Verwaltungsrecht

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Aktenzeichen  AN 18 E 21.00214

Datum:
8.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 4728
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
BayIfSMV §§ 20. 12 11.

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller betreibt die Hundeschule mit dem Namen „…“ unter der Adresse …, und wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtschutzes gegen den Antragsgegner. Der Antragsteller hat den Betrieb seiner Hundeschule nach eigenen Angaben aufgrund der Corona-Pandemie seit dem 16. Dezember 2020 eingestellt. Auf seine Nachfrage beim Landratsamt … erhielt er am 17. Dezember 2020 per E-Mail die Auskunft, dass der Betrieb der Hundeschule gemäß der sogenannten Positivliste welche auf der Homepage des Bayerischen Gesundheitsministeriums veröffentlich worden sei, nicht möglich sei.
Mit Schreiben vom 4. Februar 2021 ließ der Antragsteller unter Vorlage eines Hygienekonzeptes beim Landratsamt … erneut nachfragen, ob dem Antragsteller nunmehr die Ausübung seiner Erwerbstätigkeit gestattet werden könne. Durch E-Mail vom selben Tage erhielt der Antragsteller von dort die Antwort, dass derzeit auch ein Einzelunterricht nicht möglich sei.
Mit Telefax vom 4. Februar 2021, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach am selben Tage eingegangen, ließ der Antragsteller beantragen,
„Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass § 12 Abs. 1 und 2, § 20 der 11. BayIfSMV dem Betrieb der Hundeschule in der Form des Einzelunterrichtes des Antragstellers im … …unter Beachtung des für die Hundeschule entwickelten Schutz- und Hygienekonzeptes nicht entgegenstehen.“
Zur Begründung wurde das Hygienekonzept des Antragstellers dargelegt: Demnach erfolgten Terminabsprachen ausschließlich per Telefon. Die Termine würden derart gestaffelt, dass sich die Kunden nicht begegneten.
Der Einzelunterricht finde ausschließlich auf dem eingezäunten Freigelände des Antragstellers statt. Vor dem Gelände befinde sich ein Parkplatz, der ebenfalls abgeschlossen werden könne. Am Eingangstor des Übungsgeländes befinde sich ein Desinfektionsspender.
Der Antragsteller trage eine FFP2-Maske ab dem Zeitpunkt, ab dem der Kunde das Übungsgelände betrete und bis der Kunde es wieder verlassen habe. Der Kunde trage ebenfalls eine FFP2-Maske ab dem Zeitpunkt, zu dem er aus seinem Auto auf dem Parkplatz aussteige und bis er wieder in sein Auto einsteige.
Während des Einzelunterrichtes werde zu jedem Zeitpunkt ein Mindestabstand von zwei Metern zwischen dem Antragsteller und dem Kunden eingehalten. Am Einzelunterricht dürfe jeweils nur ein Kunde teilnehmen. Es hielten sich somit maximal zwei Menschen und ein Hund auf dem Übungsgelände auf.
Sämtliche Gebrauchsgegenstände und Kontaktflächen wie der Türgriff am Eingangstor würden nach jeder Unterrichtsstunde unverzüglich desinfiziert.
Nach Beendigung der Unterrichtsstunde lege der Kunde das Geld auf einen Tisch oder einen Stuhl bzw. überweise das Geld. Der Antragsteller nehme das Geld erst an sich, sobald sich der Kunde mindestens zwei Meter entfernt habe.
Zur Begründung seines Antrages ließ der Antragsteller ausführen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 29. Mai 2020 unter dem Aktenzeichen … Rn. 31f. festgestellt habe, dass eine Hundeschule ein Dienstleistungsbetrieb im Sinne von § 12 Abs. 2 der 4. BayIfSMV und deshalb unter Beachtung der Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 der 4. BayIfSMV zulässig sei. Dieser Grundgedanke sei auch auf die 11. BayIfSMV anwendbar. Denn bereits in der 4. BayIfSMV habe es die Unterteilung in § 9 Sport, § 11 Freizeiteinrichtungen und § 16 Aus- und Fortbildung gegeben. Es gebe keinen sachlichen Grund, eine Hundeschule in der 11. BayIfSMV anders einzuordnen.
