich gelten lassen. Da eine schriftliche Stellungnahme des Antragstellers nicht fristgemäß beim Bundesamt eingegangen ist, war das Bundesamt daher dazu berechtigt, über das Asylbegehren nach Aktenlage zu entscheiden.
b) Aber auch unter Berücksichtigung der vom Antragsteller in seiner Klage- und Antragschrift vom 23. Februar 2016 vorgetragenen Asylgründe bestehen im Zeitpunkt dieser Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der mit Bescheid des Bundesamts vom 22. Januar 2016 erfolgten Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet.
Der Asylantrag erweist sich nämlich auch deswegen als offensichtlich unbegründet, weil der Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG), § 29a Abs. 2 AsylG i. V. m. der Anlage II zum Asylgesetz stammt. Der Senegal ist in der Anlage II zum Asylgesetz als sicherer Herkunftsstaat aufgelistet.
Nach § 29a Abs. 1 AsylG ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem sicheren Herkunftsstaat als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
aa) Selbst wenn man die Angaben des Antragstellers – in seiner Heimat Casamance sei er von den Diola-Rebellen gezwungen worden, für diese zu kämpfen und im Falle der Rückkehr stünde ihm die Zwangsrekrutierung durch diese Rebellen bevor – als wahr unterstellt, kann dieser Vortrag unter keinem sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkt als politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG bzw. des § 3 AsylG gewertet werden und damit offensichtlich nicht die Anerkennung als Asylberechtigter rechtfertigen oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen.
Denn die (nur) im Landesteil Casamance agierenden Rebellen des MFDC sind keine Akteure, von denen (politische) Verfolgung ausgehen kann (s. § 3c AsylG). Weder beherrschen sie einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets (§ 3c Nr. 2 AsylG); noch ist der senegalesische Staat nicht in der Lage oder nicht willens, Schutz vor Verfolgung im Sinne des § 3d AsylG zu bieten. Zum einen hat sich die Lage in der Casamance seit 2012 deutlich entspannt und die senegalesische Regierung hat Maßnahmen ergriffen, die Infrastruktur zu verbessern und die wirtschaftliche Basis zu erweitern. Im Frühjahr 2014 verkündete der Führer der MFDCD, Salif Sadio, einen einseitigen Waffenstillstand und die Regierung Sall hat internationale Vermittlung zur Befriedung angestoßen. Zum anderen wurden, soweit Teile der Zivilbevölkerung wegen der immer wieder aufflammenden, lokal begrenzten bewaffneten Auseinandersetzungen in der Casamance u. a. in den nördlichen, vom Konflikt nicht betroffenen Teil Senegals geflohen sind, diese Fluchtbewegungen nicht behindert und die Casamance-Flüchtlinge wurden staatlicherseits auch nicht behelligt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des§ 29a AsylVfG, vom 21.11.2015, I.1., II. 1.3. und 3.).
Zudem kann der Antragsteller innerhalb des Senegal internen Schutz gemäß § 3e AsylG erlangen (sog. inländische Fluchtalternative). Wie bereits ausgeführt, sind Teile der Zivilbevölkerung wegen der immer wieder aufflammenden, lokal begrenzten bewaffneten Auseinandersetzungen in der Casamance u. a. in den nördlichen, vom Konflikt nicht betroffenen Teil Senegals geflohen. Diese Fluchtbewegungen wurden nicht behindert und die Casamance-Flüchtlinge wurden staatlicherseits auch nicht behelligt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylVfG, vom 21.11.2015, II. 3.). Der Antragteller gehört nach eigenen Angaben zum Stamm der Wolof, die im Senegal die ethnische Mehrheit von ca. 45% der Gesamtbevölkerung darstellen. Mehr als 80% der Bevölkerung sprechen als Erst- oder Zweitsprache Wolof. Die Wolofs leben vorwiegend im Nordwesten des Senegal, sind aber auch in allen anderen Landesteilen vertreten. Im Großraum Dakar stellen sie etwa 43% der Bevölkerung; in den meisten anderen Städten bilden sie ebenfalls die größte Bevölkerungsgruppe. Damit kann sich der Antragsteller, wie auch viele andere Casamance-Flüchtlinge, in den nördlichen, vom Casamance-Konflikt nicht betroffenen Teil des Senegal begeben, wobei der Antragsteller dann auch noch in dem Gebiet leben würde, in dem auch die ganz überwiegende Mehrheit seiner Ethnie lebt.
bb) Der Antragsteller hat auch offensichtlich keinen Anspruch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1, 3 AsylG. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Antragsteller im Senegal die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) oder Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) drohen könnten. Verfolgung von Seiten des senegalesischen Staates macht der Antragsteller ohnedies nicht geltend. Entsprechenden Bedrohungen seitens der in der Casamance agierenden Rebellen kann der Antragsteller entgehen, in dem er sich – siehe oben – außerhalb der Casamance, z. B. im nördlichen, vom Casamance-Konflikt nicht betroffenen Teil des Senegal niederlässt. Dass er z. B. im Großraum Dakar (etwa 2,7 Mio Einwohner) oder in einer der anderen großen Städte im Norden des Senegal von den Rebellen aufgespürt werden könnte – selbst wenn man seine Verfolgungsgeschichte als wahr unterstellen würde -, erscheint äußerst unwahrscheinlich, zumal es im Senegal auch kein funktionierendes Melde- und Registrierwesen gibt.
Entsprechen diesen Ausführungen scheidet auch die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aus. Denn eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht dem Antragsteller im Falle der Rückkehr in den Senegal aufgrund der bestehenden innerstaatlichen Fluchtalternative nicht.
Es bestehen auch keine Erkenntnisse, dass abgelehnte Asylbewerber bei einer Rückkehr in den Senegal allein wegen der Asylantragstellung mit staatlichen Repressionen zu rechnen hätten (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes vom 21.11.2015, IV.2).
cc) Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) bestehen ebenfalls nicht.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung unterworfen werden, wobei die Vorschrift nur im Falle staatlicher oder dem Staat zurechenbarer Eingriffshandlungen anwendbar ist. Es spricht nichts dafür, dass dem Antragsteller im Senegal diese o.g. Gefahren drohen könnten, zumal er selbst keine Verfolgung durch den senegalesischen Staat behauptet.
Auch die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Nach Überzeugung des Gerichts wird der Antragsteller als junger und gesunder Mann jedenfalls das erforderliche Existenzminimum im Senegal sicherstellen können, zumal er offenbar auch vor seiner Ausreise seinen Lebensunterhalt sichern und dabei auch noch die bekanntermaßen erheblichen Kosten für die Schleusung nach Europa bzw. Deutschland aufbringen konnte. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller Gefahr liefe, im Senegal auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde, gibt es nicht.
3. Hinweise auf die Fehlerhaftigkeit der Befristung der Einreise- und Aufenthaltsverbote nach § 11 AufenthG (Ziffern 6 und 7 des Bescheids) bestehen nicht.
Nach allem war der Antrag abzulehnen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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