Verwaltungsrecht

Offensichtlich unbegründeter Asylantrag wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht

Aktenzeichen  M 25 S 16.31216

Datum:
16.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 15 Abs. 2 Nr. 3, § 30 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 5, § 36 Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

1 Ein Asylbewerber trägt die materielle Darlegungslast dafür, dass er einen Verstoß gegen seine Mitwirkungspflichten, insbesondere die Pflicht zum persönlichen Erscheinen nach § 15 Abs. 2 Nr. 3 AsylG, nicht zu vertreten hat bzw. dass es ihm aus wichtigen Gründen nicht möglich war, der Mitwirkungspflicht nachzukommen. (Rn. 47) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Die Pflicht zum persönlichen Erscheinen nach § 15 Abs. 2 Nr. 3 AsylG hat der Gesetzgeber als eigenständige Mitwirkungspflicht ausgestaltet, da es sich hierbei um die Grundvoraussetzung für die Durchführung eines Asylverfahrens handelt. § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG dient daher in Verbindung mit § 15 Abs. 2 Nr. 3 AsylG dazu, dem Untertauchen des Asylbewerbers zu begegnen. (Rn. 53) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Ein Verstoß des Asylbewerbers gegen seine Pflicht, alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Verwertung der Fingerabdrücke bei erkennungsdienstlichen Maßnahmen beeinträchtigen oder vereiteln, kann dazu führen, dass das Verfahren als nicht betrieben und damit der Asylantrag als zurückgenommen gilt (vgl. BVerwG BeckRS 2013, 57598). Von einem derartigen Verstoß ist auszugehen, wenn bei der erkennungsdienstlichen Behandlung die Unverwertbarkeit der Fingerabdrücke bemerkt und dokumentiert wird und der Betroffene hierzu nicht unmittelbar substantiiert Stellung nimmt (vgl. BVerwG BeckRS 2014, 54339). (Rn. 54) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt – der Sache nach – die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes vom 18. Mai 2016 enthaltene Androhung der Abschiebung nach Afghanistan oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist.
Der Antragsteller, ein afghanischer Staatsbürger, reiste Mitte November 2012 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein.
Am 3. Dezember 2012 stellte er einen Asylantrag. Dabei ist bei den Belehrungsunterlagen unter der Kategorie „Beruf oder Art der Arbeit“ die Angabe „Tischler“ vermerkt (Bl. 19 Behördenakte).
Am 6. Dezember 2012 gab der Antragsteller gegenüber der Regierung von Oberbayern auf die Frage nach Beruf und Arbeitgeber an, dass er zunächst als Tagelöhner und dann die letzten vier Jahre als Schreiner gearbeitet habe (Behördenakte, Bl. 49). Auf die Frage nach der Finanzierung der Schleusung gab er an, dass diese 10.000 Dollar gekostet habe. Das Geld habe sein Bruder bezahlt, der Bruder und er hätten ein Grundstück verkauft, außerdem habe er in Griechenland gearbeitet.
Am 13. Dezember 2012 hörte das Bundesamt für Migration den Antragsteller an. Zur Begründung seines Asylantrags führte der Antragsteller im Wesentlichen Folgendes an: Er habe für die US-Amerikaner gearbeitet, indem er auf dem Flughafen Holzhäuser gebaut habe. Er habe eine Karte für den Zugang zu dem Flughafen besessen, die ihn zum Eintritt berechtigt habe. Aufgrund dessen sei er von der Taliban gekidnappt worden, die ihn aufgefordert habe, ein von der Taliban gestelltes Auto auf das Flughafengelände zu fahren. Für den Fall, dass er sich weigern würde, habe man ihn mit dem Tod bedroht. Der Antragsteller habe das von der Taliban gestellte Auto aber nicht auf das Gelände des Flughafens, sondern zu dem örtlichen Landkreisamt gefahren. Die örtliche Polizei habe den Antragsteller vernommen, eine Anzeige aufgenommen, das Auto beschlagnahmt und den Antragsteller dann nach Hause geschickt. Aufgrund dieses Vorfalls habe der Antragsteller um sein Leben gefürchtet und sei unmittelbar nach Rückkehr von der Polizei aus seinem Heimatland geflohen. Zu seinem Beruf befragt, gab er an, zuerst als Tagelöhner und dann für einen Schreiner gearbeitet haben, der Holzhäuser gebaut habe (Bl. 31 der Behördenakte). Befragt, wie er die Flucht habe finanzieren könne, antwortete der Antragsteller, dass er die Flucht mit der Veräußerung eines Stück Landes die Reise finanziert habe (Bl. 32 der Behördenakte).