Bei der Hundeschule handle es sich auch nicht um ein Ladengeschäft im Sinne von § 12 Abs. 1 der 11. BayIfSMV. Für den Bereich des Hundefriseurs habe dies das VG Augsburg in seinem Beschluss vom 28.1.2021 (AU 9 E 21.158, Rn. 34) ausdrücklich ausgeführt. Ein Hundefriseur übe seine Tätigkeit in einem Salon, also in einem geschlossenen Raum, aus. Wenn aber nicht einmal ein Hundefriseur ein Ladengeschäft sei, dann könne es eine Hundeschule, die ausschließlich im Freien tätig sei, erst recht nicht sein.
Nach dem BayVGH (a.a.O.) sei der Begriff des Dienstleistungsbetriebes in § 12 Abs. 2 der 4. BayIfSMV weit zu verstehen. Demnach umfasse er sämtliche Einrichtungen mit Kundenkontakt, die gegen Entgelt eine immaterielle Leistung erbrächten. Nichts Anderes könne für die 11. BayIfSMV gelten.
Insbesondere handle es sich bei einer Hundeschule nach den weiteren Ausführungen der Bevollmächtigten des Antragstellers nicht um eine außerschulische Bildungseinrichtung im Sinne von § 20 der 11. BayIfSMV. In Frage kämen insoweit nur „sonstige außerschulische Bildungsangebote“ gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV. Aus dem Verweis auf die Ausnahmen in § 20 Abs. 2 der 11. BayIfSMV und die Aufzählung der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote sowie der Erwachsenenbildung sei zu erkennen, dass es sich stets um Bildungsangebote für Menschen handle. In Hundeschulen würden natürlich auch den Hundehaltern entsprechende Kenntnisse vermittelt. In erster Linie sei es aber eine, wie bereits der Name ausdrücke, Schule für Hunde. Die Hunde müssten zum Beispiel die Grundkommandos „Sitz“, „Platz“, „Bleib“ lernen und gerade nicht der Mensch. Es sei für manchen Hundehalter einfacher, selbst „Bleib“ zu machen, als es dem Hund beizubringen. Aus der Systematik des § 20 der 11. BayIfSMV gehe eindeutig hervor, dass es sich ausschließlich um außerschulische Ausbildungsangebote für Menschen handle und somit § 20 der 11. BayIfSMV im vorliegenden Fall keine lex specialis zu § 12 Abs. 2 11. BayIfSMV darstelle. Diese Schlussfolgerung habe bereits das VG Arnsberg in seiner Entscheidung vom 25.1.2020 (Az.: 6 L 1007/20) getroffen. Die insoweit einschlägige CoronaSchutzverordung des Landes Nordrhein-Westfalen sei in § 7 vergleichbar mit § 20 der 11. BayIfSMV.
Der Antragsteller ließ weiter ausführen, dass mittlerweile in Bayern auch das System „click & collect“ erlaubt sei. Bei diesem System bildeten sich jedoch Schlangen vor den Geschäften, da die vergebenen Zeitfenster nicht nur für einen Kunden, sondern für mehrere gelten würden. Im Gegensatz dazu seien die Termine in der Hundeschule gestaffelt, und auch die Anfangs- und Schlusszeiten seien so gelegt, dass sich die Hundehalter nicht vor dem Freigelände begegnen würden. Das erlaubte System „click & collect“ sei wesentlich riskanter als das Hygienekonzept des Antragstellers. Was dem „Großen“ erlaubt sei, müsse dem „Kleinen“, der sich deutlich strengere Hygienemaßnahmen auferlege, erst recht erlaubt sein. Andernfalls handelte es sich um einen massiven Verstoß gegen das Gleichbehandlungsprinzip.
