Aktenzeichen 6 PB 36/09
Leitsatz
Eine nach § 8 SAPersVG verbotene Benachteiligung verlangt eine kausale Verknüpfung zwischen Schlechterstellung und Personalratsfunktion; auf eine Benachteiligungsabsicht kommt es dagegen nicht an.
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 13. August 2009, Az: 5 L 21/06, Beschlussvorgehend VG Halle (Saale), 19. Juli 2006, Az: 11 A 19/05 HAL
Gründe
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Die Beschwerden des Antragstellers und des Beteiligten zu 2 gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 78 Abs. 2 SAPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG haben keinen Erfolg.
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1. Mit der Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG wollen der Antragsteller und der Beteiligte zu 2 zunächst geklärt wissen, ob eine Benachteiligung eines Personalratsmitgliedes im Sinne von § 8 SAPersVG nur dann vorliegt, wenn eine Benachteiligungsabsicht besteht.
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a) Diese Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie in der Senatsrechtsprechung bereits im Sinne des Antragstellers geklärt ist.
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Danach bedeutet das Benachteiligungsverbot, dass Personalratsmitglieder nicht schlechter behandelt werden dürfen als vergleichbare Beschäftigte ohne Personalratsamt (vgl. Beschlüsse vom 27. Januar 2004 – BVerwG 6 P 9.03 – Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 33 S. 14, vom 25. Februar 2004 – BVerwG 6 P 12.03 – Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 34 S. 23, vom 25. November 2004 – BVerwG 6 P 6.04 – Buchholz 251.7 § 40 NWPersVG Nr. 3 S. 7 und vom 21. Mai 2007 – BVerwG 6 P 5.06 – Buchholz 251.5 § 42 HePersVG Nr. 1 Rn. 25). In den entschiedenen Fällen, in denen es um Reise- und Prozesskosten für Personalratsmitglieder ging, war die kausale Verknüpfung zwischen Schlechterstellung und Personalratsfunktion Grundlage für die verbotene Benachteiligung. Eine Benachteiligungsabsicht hat der Senat dagegen in seiner neueren, aktuellen Rechtsprechung nicht verlangt. Anders lautende ältere Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 7. Oktober 1964 – BVerwG 6 C 70.62 – BVerwGE 19, 279 = Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 1 S. 4), der ein Teil der Kommentarliteratur bis heute folgt (vgl. Faber, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 8 Rn. 31; Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 11. Aufl. 2008, § 8 Rn. 10; Fischer/Goeres/Gronimus, in: GKÖD Bd. V, K § 8 Rn. 15; Bieler, in: Bieler/Vogelgesang/Plaßmann/Kleffner, Landespersonalvertretungsgesetz Sachsen-Anhalt, § 8 Rn. 34), ist daher überholt.
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Es besteht daher Übereinstimmung mit der in der Beschwerdebegründung zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Danach ist die Benachteiligung verboten, wenn sie in ursächlichem Zusammenhang mit der Wahrnehmung personalvertretungsrechtlicher Aufgaben und Befugnisse steht und nicht aus sachlichen Gründen erfolgt. Dabei genügt das objektive Vorliegen einer Benachteiligung des Funktionsträgers wegen seiner Amtstätigkeit. Auf eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (vgl. Urteile vom 16. Februar 2005 – 7 AZR 95/04 – AP Nr. 26 zu § 46 BPersVG Bl. 1748 R und vom 7. November 2007 – 7 AZR 820/06 – BAGE 124, 356 Rn. 24).
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Die vorbezeichnete objektiv-kausale Betrachtungsweise verleiht dem personalvertretungsrechtlichen Benachteiligungsverbot die nötige Effizienz. Es entfaltet auch in solchen Fällen Rechtswirksamkeit, in welchen der Beschäftigte in ursächlichem Zusammenhang mit seiner Personalratstätigkeit ohne sachliche Rechtfertigung zurückgesetzt oder schlechter gestellt wird, ohne dass dies vom Dienststellenleiter bezweckt oder auch nur gewollt ist (vgl. Altvater/Hamer/Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 6. Aufl. 2008, § 8 Rn. 14; Treber, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 3. Aufl. 2008, § 8 Rn. 21).
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b) Der Senat kann die Grundsatzrüge nicht in eine Divergenzrüge umdeuten und auf dieser Grundlage die Rechtsbeschwerde zulassen. Denn auf einer Abweichung von der zitierten Senatsrechtsprechung beruht der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts nicht (§ 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG).
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Allerdings ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Verletzung des Benachteiligungsverbots Verschulden voraussetzt, mithin die verbotene Benachteiligung als gewollte Reaktion auf die jeweilige Tätigkeit erfolgen muss. Folgerichtig hat es dem Personalratsmitglied, welches eine Benachteiligung rügen will, hinsichtlich der Benachteiligungsabsicht die Beweislast auferlegt. Angesichts der praktischen Schwierigkeiten, einen solchen Beweis zu führen, hat es jedoch ausreichen lassen, dass nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins die Annahme einer Benachteiligungsabsicht wahrscheinlich ist. Es hat daher die im vorliegenden Fall maßgeblichen Umstände daraufhin geprüft, ob sich aus ihnen nach der Lebenserfahrung auf eine Benachteiligungsabsicht des Beteiligten zu 1 zu Lasten des Antragstellers schließen ließ (vgl. zum Anscheinsbeweis allgemein: BAG, Urteile vom 18. Januar 1995 – 5 AZR 817/93 – BAGE 79, 115 und vom 6. Juni 2007 – 4 AZR 573/06 – AP Nr. 37 zu § 1 TVG Tarifverträge: Lufthansa, Rn. 24).