Mit Schreiben vom 1. Februar 2013 lud das Bundesamt für Migration ihn zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung am 11. Februar 2013 (Behördenakte, Bl. 53).
Laut Vermerk des Bundesamtes für Migration vom 13. Februar 2013 teilte die … … mit, der Antragsteller habe nicht zu dem Termin kommen können, da er krank gewesen sei und das Schreiben missverstanden habe (Behördenakte, Bl. 54).
Mit Schreiben vom 21. Februar 2013 lud das Bundesamt für Migration den Antragsteller zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung am 7. März 2013 (Behördenakte, Bl. 55).
Mit Schreiben vom 11. April 2014 lud das Bundesamt für Migration den Antragsteller wieder zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung am 25. April 2014 (Behördenakte, Bl. 59).
Mit Vermerk vom 25. Februar 2014 stellte das Bundesamt für Migration daraufhin fest, dass dem Antragsteller erneut keine Fingerabdrücke hätten abgenommen werden können. Die Finger seien manipuliert gewesen. Der Antragsteller sei darauf hingewiesen worden, dass das Verfahren solange ruhe, bis die Abnahme von Fingerabdrücken möglich sei (Behördenakte, Bl. 60).
Mit Schreiben vom 4. Juli 2014 lud das Bundesamt für Migration den Antragsteller erneut zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung am 17. Juli 2014 (Behördenakte, Bl. 65).
Mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2014 erkundigte sich der mittlerweile beauftragte Prozessbevollmächtigte, ob bei der erkennungsdienstlichen Behandlung Fingerabdrücke genommen werden sollten, bestritt Manipulationen und fragte nach dem Sachstand (Behördenakte, Bl. 67).
Mit Schreiben vom 10. Oktober 2014 lud das Bundesamt für Migration den Antragsteller erneut zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung am 20. Oktober 2014 (Behördenakte, Bl. 68).
Mit Vermerk vom 5. November 2014 stellte das Bundesamt für Migration fest, dass der Antragsteller nicht zu dem Termin am 20. Oktober 2014 erschienen war (Behördenakte, Bl. 69).
Mit Schreiben an den Prozessbevollmächtigten vom 5. November 2014 teilte das Bundesamt für Migration mit, dass die Fingerkuppen des Antragstellers manipuliert gewesen seien. Der Ladung zu der erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung für den 20. Oktober 2014 sei er nicht nachgekommen. Eine Entscheidung ergehe erst, wenn der Antragsteller sich der erkennungsdienstlichen Behandlung unterziehe.
Mit Schreiben vom 14. November 2014 lud das Bundesamt für Migration den Antragsteller erneut zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung am 28. November 2014 (Behördenakte, Bl. 72).
Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2015 erkundigte sich der Prozessbevollmächtigte erneut, ob bei der erkennungsdienstlichen Behandlung Fingerabdrücke genommen werden sollten, bestritt Manipulationen und fragte nach dem Sachstand (Behördenakte, Bl. 73).
Mit Vermerk vom 10. Juni 2015 hielt das Bundesamt für Migration fest, dass der Verlauf der erkennungsdienstlichen Behandlung und der Zustand der Fingerkuppen im Fall der Nichtverwertbarkeit sorgfältig (Aktenvermerk und Fotos) zu dokumentieren seien (Behördenakte, Bl. 74).