Die sogenannte „Positivliste“ und die „Negativliste“ auf der Homepage des Bayerischen Gesundheitsministeriums mit Stand: 26. Januar 2021 bezögen sich aber ausdrücklich nur auf § 12 Abs. 1 der 11. BayIfSMV und damit nicht auf Dienstleistungen nach § 12 Abs. 2 der 11. BayIfSMV. Unabhängig davon seien die FAQs auf der Homepage des Bayerischen Gesundheitsministeriums keine Rechtsgrundlage. Sie mögen zwar eine behördeninterne Auslegungshilfe darstellen und den politischen Willen der Bayerischen Staatsregierung verkörpern. Sie würden aber weder Gerichte binden, noch sei der politische Wille eine Rechtsgrundlage. Hätte der bayerische Gesetzgeber etwas Anderes gewollt, hätte er die „Positiv- und Negativlisten“ in die 11. BayIfSMV aufgenommen.
Aber selbst nach den FAQs „Corona-Krise und Wirtschaft“ des Bayerischen Gesundheitsministeriums seien nach der Nummer 3 Hausbesuche von Dienstleistern, die Teil ihrer normalen Tätigkeit seien, mit Ausnahme der körpernahen Dienstleistungen zulässig. Ein Bodenleger dürfe also einen Hausbesuch zum Ausmessen des Parketts unternehmen. Insoweit sei er auf die Anwesenheit des Wohnungsbesitzers angewiesen, der genau zeigen müsse, wo das Parkett verlegt werden solle. Dennoch handle es sich nicht um eine körpernahe Dienstleistung, sondern es genüge ein Abstand, in dem man sich verständigen könne (Hörweite). Nichts Anderes sei jedoch der Einzelunterricht in der Hundeschule auf dem Freigelände des Antragstellers. Der Unterschied liege lediglich darin, dass der Kunde zum Antragsteller komme.
Gemäß § 4 11. BayIfSMV sei der gemeinsame Aufenthalt mit einer weiteren Person außerhalb des eigenen Haustandes erlaubt. Es fänden keinerlei Differenzierungen aufgrund des Anlasses statt, also, ob der Aufenthalt privat oder gewerblich sei. Es bestehe kein sachlicher Unterschied, ob sich zwei Privatpersonen zum Gassigehen träfen oder ob der Antragsteller einem Kunden Unterricht erteile.
Weiter ließ der Antragsteller darlegen, dass der Einzelunterricht in der Hundeschule eine Dienstleistung darstelle, welche nach § 12 Abs. 2 der 11. BayIfSMV nur dann untersagt sei, wenn eine körperliche Nähe zum Kunden unabdingbar sei. Für den Einzelunterricht sei ausschließlich Hörweite erforderlich, weshalb stets ein Mindestabstand von zwei Metern zwischen Kunden und Hundetrainer eingehalten werde.
Der Antragsteller übe keine Dienstleistungen in körperlicher Nähe zum Kunden aus, weshalb seine Leistungen nicht unter das Verbot von § 12 Abs. 2 der 11. BayIfSMV fallen würden. Das vom Antragsgegner ausgesprochene Berufsverbot stelle einen Verstoß gegen das Grundrecht des Antragstellers auf Berufsfreiheit aus Art. 12 GG dar. Ihm werde dadurch die Grundlage geraubt, seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2021 trat der Antragsgegner dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entgegen und führte aus, dass der Betrieb einer Hundeschule bzw. die Ausübung der Tätigkeit als Hundetrainer in den Bereich der außerschulischen Bildung im Sinne von § 20 Abs. 1 der 11. BayIfSMV falle und daher untersagt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der gestellte Antrag gemäß § 123 VwGO erweist sich als zulässig, jedoch unbegründet und war daher abzulehnen.