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Dieselbe beweisrechtliche Problematik ergibt sich jedoch hinsichtlich der kausalen Verknüpfung zwischen Schlechterstellung und Personalratsfunktion, welche für die Feststellung einer nach § 8 SAPersVG verbotenen Benachteiligung erforderlich ist. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der vorliegende Fall von denjenigen, welche der zitierten neueren Senatsrechtsprechung zugrunde lagen. Während dort der notwendige Kausalzusammenhang evident war (vgl. Beschlüsse vom 27. Januar 2004 a.a.O. S. 14 f., vom 25. November 2004 a.a.O. S. 7 und vom 21. Mai 2007 a.a.O. Rn. 26), lag es hier nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts anders. Danach waren äußerer Anlass für die unterwertige Beschäftigung des Antragstellers die Auflösung der drei Regierungspräsidien, darunter der Beschäftigungsdienststelle des Antragstellers, und die Errichtung des Landesverwaltungsamts zum 1. Januar 2004 (§ 6 Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz vom 27. Februar 2003, GVBl LSA S. 40, und Art. 1 des Gesetzes zur Neuordnung der Landesverwaltung vom 17. Dezember 2003, GVBl LSA S. 352), die daraus resultierenden Unstimmigkeiten in der Stellenbewertungspraxis und die generellen Schwierigkeiten amtsangemessener Beschäftigung der Mitarbeiter. Angesichts dieses für sich gesehen “neutralen” Ausgangspunktes galt es Umstände zu ermitteln und zu würdigen, die den Schluss auf eine Schlechterstellung des Antragstellers in ursächlichen Zusammenhang mit seiner Personalratsfunktion zuließen. Solche Umstände hat das Oberverwaltungsgericht nicht festzustellen vermocht. Dass es bei Anlegung eines objektiv-kausalen Maßstabes zur einem anderen Ergebnis gelangt wäre, ist nicht erkennbar und wird auch in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 92a Satz 2 ArbGG).
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2. Mit der Grundsatzrüge wollen der Antragsteller und der Beteiligte zu 2 weiter geklärt wissen, ob eine nicht amtsangemessene Verwendung einen Verstoß gegen § 8 SAPersVG indiziert, wenn der Dienststellenleiter in Kenntnis der fehlerhaften Verwendung den Ausgang eines beamtenrechtlichen Verfahrens abwartet. Diese Rechtsfrage ist nicht entscheidungserheblich, weil der angefochtene Beschluss davon nicht abhängt.
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Die in der Beschwerdebegründung formulierte Fragestellung unterstellt einen Sachverhalt, in welchem der Dienststellenleiter erst durch eine gerichtliche Entscheidung gezwungen wird, dem Anspruch des Personalratsmitgliedes auf amtsangemessene Beschäftigung nachzukommen. Dass die Fragestellung in diesem Sinne zu verstehen ist, bestätigt der Vortrag auf Seite 3 der Beschwerdebegründung; dort heißt es: “Der Antragsteller hat ein dienstrechtliches Verfahren beim Verwaltungsgericht eingeleitet. Dort hat der Beschwerdegegner nicht anerkannt … Der Beschwerdegegner hat den Ausgang dieses Verfahrens abgewartet und den Antragsteller nicht zuvor anderweitig verwendet. Infolge der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wurde der Antragsteller ab 01.09.2005 amtsangemessen verwendet.”
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Diese Darstellung trifft nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht zu. Danach ist das vom Antragsteller eingeleitete beamtenrechtliche Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit beiderseitiger Erledigungserklärung abgeschlossen worden (Beschlussabdruck S. 2). Diese Feststellung stimmt überein mit der Darstellung, welche der Antragsteller selbst im erstinstanzlichen Verfahren gegeben hatte; dort hatte er auf Seite 2 seines Schriftsatzes vom 4. Januar 2006 vorgetragen: “Erst nachdem der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Verwaltungsgericht gestellt hat, bewegte sich die Antragsgegnerin und kam der Anregung nach, dem Antragsteller eine amtsangemessene Beschäftigung zu übertragen. Hieraufhin wurde das einstweilige Anordnungsverfahren aufgrund beidseitiger Erledigungserklärung eingestellt.” Dementsprechend hat das Oberverwaltungsgericht bei der Würdigung dieses Vorgangs das Wort “Abwarten” in Anführungszeichen gesetzt und maßgeblich darauf abgestellt, dass der Beteiligte zu 1 zugunsten des Antragstellers tätig geworden ist, ohne dass es einer streitigen gerichtlichen Entscheidung bedurfte (Beschlussabdruck S. 9). Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Rechtsfrage hat sich dem Oberverwaltungsgericht daher nicht gestellt.