Mit Schreiben vom 11. Juni 2015 lud das Bundesamt für Migration den Antragsteller entsprechend erneut zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung am 23. Juni 2015 (Behördenakte, Bl. 75).
Laut Vermerk des Bundesamtes für Migration vom 26. Juni 2015 erschien der Antragsteller jedoch auch zu dem Termin am 23. Juni 2015 nicht (Behördenakte, Bl. 76).
Mit angegriffenem Bescheid vom 18. Mai 2016 (Eingang beim Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 23.5.2016) traf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge folgende Regelung:
„1. Der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wird als offensichtlich unbegründet abgelehnt.
2. Der Antrag auf Asylanerkennung wird als offenkundig unbegründet abgelehnt.
3. Der Antrag auf subsidiären Schutz wird abgelehnt.
4. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes liegen nicht vor.
5. Der Antragsteller wird aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, wird er nach Afghanistan abgeschoben. Der Antragsteller kann auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen darf und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist.
6. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wird auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.“
Das Bundesamt führte hierbei im Wesentlichen Folgendes aus: Die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen nicht vor (Ziffern 1 bis 3 des Bescheides). Der Antragsteller habe angegeben, dass er den Vorfall mit dem Auto und der Taliban bei der Polizei angezeigt habe, die eine Anzeige aufgenommen und ein Protokoll angefertigt habe (Behördenakte, Bl. 80). Die Polizei sei schutzwillig und schutzbereit gewesen (vgl. Behördenakte, Bl. 80 f.). Überdies habe der Antragsteller die behauptete Verfolgung auf Juni 2010 datiert (vgl. Behördenakte, Bl. 81). Der Antragsteller habe vorgetragen, dass er nach seiner Flucht 4 Monate im Iran, 6 Monate in der Türkei und 24 Monate in Griechenland gelebt habe. Die Flucht des Antragstellers müsse spätestens mit seinem zweijährigen Aufenthalt in Griechenland und der dort aufgenommenen Erwerbstätigkeit auf einer Olivenplantage als beendet angesehen werden.
Es sei nicht glaubhaft, dass der Antragsteller bei den US-Amerikanern gearbeitet habe. Zu Beginn der Anhörung habe er angegeben, dass er als Tagelöhner gearbeitet habe. Erst im späteren Verlauf der Anhörung habe er dies geändert und nunmehr angegeben, dass er für die US-Amerikaner auf dem Flughafen gearbeitet habe.
Die geschilderten Umstände zu der Ausreise seien zudem unsubstantiiert und nicht glaubhaft. Der Antragsteller trage vor, dass er Afghanistan unmittelbar nach dem behaupteten Vorfall mit dem Auto und den Taliban im Juni 2010 verlassen zu haben. Zur Finanzierung seiner Reise soll aber ein Grundstück im Wert von 10.000 € verkauft worden sein. Es sei nicht nachvollziehbar, dass und wie der Antragsteller innerhalb von nur ein paar Tagen ein Grundstück habe veräußern können.
Der Antragsteller verfüge im Übrigen über eine inländische Fluchtalternative und habe die Möglichkeit, sich an einem beliebigen Ort, zum Beispiel in Kabul, niederzulassen und eine neue Existenz aufzubauen.