1. Gemäß § 123 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden (Satz 2).
Vorliegend geht es um ein streitiges Rechtsverhältnis, nämlich um die Frage, ob der Betrieb der Hundeschule in Form des vom Antragsteller beschriebenen Einzelunterrichts unter § 12 Abs. 2 der 11. BayIfSMV vom 15. Dezember 2020 (BayMBl. Nr. 737, BayRS 2126-1-15-G) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 28. Januar 2021 (BayMBl. Nr. 5), fällt, nämlich, ob es sich dabei im Rahmen des vorgelegten Hygienekonzepts zum Einzelunterricht noch um eine Dienstleistung handelt, bei der eine körperliche Nähe zum Kunden unabdingbar ist. Ferner ist streitig, ob der Betrieb der Hundeschule im Rahmen des Einzelunterrichts ein sonstiges außerschulisches Bildungsangebot im Sinne des § 20 Abs. 1 der 11. BayIfSMV darstellt und als solches untersagt ist.
In Abgrenzung zu § 47 Abs. 6 VwGO ist festzustellen, dass der Antragsteller ein Rechtschutzbedürfnis für den gestellten Antrag besitzt: Ersichtlich geht es gerade nicht darum, die Wirksamkeit der oben genannten Normen in Frage zu stellen, sondern vorläufig deren Anwendungsbereich bezogen auf die vom Antragsteller betriebene Hundeschule zu definieren und somit eine bestehende Rechtsunsicherheit vorläufig zu lösen.
2. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen kann, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO. Vorliegend konnte der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen, weshalb sich der gestellte Antrag als unbegründet erweist.
Die Unbegründetheit ergibt sich nicht aus dem Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache. Vielmehr wäre die begehrte Anordnung im Hinblick auf das grundgesetzlich verankerte Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) geradezu geboten, wenn ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache für den Betroffenen schlechterdings unzumutbar wäre. Insoweit wäre zugunsten des Antragstellers zu berücksichtigen, dass zum einen eine Entscheidung in der Hauptsache vor Ablauf der befristeten Gültigkeit der 11. BayIfSMV (vorläufig zum 14. Februar 2021) nicht zu erwarten ist, dass zum anderen jeder Tag, den der Antragsteller seine Hundeschule nicht betreiben kann, zu existenzbedrohenden Umsatzverlusten führen kann, mithin nicht wieder gut zu machende Nachteile bzw. Schäden nach sich ziehen kann (vgl. zum Streitstand Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018 Rn. 102 – 105f. beck-online).
Allerdings sind die Erfolgsaussichten der – hier noch nicht anhängigen – Hauptsache nach ausreichender, aber auch erforderlicher summarischer Prüfung durch das Gericht (korrelierend zum Erfordernis der Glaubhaftmachung) nicht als hoch anzusehen. Denn bei der Hundeschule des Antragstellers handelt es sich zwar um eine Dienstleistung, für welche eine körperliche Nähe nicht unabdingbar sein dürfte (2.1). Allerdings unterfällt die Hundeschule unabhängig von der Frage, ob sie in Form des Gruppen- oder Einzelunterrichts betrieben wird, der Vorschrift des § 20 Abs. 1 11. BayIfSMV, wonach „sonstige außerschulische Bildungsangebote“ in Präsenzform untersagt sind (2.2).
2.1. Bei der Hundeschule des Antragstellers handelt es sich um eine Dienstleistung und nicht um ein Ladengeschäft im Sinne des § 12 Abs. 1 der 11. BayIfSMV.
