Verwaltungsrecht

Personenverschiedenheit des Anhörenden und Entscheidenden im Verfahren beim Bundesamt

Aktenzeichen  9 ZB 17.30994

Datum:
8.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 123005
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 5, § 24, § 31, § 78 Abs. 3 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Dass die personelle Einheit von Anhörer und Entscheider sinnvoll sein mag, weil es in Asylsachen nicht selten entscheidend auf die Glaubwürdigkeit des Antragstellers ankommt, begründet nicht die Entscheidungserheblichkeit der Frage nach der Zulässigkeit der Personenverschiedenheit des Anhörenden und Entscheidenden im Verfahren beim Bundesamt. (Rn. 3 – 6) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Anhörung des Asylsuchenden gehört nicht zu den Aufgaben des Entscheiders beim Bundesamt, auch wenn ihm diese Aufgabe zusätzlich übertragen werden kann; verfassungsrechtliche Bedenken sind insoweit nicht ersichtlich. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 4 K 17.30807 2017-05-26 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der vom Kläger allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) wird nicht im Sinn des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegt.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird. Erforderlich ist die Formulierung einer konkreten Tatsachen- oder Rechtsfrage und das Aufzeigen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist, sowie weshalb dieser Frage eine allgemeine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2015 – 9 ZB 15.30097 – juris Rn. 18 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
1. Soweit der Kläger die Personenverschiedenheit des Anhörenden und Entscheidenden im Verfahren beim Bundesamt beanstandet und die Frage für grundsätzlich bedeutsam hält, „ob der Entscheider lediglich aufgrund des Protokolls der Anhörung eine Entscheidung trifft oder aufgrund des persönlichen Eindrucks“, wird nicht dargelegt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig sein soll.
Das Verwaltungsgericht hat den Kläger angehört und sich damit selbst einen Eindruck von dessen Glaubwürdigkeit verschafft, so dass es darauf, ob sich auch der Entscheider des Bundesamts einen derartigen Eindruck hätte verschaffen müssen, nicht mehr ankommt (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.1996 – 9 B 174.96 – JurionRS 1996, 21040).
Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage bereits verneint, weil sich ihre Beantwortung unmittelbar aus dem (Asylverfahrens-) Gesetz lösen lässt. Danach gehört die Anhörung des Asylsuchenden nicht zu den Aufgaben des Entscheiders beim Bundesamt, auch wenn ihm diese Aufgabe zusätzlich übertragen werden kann; verfassungsrechtliche Bedenken sind insoweit nicht ersichtlich (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.1996 a.a.O. zu § 5 Abs. 2 Satz 1, § 24 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG a.F.; ebs. BayVGH, B.v. 23.7.1997 – 24 B 96.32748 – BeckRS 1997, 25163; VGH BW. B.v. 31.1.2017 – A 9 S 1047.16 – juris). Aus § 5, §§ 24 f., § 31 AsylG n.F. und den Bestimmungen der Asylverfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU) ergibt sich nichts anderes.
Dass die personelle Einheit von Anhörer und Entscheider sinnvoll sein mag, weil es in Asylsachen nicht selten entscheidend auf die Glaubwürdigkeit des Antragstellers ankommt (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.1996 a.a.O.), führt ebenso wenig auf die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage hin. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt: „Auf den persönlichen Eindruck vom Kläger kam es ausweislich des streitgegenständlichen Bescheids nicht an. Sein Asylantrag wurde (Anm.: vom Bundesamt) nicht wegen fehlender Glaubhaftigkeit seines Vorbringens oder seiner Glaubwürdigkeit abgelehnt; vielmehr ist die Entscheiderin von den Angaben des Klägers ausgegangen.“ Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander.
2. Mit dem weiteren Vorbringen, dem schon keine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage zugrunde gelegt wird, wendet sich die Zulassungsbegründung im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und gegen die Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht. Damit wird jedoch kein im Asylverfahrensrecht vorgesehener Zulassungsgrund angesprochen (vgl. BayVGH, B.v. 24.7.2015 – 9 ZB 14.30457 – juris Rn. 13 m.w.N.).
Davon abgesehen hat das Verwaltungsgericht den Anspruch des Klägers auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nicht allein wegen mangelnder Glaubwürdigkeit des klägerischen Vortrags verneint. Es hat in seiner Entscheidung unter Bezugnahme auf den Bescheid des Bundesamts vom 6. Februar 2017 und unter Würdigung der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen sowie der Aussage der in der mündlichen Verhandlung vom 19. Mai 2017 vernommenen Zeugin zugleich darauf abgestellt, dass der Kläger vor seiner Ausreise – auch mit erheblichen psychischen Beeinträchtigungen – habe leben und seinen Lebensunterhalt bestreiten können, weshalb nicht ersichtlich sei, was dem in Zukunft entgegenstehen könne und ohne, dass es offenbar zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung gekommen sei, und dass im Übrigen Unterstützungsdienste durch einige internationale und lokale Agenturen – auch beim Sozialministerium – angeboten würden. Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander. Das Vorbringen, die humanitären Verhältnisse und Behandlungsmöglichkeiten in Sierra Leone seien – „wie vorgetragen“ – sehr schlecht, insbesondere was Personen mit Traumata anbelange, setzt sich nicht substantiiert mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinander, wonach die medizinische Versorgung im Zielstaat nicht der in der Bundesrepublik Deutschland entsprechen muss und eine ausreichende medizinische Versorgung auch dann vorliegt, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (s. § 60 Abs. 7 Satz 3 und 4 AufenthG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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