Das Gesamtverhalten des Antragstellers lege nahe, dass die erstrebte Bleibemöglichkeit von asylfremden Motiven getragen sei. Die Vorgehensweise des Antragstellers, einen Asylantrag erst in der Bundesrepublik zu stellen, nachdem er bereits zwei Jahre lang in Griechenland auf einer Olivenplantage gearbeitet haben will, widerspreche jeder Lebenserfahrung, soweit sie das Verhalten von tatsächlich verfolgten Personen betreffe. Sei der Antragsteller aus seinem Heimatland geflohen, müsse es sich ihm aufgedrängt haben, bei erster Gelegenheit, und dies wäre anlässlich der Einreise nach Griechenland gewesen, das Schutzgesuch freiwillig und unaufgefordert anzubringen. Der Feststellung der Verfolgung stehe entgegen, wenn der Betroffene nicht in der Lage sei, eigene Identitätspapiere vorzulegen und nicht an der Klärung seiner Identität mitwirke. Der Antragsteller sei im Laufe seiner Asylverfahrens mehrmals Mal aufgefordert worden, sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehe. Die dem Antragsteller abgenommenen Fingerabdrücke seien nicht auswertbar gewesen. Dies beruhe auf Manipulationen. Einem Teil der Ladungen zur erkennungsdienstlichen Behandlung sei der Antragsteller unentschuldigt nicht nachgekommen.
Dem Antragsteller drohe auch kein ernsthafter Schaden (vgl. Behördenakte, Bl. 82). Er stamme aus der Provinz Nangarhar. Dort finde zwar ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt statt. Allerdings komme es für den subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG maßgeblich auf das Vorliegen von individuell gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Antragstellers an. Solche lägen in der Person des Antragstellers nicht vor.
Der Asylantrag werde gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 5 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 Satz 2, § 15 Abs. 2 Nrn. 3 bis 5 oder § 25 Abs. 1 AsylG wegen Verstoßes gegen die Mitwirkungspflichten als offenkundig unbegründet abgelehnt.
Der Antragsteller sei mehrfach zur erkennungsdienstlichen Behandlung geladen worden, ohne dass er die Termine wahrgenommen hätte. Seine Fingerkuppen seien manipuliert gewesen. In dem Zeitraum vom 11. Februar 2013 bis zum 23. Juni 2015 sei er sieben Mal zur erkennungsdienstlichen Behandlung geladen. Die an ihn gerichteten Schreiben seien ihm nach Aktenlage auch zugegangen. Die letzten vier Ladungen zur erkennungsdienstlichen Behandlung seien seinem Prozessbevollmächtigten zugegangen. Auch die letzte Ladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung am 23. Juni 2015 habe er nicht wahrgenommen. Der Antragsteller habe in keinem Fall, in dem er einen solchen Termin nicht wahrgenommen habe, eine Stellungnahme abgegeben oder ein Attest vorgelegt (vgl. Behördenakte, Bl. 83). Insofern sei von einer groben Verletzung der Mitwirkungspflichten auszugehen. Zudem habe der Antragsteller wissentlich eine Fingerkuppen manipuliert, um die Qualitätsstandards der erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterschreiten.
Die Offensichtlichkeit der Unbegründetheit ergebe sich auch aus den unsubstantiierten unglaubhaften Angaben des Antragstellers zu den Gründen für seine Furcht vor Verfolgung (Bl. Behördenakte, Bl. 83).
Abschiebungsverbote (Ziffer 4. des Bescheides) lägen auch nicht vor. Dem Antragsteller drohe in Afghanistan keine, durch einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur verursachte Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege (Gerichtsakte, Bl. 84). Dem stehe die Lage in Afghanistan nicht entgegen (wird ausgeführt, vgl. Behördenakte, Bl. 10).
Bei dem Antragsteller handele es sich um einen jungen, offenkundig gesunden und erwerbsfähigen Mann. Ihm sei eine Rückkehr in sein Heimatland Afghanistan zumutbar. Der Antragsteller könne dort unter Aufnahme einer Erwerbstätigkeit eine neue Existenz aufbauen. Im Übrigen verfüge der Antragsteller laut eigener Aussage über weitere familiäre Bindungen in seinem Heimatland. Diese Verwandten könnten ihm gegebenenfalls auch bei dem Existenzaufbau helfen.