Insoweit hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 29.5.2020 (20 NE 20.953, Rn. 32f., juris) wie folgt entschieden:
„Eine Hundeschule ist ein Dienstleistungsbetrieb im Sinne von § 12 Abs. 2 4. BayIfSMV und zwar unabhängig davon, ob der Unterricht in Form des Gruppen- oder des Einzelunterrichts stattfindet. Der Begriff des Dienstleistungsbetriebs wird in der von der 4. BayIfSMV nicht definiert. Innerhalb des 5. Abschnitts der 4. BayIfSMV („Wirtschaftsleben“) wird er jedoch den Handelsbetrieben (§ 12 Abs. 1), der Gastronomie (§ 13) und der Hotellerie (§ 14) gegenübergestellt. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist ein Dienstleistungsbetrieb ein Betrieb, der Dienstleistungen, also eine Arbeit in der Wirtschaft, die nicht unmittelbar der Produktion von Gütern dient (vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/ Dienstleistung), anbietet. Nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige zählen zu den Dienstleistungen Handel, Gastgewerbe, Verkehr und Nachrichtenübermittlung, Kredit- und Versicherungsgewerbe, Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung beweglicher Sachen, Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen, Gebietskörperschaften und Sozialversicherung, Erziehung und Unterricht, Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen sowie sonstige öffentliche und persönliche Dienstleistungen (https://www.destatis.de/sta-tic/DE/dokumente/klassifikation-wz-2008-3100100089004.pdf). Auch Begriffsbestimmungen durch Normen anderer Regelungsebenen und -komplexe fallen regelmäßig sehr umfassend aus und bieten daher keinen Anhaltspunkt für eine weitere Eingrenzung (vgl. etwa Art. 57 AEUV: „insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten“). Der Begriff des Dienstleistungsbetriebs in § 12 Abs. 2 4. BayIfSMV ist daher weit zu verstehen und umfasst sämtliche Einrichtungen mit Kundenkontakt, die gegen Entgelt eine immaterielle Leistung erbringen. Ausgenommen von § 12 Abs. 2 4. BayIfSMV sind nach allgemeinen Regeln der Normkonkurrenz lediglich solche Betriebe, für die der Verordnungsgeber Sonderregelungen erlassen hat.“
(Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 29. Mai 2020 – 20 NE 20.953 -, Rn. 32 – 33, juris)
Diesen Ausführungen schließt sich das hier erkennende Gericht im vorliegenden Verfahren an.
Allerdings kommt es im Folgenden nicht darauf an, ob im Rahmen des hier streitgegenständlichen Einzelunterrichtes „eine körperliche Nähe zum Kunden unabdingbar ist“, was gemäß § 12 Abs. 2 der 11. BayIfSMV zur Unzulässigkeit der Dienstleistung führen würde. Vorliegend spricht einiges dafür, dass im Rahmen des Einzelunterrichts, wie er im Hygienekonzept vom 4. Februar 2021 des Antragstellers vorgesehen ist, eine körperliche Nähe zum Kunden nicht zwingend erforderlich ist. Anders als beim Friseur oder in einer Massagepraxis erscheint ein Unterricht in Hörweite, wie dies die Antragstellervertreterin formuliert hat, durchaus praktikabel und daher möglich.
2.2 Allerdings geht das Gericht vorliegend davon aus, dass es sich bei einer Hundeschule – unabhängig davon, ob der Unterricht in einer Gruppe oder einzeln erteilt wird – um ein sonstiges außerschulisches Bildungsangebot im Sinne vom § 20 Abs. 1 der 11. BayIfSMV handelt, so dass es auf die Entscheidung, ob eine körperliche Nähe des Dienstleisters zum Kunden unabdingbar ist, vorliegend nicht ankommt.
Der Dienstleistungsbegriff und die Subsumtion unter die „sonstigen außerschulischen Bildungsangebote“ schließen einander nicht aus. Auch in der oben zitierten Definition durch den BayVGH kann die Erbringung von Erziehung und Unterricht eine Dienstleistung darstellen.