Mit Schriftsatz vom 30. Mai 2016 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers:
„I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Az. …*) vom 19. Mai 2016, zugestellt am 23. Mai 2016, wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG zu gewähren, weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.“
Er führte im Wesentlichen aus: Der Asylantrag sei nicht offensichtlich unbegründet gewesen. Der Antragsteller habe seine Fingerkuppen nicht manipuliert. Er habe in seiner Heimat in einer Steinfabrik als Polierer für Steine gearbeitet und seine Hände Feinstaub und Chemikalien ausgesetzt (Gerichtsakte, Bl. 3). Dies habe er bei jeder Abnahme von Fingerabdrücken erklärt. Die Haut werde sich nicht mehr regenerieren. Es könne von niemandem verlangt werden, sich alle Jahre Fingerabdrücke abnehmen zu lassen, obwohl die Behörden wüssten, dass keine verwertbaren Fingerabdrücke gewonnen werden könnten.
Beweis: Sachverständigengutachten
Eine weitere Antragsbegründung reichte der Antragsteller trotz Ankündigung nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag, die gemäß § 75 AsylG ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
Das Begehren des Antragstellers ist gemäß § 88 VwGO analog entsprechend seinem Rechtsschutzinteresse dahin auszulegen, dass es sich gegen die von Gesetzes wegen vollziehbare Abschiebungsandrohung richtet.
2. Der Antrag ist unbegründet.
Gegenstand der gerichtlichen Prüfung im asylrechtlichen Aussetzungsverfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG ist die Frage, ob zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gemäß § 77 Abs. 1 AsylG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder nicht. Ernstliche Zweifel in diesem Sinn liegen nur dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die angefochtene Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BVR 1516/93 – juris, Rn. 99).
Derartige ernstliche Zweifel bestehen im vorliegenden Fall nicht.
a) Ernstliche Zweifel ergeben sich nicht mit Blick auf die von Gesetzes wegen für den Fall des gröblichen Verstoßes gegen Mitwirkungspflichten fingierte und vom Bundesamt für Migration im konkreten Fall bejahte offensichtliche Unbegründetheit (des Asylantrags und des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft) gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG.
aa) Der Antragsteller ist seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 3 AsylG in Verbindung mit § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG nicht nachgekommen.
(1) Gemäß 15 Abs. 2 Nr. 3 AsylG hat der Ausländer einer behördlichen Anordnung, persönlich zu erscheinen, Folge zu leisten.
Das Bundesamt für Migration hat den Antragsteller insgesamt sieben Mal geladen. Dass die behördliche Ladung nicht ordnungsgemäß gewesen ist oder der Antragsteller davon nicht Kenntnis nehmen konnte, ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. So hat der Antragsteller beispielsweise auf die Ladung vom 1. Februar 2013 hin nachträglich reagiert mit der Nachricht, er sei krank gewesen und habe das Schreiben missverstanden. Der Prozessbevollmächtigte hat zudem mit Schriftsätzen vom 30. September 2014 und vom 1. Juni 2015 auf vorangehende Ladungen reagiert. Der Antragsteller ist unstreitig trotz Ladung mehrfach kommentarlos nicht erschienen.
(2) Der Antragsteller trägt die materielle Darlegungslast dafür, dass er die aufgezeigten Verstöße gegen die Mitwirkungspflichten nicht zu vertreten hat beziehungsweise dass es ihm aus wichtigen Gründen nicht möglich war, ihnen nachzukommen.
Dieser materiellen Darlegungslast hat der Antragsteller nicht genügt. Im behördlichen Asylverfahren hat er sein Fernbleiben nicht erläutert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund des mit Schriftsatz vom 30. Mai 2016 vorgebrachten Vortrags, dass der Antragsteller in seiner Heimat in einer Steinfabrik als Polierer für Steine gearbeitet und seine Fingerkuppen wegen der Chemikalien und des Feinstaubs irreparabel beschädigt habe.
Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass erstens dieser Vortrag im behördlichen Asylverfahren nicht aktenkundig geworden ist und der Antragsteller dies damit augenscheinlich erstmals im gerichtlichen Eilverfahren vorgetragen hat, zweitens der Vortrag allgemein und vage gehalten – der Antragsteller hat zu dem konkreten Namen, dem konkreten Ort oder den konkreten Produkten der Steinfabrik sowie der konkreten Art und Dauer der Tätigkeit als Polierer keine Angaben gemacht – und drittens der Vortrag in diametralem Widerspruch steht zu den Angaben im behördlichen Asylverfahren, wonach der Antragsteller Tischler/Schreiner und zuvor Tagelöhner war, also seine Arbeitskraft lediglich tageweise in der Regel immer wieder an neue Arbeitgebern verdingt hat und daher nicht dauerhaft bei einem Arbeitgeber angestellt war.
Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass, selbst wenn man die vorgenannten Erwägungen ausblendete, dies an dem festgestellten Verstoß gegen die Pflicht zum persönlichen Erscheinen nichts ändern würde.
Dass ein Ausländer in Bezug auf die Zweckmäßigkeit einer Ladung anderer Auffassung ist als die anordnende Behörde, rechtfertigt selbstverständlich nicht, dass er eigenmächtig der Ladung zu einem persönlichen Erscheinen, auch für erkennungsdienstliche Maßnahmen nicht Folge leistet. Etwas anderes dürfte sich allein bei schikanösem oder rechtsmissbräuchlichem Handeln der Behörde ergeben. Dafür bestehen indes keinerlei Anhaltspunkte. Das Bundesamt für Migration hat, wie sich aus den Akten ergibt, konsequent und in sich widerspruchsfrei die Unverwertbarkeit der bislang abgenommenen Fingerabdrücke festgestellt, dabei zum Ausdruck gebracht, dass es sich seiner Einschätzung nach um einen vorübergehenden, mithin reparablen Zustand handelt, und dies auch gegenüber dem Antragsteller kommuniziert. Der Antragsteller ist dem, wie dargestellt, in dem behördlichen Asylverfahren nicht entgegengetreten.
Das Fernbleiben stellt, nicht zuletzt wegen der Häufigkeit des Zuwiderhandelns, einen gröblichen Verstoß gegen die genannte Mitwirkungspflicht dar.
(3) Dieser Einschätzung steht auch nicht entgegen, dass das persönliche Erscheinen zum Zwecke der erkennungsdienstlichen Behandlung angeordnet wurde. In der Tat verweist § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG allein auf § 15 Abs. 2 Nrn. 3 bis 5 AsylG, nicht auf § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylG, welcher die erkennungsdienstliche Behandlung regelt. Allerdings hat der Gesetzgeber die Pflicht zum persönlichen Erscheinen als eigenständige Mitwirkungspflicht ausgestaltet. Dies liegt darin begründet, dass es sich hierbei um die Grundvoraussetzung für die Durchführung des behördlichen Asylverfahrens handelt. So erfüllt die in § 30 Abs. 3 Nr. 5 in Verbindung mit § 15 Abs. 2 Nr. 3 AsylG geregelte Rechtsfolge beispielsweise auch die Funktion, dem Untertauchen des Ausländers zu begegnen. Das in § 15 Abs. 2 Nr. 3 AsylG geforderte Verhalten ist auch ohne Weiteres abgrenzbar zu dem in § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylG geforderten Duldungs-verhalten.