Dem Antragsteller ist insoweit Recht zu geben, als die Erziehung eines Hundes nicht unter § 20 Abs. 1 der 11. BayIfSMV fallen würde, sofern allein das Tier erzogen bzw. fortgebildet würde. Bezogen auf ein Tier verböte sich bereits der Begriff „Bildung“ oder auch „Fort- und Weiterbildung“, da hier begriffsnotwendig von der Subjektivität (nicht unbedingt Freiwilligkeit) desjenigen, für den das Bildungsangebot gemacht wird, auszugehen sein wird. Solange also der Antragsteller ausschließlich mit dem Hund arbeiten würde, unterfiele die Hundeschule wohl nicht dem Bildungsbegriff in § 20 Abs. 1 der 11. BayIfSMV. Da jedoch der Hundehalter auch nach dem Hygienekonzept des Antragstellers zwingend an der Unterrichtsstunde teilnimmt, ist der Anwendungsbereich nach Auffassung des hier erkennenden Gerichts eröffnet.
Denn letztlich geht es in einer Hundeschule darum, dem Hundehalter aufzuzeigen, wie er mit dem Tier umgehen muss, um bestimmte Verhaltensweisen zu erzeugen. Hier werden dem Halter Hilfestellungen gegeben, wie, in welcher Lautstärke, mit welcher Mimik und Gestik er mit dem Tier kommunizieren muss, um den Hund zu erziehen.
Dies entspricht auch der „Philosophie“ des Antragstellers, die er auf seiner Homepage folgendermaßen formuliert hat: „Unser Ziel ist es, Ihnen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben.“ Und: „Wir zeigen Ihnen, wie Sie Alltagsprobleme bewältigen, eine stabile, klare Bindung zu Ihrem Hund aufbauen und halten können.“ (https://www. … zuletzt abgerufen am 6. Februar 2021).
Das OVG NRW hat in seinem Beschluss zu § 7 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO vom 30. November 2020 (GV. NRW S. 1060a) in der zuletzt durch Verordnung vom 30. Dezember 2020 (GV. NRW. S. 1212c) geänderten Fassung des Landes Nordrheinwestfalen entschieden:
„Anders als die Antragstellerin meint und es der Begriff ‚Hundeschule‘ nahezulegen scheint, dürfte es bei den unter dieser Bezeichnung angebotenen Schulungen regelmäßig jedenfalls auch, wenn nicht gar in erster Linie, um die Unterrichtung von und Wissensvermittlung gegenüber den Hundehaltern gehen. Diesen sollen nicht nur allgemein der richtige Umgang mit ihrem Hund und Kenntnisse der Grunderziehung, sondern auch situationsbedingte Handlungs- und Erziehungsstrategien vermittelt werden. Schulungsobjekt einer Hundeschule dürfte daher jedenfalls nicht ausschließlich der Hund, sondern gerade auch der Hundehalter sein.“
(Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Dezember 2020 – 13 B 1787/20.NE -, Rn. 64, juris)
Diesen Ausführungen schließt sich das hier erkennende Gericht im vorliegenden Verfahren an.
Die Ausführungen des BayVGH, „dass der Betrieb einer Hundeschule auch keinem der in Teil 6 der 4. BayIfSMV geregelten Ge- und Verbote im Bereich von Bildung und Kultur unterfällt“ (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 29. Mai 2020 – 20 NE 20.953 -, Rn. 38, juris), stehen dem ebenfalls nicht entgegen. Denn zum einen erfolgte die damalige Entscheidung auf der Grundlage der damals gültigen 4. BayIfSMV, zum anderen kam es auf diese Frage in dem vom BayVGH zu entscheidenden Verfahren nicht maßgeblich an, so dass die insoweit getroffene Aussage nicht weiter begründet werden musste.
Darauf, dass sich die Rechtslage im Rahmen der momentan gültigen 11. BayIfSMV – hier zu Lasten einer Hundeschule – gegenüber der 4. BayIfSMV geändert hat, verweist der Antragsgegner zu Recht.
Nach alledem sind die Erfolgsaussichten einer etwaigen Hauptsache vorliegend als gering einzustufen, so dass der hier gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen war. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18.7.2013.


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