Die behördliche Handlungsform des § 30 Abs. 3 Nr. 5 in Verbindung mit § 15 Abs. 2 Nr. 3 AsylG ergänzt die behördliche Handlungsform des § 33 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Verstoß gegen die Pflicht, alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Verwertung der Fingerabdrücke beinträchtigen oder vereiteln, dazu führen, dass das Verfahren als nicht betrieben und damit der Antrag als zurückgenommen gilt (vgl. noch zu § 33 Abs. 1 AsylVfG a.F.: BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 10 C 1/13 – juris, Rn. 19). Diese Rechtsprechung wurde entwickelt, um der Praxis entgegenzuwirken, die oberste Hautschicht der Fingerkuppen mit Schleifpapier oder mit einer Feile abzuschmirgeln. Von einem solchen Verstoß ist auszugehen, wenn bei der erkennungsdienstlichen Behandlung die Unverwertbarkeit der Fingerabdrücke bemerkt und dokumentiert und der Betroffenen dann hierzu nicht unmittelbar substantiiert Stellung nimmt (vgl. ebenfalls noch zu § 33 Abs. 1 AsylVfG a.F.: BVerwG, U.v. 17.6.2014 – 10 C 7/13 – juris, Rn. 19). Der Antragsteller hat sich mit seinem Fernbleiben am 23. Juni 2015 den von der Behörde beabsichtigten Fotoaufnahmen entzogen. Ob die Handlungsoption der Behörde im vorliegenden Fall aufgrund der vorhandenen Dokumentation und des Verhaltens des Antragstellers offengestanden hätte oder nicht, kann indes an dieser Stelle offenbleiben.
bb) Der gestellte Beweisantrag ist als unzulässig abzulehnen.
Das Beweisthema („es kann hier von keinem verlangt werden …“) betrifft keine Tatsachenfrage, sondern eine Rechtsfrage und ist daher dem Beweis unzugänglich. Im Übrigen können im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen der Eilbedürftigkeit der Entscheidung nur präsente Beweismittel Berücksichtigung finden (vgl. speziell zum Asylrecht: BayVGH, B.v. 28.06.2001 – 10 ZS 00.1781 – juris, Rn. 8).
b) In jedem Fall ergeben sich auch keine ernstlichen Zweifel mit Blick auf die von Gesetzes wegen für den Fall des nicht substantiierten beziehungsweise in sich widersprüchlichen Vorbringens zugrunde gelegte und vom Bundesamt für Migration im vorliegenden Fall bejahte offensichtliche Unbegründetheit (des Asylantrags und des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft) gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG.
Die Ausführungen des Antragstellers sind allgemein gehalten. Das Bundesamt für Migration hat zudem hinsichtlich der Gründe, der Art und Weise sowie der Dauer der Flucht konkrete Ungereimtheiten und Lücken im Vortrag des Antragstellers aufgezeigt. Außerdem kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Vortrag, den der Antragsteller nunmehr im gerichtlichen Eilverfahren mit Schriftsatz vom 30. Mai 2016 vorgebracht hat, in diametralem Widerspruch steht zu den Angaben im behördlichen Asylverfahren. Die Tätigkeit eines Steinpolierers ist etwas anderes als die eines Tischlers/Schreiners. Sie ist auch etwas anderes als die Tätigkeit eines Tagelöhners. Denn ein Tagelöhner verdingt seine Arbeitskraft lediglich tageweise in der Regel immer wieder an neue Arbeitgeber und ist daher nicht dauerhaft bei einem Arbeitgeber angestellt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Vortrag seinerseits wiederum lediglich allgemein und vage gehalten ist. Der Antragsteller hat zu dem konkreten Namen, dem konkreten Ort und den konkreten Produkten der Steinfabrik sowie der konkreten Art und Dauer der Tätigkeit als Polierer keine Angaben gemacht.
c) Im Übrigen folgt das Verwaltungsgericht den Feststellungen und der Begründung im angefochtenen Bescheid und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung gemäß § 77 Abs. 2 AsylG ab. Insbesondere decken sich die Ausführungen des Bundesamtes für Migration zu der Lage in Afghanistan mit dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan v. 6.11.2015, Gz: 508-516.80/3 AFG). Das Verwaltungsgericht verkennt hierbei nicht die schwierigen Lebensverhältnisse in Afghanistan. Diese betreffen jedoch grundsätzlich jeden Afghanen in gleicher Weise.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.
Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz RVG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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